Die Entführung aus dem Serail - Zürich 2003, 3SAT, 29.08.08

  • Ich ziehe mal diese Stimmen aus dem "Was höre ich gerade jetzt" - Thread hierher in der Hoffnung, dass sich daraus noch eine Diskussion zu dieser Aufführung und Übertragung entwickelt, obwohl die Inszenierung und Aufführung selbst schon von 2003 ist, also aus dem Jahr 1 vor Tamino stammt. Vielleicht erinnern sie manche ja noch im Original. J.R. II





    Ich habe mich von der Ausstrahlung vor den Fernseher entführen lassen und sie vom herben Anfang bis zum bitteren Ende angesehen (gab ja sonst nix) und stimme fast zu 100 % mit Ulli überein. Diese nicht nur öde, sondern auch noch in einer potthässlichen, absolut nichtssagenden Dekoration mit Zimmerpalme angesiedelte Inszenierung soll von Jonathan Miller sein? Da kann man der damaligen Kritik des "Tagesanzeiger" nur zustimmen: "Sechs Personen suchen einen Regisseur", oder der NZZ: "Damit geschieht nichts Falsches, auch nichts, worüber man sich aufregen könnte; es geschieht einfach gar nichts." Wer übrigens die damalige Presse nachlesen will. kann das hier tun: "http://www.impresario.ch/review/revmozent.htm#NZZ"


    Der Produzent Francois Duplat, einst ein sehr rühriger Filmhändler und -produzent mit offenbar sehr guten Verbindungen zu 3SAT und ARTE, der schon seit Jahren so gut wie alle Aufzeichnungen der Züricher Oper betreut, hat zudem eine ausgesprochen unglückliche Hand in der Auswahl seiner Filmteams. Was der für diese Aufzeichnung zuständige Bildregisseur hier abliefert, ist eine einzige Zumutung. Zugegeben, die ENTFÜHRUNG ist mit ihren vielen Arien kein leicht ins Bild zu bringendes Werk, aber das ist noch lange kein Grund, während der Ouvertüre wahllos über den Zuschauerraum zu schwenken, so dass man das Gefühl einer Panne hat, wenn zufällig ein Teil des Dirigenten ins Bild kommt. Oder permanent auf Händeringen zu fokussieren, damit man nicht immer singende Köpfe sieht, so dass man das Gefühl hat, dies sei vor allem eine Oper für 16 Pfoten und die ölige Mimik eines Starschauspielers.


    Musikalisch findet das ganze zum Glück auf einer deutlich besseren Ebene statt. Malin Hartelius war mir, offen gestanden, bislang kein Begriff, obwohl sie auf vielen DVDs aus Zürich und andernorts vertreten ist, für mich also eine Entdeckung, die sich lohnte, auch wenn sie als Schauspielerin schnell an Grenzen stößt. Pjotr Beczala, der ja nicht zu den Zuverlässigsten seiner Zunft zählt und sicher nie einen Darstelleroscar gewinnen wird, hatte bei der Aufzeichnung wohl nicht seinen besten Tag. Vielleicht liegt ihm auch die Partie nicht so. Jedenfalls ließ er viele bessere Konkurrenten vernissen. Von dem Osmin von Alfred Muff war ich nach anfänglichen Zweifeln recht angetan. Er war es allerdings von der Regie wohl weniger, denn er schien den ganzen Abend unsicher, ob er hier in einem Singspiel mitwirkte oder doch den Pizzarro geben sollte. Die Glanzpartie des Abends war das Blondchen der Patricia Petibon, die stimmlich und darstellerisch mehr aus dieser Rolle herausholte, als ich je sonst gehört oder gesehen habe, und das ohne jede erkennbare Unterstützung durch die Regie! Dieses Urviech von Stimmschauspielerin ist es ganz allein wert, diese Aufführung auch zu sehen. Leider hatte sie mit dem Pedrillo Boguslav Bidzinskis, der allgemein mit seiner Partie, besonders aber mit dem "Frisch zum Kampfe" hoffnungslos überfordert war (von den Dialogen ganz zu schweigen, aber da war er nicht der Einzige), den mit Abstand schwächsten Partner des singenden Quintetts an der Seite. Die musikalische Leitung Christoph Königs gefiel mir sehr gut. Gelegentliche Wackler und ein leider sehr schlecht ausbalanciertes Quartett ("Ach Belmonte" ), das sonst für mich immer der Höhepunkt der Oper ist, halte ich dem Live-Charakter der Aufzeichnung zugute. Der schwachbrüstige Chor wurde anscheinend von dem sparsamen Zürcher Stadtkämmerer besetzt. Oder ist die Bühne dort wirklich so klein, dass kaum mehr als zehn Personen dort gleichzeitig Platz finden? Jedenfalls hätten die paar Chorsänger fast ein Extrahonorar als Solisten verdient.


    Ach ja, und dann gab es noch diesen Starschauspieler, der sich durch den Part des Bassa schmierte. Ich habe mich den ganzen Abend gefragt, ob ich Mozart dankbar sein sollte, dass er den Part nicht singen ließ oder ihm deshalb böse sein, denn dann hätte ich mir kein 'm' in den Nachnamen des Herrn Brandauer zu wünschen brauchen. So aber brauchte es eine scharfen Chemikalie um den Ölteppich zu beseitigen, den er hinterließ. Zum Glück handelte es sich nicht um die ZAUBERFLÖTE, so dass keine Vögel darin verenden mussten.


    Insgesamt eine arge Enttäuschung mit einer sehr guten Konstanze und einer absolut superben (Rot-)Blonde, die das Ganze doch nicht zur Zeitverschwendung geraten ließen. Trotzdem kein Grund, sich diese DVD der Aufführung zuzulegen:



    Das Geld sollte man lieber in eine der anderen Aufführungen investieren, in denen Patricia Petibon mitiwirkt. Tipps dazu gibt es hier: Mut zur Hässlichkeit: Patricia Petibon


    :hello: Jacques Rideamus

  • Ich habe durch einen Zufall die letzten paar Minuten gesehen und muß sagen daß hier in der Tat langweiliges geboten wurde, und ich den Chor als schrecklich empfand (viel mehr habe ich nicht gehört)
    Die leicht stilisierten, aber ansonst der Zeit entsprechenden Kostüme waren desungeachtet aus meiner Sicht hässlich, und wirkten wie Faschingskostüme, notabene in der IMO überhaupt nicht passenden Dekoration.Orientalischer Prunk und Rokokokostüme wirken nur, wenn sie unstilisiert und aufeinander farblich abgestimmt werden und in der richtigen Dekoration eingesetzt werden. Hier war immer ein bisschen zu viel oder zu wenig eingesetzt worden. "Ich will - aber ich kann nicht " sagt man bei uns in Wien. Besonders beeindruckt hat mich Brandauers gelangweiltes Gesicht - ich konnte nicht eruieren, ob es abgeklärt, resigniert oder gelangweilt sein sollte. Selim als verbrauchter alter Mann....


    Das Wenige, das ich hören und sehen konnte, erinnerte mich ein wenig an eine Schüleraufführung und weckte nicht die Lust in mir, die Oper in dieser Inszenierenung in voller Länge zu "geniessen"


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Jacques Rideamus
    Pjotr Beczala, der ja nicht zu den Zuverlässigsten seiner Zunft zählt und sicher nie einen Darstelleroscar gewinnen wird, hatte bei der Aufzeichnung wohl nicht seinen besten Tag. Vielleicht liegt ihm auch die Partie nicht so. Jedenfalls ließ er viele bessere Konkurrenten vernissen.



    Lieber Rideamus,


    ich hab gestern nur zugehört, kann also zur schauspielerischen Darstellung leider nichts sagen.


    Allerdings hatte ich schon bei der ersten Arie den Eindruck, dass das nicht Beczalas Abend war, denn ich empfand ihn schon stimmlich als unsicher und (möglicherweise daraus resultierend) die Interpretation als blass. Vielleicht war aber auch dieser Belmonte schon zu spät für ihn, nachdem er sich in seinem Repertoire deutlich ins Spintofach orientiert.


    Dass ihm die Partie grundsätzlich liegt (oder in seinen früheren Jahren lag?), beweist er aber auf dieser Aufnahme:


    Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
    Die Entführung aus dem Serail


    Bezcala, Habermann, Ellen, Ringelhahn,
    Bruckner Orchester Linz, Sieghart
    Label: Oehms , DDD, 96





    Ansonsten muss ich mir die Aufzeichnung, die ich gestern machte, erst mal in Ruhe ansehen...



    LG, Elisabeth

  • also wie gesagt, mir hat das Orchester gefallen, weil es gestaltete und nicht bloß begleitete. Bei einigen wenigen Passsagen hätte ich mir etwas schnellere Tempi gewümscht (Ich hatte mir diese DVD vor längerer Zeit mal reingezogen) . Die meisten anderen Entführungen, die ich mir reingezogen hatte, waren dagegen orchestral langweilig. Und was nützen dann in solchen Fällen die besten Stimmen ?


    :hello:


    Amfortas 08

  • Hallo zusammen,


    kurzer Zwischenbericht nach dem ersten Akt:



    Regie - äh, hab ich was verpasst? Eine nennenswerte Regie findet nicht statt - umgekehrt aber auch keine, die stören würde.


    Bühnenbild: eher nichtssagend.


    Orchester: wunderbar - und vielleicht schadet es nicht wirklich, wenn mancher Sänger leicht zugedeckt wird :untertauch:


    Den Sängern würde ich gern noch die beiden anderen Akte geben, bevor ich eine Aussage über sie treffe.


    Aber: Liebend gern würde ich Brandauer ausblenden können. Denn dieser Bassa ist nicht nur schmierig, ich wäre geneigt, an seinem Geisteszustand zu zweifeln. Ob dieser debile Bassa in Konstanze wirklich mehr sieht als ein Spielzeug, über dessen genauen "Verwendungszweck" ihn im wahrsten Sinn des Wortes noch niemand aufgeklärt hat?


    :pfeif:


    LG, Elisabeth

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  • d'accord


    Habe gestern abend mitgeschnitten und auch gesehen. Nun ist die Entführung nicht eine meine liebsten Opern, aber ich wollte mein Urteil über sie positivieren. Leider hat das nicht geklappt. Während ich Osmin noch ganz erträglich fand, zumindestens sängerisch, nicht gut - erträglich, denn wie Ulli schon schrieb, er war weder lustig noch tolpatschig, fand ich Brandauer genau wie Du liebe Elisabeth einfach nur schmierig, unangenehm, ja sogar abstoßend.


    Die beiden Frauen haben mir recht gut gefallen, besonders Patricia Petibon.


    Die Regie fand ich eigenartig. Ob der Kameramann ein Faible für Kleidermuster hat fragte ich mich desöfteren, oder war das Bühnenbild wirklich so langweilig, das er nicht wusste was er uns sonst noch zeigen soll. ?(


    LG


    Maggie


  • Dem mag ich widersprechen: Zwar fand auch ich das Orchester prinzipiell gut [wie auch die Tempi], ABER:


    Oftmals waren Orchester und Solisten nicht zusammen, was schon arg störend war und eben sooft hat das Orchester die Solisten wie auch den Chor einfach zugedeckt.


    Toll waren aber die hörbaren Piccoloflöten - eine Seltenheit.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Hallo zusammen,


    zu Bassa Selim Brandauer fiel mir spontan die Frage ein, warum er seine Zeit nicht mit Lustknäblein verbringen und damit dieser Oper hätte fernbleiben können.
    Malin Hartelius habe ich als wunderbar singende und lebhaft agierende Pamina aus Schwetzingen in Erinnerung. Ihre gestrige Konstanze war zwar auch hervorragend gesungen, doch darstellerisch blieb sie ihrer Rolle nahezu alles schuldig. Schade!
    Für Pjotr Beczala war es wohl auch nicht sein Abend. Nun, die Aufführung war vor 5 Jahren, damals müßte er noch ganz im lyrischen Fach zuhause gewesen sein. Doch die flackernde Höhe überraschte mich auch. Das konnten auch die zahlreichen un-mozärtlichen Verzierungen nicht ausgleichen. Im Gegenteil: weniger wäre hier mehr gewesen.
    Weiters mußte ich feststellen, daß die Züricher Oper sich mit den Bässen schon länger schwer tut. Den Osmin mit Alfred Muff zu besetzen war nicht sehr gücklich. Warum nicht Matti Salminen? Osmin braucht Tiefe!
    Der Lichtblick des Abends war für mich das Blondchen von Patricia Petibon. Ein Supertalent mit Spielwitz und schöner Stimme. Sie brachte für diese Rolle alles mit, was dazugehört.
    Boguslav Bidzinski konnte da als Pedrillo weder sängersch noch darstellerisch mithalten.


    Insgesamt eine ziemlich durchwachsene Aufführung, zum Kauf der DVD werde ich mich wohl nicht durchringen können.
    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von Siegfried


    zu Bassa Selim Brandauer fiel mir spontan die Frage ein, warum er seine Zeit nicht mit Lustknäblein verbringen und damit dieser Oper hätte fernbleiben können.


    Lieber Siegfried,


    dieser Gedanke ist auch nicht von der Hand zu weisen :pfeif:


    Mich stört aber neben dem, was ich schon rügte, auch sein sehr großzügiger und viel zu beiläufiger Umgang mit dem Text.


    Die Sänger:


    Petibon herausragend - stimmlich wie darstellerisch.
    Hartelius "nur" stimmlich gut.


    Muff keine Idealbesetzung, Beczala hatte wirklich nicht seinen Tag.


    Beim Pedrillo fiel mir nur ein Sänger ein, der noch schlechter war, und den hörte ich 1985 am Landestheater Coburg... :untertauch:



    Alles in allem eine verzichtbare DVD...



    LG, Elisabeth

  • Ich habe mir die Aufzeichnung ganz angesehen, weil mir die "Entführung" eine der liebsten Mozart-Opern ist. Leider fühlte ich mich was die Bildegie/Fernsehregie angeht, an die Tannhäuser-Aufnahme ebenfalls aus Zürich mit Peter Seiffert (DVD bei EMI) erinnert:


    Kaum eine oder keine Totalen, die die Position der Sänger zueinander auf der Bühne deutlich werden lassen; ständig Großaufnahmen von Sängern, ob sie nun gerade dran sind oder nicht (daraus folgend: ständige Hin- und Herschwenks), beim Quartett werden nie alle 4 zugleich gezeigt; die Bühnenillusion wird durch Einblendung der Sänger Backstage geraubt; ständig Close ups von Händen, Gesichtern, Dekolletes ohne dass das dramturgisch einen Sinn gemacht hätte.


    Fazit: Inszenierung schwer zu bewerten, weil von der Bildregie nicht wirklich eingefangen. Der Fernsehzuschauer, der, entgegen dem Opernbesucher, den Blick nicht selber steuern kann sondern vom Bildregiesseur geführt werden muss, erhält eben diese Führung nicht. Mich hat das ganze sehr kribbelig gemacht.


    Christian

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  • Hallo Ulli,
    Meine Lieben,


    Da bin ich mit meiner Meinung einmal ziemlich isoliert. Ich glaube nämlich, Ihr habt den Regisseur nicht verstanden, der vieles nur andeutet, aber nicht plump ausspielen läßt. Das Schwanken der Konstanze, welche die Faszination dieses vielgesichtigen Bassas nur zu sehr spürt; die Entwicklung Belmontes vom arroganten Adeligen zu echter Seelengröße; Osmin einmal nicht so sehr als Karikatur, sondern als Mensch, nicht als Bestie; und vor allem dieser Bassa, der sein inneres Ich nur Momente lang herzeigt, seine Gefühle oft verbirgt hinter Schauspielerei und aufgesetzten Gesten, der dabei hungert nach dem Edlen (er verabschiedet sich nicht umsonst mit einem Händedruck und einem anerkennenden Nicken von Belmonte) - eigentlich ein Idealporträt des Menschen Mozart.
    Die beiden Damen machten den Abend zu einem Mozarterlebnis hohen Ranges. Die Hartelius hat sich damit unter den aktiven Künstlerinnen als meine Lieblings-Mozartsopranistin etabliert.


    So, jetzt dürft Ihr mich in der Luft zerreißen.


    LG


    Waldi

  • Lieber Walter,


    Zitat

    Original von Walter Krause
    Ich glaube nämlich, Ihr habt den Regisseur nicht verstanden, der vieles nur andeutet, aber nicht plump ausspielen läßt.


    Ich glaube, da hat eher der Regisseur seinen Beruf mißverstanden... :rolleyes:
    Er hat für meine Begriffe weder etwas an- noch überhaupt irgendetwas zu deuten. Aber das Gehört sicherlich in einen anderen Thread.


    Die Idee dessen, was Du beschreibst, kam mir zwar auch - aber das Ergebnis, nämlich eine gepflegte Form der Langeweile, spricht für sich.



    Zitat


    Die beiden Damen machten den Abend zu einem Mozarterlebnis hohen Ranges. Die Hartelius hat sich damit unter den aktiven Künstlerinnen als meine Lieblings-Mozartsopranistin etabliert.


    Ich sah und hörte, wie oben geschrieben, nur eine lohnenswerte Sopranistin. Hartelius ist sicherlich nicht der schlechtesten eine, imponiert haben mir allenfalls die kaum unterscheidbaren Halbtöne im hohen Register... ihre Anstrengung war nicht zu übersehen. Von einer "geläufigen Gurgel" gleich der Ur-Constanze Katharina Cavalieri, welche "sang wie Öhl", kann man hier m. E. nicht sprechen.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Walter Krause



    So, jetzt dürft Ihr mich in der Luft zerreißen.


    Lieber Waldi,


    das hab´ ich gar nicht vor. Denn ich finde es sehr interessant, wie Du den Bassa interpretierst. :yes:


    Ich könnte mir auch durchaus vorstellen, dass das die Konzeption der Rolle in Zürich sein sollte, aber: Für mich hat Brandauer das nicht rübergebracht, wobei ich nicht ausschließen will, dass es live auf der Bühne besser wirkte.



    LG, Elisabeth

  • Zitat

    Original von Elisabeth
    Für mich hat Brandauer das nicht rübergebracht, wobei ich nicht ausschließen will, dass es live auf der Bühne besser wirkte.


    Liebe Elisabeth,


    Es kann sicher geholfen haben, daß ich Brandauer auch schon live erlebt habe (und außerdem jahrelang etwas eifersüchtig auif ihn war, da meine Frau nach einem Salzburger "Jedermann" für ihn schwärmte, grrrrrr! Aber wie ich zugeben muß, war das verständlich). Wenn man seinen Typ nicht kennt und auch den hellen Klang seiner Stimme das erste Mal hört (für einen Bassa zweifellos ungewohnt), dann kann ich mir schon vorstellen, daß man sich mit ihm schwerer tut.


    Hallo Ulli,


    Immerhin interessant, daß Dir die gleiche Idee kam. Könnte es nicht sein, daß die etwas manierierte Bildregie zumindest mit schuld war, daß es für Dich nicht so rüber kam? Die Kamera immer wieder auf Bäuche zu richten, war höchstens zweimal originell, dann nervte es ein wenig.
    Ich gebe zu, daß die Inszenierung eher statisch angelegt ist (und eine Ponnellsche wäre mir auch lieber), und das vielleicht ausgeglichen werden sollte. Als Action war es nicht überzeugend, mir altem Kitschromantiker haben aber die Seelenregungsandeutungen gefallen.


    LG


    Waldi

  • Nachdem ich gestern Abend die zum Teil doch vernichtenden Kritiken las, habe ich mir heute Nacht meine Aufzeichnung angesehen.


    Ich muss den Anderen in weiten Teilen zustimmen. Stimmlich überzeugten mich nur Patricia Petibon, die durch ihre Darstellung der Blonde in dieser Inszenierung eigentlich wie ein Fremdkörper wirkte und Malin Hartelius, deren Konstanze in meiner Rangliste ganz oben anzusiedeln wäre, zeigte sie nur wenigstens in der Mimik ein klein wenig mehr Ausdruck.


    Für die katastrophale Bildregie war wieder einmal Chloé Perlemuter verantwortlich zu machen, die meines Erachtens hier ihre schon bei der Aufzeichnung des Tannhäusers erkennbare Unfähigkeit, eine Operninszenierung publikumswirksam aufzubereiten, noch übertraf.


    In der Beurteilung von Klaus-Maria Brandauer als Bassa Selim kann ich die vernichtenden Urteile nicht teilen. Ich bin zwar kein ausgesprochener Fan dieses Schauspielers, jedoch würde ich seine Darstellung der Rolle keinesfalls mit den hier gebrauchten Prädikaten (ölig, schmierig, debil, in diesem Zusammenhang Lustknäblein völlig unverständlich) belegen. Da teile ich Waldis Einschätzung, vielleicht fiele die Beurteilung diffenzierter aus, hätte man statt der permanten Großaufnahmen öfter einmal eine Totale gesehen.


    LG


    Emotione

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  • Zunächst: Brandauers Schauspielkunst ist großartig, auch in dieser Entführung. Nur leider völlig fehl am Platze.


    Zitat

    Original von Waldi
    Immerhin interessant, daß Dir die gleiche Idee kam. Könnte es nicht sein, daß die etwas manierierte Bildregie zumindest mit schuld war, daß es für Dich nicht so rüber kam? Die Kamera immer wieder auf Bäuche zu richten, war höchstens zweimal originell, dann nervte es ein wenig.


    Die Bildregie war natürlich unter aller Kanone, doch was anderes hätte ein Kameramann tun sollen als die Backstages zu zeigen, damit überhaupt etwas Bewegliches zu sehen ist? Unverzeihlich natürlich, wie die Kamera auf die regungslose Constanze hält, während Blonde in einem leichten Anfall von Quirligkeit nicht zu sehen ist! Da hätte man es als Zuschauer im Theater leichter gehabt, denn zur Vetständlichkeit des angeblichen Seelendramas trägt diese Kamerapositionierung keinesfalls bei - eher zur Bestätigung der Unfähigkeit der Bildregie...


    Zitat


    [...] mir altem Kitschromantiker haben aber die Seelenregungsandeutungen gefallen.


    Nur wären Dir diese als Zuschauer in einer der letzten Reihen ohne Opernglas bestimmt nicht mal andeutungsweise aufgefallen. Wenn überhaupt, dann taugt diese Regie fürs Fernsehen; bei entsprechender Bildregie natürlich.


    Für mich ist und bleibt dieses Kompendium [im Sinne einer Abkürzung] trotz aller Erklärungsversuche resp. gerade deswegen absolut verzichtbar.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Moin,


    ich wusste gar nichts von dieser Uebertragung, sonst hätte ich Euch gewarnt. Deswegen habe Ich also auch nichts gesehen oder mit geschnitten.


    Ich habe diese Inszenierung kurz nach der Aufnahme live gesehen. Das war sicherlich einer der langweiligsten Opernabende in meinem Leben. Hier wäre eine konzertante Aufführung mehr gewesen.


    Ich kann Eure Meinungen nur bestätigen, dass der Abend musikalisch gut war. Orchester hervorragend, Petibon hervorragend, Hartelius sehr gut, die Herren mittelmässig, Brandauer katastrophal schlecht.


    Ich hatte den ganzen Abend den Eindruck, dass Herr Brandauer unter Drogen stand. Sein Schauspiel hatte nichts mit dem grossartigen Brandauer in diversen Filmen zu tun. Ich war sehr enttäuscht.


    Off Topic: Malin Hartelius ist ein Zürcher Hausgewächs, dass sich in den letzten Jahren gesanglich und darstellerisch ganz toll weiter entwickelt hat. Ich habe sie vor Jahren das erste Mal als Gretel gehört. Heute liegen ihre Glanzrollen bei Mozart (Donna Elvira, Gräfin) und Händel. Sie ist eine ganz sichere Bank in Zürich.

    Grüsse aus Rhosgobel


    Radagast

  • Liebe „Entführte“ oder auch "Verführte" (immerhin heiß das ursprüngliche Sujet: „Bellmont und Konstanze“ oder „Die Verführung aus dem Serail“),


    ich hatte die Übertragung zum Anlaß genommen, meine Aufnahmen durchzuhören, und wollte mir jetzt einige Anregungen bei den Taminos einholen und habe etwas spät den Thread zur Zürcher Aufführung entdeckt.


    Ich muß einräumen, daß ich meine ideale Aufführung oder Aufnahme noch nicht gefunden habe. Ich weiß auch nicht so recht warum, denn an für sich kann ich ohne weiteres damit leben, daß in meinen Lieblingsopern nicht alle Rollen auf gleichem Niveau besetzt sind (natürlich sollte kein/e Sänger/in zu sehr abfallen). Man sollte meinen, daß z.B. unter meinen drei Wunderlichaufnahmen - die vierte unter Wallberg kenne ich leider nicht - nach dem Wahrscheinlichkeitsprinzip eine annähernd optimale Besetzung herauskommt.


    Hauptproblem dieser Oper ist naturgemäß die Besetzung der Konstanze. Bei Mehta stößt der lyrische Sopran der Rothenberger im Dramatischen an ihre Grenzen, auch wenn sie sichtlich um Ausdruck bemüht ist Die Köth hat sicherlich mehr dramatisches Potential, obwohl sie für meinen Geschmack immer noch zu leicht ist. Unter Jochum erreicht sie aber nicht die Differenzierung wie in der Aufnahme unter Szell, was sicherlich auch an Szell liegt. Die Aufnahme kommt wohl auch zu spät, da ihre brillante Höhe, in der ihre Stimme an sich zur Entfaltung kommt, nicht mehr glänzt. Bei der Pütz ist der legitime Versuch, in Ermangelung eines dramatischen Koloratursoprans mit leichteren Stimmen wenigstens die Koloraturen zu sichern, zu weit gegangen und mißlungen. Eine Soubrettenstimme mußte hier scheitern. Natürlich ist die Rolle der Konstanze monströs und im Normalfall ist „Martern aller Arten“ auch für den Opernbesucher eine Marter. Auch wenn sie annähernd gelingt, verfolgt man doch unter größter, fast schmerzlicher Anspannung den Kampf der Stimme um das Gelingen der Arie. Und „Traurigkeit“ stellt ja nun wieder ganz andere Anforderungen. Was für ein ‚Wundertier muß die Cavalieri gewesen sein?!


    Wenn ich nun Lea Piltti, Elisabeth Schwarzkopf, Erna Berger, Sari Barabas, Mária Gyurkovicz, Wilma Lipp, Teresa Stich-Randall, Maria Stader, Lois Marshall, Erika Köth, Ruth-Margret Pütz, Anneliese Rothenberger, Mattiwalda Dobbs, Arleen Auger, Christiane Eda-Pierre, Edita Gruberova (3x), Yvonne Kenny, Luba Orgonasova, Lynne Dawson, Cheryl Studer, Christine Schäfer, Ingrid Habermann, Catherine Naglestad, Yelda Kodali an meinem Ohr vorbeiziehen lasse, so hat Malin Hartelius den Sprung vom Blondchen zur Konstanze überzeugend gemeistert. Daß sie dem Mythos Cavalieri nicht standhält, geschenkt. Auch wenn es ihr in der Höhe an dramatischer Strahlkraft fehlt, sie singt die Koloraturen sauber. Aber wer verbindet allein diese beiden Elemente? Die Auger, die Gruberova, heute vielleicht die Damrau? Aber gelingt es ihnen wirklich die Koloraturen der Marternarie als äußersten Schmerz und Verzweiflung zu vermitteln? Und erkauft der dramatische Sopran nicht häufig, vielleicht sogar zwangsläufig, seinen Sieg in den Koloraturen der Marternarie mit Defiziten in den lyrischen, gefühlvollen Passagen der Entführung. Das ist natürlich die uralte Frage, wie sich Stahl in der Stimme mit empfindsamer Wärme, gar Verletzlichkeit verbindet. Aber ich will mich nicht in Vergleichen und vielleicht sinnlosen Ansprüchen verlieren. Hartelius liefert ein überzeugendes Porträt mit Stärken in den eher nachdenklichen Passagen und steigert sich in „Traurigkeit ward mir zum Lose“ nach schwächerem Beginn zu selten zu hörender, tiefer Empfindung. Daß ihre Mimik nicht mithält, na ja. Was soll andererseits die perfekte schauspielerische Darstellung, wenn die stimmliche nicht mithält.


    Pjotr Beczala erreicht leider nicht das Niveau der von Elisabeth genannten Linzer Aufnahme. Patricia Petibon ist ja zur Genüge gelobt worden. Ich finde es allerdings etwas unfair, in der Bewertung das Blondchen gegen die Konstanze auszuspielen, Blonde ist nun einmal ein „Blondchen“. Petibon läuft allerdings Gefahr, die Rolle zum gelungenen, aber dennoch zum Klischee erstarren zu lassen, da bleibt dann der Ernst, der in dieser Rolle auch steckt, und manch Legato auf der Strecke. Schweigen wir zum Pedrillo von Boguslav Bidzinski.


    Ist die Suche nach der perfekten „Entführung“ zwar im Wesentlichen die Suche nach der perfekten Konstanze, so ist der Osmin für mich ebenso ein limitierender Faktor. Schwer genug ist es, einen Baß mit einem so ungewöhnlichen Stimmumfang in Verbindung mit höchster Beweglichkeit der Register zu aufzutreiben, also am liebsten eine Verbindung der Stimmkraft von Frick mit der Beweglichkeit von Moll, - wenn dann noch der Gestaltungswille von Greindl hinzukäme. Damit wären auch meine Lieblinge genannt. Aber noch wichtiger, wie soll man die Rolle verstehen? „Wer ein Liebchen hat gefunden“ ist ein bitteres Liebeslied (g-moll wie „Traurigkeit“), das so gar nicht zum früher als Christenfresser und heute oft als Brutalo inszenierten Macho paßt. Das haben bisher nur Kipnis und Mangin realisiert. Die komische Seite oder auch die Rachsucht dürfen die Rolle nicht dominieren, auch er ist ein Liebender. Daß der dann nicht so edel wie Belmonte ausfällt, das kennen wir doch bestens. Alfred Muff war mir letztlich zu neutral, die dunkle Seite, auch stimmlich, zu wenig existent.


    Da ich kein Freund der Regieoper bin, empfinde ich die Aussage Elisabeths durchaus positiv: „Eine nennenswerte Regie findet nicht statt - umgekehrt aber auch keine, die stören würde.“ Wenn ich allein an die Versuche einer stärkeren Politisierung des Stücks denke. Ich muß doch nicht über die „Entführung“ auf den Nahostkonflikt, Islamismus oder die Probleme türkischer Immigranten gestoßen werden. Ganz zu schweigen von den zum Selbstzweck degenerierten Provokationen à la Calixto Bieitoö Mir reicht die offensichtliche Aussage Mozarts, daß Muslime Menschen sind wie wir, und daß das Christentum in punkto Menschlichkeit nicht das Maß aller Dinge ist – und dann natürlich das Mozartthema: Liebe.


    Was Jonathan Miller betrifft, möchte ich mich doch eher auf Walters Seite stellen. Ich mag Andeutungen und hasse alles Plakative, dem entspricht auch das Bühnenbild, in dem Vieles möglich scheint. Natürlich bedarf es großer Kunstfertigkeit, in einem großen Theater Andeutungen auch der letzten Reihe zu vermitteln. Natürlich ist auch einiges zu kritisieren, nicht nur diese lächerlichen Liegestütze. Zuerst habe ich allerdings auch gedacht, da tut sich doch nichts, aber allmählich bekam das ganze doch Form - trotz der miserablen Bildregie. Miller interessiert vor allem das Beziehungsdrama, das in jeder Beziehungskomödie steckt. Diese Muslime sind einfach Männer, die von ganz unterschiedlichen Ausgangspositionen mit Belmonte und Pedrillo um die Gunst der beiden Frauen konkurrieren. Vom Libretto her weist Konstanze Bassa Selim, wie ihr Name sagt, standhaft zurück, aber von Mozart her, also der Musik, ist es erlaubt anzunehmen, daß Konstanze vom Werben Bassa Selims nicht ganz unbeeindruckt ist. „Martern aller Arten“ gerät dann zu einer Art Selbstvergewisserung der eigenen Tugend auf unsicherem emotionalen Grund. Selim kommt ihr hier ganz nahe und kann ihr einen Kuß rauben – rauben?? Diese Ambivalenz ist von Miller überzeugend umgesetzt. Notwendigerweise ist das Spiel des leider 60-jährigen Brandauers daran nicht ganz unbeteiligt.


    Die Auffassung vom guten bis sehr guten Dirigat kann ich überhaupt nicht teilen. :untertauch: Ich mag das eigentlich gar nicht ausführen, denn es geht um eine sehr subjektive Sicht eines eher allgemeinen Problems, insofern kann der junge Dirigent kaum was dafür.


    Der große Mozartverderber Harnoncourt hat ja damit begonnen dem Mozartorchester den Gesang auszutreiben. Er hat z.B. den Geigen völlig ihren Glanz genommen, um das „non vibrato“ des historischen Mozart herzustellen. Nur, was schreibt Mozart: „die Menschenstimme zittert schon selbst – aber so – in einem solchen grade, dass es schön ist – dass ist die Natur der stimme. man macht ihrs auch nicht allein auf den blas-instrumenten, sondern auch auf den geigen instrumenten nach ...“ Desweiteren geht bei Harnoncourt das Herausarbeiten von Einzelheiten des musikalischen Geschehens zu Lasten von Melos und Linie. Ein Dirigent wie Klemperer realisierte beides. Zerstückelt wird weiterhin fast alles durch gänzlich unmotivierte orchestrale Paukenschlägen. Diese Überbetonung des Perkussiven hat Harnoncourt gerade bei der „Entführung“ voll ausleben können und recht moralisierend aber musikalisch dürftig begründet:


    Der Einsatz der türkischen Instrumente erfolge, um einen „Ort des Schreckens" zu schildern, „an dem Menschen geschlagen werden". Die Schrecken der Belagerung Wiens durch die Türken seien in der Zeit Mozarts noch allen Wienern bewußt gewesen. So ein Schmarren. „Alla turca“ war der absolute Modehit, den Mozart noch einmal verfremdete. Selbst die kaiserlichen Armeekapellen spielten mit Lust ihre Versionen der Janitscharenmärsche, die nichts mit türkischer Musik zu tun hatten. All diese Harnoncourtabkömmlinge, und vielleicht auch einige Regisseure sollten sich hinter die Ohren schreiben, was Mozart über die musikalische Darstellung des Zorns von Osmin schrieb, daß nämlich "die Leidenschaft, heftig oder nicht, niemals bis zum Eckel ausgedrücket seyn müssen, und die Musick, auch in der schaudervollsten Lage, das Ohr niemalen beleidigen, sondern doch dabey vergnügen muss, folglich allzeit Musick bleiben Muss.“


    Aber ich irre ab. Für mich hat sich allein schon die Tonproduktion gerade der Zürcher von Harnoncourt nicht erholt. Vermißt habe ich vor allem den singenden Mozartton des Orchesters. Ich entsinne mich gut an eine Aufnahme mit Probemitschnitten von Mozartsinfonien unter Bruno Walter. Sing, sing rief er andauernd dem amerikanischen Orchester zu. Christoph König hat an heftigen Kontrasten nicht gespart und eine fast obsessive Vorliebe für’s Schlagzeug demonstriert – in „guter“ Harnoncourtscher Tradition. - Aber wir sind doch kein keine Kleinkinder oder Schwerhörige, die man mit einem Tschindarassa Bumsdarra durch Mozart führen muß. - Farben, Linien, Übergänge, Abstufungen, Schattierungen (Andeutungen) habe ich kaum gehört.


    So kehrt sich z.B. die jubelnde Entäußerung der Wiederbegegnung im Quartett des 2. Aktes in „Voll Entzücken, Feud in Und Wonne“ nach innen. Dieses kurze Stück muß delikat daherkommen, denn mit dieser Verinnerlichung bricht sich der innere Zweifel der Männer Bahn. Die sich kurz danach anschließende Wendung in das g-moll- Andante von "Doch ach .."(immer wieder g-moll!) verschenkt der Dirigent völlig. Keine Erschütterung, nichts teilt sich mit. Natürlich kann man Mozart nicht kaputt kriegen, aber was kann man aus diesem Quartett, Mozart auf der Höhe seiner Kunst, herausholen. Oder das kurze Andantino (Wenn unserer Ehre wegen … / Sobald sich Weiber kränken … ) vor der endgültigen Lobpreisung der Liebe in der Schlußkoda, da bleibt bei Klemperer in der ungarischen Aufnahme die Welt, die Zeit stehen. Ach, warum hat er uns nicht eine Studioproduktion der „Entführung“ geschenkt.


    Ich weiß nicht, wer die recht schematischen Verzierungen zu verantworten hat. Ich empfinde sie mehr als überflüssig, ja störend, aber vielleicht bin ich nicht mehr aufgeschlossen genug für diese beliebten Neuerungen.


    arimantas :hello:

    3 Mal editiert, zuletzt von arimantas ()

  • Lieber Arimantas,


    herzlichen Dank für diese sehr eingehende Studie. Allein der Gedanke, dass Du wirklich alle genannten Konstanzen und die sie umgebenden Aufführung besitzen und gehört haben könntest, und sei es nur in sie hinein, macht mich vor Ehrfurcht schaudern. Da muss ja mindestens eine ganze Woche drauf gegangen sein.
    :jubel:


    Dennoch ist es weniger die sportliche Leistung, die mich beeindruckt, sondern das Ergebnis. Deine Befunde kann ich weitgehend nachvollziehen, auch wenn ich mit Deinen Schlussfolgerungen nicht immer einverstanden bin (Regie!). Besonders beeindruckt bin ich von Deiner Analyse der Konstanzen. Den Satz "Was soll andererseits die perfekte schauspielerische Darstellung, wenn die stimmliche nicht mithält", kann ich gerne unterschreiben. Umgekehrt muss der allerdings auch gelten. Es sind zwar zwei Schuhe, aber trotzdem ein Paar, mit dem man nur überzeugend gehen kann, wenn sie nicht zu unterschiedlich ausfallen. Besonders gefallen hat mir in dieser Passage übrigens die (angedeutete) Parallele von "Martern aller Arten" zu "Come scoglio" aus COSI FAN TUTTE. Dass beide Arien nicht nur das besagen, was in ihren jeweiligen Texten steht, sondern in der Tat auch als banger Appell Konstanzes und Fiordiligis an die eigene Standfestigkeit verstanden werden können, ist mir bislang nur im letzteren Fall bewusst gewesen. Wenn diese Einsicht tatsächlich auf Jonathan Miller zurückgehen sollte (ich muss mir das noch einmal daraufhin ansehen), dann muss ich ihm zumindest in diesem Detail Abbitte tun.


    Bei Patricia Petibon würde ich hinzu fügen, dass das Außerordentliche ihrer Leistung für mich gerade darin bestand, dass sie eben NICHT einfach das Blondchen ist, sondern der Rolle eine nicht nur emanzipatorische, sondern auch komplexe Dimension abgewann, die kaum eine andere überhaupt versucht, geschweige denn - zumal auf diesem stimmlichen Niveau - erreicht.


    Die Harnoncourt-Orchester-Schelte gerät mir etwas zu pauschal, auch wenn ich sie im Detail nachvollziehen kann. Es wäre jedoch ungerecht, dies dem jungen Einspringer anzulasten, der kurzfristig Franz Welser-Möst vertreten musste, den ich gern mit dieser Partitur erlebt hätte. Man darf aber wohl immerhin davon ausgehen, dass das meiste, was wir von Orchester zu hören bekamen, noch auf die Proben mit Welser-Möst zurück geht, und daran hat mir Vieles sehr wohl gefallen.


    Schön, dass wir hier immer wieder mal solch ausführlichen Beschäftigungen mit einem Werk begegnen. Sie machen für mich einen besonders großen Reiz von Tamino aus. Dafür nochmals herzlichen Dank.


    :hello: Jacques Rideamus

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