Heinrich Schütz: Musikalische Exequien

  • [timg]http://upload.wikimedia.org/wi…02px-Schutz.jpg;r;402;599[/timg]
    Vorwort:


    Dieser thread soll den „Musikalischen Exequien“ des Heinrich Schütz gewidmet sein. Ein solch hervorragendes und bedeutendes Werk hat sicher einen eigenen Thread verdient, wenn auch im allgemeinen Schütz-Thread einiges dazu gesagt wurde (einige Beiträge daraus habe ich in diesen Eröffnungsbeitrag mitaufgenommen). Bei Schütz bin ich auf etwas für mich wackeligem Grunde unterwegs, bin ich doch wahrlich kein Experte für diese Zeit. Ich hoffe, die Schütz-Freunde hier im Forum werden mich, falls nötig, korrigieren, und weitere Informationen beisteuern.


    Ich habe das Werk für das „Alle hören“-Projekt nicht nur deshalb nominiert, damit auch mal alte Musik oder geistliche Musik drankommt, sondern weil gerade dieses Werk für mich ein ganz besonderes ist. Ich bin ein ausgesprochener „Fan“ von Requien und Trauermusiken, und diese von Schütz zählt bei mir mittlerweile zu den allerliebsten und ist die nichtlateinische, die ich am meisten schätze. Die Direktheit der Worte, die Unmittelbarkeit der Trauer und des Trostes, die Schlichtheit und Ruhe des Werkes berühren mich stets aufs Neue wieder.


    Ich wünsche allen, die beim Hörprojekt mitmachen, viel Freude beim Hören des Werkes!


    Link zum allgemeinen Schütz-thread: Heinrich Schütz


    Über die Geschichte des Werkes:


    Heinrich Schütz wurde geboren im thüringischen Köstritz, sein Landesfürst war somit Heinrich Posthumus von Reuß. Den Beinamen Posthumus bekam dieser, weil sein Vater und Ahnherr bereits vor dessen Geburt gestorben war. Auch sonst war der Tod ein wichtiges Thema für den Fürsten. Er beauftragte noch zu Lebzeiten Schütz, den er bereits seit Jahren persönlich kannte, für ihn eine Begräbnismusik zu komponieren. Ende 1635 starb er dann, und die Exequien wurden zur Begräbnisfeier am 4.2.1636 in Gera aufgeführt. Angeblich hörte sich der Fürst schon zu Lebzeiten das Werk an, aber dafür gibt es wohl keine sicheren Belege.
    Es handelt sich also um ein Auftragswerk, das Schütz aber so hoch einschätzte, daß er es unter seine „Hauptwerke“ (als Opus 7) aufnahm. In der Regel war das wohl bei Auftragskompositionen nicht der Fall. Inzwischen ist es das berühmteste und beliebteste (Anzahl an Aufnahmen) Werk Schützs geworden, weil (oder obwohl?) es von ganz außergewöhnlicher musikalischer Qualität und epochaler Bedeutung ist. Davon möge sich jeder selbst überzeugen.


    Aufbau und Text der Exequien:


    Das Werk ist dreiteilig angelegt, wobei der erste der weitaus längste ist.
    I: Concert in Form einer teutschen Begräbnis-Missa SWV 279
    II: Motette „Herr, wenn ich nur dich habe“ SWV 280
    III: Canticum Simeonis SWV 281
    (SWV – Schütz-Werke-Verzeichnis)


    Zur Besetzung: Es singen 2 Chöre (als Favorit-Chor mit Solisten und Capell-Chor im I. Teil aufgeteilt; zum besonderen Einsatz der beiden Chöre im III. Teil siehe Salisburgensis' Beitrag weiter unten zur Arman-Aufnahme), begleitet von einer kleinen Continuo-Instrumentengruppe. In der Gardiner-Aufnahme kommen im II. Teil noch einige Blechbläser hinzu – ich weiß nicht, ob das richtig so ist.


    Der Text besteht im I. Teil aus einer Folge von Bibelsprüchen, die der Fürst zu Lebzeiten auch als Gravur für seinen späteren Sarg bestimmte. Der Titel (in Form einer Messe) deutet auf die grobe Orientierung an der Missa brevis (Kyrie und Gloria) hin:
    Kyrie eleison: Nacket bin ich...
    Christe eleison: Christus ist mein Leben...
    Kyrie eleison: Leben wir...
    Qui tollis: Wenn eure Sünde...
    Suscipe deprecationem: Gehe hin, mein Volk...
    Qui sedes: Ich weiß, daß mein Erlöser...
    Quoniam tu solus sanctus: Herr, ich lasse dich nicht...
    Beide Messenteile werden vom Solo-Tenor intoniert, und es folgt meist ein Wechsel aus von Solisten vorgetragenen Bibelworten und Choralpassagen.


    Link zum Text: http://heinrich-schuetz-haus.de/swv/sites/swv_279.htm


    Der Text im II. Teil entspricht der Begräbnispredigt des Fürsten (hatte dieser natürlich auch zu Lebzeiten schon festgesetzt). Es ist ein reines (Doppel-) Chorstück; vertont wurde ein Teil aus Psalm 73.


    Link zum Text: http://heinrich-schuetz-haus.de/swv/sites/swv_280.htm


    Der Text im III. Teil, gesungen bei der Beisetzung (Hinablassen des Sarges) besteht aus den Worten Simeons, der nach Anblick des Jesuskindes mit seinem Leben ausgesöhnt war (dies entspricht dem katholischen bzw. lateinischem „Nunc dimittis“). Schütz hat diese Worte übrigens noch drei weitere Male vertont.


    Link zum Text: http://heinrich-schuetz-haus.de/swv/sites/swv_281.htm


    Zur Musik:


    Über die musikalischen Details sprechen lieber musiktheoretisch und musikhistorisch bewanderte als ich es bin. Ich werde evtl. noch einige interessante Booklet-Zitate dazu nachliefern (auszugsweise darf man ja noch zitieren, hoffe ich) und fange mit diesem an:


    Hinzu kommt die Bildlichkeit der Komposition, ihre abbildliche Beziehung zum Text, indem die Ton- und Klangbildungen mit dem Inhalt der Worte übereinstimmen, z.B. gleich zu Beginn die „Blöße“ der Ton- und Akkordwiederholungen bei den Worten „Nacket werde ich...“ oder dann das „Wegnehmen“ der Töne, die Pause in allen Stimmen bei den Worten „...der Herr hats genommen“. Wohl mehr als hundert solcher Bilder sind in dem Werk enthalten.


    (aus dem booklet der Ehmann-Aufnahme; die booklets der 5 CDs haben mir freilich auch beim übrigen Text geholfen)


    Meine subjektive Wahrnehmung der Musik Schützs habe ich in der Einleitung bereits anklingen lassen. Dazu möchte ich später dann auch noch etwas loswerden, besser aber nicht gleich im Eröffnungs-Beitrag.


    Aufnahmen:


    Ich hatte Gelegenheit, mir folgende fünf Aufnahmen anzuhören:


    Wilhelm Ehmann / Westfälische Kantorei (1960)
    I: 29:48
    II: 3:29
    III: 5:24


    Wolfgang Helbich / Alsfelder Vokalensemble, I Febiarmonici (2001)
    I: 22:14
    II: 2:59
    III: 3:48


    Howard Arman / Schütz-Akademie (1992)
    I: 22:56
    II: 3:22
    III: 4:38


    John Eliot Gardiner / Monteverdi Choir, English Baroque Soloists (1987)
    I: 22:54
    II: 3:05
    III: 4:41


    Philippe Herreweghe / La Chapelle Royale (1987)
    I: 25:59
    II: 3:39
    III: 4:55


    Die alte Ehmann-Aufnahme ist sicherlich weder zeitgemäß noch historisch stimmig. Das Tempo ist zu langsam und zerdehnt, der Klang des Chors zäh und (im Vergleich zu den anderen Einspielungen) undifferenziert und „unbarock“. Manchmal klingen die Sänger seltsam weinerlich, und das Vibrato geht mir dann doch irgendwann sehr auf den Keks (bin eigentlich kein expliziter Vibrato-Gegner). Was soll man auch von einer Frühbarock-Aufnahme von 1960 erwarten? Damals war die Aufnahme sicherlich sehr ambitioniert, und freilich bleibt man auch bei dieser Aufnahme von der Intensität der Schützschen Musik nicht unberührt. Insgesamt rate ich wegen der vielen Alternativen aber entschieden vom Kauf ab.
    Als zweites Stück auf der CD ist die Johannespassion von Schütz zu hören, für die ich eine neuere Alternativaufnahme suche.

    Die Naxos-CD mit Helbich ist eine interessante neuere Alternative. Mir gefällt die Aufnahme gut (ich hatte die Exequien mit dieser CD kennengelernt und bin ein wenig dadurch vorgeprägt) – sehr ästhetisch ansprechend und einfühlsam.
    Auf der CD ebenfalls enthalten sind „Die sieben letzten Worte Jesu Christi am Kreuz“ SWV 478.

    Die Arman-Aufnahme, die ich nach dem ersten Hören als „blaß“ und „durchschnittlich“ empfand bzw. abtat, hat sich bei genauerem Hinhören als verstecktes Juwel erwiesen. Nicht zuletzt die überragendem Kritiken hier im Forum ließen mich nochmal genau hinhören: Das ohnehin schon recht nüchtern wirkende Werk ist nochmal aufs Notwendigste entschlackt und wirkt so sehr unmittelbar, fast komplentativ und wunderschön (etwa so wie ich schlichte romanische Kirchen wunderschön finde). Ja, ich kann mir vorstellen, daß dies dem Klang von 1635 nahe kommt.
    In dieser Aufnahme werden die Exequien durch einen Choral unterbrochen, so wie auch beim Trauergottesdienst für von Reuß außer Schützs Musik weitere Choräle erklangen. Es wurden für die Aufnahme „Herzlich lieb hab ich dich“, „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“ und „Hört auf mit Weinen und Klagen“ ausgewählt, die die Musikalischen Exequien ergänzen - jeweils Kompositionen von Michael Praetorius.
    Auf der CD finden sich noch weitere deutsche Trauermusiken des Frühbarock.


    Zitat von BigBerlinBear

    Die Musik von Heinrich Schütz bezieht den Raum, für den sie konzipiert wurde, in das Klang-Geschehen ein: Bei den "Musikalischen Exequien" die in der Salvator-Kirche zu Gera im Jahr 1636 zum ersten mal erklangen, wurde der Hauptchor im Halbkreis im Kirchenraum verteilt; ein weiterer
    kleinerer Chor in der geöffneten Gruft aufgestellt.
    Die erste Aufnahme, die dem Rechung trägt, ist die Howard Armans mit der Schütz-Akademie und ihm gelang eine Einspielung von großartiger Intensität, die für mich alle anderen Aufzeichnungen dieses Schlüsselwerkes des Frühbarocks weit hinter sich lässt: Es ist zu bedauern, daß Arman seine Schütz-Interpretationen nicht fortgesetzt hat.

    Zitat von BigBerlinBear

    Ohne die von mir beschriebene Öffnung der Reussischen Gruft, was erst die Simulation der Sitution zum Zeitpunkt der Beisetzung des Grafen Heinrich Posthumus ermöglichte, hätte diese exemplarische Aufnahme nicht entstehen können und der Gemeindekirchenrat zeigte sich anfangs wenig Willens, dem Ansinnen Armans zu entsprechen.
    In Anbetracht der Hochwertigkeit dieser Einspielung (das kann man auch auf die anderen Darstellungen der Schütz-Akademie überrtragen) ist es umso bedauerlicher, daß dieses Kapitel wirklich kompetenter Schütz-Interpretation unwiderruflich der Vergangenheit angehört.


    Dann ist da noch die feine Aufnahme von Gardiner, die wohl die populärste Einspielung der Exequien ist.
    Was man Gardiner vorwerfen könnte, ist, zu sehr Wert auf Präzision gelegt zu haben als auf Gefühl und tiefempfundene Trauer. Das wird z.B. im direkten Vergleich mit Arman, aber auch Helbig klar. Er rast allerdings nicht durch die Partitur, wie er das manchesmal tat. Dennoch ist diese CD auf jeden Fall eine Bereicherung, ob nun als Erst-, Zweit- oder Drittaufnahme; dafür reicht alleine die grandios musizierte Saul-Motette (nebst anderer Schütz-Motetten als „Füllstoff“ enthalten).



    Zitat von MStauch

    Vielleicht am bewegendsten die Musikalischen Exequien, das wohl erste Requiem in deutscher Sprache. Typisch für Schütz, der äußerst konzentrierte auf den Kern der Existenz und auf geistliche Fragen gerichtete Text, der eindrucksvollst in Musik gefaßt wird. Die schönste Aufnahme der Exequien ist für mich die von John Elliot Gardiner und dem Monteverdi-Chor, 1988. Ich sehe das Gardiner-Wirken sehr differenziert, aber diese Aufnahme geht unter die Haut. Andere Aufnahmen kenne ich in größerer Zahl, für mich ist es diese. Die Exequien sind vielleicht überhaupt der beste Zugang.

    Zitat von Sagitt

    Deswegen plädiere ich dafür, in Schütz die Trostmusik zu erkennen. Er hat viel Schrecken konkret miterlebt, viel Leid,weil er alle Angehörigen sterben sehen musste und die Musik hat ihm sicher geholfen, alles dies zu tragen. Das möchte ich hören- und das höre ich bei Gardiner zu wenig.Ich habe den Eindruck, er kann mit der Gemütsdimension des Protestantismus wenig anfangen- und deswegen ist dies nicht meine Referenzaufnahme.


    Aus dem selben Jahr stammt die Herreweghe-CD, und sie hat auch ein sehr ähnliches Programm (Exequien plus ein paar Motetten). Ich kann mich dem Klangbild dieser Aufnahme einfach nicht anfreunden. Es klingt „irgendwie anders“ als die anderen Aufnahmen (ich kann das leider nicht beschreiben), wirkt auf mich etwas gekünstelt, ergreift mich weniger als bei den anderen. Und was ist das für ein Zupfinstrument als Begleitung? Würde ich mir auf meiner Beerdigung verbitten... Schade, meistens gefällt mir Herreweghes Stil.


  • Ich kenne von den oben genannten nur Gardiners und Herreweghes Einspielungen, aber ich empfehle ausdrücklich Harry Christophers und The Sixteen. Sie vermischen in meinen Ohren die Strenge der Komposition mit einem sinnlichen Klang und vermeiden so eine zu pietistische Strenge, die manch anderer sicher bevorzugt.

  • Hallo Pius,


    Vielen Dank für den schönen und wichtigen Thread zu den "Muskialischen Exequien" von H. SCHÜTZ.
    Doch bevor ich mich zu dem Stück oder Einspielungen des Werkes äußere, möchte ich hier noch auf den Sarkophag des Heinrich Posthumus Reuß hinweisen:


    Zitat von Pius

    Über die Geschichte des Werkes:


    Heinrich Schütz wurde geboren im thüringischen Köstritz, sein Landesfürst war somit Heinrich Posthumus von Reuß. Den Beinamen Posthumus bekam dieser, weil sein Vater und Ahnherr bereits vor dessen Geburt gestorben war. Auch sonst war der Tod ein wichtiges Thema für den Fürsten. Er beauftragte noch zu Lebzeiten Schütz, den er bereits seit Jahren persönlich kannte, für ihn eine Begräbnismusik zu komponieren. Ende 1635 starb er dann, und die Exequien wurden zur Begräbnisfeier am 4.2.1636 in Gera aufgeführt.


    Ich wurde Mitte der 90er Jahre auf einen Aufruf zur Erhaltung dieses Dokumentes aufmerksam, da es akut vom Verfall bedroht war. Im Verlauf scheint es auch zu Streitigkeiten über den Sarkophag gekommen zu sein.
    Näheres zu diesem offenbar komplizierten Thema über folgenden Link:

    Der Außen-Sarkophag des Heinrich Posthumus Reuß

    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Pius
    Ende 1635 starb er dann, und die Exequien wurden zur Begräbnisfeier am 4.2.1636 in Gera aufgeführt. Angeblich hörte sich der Fürst schon zu Lebzeiten das Werk an, aber dafür gibt es wohl keine sicheren Belege.


    Heinrich Posthumus wollte sich angeblich seine eigene Begräbnismusik nicht entgehen lassen und soll sich zu Lebzeiten an einer Aufführung selbst beteiligt haben. Im Alt-Stimmbuch des ersten Teil ist an zwei Stellen ein zusätzlichler Bass eingetragen, das Werk ist eigentlich für sechs Sänger bzw. Vokalensemble komponiert. Da der Fürst leidenschaftlich gerne sang, kann man annehmen, dass Schütz diese Partie speziell für ihn hinzufügte.



    Zitat

    Der Text im III. Teil, gesungen bei der Beisetzung (Hinablassen des Sarges) besteht aus den Worten Simeons, der nach Anblick des Jesuskindes mit seinem Leben ausgesöhnt war (dies entspricht dem katholischen bzw. lateinischem „Nunc dimittis“).


    Schütz hat bei seinen Musicalischen Exequien auch den Raum mit in die Komposition einbezogen; in der "Ordinanz des Gesanges Simeonis" heißt es:


    "1. Ist zu wissen, daß dieses Konzert zwei Chöre und jeder Chor seine besonderen Worte habe. Chorus primus rezitiert die Worte Simeonis: `Herr, nun lässet Du Deinen Diener´, Chorus secundus singet folgende und andere Worte mehr `Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben ´. Mit welcher Invention der Autor die Freude der seeligen Seelen einführen und andeuten wollen.
    2. Primus Chorus werde in nächster Nähe bei der Orgel, Secundum Chorus aber in die Ferne geordnet.
    3. Wer aucxh diesem Chorus secundum noch ein oder zweimal abschreiben lassen und nach Gelegenheit der Kirche an unterschiedlichen Orten solche Partien aufstellen wollte, würde des Autoris Hoffnung nach dem Effekt des Werkes nicht wenig vermehren."


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Na, hier gehts aber irgendwie nicht so rund... ?(


    Zitat

    Original von Pius
    Ich werde evtl. noch einige interessante Booklet-Zitate dazu nachliefern (auszugsweise darf man ja noch zitieren, hoffe ich)


    Nun zitierenswertes aus dem Booklet der Arman-CD zum Thema Text und Sarg:


    Zitat

    Schütz vertont diese Texte zwar in der Art und Weise, wie sie auf dem Sarg erscheinen (dort ist jedem Choral ein Bibeltext zugeordnet), doch unterscheidet er deutlich zwischen Bibelversen und dem Choral, dessen Text stets einer vollen sechsstimmigen Capella übertragen wird, wohingegen die Bibelstellen je nach Textinhalt einzelnen Solisten oder zwei bis sechs Gesangsstimmen zugeordnet werden. [...]
    Aufgrund dieser Symmetrie wird unsere Aufmerksamkeit insbesondere auf die Stücke an der Achse gelenkt. Im ersten Abschnitt gilt dies für das "Christe eleiseon", das die spirituelle Bedeutung der Auferstehung Christi für die Betrachtungen der Exequien zum Thema Leben und Tod unterstreicht.
    Im Zentrum des zweiten, längeren Abschnitts stehen die Worte: "Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand .... aber sie sind in Freiden."
    Diese Inschrift verläuft entlang der Vertiefung zwischen Deckel und Unterkasten, also genau auf halber Höhe. Schütz war nicht nur darum bemüht, diese Worte genau in das Zentrum seines "Konzerts" zu rücken, das sich aus der Verteilung der Capella- und Solo-Passagen ergibt. Sie markieren zugleich die Stelle, an der alle vorangegangenen Texte dem Sargdeckel entstammen und alle nachfolgenden Texte dem Unterkasten.


    Soviel zu germanistischen Interpretationsansätzen der Reihenfolge der Bibelstellen. :D


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Willkommen bei "Alle Piusse hören dasselbe Werk":


    Zum dritten Teil steht im Ehmann-booklet:


    Zitat

    In der Druckausgabe des Werkes (1636) will Schütz diesen Chorus secundus dann allgemeiner dahingehend verstanden wissen, daß er durch ihn "die Freude der abgeleibten seligen Seelen im Himmel, in der Gesellschaft der himmlischen Geister und heiligen Engel" habe abbilden wollen, wie er denn (nach den Worten seines dem Druck vorangestellten Poems) auch selbst hoffe, einst der "Himmels-Cantorey" beiwohnen zu dürfen.


    Die erwähnte Widmung in Gedichtsform kann man hier nachlesen.


    Die Exequien setzten sich sehr unmittelbar und nüchtern mit Leben und Tod auseinander (die ja sich gegenseitig bedingend zusammengehören).
    Auch wenn die Trauer vorherrscht und manche Passage sehr depressiv erscheint, finde ich, das Werk strahlt auch viel Hoffnung aus (allerdings nicht für diese Welt...).
    Ich empfinde es als wesentlich intimer und persönlicher als die berühmten Requien von Mozart, Verdi & Co.
    Für mich sind die Musikalischen Exequien ganz klar mein "Insel"-Requiem.


    :angel::angel: :angel::angel:

  • ...hören die Exequien. Auch die Oolongs sind dabei - sowohl die grünen Jade als auch die braunen Amber, die von Formosa, vom Berg der Birnenblüte, sowie vom Berg Dong Ding und die aus dem Wuyi- Shan und die vom Berge Phoenix nicht zu vergessen. Da sind wir schon einige...! (kleiner Tee-Insiderschnack, sorry :rolleyes: )


    Leider fehlt mir ein wenig die Zeit zu längeren Beiträgen, aber ich kann nur bestätigen, dass dieses Werk auch auf meiner einsamen Insel dabei wäre. Ich habe eine Reihe von hier schon genannten Aufnahmen und schätze die verschiedenen Meriten, gerade im HIP- Sektor ausdrücklich.


    Erwähnen möchte ich aber eine schon historische Aufnahme unter Rudolf Mauersberger


    Diese Aufnahme gehört für mich zu den BERÜHRENDSTEN Aufnahmen eines geistlichen Werkes überhaupt.


    Jenseits aller HIP- Gesetze gelingt es Mauerberger mit dem Kreuzchor die herbe Strenge dieser Musik mit soviel tröstender Seelsorge aufzuladen (übrigens ein wahrer Schwarzbrot- Trost ) dass es mir stets den Atem nimmt.


    Auch wenn es seltsam klingt- diese Aufnahme höre ich bewußt ganz selten an - sie ist den Stunden geweiht, in denen ich tiefsten Trost brauche. Dann fühle ich mich mit ihr wie in einem Gottesdienst, der nur gehalten wird um mich zu heilen...


    Dies ist sakrale Kunst in höchster Vollendung ! :jubel::jubel::jubel:


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Hallo Stefan!



    Da bin ich aber schon gespannt auf die Schützsche Johannespassion, die ich mit dem selben Chor und Schreier bestellt habe und in ein paar Tagen eintreffen müßte.


    Schön zu hören, daß noch jemand bei dem Werk ähnlich empfindet wie ich.
    Im Prinzip gebe ich Dir Recht mit dem Seltenhören, aber ich war so im Begeisterungszustand, daß ich es in der Schleife hören mußte... :rolleyes:
    ...zumindest als es noch etwas sommerlich draußen war. Beim Wetter jetzt wird mir auch ohne Schütz herb(stlich) zumute (Anm.: Ich mag den Sommer nicht).


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Pius,


    interessant, dass Du Dein Hören in einen jahreszeitlichen bzw. meteorologischen Zusammenhang stellst - hatten wir eigentlich schon mal einen Thread zu diesem spannenden Thema ? ?(


    Mir geht es nämlich so, dass sich - ohne dass ich es erklären könnte- bestimmte Hörgewohnheiten jahreszeitlich wiederholen.


    Und da beginnt jetzt so langsam die Schütz- Zeit! Im Sommer, den ich ebenso nicht übermäßig mag, höre ich beispielsweise deutlich weniger vokale Musik und bin mehr in der Klassik und Romantik unterwegs, mit den kürzer werdenden Tagen gehe ich musikgeschichtlich immer mehr zurück.


    Schütz höre ich dann oft wie eine reinigende Kur, alles Überflüssige fällt weg - er bringt mich ganz zu mir! Auch wenn das manchmal wehtut...


    Diese Johannespassion habe ich auch- ebenfalls nahezu minimalistische Musik, ganz vom Text lebend. Und da haben die Kruzianer, unabhängig von den ästhetischen Vorlieben der Hörer, nun mal eine beeindruckende Tradition absolut lebendiger Schütz- Pflege vorzuweisen.


    Ich wünsche Dir ein richtig gutes Hörerlebnis!


    :hello:
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Zitat von pt_concours

    Doch bevor ich mich zu dem Stück oder Einspielungen des Werkes äußere, möchte ich noch...


    Dann will ich jetzt mal...
    Auch ich schätze die schon mehrfach erwähnte CD mit H. Arman (wegen des schönen Programmes ebenso wie wegen des schönen Musizieren), genau wie ich von den Aufnahmen mit Gardiner und Herreweghe wenig beigeistert war (ich habe sie aber lange nicht mehr gehört). Das alles wäre vielleicht wenig erwähnenswert, aber ich besitze noch eine weitere CD, welche ich sehr schätze, die aber kaum bekannt sein dürfte, da sie immer nur begrenzt verfügbar war. Es handelt sich um einen Konzertmitschnitt aus dem Jahre 1996 vom Oude Musik Festival Utrecht mit dem Dresdner Kammerchor und dem Ensemble Alte Musik Dresden unter der Leitung von H.-C. Rademann. Die Tatsache, dass dieses Konzert, welches ursprünglich vom Radio aufgezeichnet wurde, anschließend noch als CD in der festival-eigenen Produktion erschien, sagt ja schon einiges über die Qualität des Konzertes aus. Hans-Christoph Rademann hat sich ja in letzter Zeit einen großen Namen erarbeitet- und dies auch mit dem Dresdner Kammerchor und der Musik von SCHÜTZ. In dieser Aufnahme findet man auch schon, was er später noch weiter entwickeln konnte: ein Verzicht auf „Show-Effekte“ (wie sie vielleicht bei Gardiner oder Herreweghe manchmal gesucht werden), dafür größte Natürlichkeit, aber keineswegs Armut an Ausdruck! Dennoch ist es besonders die Textverständlichkeit und Homogenität des Ensembles, welche zuerst auffällt. Dabei bildet er seine Solistengruppen fast ausschließlich aus dem Chor (die meisten wohl Studenten im letzten Studienjahr), dadurch mögen vielleicht manchmal die Stimmen etwas weniger prägnant sein, das kommt dann aber der Homogenität des Gesamtensembles zu gute. Gekrönt wird das Solistenensemble durch zwei „externe“ Solisten, welche sich hervorragend einfügen, dabei aber als „Oberstimmen“ noch etwas mehr Glanz in die Ensembles-Passagen bringen können: Gertrud Günther (Sopran) und Martin Krumbiegel (Tenor). Vielleicht erklärt sich die besondere Affinität von Rademann für SCHÜTZ auch aus seiner Herkunft. Die Kindheit als Sohn eines Kantors im Erzgebirge und die Jugend im Dresdner Kreuzchor dürften ihn früh mit der Musik von SCHÜTZ in Berührung gebracht haben. Es kann täuschen, aber ich habe das Gefühl, dass die SCHÜTZ-Pflege hier in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt eine längere Tradition hat, als in (manchen) anderen Teilen Deutschlands und Europas.
    Wer die CD einmal sehen möchte, findet das Cover auf folgender Seite: -http://www.martin-woelfel.de/- (Diskographie, oben Mitte)


    Ich ergänze mal die Liste von Pius (wobei ich sie noch chronologisch geordnet habe)


    Wilhelm Ehmann / Westfälische Kantorei (1960)
    I: 29:48
    II: 3:29
    III: 5:24


    John Eliot Gardiner / Monteverdi Choir, English Baroque Soloists (1987)
    I: 22:54
    II: 3:05
    III: 4:41


    Philippe Herreweghe / La Chapelle Royale (1987)
    I: 25:59
    II: 3:39
    III: 4:55


    Howard Arman / Schütz-Akademie (1992)
    I: 22:56
    II: 3:22
    III: 4:38


    Hans-Christoph Rademann/ Dresdner Kammerchor,/ Ensemble Alte Musik Dresden, Bläser-Collegium Leipzig ( 1996, Konzertmitschnitt, + BWV 106)
    I. 20:45
    II. 2:57
    III. 5:00


    Wolfgang Helbich / Alsfelder Vokalensemble, I Febiarmonici (2001)
    I: 22:14
    II: 2:59
    III: 3:48



    Vielleicht kann noch jemand die Daten der CDs mit Mauersberger und The Sixteen ergänzen- dann fänden sich wohl schon über die Hälfte der existierenden Aufnahmen in dieser Liste, (wenn man der Suche bei den üblichen Verdächtigen im Internet als Maßstab nehmen kann). Für ein solches Meisterwerk, wie die Exequien wirklich eine erstaunliche Tatsache!


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

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  • Hallo,


    dann kommen hier die Angaben für die Mauersberger Aufnahme:


    Rudolf Mauersberger / Dresdner Kreuzchor ( 1966)


    I : 27:31
    II : 3:12
    III : 4:51


    Auf der CD sind außerdem die " Sieben Worte Jesu Christi am Kreuz " eingespielt.


    Gruß
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Lieber Pius,


    mit einiger Verspätung habe auch ich mir eine Aufnahme des Werkes gekauft:



    Gerade eben ist die CD erneut verklungen. Ohne dass ich mich über die oben stehenden Beiträge und das CD-Booklet hinausgehend mit Inhalt und Hintergrund des Werkes beschäftigt habe - nicht einmal den Text habe ich bislang komplett mitgelesen -, kann ich sagen, dass mir die Musik hervorragend gefällt. Das wohltuend ruhige Fließen der Musik lässt mich herrlich entspannen. Danke für deinen Einsatz für das Werk und deine Beiträge.


    Kurz noch zur abgebildeten CD: Es handelt sich um dieselbe Aufnahme von oben. Die Aufnahme wurde nicht remastered, das musste sie auch nicht, sie klingt sehr gut. Als nicht geglückt empfinde ich, dass zwischen die Exequien-Teile SWV 279 und 280 "Herzlich lieb hab ich dich" von Praetorius gesetzt wurde. Um nur die Exequien hintereinander zu hören, muss ich den CD-Spieler programmieren. Na ja, nicht so schlimm.


    :hello:
    Thomas

  • Zitat

    Original von ThomasNorderstedt
    Das wohltuend ruhige Fließen der Musik lässt mich herrlich entspannen.


    Ist das Schütz-Mißbrauch?
    Jedenfalls passt das nicht so zu meinen Erlebnissen. Die Exequien habe ich in den letzten Monaten 3x gehört, mit steigender Durchgängigkeit der Konzentration und parallel vermehrtem Schauder oder Extase resp. Demut und Triumph.


    Nun bin ich ja kein gläubiger Mensch wenn auch womöglich ein kultureller Christ, also ein christlicher Atheist. Aber die Exequien sind für mich keine wohltuende Klangdusche und die Textausdeutungen werden nicht nur interessiert registriert sondern finden dann auch bejahende Resonanz aus dem Inneren. Und der Jubel, dass Gott "mein Teil" sei, ergreift mich, nachdem ich den schlappen Lappen meiner kümmerlichen irdschen Existenz gemeinsam mit Schütz bespien habe, umso fundamentaler (ja, wie hier die insistierenden Wiederholungen sein müssen!) - und das obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass so etwas wie Gott existieren soll oder ein Leben nach dem Tode.


    Ich habe in letzter Zeit recht viel Musik von den Schütz-Nachfolgern Weckmann, Bernhard, Tunder und Förster gehört, die ich allesamt wärmstens empfehle (solange die Einspielungen greifbar!) und verwundert höre ich, wie viel unmittelbarer, strenger und abwechslungsreicher die Exequien des Großmeisters sind. Woran liegt's? Vielleicht bringt Schütz oft die Aussagen deutlicher, knapper, unmißverständlicher auf den Punkt - umso mehr freut man sich dann über manche Girlanden und Redundanzen dazwischen, da die Abschnitte, wo man sich quasi zurücklehnt und an der schönen Oberfläche nuckelt, von komprimierteren Abschnitten umgeben sind. Besonders hervorheben möchte ich die "verharre einen Augenblick" (oder so ähnlich)-Stelle, wo die Musik kurz stehen bleibt, verharrt. Das tut sie einmal, und eindringlich. Über den so verdauten Zorn kann man dann wieder etwas geschwätziger werden ...
    :hello:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Ist das Schütz-Mißbrauch?
    :hello:


    Lieber KSM,


    ja, es mag sein, dass ich das Werk mit meinem bisherigen Hörkonsum missbrauche. Noch immer habe ich den Text nicht gelesen, noch immer mich mit dem religiösen Hintergrund des Werkes nicht näher befasst.


    Auch ich bin Atheist. Wohl deshalb habe ich keine Neigung, mich auf das Gedankengebäude, das den Exequien zugrundeliegt, einzulassen. Allein bei dem Gedanken, sich den Sarg mit Bibelsprüchen verzieren zu lassen, sträuben sich mir die Nackenhaare. Wir hatten im Forum vor längerer Zeit einen Thread, in dem heiß diskutiert wurde, inwieweit Atheisten geistliche Werke voll erfassen und in ihrer (religiösen) Tiefe erleben, verstehen und genießen können. Mir kann man in diesem Sinne trefflich den Vorwurf machen, weil ich mich nicht auf den religiösen Hintergrund der Exequien einlasse, verstehe ich sie nicht, missbrauche ich daher Schütz.


    Mir gefällt die Musik aber trotzdem. Schauder und Ektase habe ich beim Hören nicht erfahren, sondern das oben genannte ruhige Fließen - meinetwegen auch wohltuende Klangdusche genannt. Resonanz aus dem Inneren spüre ich nicht. Und beim "Jubel, dass Gott "mein Teil" sei", höre ich inhaltlich lieber weg.


    Nun ist es ein altbekanntes Phänomen, dass das Erlebnis von Musik sehr davon abhängt, welche Musik man davor und danach hört. Du hast Musik von Komponisten gehört, gegenüber denen Schütz´ Exequien aufregend klingen. Ich habe zuletzt z. B. viel die 14. Sinfonie von Schostakowitsch gehört. Gegenüber dieser aber sind die Exequien - du ahnst es bereits - ein wohliges Fließen.


    :hello:
    Thomas

  • Zitat von ThomasNorderstedt

    ja, es mag sein, dass ich das Werk mit meinem bisherigen Hörkonsum missbrauche.

    Tu ich ja auch, denn ich versuche zwar, auch inhaltlich und emotional einzutauchen und mitzuleben, und freue mich über die Resultate - aber schon dieser Zugang ist natürlich nicht im Sinne des Werkes/Komponisten, da die Bekehrung selbst nicht stattfindet. Insofern beute ich das Stück womöglich noch unverschämter epikureisch aus, als ich auch in Erschütterung, Demut und Triumph mich begebe, nur um einen noch besseren ("wahreren") Kunstgenuss davonzutragen.



    Zitat

    Nun ist es ein altbekanntes Phänomen, dass das Erlebnis von Musik sehr davon abhängt, welche Musik man davor und danach hört. Du hast Musik von Komponisten gehört, gegenüber denen Schütz´ Exequien aufregend klingen. Ich habe zuletzt z. B. viel die 14. Sinfonie von Schostakowitsch gehört. Gegenüber dieser aber sind die Exequien - du ahnst es bereits - ein wohliges Fließen.

    Lustigerweise fließt gerade Schostakowitschs 14. immer recht langatmig an mir vorüber. Aber (wenn Du Lust dazu hast) - höre mal was rein vokales Geistliches aus der Renaissance und dann den Schütz, dann sollte er weniger ruhig fließen.
    :D
    Außerdem hängt es sicher auch damit zusammen, wieviel man generell diese Art von Musik hört.
    :hello:

  • Das ist ganz interessant.
    Ich höre die Exequien seit Jahresanfang regelmäßig, manchmal in Schleife, und habe mich so ganz gut eingehört in das Werk. Und die Empfindungen, die ich dabei habe, treffen sich wohl irgendwo in der Mitte zwischen dem vom Thomas beschriebenen entspannten Fließen und KSMs tiefgehenderen Emotionen bei bestimmten Textpassagen.
    Dazu muss man sagen, dass ich mich als aktiver Christ durchaus mit dem Text identifizieren kann und keineswegs Ablehnung in mir spüre. Andererseits habe ich nicht die Werkkenntnis der Komponisten, die im Umfeld Schütz' gewirkt haben, kann also nicht beurteilen, ob Schütz' Komposition ausdrucksstärker und intensiver ist als Andere. Vorstellen kann ich mir das durchaus.


    Auf jeden Fall habe ich ein Werk für mich entdecken können, das mich sowohl inhaltlich als auch musikalisch sehr anspricht. Im Besitz ist die Naxos-Aufnahme mit Wolfgang Helbich, die ich als sehr ansprechend musiziert empfinde und mit der ich sehr zufrieden bin.



    LG, Peter.

  • Hallo!


    Thomas, KSM:

    Zitat

    ...kann ich sagen, dass mir die Musik hervorragend gefällt.

    Das ist - glaube ich - das wichtigste. Wem die religiösen Inhalte "zusätzliche Dimensionen" und eine "tiefere Hörempfindung" öffnen, wird das Werk doppelt gerne hören, aber es geht wohl auch ohne dies.



    Zitat

    Ist das Schütz-Mißbrauch?

    Mißbrauch ist ein hartes Wort. Es ist aber so vermutlich nicht in Schütz' Sinne bzw. er wollte die Themen Religion, Leben und Tod durch die Musik zum Hörer transportieren.
    Aber wie bereits gesagt, das Werk kann auch ohne dies gefallen und jeder mag es so hören wie es für ihn richtig ist. Das sehe ich völlig bedenkenlos.



    Zitat

    Die Exequien habe ich in den letzten Monaten 3x gehört, mit steigender Durchgängigkeit der Konzentration und parallel vermehrtem Schauder oder Extase resp. Demut und Triumph.
    Nun bin ich ja kein gläubiger Mensch wenn auch womöglich ein kultureller Christ, also ein christlicher Atheist. Aber die Exequien sind für mich keine wohltuende Klangdusche und die Textausdeutungen werden nicht nur interessiert registriert sondern finden dann auch bejahende Resonanz aus dem Inneren. Und der Jubel, dass Gott "mein Teil" sei, ergreift mich, nachdem ich den schlappen Lappen meiner kümmerlichen irdschen Existenz gemeinsam mit Schütz bespien habe, umso fundamentaler...

    Das finde ich toll. Danke daß Du diese Erfahrung mitgeteilt hast. :hello:
    Ich tue mir schwer, meine innere Resonanz beim Hören der Exequien in Worte zu fassen. Das Wort "Katharsis" (siehe attische Tragödie) trifft es wohl am besten; die "Reinigung" von weltlichem Ballast durch synchron und religiös erfahrene intensive Trauer und intensive Freude.



    Zitat

    Wir hatten im Forum vor längerer Zeit einen Thread, in dem heiß diskutiert wurde, inwieweit Atheisten geistliche Werke voll erfassen und in ihrer (religiösen) Tiefe erleben, verstehen und genießen können.

    Dieser Thread artete furchtbar aus und nimmt/nahm mir durchaus an manchen Stellen den Mut, persönliche religiöse oder esoterische Erfahrung mitzuteilen, die ich durchaus im Zusammenhang mit Musik habe/hatte.
    Alfred weiß schon, warum er religiöse Themen hier nicht möchte.
    Als ehemaliger (übrigens sehr dogmatischer und intoleranter) Atheist und jetziger "Theist" finde ich das schade, aber nachvollziehbar und richtig.



    @Peter:

    Zitat

    Ich höre die Exequien seit Jahresanfang regelmäßig, manchmal in Schleife, und habe mich so ganz gut eingehört in das Werk.

    Vorsicht, bei mir ging es fast das ganze Jahr lang so weiter. :D



    Zitat

    Auf jeden Fall habe ich ein Werk für mich entdecken können, das mich sowohl inhaltlich als auch musikalisch sehr anspricht. Im Besitz ist die Naxos-Aufnahme mit Wolfgang Helbich, die ich als sehr ansprechend musiziert empfinde und mit der ich sehr zufrieden bin.

    Mit der Aufnahme hatte ich das Werk auch kennengelernt. Schön, daß Dir das Werk gefällt. Ich glaube, Du könntest in der Alten Musik noch viel entdecken, was Dir gefällt.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Zitat von Pius

    @Peter:

    Vorsicht, bei mir ging es fast das ganze Jahr lang so weiter. :D

    Ja, das "befürchte" ich auch bei mir. So schnell kommt die CD jedenfalls nicht aus dem Wechsler. :)



    Zitat

    Mit der Aufnahme hatte ich das Werk auch kennengelernt. Schön, daß Dir das Werk gefällt. Ich glaube, Du könntest in der Alten Musik noch viel entdecken, was Dir gefällt.

    Ja, so langsam habe ich Blut geleckt. Ich werde mich wohl in dieser Epoche noch weiter reinhören müssen...


    LG, Peter.

  • Trotz aller möglichen Einwände immer noch meine Lieblingsaufnahme von Ende der 60er ...


    [timg]http://www1.hbdirect.com/coverm/62/184062.jpg;l[/timg]



    ... ich finde leider kein größeres Bild, die Scheibe wird wohl nicht mehr vetrieben; amazon hat derzeit Mauersberger mit Kreuzchor in dieser Aufnahme, weiß jetzt aber nicht aus dem Kopf, ob identisch und von wann (muss ich abends noch mal in meiner Sammlung nachsehen) ...

    Die viel gelobte hier von Herreweghe ...


    ... findet nicht meinen Beifall ...


    Ich arbeite und publiziere seit 25 Jahren zur reußischen Geschichte, mein Schwerpunkt ist Heinrich Posthumus Reuß, dem dieses Werk gewidmet wurde. Die beste Aufführung erlebte ich Mitte der 90er anlässlich einer Tagung, in Gera in der Johanniskirche in einer spartanischen Besetzung!

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  • Sagitt meint:


    die Geschmäcker sind verschieden. Mauersberger et al. haben mir lange dem Zugang zu Schütz versperrt. Heute ist er einer meiner klaren Favoriten, sh. Nick-name.



    Ich schätze in den letzten Jahren Benoit Haller mit seiner Chapelle Rhenane. Da vibriert diese Musik.

  • die Geschmäcker sind verschieden.

    Ja, offensichtlich.
    Ich kann die geäusserte Kritik an Herreweghes Aufnahme für mich so überhaupt nicht nachvollziehen. Gerade diese Aufnahme mag ich sehr, sie zählt aus vielen verschiedenen Gründen zu meinen unverzichtbaren Lieblings-CDs. Haller sehe ich aber auch als einen aktuell sehr interessanten Schütz-Interpreten, der dessen Musik sehr lebendig musiziert.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • ...Die viel gelobte hier von Herreweghe ...
    ... findet nicht meinen Beifall ...


    Wenn etwas keinen Beifall findet, ist das noch keine Kritik, eher handelt es sich dann um eine Äusserung zum persönlichen Geschmack. Vielleicht kann Yorick beschreiben, was ihm an der Aufnahme Herreweghes im Vergleich zu den anderen Interpretationen weniger zusagt.


    Ich besitze nur eine Aufnahme der Musikalischen Exequien SWV 279-281, diejenige, die beim Label cpo erschienen ist. (Weser-Renaissance Bremen, Manfred Cordes). Ich habe keine Vergleichsmöglichkeit.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Vielleicht kann Yorick beschreiben, was ihm an der Aufnahme Herreweghes im Vergleich zu den anderen Interpretationen weniger zusagt.

    Ich habe gerade mal bei Amazon nachgeschaut und die dortige Zweisternebewertung trifft ein paar Aspekte, die ich auch genannt haben würde! Im Vergleich mit meinen anderen Aufnahmen fehlt mir der Spannungsbogen, die Akzentuierung und schlicht die Gänsehaut. Ich versuche nachher mal zwei bis drei Stellen, die ich meine, herauszufiltern; dazu muss ich aber nochmal hören!

  • Im Vergleich mit Mauersberger, auf den ich mich hier beziehe, mal nur der erste Teil:



    Das geht doch im Grunde beim entschiedeneren


    Nacket …“ los; das „Jesu Christe, Gottes Sohn, erbarm dich
    über uns.
    “ ist voller;


    darum wir leben oder sterben“ ist regelrecht klangvoll;


    sondern das ewige Leben“ ist klar, rein und überdeutlich;


    Durch ihn ist uns
    vergeben die Sünd
    “ – kraftvoll


    „welcher unsern nichtigen Leib verklären wird, daß er
    ähnlich werde seinem verklärten Leibe.
    “ – die unglaublichste Stelle in den
    letzten drei Worten (Jäckel und Polster in Hochform)


    sein Wort, sein Tauf, sein Nachtmahl dient wider allen
    Unfall, der Heilge Geist im Glauben lehrt uns darauf vertrauen.
    “ – expressiv,
    vielleicht zu stark;


    aber sie sind in Frieden.“ – herrlich;


    wenn mir gleich Leib und Seele verschmacht, so bist du Gott
    allzeit meines Herzens Trost und mein Teil.
    “ – Was für ein Zusammenspiel!;


    Unser Leben währet siebenzig Jahr …“ – Wer bringt den Bass
    besser?


    „gar bald der Mensch darnieder leit“ etc. – gefällig, etwas
    undeutlich;


    Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ – in welcher
    Aufnahme ist diese Frömmigkeit glaubhafter?;



    Ich könnte noch mehr Stellen nennen, Peter Schreier ist für mich unschlagbar! Vielleicht könnt ihr die oder andere Stellen aus den anderen aufgeführten Aufnahmen und speziell von Herreweghe konstrastieren ...

  • Ich besitze nur eine Aufnahme der Musikalischen Exequien SWV 279-281, diejenige, die beim Label cpo erschienen ist. (Weser-Renaissance Bremen, Manfred Cordes). Ich habe keine Vergleichsmöglichkeit.

    Die Aufnahme kenne ich gar nicht, bietet amazon auch nicht an!

  • Die Musikalischen Exequien gehören zu den mir liebsten Stücken der Musikgeschichte überhaupt. Ich kenne sie in- und auswendig, im Wald singe ich schon mal eine Bassarie vor mich hin. Ich habe sie oft gesungen, sowohl im ersten wie im zweiten Tenor und mit meinen Kollegen sogar die Solostücke. Einige Bemerkungen:
    Wir haben die Exequien immer ohne fremde Solisten gesungen, nur mit eigenen Kräften. Das gibt dem Werk die Geschlossenheit, die es braucht. Ich kenne nicht alle Aufnahmen, die hier vorgestellt werden, finde aber, dass die alte Ehmann - Aufnahme zu schlecht wegkommt. Sie ist überholt, aber sie hat etwas, was der Aufnahme der Weserrenaissance völlig abgeht: venezianische Pracht, die vor allem im 2. Teil, dem Doppelchor, unbedingt nötig ist. Schütz war Monteverdi - Schüler, das muss man hören!
    Ich kenne die Mauersberger - Aufnahme nicht, aber die Stimmen von Schreier und Polster, von denen ich mir Schütz - Gesang nicht gut vorstellen kann. Meinem Ideal kommen Herreweghe und Howard Arman am nächsten.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Hallo,


    wie schon oben geschrieben teile ich Yoricks Präferenz für die Mauersberger- Aufnahme. Ich habe insgesamt 6 einspielungen des Werkes. Die anderen 5 gefallen mir, deshalb habe ich sie ja gekauft ;)


    Aber Mauersbergers Aufnahme hat für mich eine Bedeutung, die weit über das Ästhetische hinausgeht, die eine individuelle Kraft aus Spiritualität und Transzendenz hat. ( siehe meine alten Beiträge oben)



    Und eine Reihe von Belegstellen, die Yorick anführt, sind auch für mich Schlüsselstellen, die Mauersberger einzigartig machen, z.B. das" Nackend..." zu Beginn oder" ...aber sie sind in Frieden"!


    Gruß


    Oolong

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • Ich besitze auch die Herreweghe-Aufnahme, und leider nur diese. So wie "sagitt" sich von Mauersberger abhalten ließ, sich mit Schütz weiter zu beschäftigen, so hat dies Herreweghe bei mir bewirkt. Ich kann Yoricks Kritik und jene 2-Sternekritik bei amzaon restlos nachempfinden. Ehrlich gesagt, habe ich bei Herreweghe, außer seinem grandiosen "Elias", immer das Gefühl der "Schaumgebremstheit" und fehlenden Emotion. Für mich der Tiefpunkt: seine Johannespassion (von Bach). Ich werde mir alsbald die Mauersberger-Aufnahme der Exequien zulegen.

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