KARAJAN als Operndirigent

  • Das Karajanjahr 2008 neigt sich dem Ende zu, und eigentlich hat das Tamino-Klassikforum etliche Beiträge zu diesem Thema geliefert - nicht alle fanden meinen Beifall - aber seis drum....


    Lediglich der Bereich


    Operngesamtaufnahmen unter Herbert von Karajan


    fehlt meiner Meinung nach noch.



    Zu meiner Überraschung musste ich übrigens feststellen, daß ich bis vor 6 Monaten keine einzige Operngesamtaufnahme von Herbert von Karajan auf CD hatte (sehr wohl aber auf Vinyl) - mittlerweile sind es 2.


    So ergeben sich zwei Fragen:


    Welche Opernaufnahmen von Karajan sind empfehlens- und besitzenswert.


    Von welchen sollte man besser die Finger lassen


    UND WARUM ??


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • eigentlich verblüffend, dass dieser thread trotz Karajanthreadschwemme nicht schon viel früher geboren wurde... von den vielen Karajanthreads könnte sich dieser hier als vergleichsweise nützlich und nicht überflüssig herausstellen.


    Karajans Opernaufnahmen (allen voran die für EMI und DECCA aus den 50er bis 70er Jahren) finde ich überwiegend (sehr) gelungen.


    Auch scheinen mir Karajans Opernaufnahmen insgesamt weniger in der Kritik zu stehen als Karajans sinfonische Aufnahmen in ihrer durchschnittlichen Gesamtheit. Vielleicht stösst es bei Opernaufnahmen weniger auf Kritik, wenn der Dirigent "dem Affen Zucker gibt" als in anderen Gattungen. Denn Karajan konnte sein Hang zum effektbetonten in seinen Opernaufnahmen ja voll ausleben. Ich mag auch, wie sorgfältig Karajan einige seiner Opernaufnahmen als "Hörspiel" mit eingespielten externen Soundeffekten gestaltet hat.


    Ich könnte jetzt ein gutes Dutzend und éinige mehr Opernaufnahmen Karajans aufzählen, die mir sehr wichtig sind. Ich fang mal mit vieren an:



    Die Fledermaus (EMI! Die Decca-Aufnahme kenne ich nicht). Ganz unsentimental straff und zügig dirigiert und doch mit dem nötigen Schmäh. Sängerbesetzung natürlich hervorragend.



    Rosenkavalier. Ungefähr gleich alt aber akustisch deutlich besser als Erich Kleibers berühmter Rosnkavalier. Auch hier: eher unsentimental straff und herrausragend besetzt. Sowohl Fledermaus als auch Rosenkavalier sind ganz mitreissende Hörspiele. (Fledermaus bietet lebendige Dialoge, Rosenkavalier glaubwürdig gespielte "Rezitative")



    Und an Hörspielqualitäten bietet die Ariadne auf Naxos noch mehr. Das dürfte die beste Ariadne aller Zeiten sein. Ein echtes Schauspiel und der Prolog urkomisch. Eine perfekte Besetzung, alles absolute Ausnahmestimmen mit bester Textverständlichkeit zudem. Auch hier wieder ein Dirigat, das die Klippen des Kitsch souverän zu umschiffen versteht.




    So, das waren vier heisse Strauß- bzw. Strauss-Empfehlungen, Verdi, Puccini, etc. folgt später.



    Eine Aufnahme möchte ich aber noch nennen, die mir nicht übermässig gefällt, obwohl sie auch ihre Meriten hat: Tristan und Isolde (EMI, Studioproduktion mit Jon Vickers). Die Aufnahme aus den 70ern (?) ist tontechnisch den oben vorgestellten älteren Aufnahmen unterlegen! Das ist akustisch ein ziemlicher Murks, was da in der Berliner Jesus-Christus-Kirche aufgenommen wurde. Die Balance stimmt da nicht (der Chor viel zu weit im akustischen Hintergrund, wahrschinlich im Nebenraum aufgezeichnet) und Orchester auch sehr schwammig. Auch interpretatorisch finde ich die Aufnahme schwach, schon das Vorspiel kommt nicht recht vom Fleck und setzt keine brodelnden Energien frei...


  • Unbedingt erwähnt werden müssen in diesem Zusammenhang die beiden veristischen "Reisser" "Cavalleria Rusticana" von Mascagni und "I Pagliacci" von Leoncavallo.
    Beide Aufnahmen entstanden 1965 in Mailand und zeigen Karajan von seiner dramatischsten Seite.
    Das Orchester der Scala ist in einer unglaublichen Verfassung: die dynamischen Extreme werden vollkommen ausgeschöpft; der trockene, harte und präzise Klang des Orchesters transportiert das Bühnengeschehen auch ohne Bühne perfekt.
    Carlo Bergonzi ist wohl die Idealbesetzung für Turiddu und Canio.
    Beide Aufnahmen dürften für ca. 10 EUR erhältlich sein.





    Philipp

  • Zu den "unverzichtbaren" Opernaufnahmen Karajans gehört für mich diese Aida:



    Giuseppe Verdi (1813-1901)
    Aida


    Freni, Carreras, Baltsa, Cappuccilli, Raimondi, Dam, Ricciarelli, T. Moser,
    Wien PO, Karajan
    Label: EMI , ADD, 1979





    bei der unter idealen Studiobedingungen einfach alles stimmt. Ein großartiges Dirigat, ein großartiges, miteinander sehr harmonierendes Sängerensemble - einfach zum Schwelgen!



    LG, Elisabeth

  • Liebe Elisabeth,


    interessant, denn eine "Aida" wollte ich auch benennen, allerdings die frühere Decca-Aufnahme:



    Verdis Spätwerk zählt für mich zwar zu den vernachlässigenden, aber Karajans üppiges Dirigat und der aus einem sehr guten Ensemble herausragende Carlo Bergonzi machen aus dieser Oper eine Empfehlung.


    Unbedingt erwähnt werden muß eine weitere Decca-Aufnahme:



    Auch "La Bohème" höre ich nur ab und an, aber Mirella Freni und Luciano Pavarotti (in seiner für mich besten Opern-Einspielung) sind als "tragisches Liebespaar" unerreicht und werden von Karajan "auf Händen getragen".

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Meine Lieben,


    Die überwiegende Anzahl der von Karajan dirigierten Opernaufnahmen, die ich kenne, sind für mich deutliche Empfehlungen. Zu den bereits genannten möchte ich auf die schon 1953 entstandene Einspielung von Humperdincks "Hänsel und Gretel" hinweisen, die auch innerhalb von Karajans OEuvre für mich in der Spitzengruppe rangiert:




    Damit das aber nicht einen Beweihräucherungsthread ausartet, hier eine "Fidelio"-Aufnahme, die trotz einiger guter Eigenschaften dennoch mehr ins untere Drittel der Verlassenschaft gehört:




    LG


    Waldi

  • Liebe Forianer,


    Herbert von Karajan hat die meisten Opern auf Tonträgern eingespielt, häufig in Gesamtaufnahmen. Etwas übertrieben, er hätte nur seine berühmte Rosenkavalier-Produktion mit Schwarzkopf, Ludwig, Edelmann, Wächter u. a. machen müssen und er hätte allein dafür seinen Platz im Dirigenten-Olymp verdient.
    Ich möchte aber jetzt einige grundsätzlichere Gedanken einbringen. Nach den großen Dirigenten Furtwängler, Klemperer, Kleiber, Bruno Walter, Knappertsbusch usw. mit ihren groß angelegten pathetisch, pompösen Interpretationen begann mit Karajan eine neue Ära. Er dirigierte weit leichter, flüssiger, transparenter, filigraner. Die Oper wurde unter ihm zur Sinfonie mit Stimmen. Er internationalisierte die Oper indem er konsequent das Singen in Originalsprache durchsetzte und daher erst den weltweiten Austausch von Sängern ermöglichte. Gleichzeitig zerstörte er aber weitgehend das Ensembletheater. Er war ein begeisterter Technik-Freak und technisierte die Oper, durch bisher nicht gekannte digitale Finessen und Effekte. Bei allen leichten melodiösen Werken hat eine solche Werkauffassung und Interpretation Berechtigung und bringt beachtliche Ergebnisse. Bei allen Musikdramen musiziert Karajan für meine Auffassung zu leichtgewichtig, zu glatt, zu oberflächlich, obwohl er mit den besten Orchestern der Welt arbeiten konnte. Sehr deutlich wird dies beim Vergleich der Aufnahmen von Wagnes Ring unter Furtwängler, Böhm, Knappertsbusch die die Ringpartitur in allen Facetten auskosten und der leichten quasi silbrigen "Filmmusik" unter Karajan. Vielleicht haben sich -nicht zuletzt durch ihn - die Hörgewohnheiten gewandelt, vom Schweren hin zum Leichten. In unserer Gesellschaft ist alles was light ist modern. Dann wäre Karajan ein ganz moderner Opern- Dirigent. Wo bleibt der Tiefgang? Show oder Tiefe das ist die Frage? Ohne Zweifel gehört Herbert von Karajan zu den größten Operndirigenten, dessen Interpretationen durchaus polarisieren und zur Diskussion gerade zu auffordern.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Wie an anderer Stelle geschrieben habe ich das selte Glück gehabt
    bei den Salzburger Festspielen 1962 Herbert von Karajan
    erleben zu dürfen als Dirgient des "TROVATORE" und das
    gehört wohl zu dem tollsten, was ich gesehen und gehört habe!
    Die Besetzung
    L.Price, G.Simonato, F.Corelli, N.Zaccaria,E.Bastianni,
    Karajan lag diese Oper wie keinem anderen.
    Seine Regie wurde damals verteufelt, aber wenn ich mir so die heutigen Inszenierungen so anschaue, relatviert sich das ein bißchen!
    Das viel mißbrauchte Wort von STERNSTUNDE trifft auf diese Vorstellung zu.
    Er war der Magier des ABENDS!!!
    Einfach nur TOLL!!! :jubel:



    :hello:

    mucaxel

  • Lieber Mucaxel,


    ist das Deine Vorstellung?


    Giuseppe Verdi (1813-1901)
    Il Trovatore


    Bastianini, L. Price, Simionato, Corelli, Zaccaria,
    Wien PO, Karajan
    Label: DGG , ADD/m, LA





    LG, Elisabeth

  • Liebe Elisabeth,


    ja das ist "meine" Vorstellung die CD hab ich natürlich auch.
    Nur LIVE war das halt in Modesprache ausgedrückt
    EIN WAHNSINN.
    War stockheiser am Schluß vom "BRAVO" Rufen.


    :jubel::jubel::jubel:

    mucaxel

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  • Auch diese Aufnahme würde ich hier einreihen. Ich finde sie wirklich hervorragend:



    [jpc]9784270 [/jpc]



    Giacomo Puccini:
    Madame Butterfly
    Maria Callas, Nicolai Gedda, Lucia Danieli, Mario Borriello, La Scala Orchestra, Herbert von Karajan
    Label: EMI , ADD/m, 1955


    Großartige Sänger, sogar die Nebenrollen (Borrielo!) sind herausragend besetzt. Das Orchester unter Karajan begleitet pointiert, kraftvoll, lebendig, aber auch gefühlvoll und so, dass die Solisten nicht übergossen werden, sondern sich entfalten können. So ist eine spannende Aufnahme entstanden, die auch nach Jahrzehnten nichts von ihrer Lebendigkeit eingebüßt hat.


    Freundliche Grüße von der südlichen Nordsee, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Als ich seinerzeit in der DOR Ponelles Jahrhundert-Inszenierung von "Pelleas und Melisande" gesehen habe, mußte ich unbedingt diese Platte haben:



    Claude Debussy (1862-1918 )
    Pelleas und Melisande


    Stade, Stilwell, Dam, Raimondi, Denize,
    Chor der Deutschen Oper Berlin,
    Berlin PO, Karajan
    EMI , ADD, 78


    Grosse Stimmen, schmalztriefende Geigen - Montovani hätte seine Freude gehabt!
    Selbst André Rieu und Helmut Zacharias erblassen vor Neid!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Karajan, mit dessen sinfonischen Einspielungen ich oft nicht sehr glücklich bin, gehört als Operndirigent für mich in die bleibende Spitzengruppe. Mag er auch manche Stimme hoffnungslos überfordert haben um für seine eine Aufnahme seinem Klangideal nahe zu kommen und dennoch oft auf die optimale Besetzung verzichtet haben, weil er bestimmte Leute gerade nicht mochte, weil sie es z. B. gewagt hatten, mit Bernstein aufzutreten, letztlich zählt das Ergebnis, und diese Hinterlassenschaft gehört zu dem Eindrucksvollsten, das wir der Tonträgerindustrie verdanken (von den späten Bildträgern spreche ich bewusst nicht).


    Die meisten meiner besonders geschätzten Aufnahmen sind schon genannt worden: gerade bei Verdi, Puccini und Strauss finde ich ihn oft unübertroffen, wenn nicht gar unübertrefflich. Von DIE FRAU OHNE SCHATTEN gibt es ebenfalls eine alte Aufnahme aus der Wiener Staatsoper, die schon wegen der Elite der hier eingesetzten Stimmen wie Leonie Rysanek, Walter Berry, Lucia Popp, Fritz Wunderlich und Christa Ludwig in das Pantheon großer Gesamtaufnahmen gehört:



    Leider ist sie wegen einer zwar interessanten, aber wegen der damit verbundenen Striche nicht restlos überzeugenden Umstellung auch eine der besonders problematischen. Edwin würde ihm aber womöglich beipflichten, dass man in dieser Oper gar nicht genug streichen kann, und wer sich, wie viele, mit Strauss schwer tut, wird sie vielleicht gerade deswegen zur - ansonsten verdient - bevorzugten FroSch erklären.


    Erstaunlich ist, dass eine seiner allerbesten Einspielungen hier noch nicht genannt wurde:



    Es geschieht eher selten, dass ich den späteren Karajan dem frühen vorziehe, aber diese Einspielung ist für mich so sehr Referenz, dass ich die durchaus beachtliche Aufnahme von den Bayreuther Festspielen 1951 (auch wegen der veralteten Tonqualität, die diesem Werk besonders schadet) mit Hans Hopf, Elisabeth Schwarzkopf und Otto Edelmann als Sachs in der hinteren Regalreihe stehen lasse. Dennoch hat sie natürlich auch erhebliche Meriten:



    Letztlich verbinde ich aber mit dem Operndirigenten Karajan vor allem die italienische Oper. Auf seine herausragenden Einspielungen von CAV und PAG wurde ja bereits hingewiesen. Aber seine TOSCA fehlt noch, wohl weil sie bei aller hervorragenden Qualität durch die Modellaufnahme mit Callas, di Stefano und Gobbi in den Schatten gestellt wurde. Natürlich spreche ich nur von der frühen von 1962:



    :hello: Jacques Rideamus

  • Hallo!


    Ich habe in meinem CD-Schrank nun doch schon etliches an Karajan-Opern Gesamtaufnahmen im Regal und finde nun den Mut bzw. trau ich mir nach etlichem Hören einen Vergleich zu:

    Meinen Abhandlungen bleibt vorauszuschicken, dass ich weder ein Karajan-Fan noch ein Karajangegner bin - mir is dieser Personenkult um ihn herzlich egal.


    Nun aber zu den Aufnahmen:


    Grundsätzlich habe ich für mich festgesellt, dass, je älter eine Opernaufnahme von Karajan ist, desto besser gefällt sie mir (alle bis auf eine Aufnahme). Daher beginne ich mit meinen beiden "alten Aufnahmen":



    Lucia di Lammermoor
    Maria Callas, Giuseppe di Stefano, Rolando Panerai, Nicola Zaccaria - 1955


    In dieser, einer meiner besten Lucia-Aufnahmen, zeigt Karajan, dass er das leidenschaftliche und "werksgetreue" operndirigieren beherrscht. Jeder Tempoanschlag, jede Pause, jede Zurücknahme des Orchester zugunsten der Sänger, die ja der Mittelpunkt des Geschehens sind, passt.
    Weiters führt er die Protagonsiten zu Höchstleistungen. Nun gut, kann man entgegenhalten, die Callas als Lucia ist sowieso ein Garant für Extraklasse. Richtig...aaaaber, dass es ein di Stefano schafft einen Edgardo SO zu singen und zu gestalten, hatte ich nicht für möglich gehalten. Er zeigt, was einen guten Operndirigenten ausmacht - er motiviert die Sänger (treibt sie) zu Höchstleistungen.
    Einfach grandios!


    Genau dasselbe trifft auf folgende Aufnahme zu (ebenfalls aus 1955)

    Madama Butterfly
    Maria Callas, Nicolai Gedda, Lucia Danieli, Mario Borriello


    Maria Callas und Nicolai Gedda - welch ein ungleiches Paar, sollte man meinen. Karajan gelingt es das Orchester unbeschreiblich nuanciert und mit den Sängern harmonisierend einzustellen und so für eine "intime" Athmosphäre und echtes Flair zu sorgen. Die Callas ist großartig und auch Gedda wächst über sich hinaus. Ein so schönes "Vogliatemi bene" hab ich noch auf keiner anderen CD-Aufnahme gefunden.
    Ganz im Gegensatz zur später entstandenen Butterfly, aber dazu später mehr...


    OTELLO- Wien 1962 vs. Berlin 1974


    Karajan tritt hier mit, in meinen Ohren, gleichwertigen Orchestern und bis auf den Titelhelden auch gleichwertige Sänger und Chöre. Doch was macht er daraus?


    Wien - ein wuchtiger und imposanter Otello mit einem grandiosen und alles überstrahlenden Mario del Monaco und einer beinahe perfekten Renata Tebaldi. Die Chöre passen, die Tempi sind dramatisch gesetzt. Nahe dran an der perfekten Aufnahme.


    Berlin - ein orchestral noch lauterer und wuchtigerer Otello mit einem um Hausecken besseren Chor (Der hier noch um einiges dramatischer klingt als in der 1962 er Aufnahme). Allerdings ist Jon Vickers hier schwach, die Freni ist aber Extraklasse, das Restensemble ist nicht überragend, aber mehr als solide.


    Fazit: Beinahe gleichwertige Aufnahmen, trotz mehr Lautstärke in der zweiten Aufnahme - aber der Otello braucht Blech und Lautstärke. Diese Oper aber lebt von der Lautstärke - andere zeichnen sich eher durch Intimität und Sensibilität aus - hier liegt Karajan aber weit daneben mit seiner mit dem Alter fortschreitenden Wuchtigkeit.



    Madama Butterfly - 1974
    Luciano Pavarotti, Mirella Freni, Christa Ludwig


    Die Sänger, die Karajan hier zur Verfügung hat, wären alleine schon Grund genug für unvergleichliche Opernstunden. In dieser Aufnahme singen sie alle wie die Götter und trotzdem ist diese Aufnahme für Stimmengeniesser ungenießbar.
    Warum? Karajan hat hier offensichtlich der orchestrale Größenwahn gepackt und er wollte die Wiener Philharmoniker zum Star der Aufnahme machen - welche anderen vernünftigen Gründe gäbe es sonst, allerzarteste und feinste Spitzentöne der Protagonisten mit Unmengen an Blech zuzuschütten, sodass die Spitzentöne nicht mehr hörbar sind. Die intime Athmosphäre, die er in der Butterfly so wunderbar aufbaut, zerschmettert er hier und lässt den Zuhörer beinahe verzweifeln. Dasselbe gilt übrigens für die Boheme (Freni/Pavarotti), die er genauso zuschüttet.


    Zitat

    Auch "La Bohème" höre ich nur ab und an, aber Mirella Freni und Luciano Pavarotti (in seiner für mich besten Opern-Einspielung) sind als "tragisches Liebespaar" unerreicht und werden von Karajan "auf Händen getragen".


    nur hat er sie in den entscheidenden Momenten fallen gelassen...


    Diese beiden Aufnahmen sind absolut zu Wegwerfen, würde man nicht doch manchmal ein Eitzerl von den wunderbaren Spitzentönen hören. [Wie sich eine Boheme mit demselben Titelpaar anhören kann - hat Schippers 1969 in Rom bewiesen - DAS ist die beste Boheme aller Zeiten!]


    Das Karajan auch in späten Jahren ein guter Operndirigent war, bestreite ich nicht, allerdings war es ein eher beschränktes Repertoire. Intime und sensible Sujets konnte er nicht mehr dirigieren, er schüttete die Sänger einfach nur zu.
    Dennoch gibts für mich eine Aufnahme, die ich sehr genießen kann:

    Don Carlos
    Jose Carreras, Agnes Baltsa, Mirella Freni, Piero Cappuccilli, Jose van Dam, Nicolai Ghiaurov, Ruggiero Raimonid, Edita Gruberova - 1978


    Mit einer solchen Luxusbesetzung kann eigentlich fast nichts schiefgehen. Er schafft es hier sogar, Carreras zu nie geahnter Durchschlagskraft anzutreiben, sodass diese Aufnahme sängerisch kaum Schwachpunkte hat. Lediglich das Orchester klingt mir ein wenig zu selbstverliebt und zu wuchtig.


    Fazit: Die Tugenden, die Karajan in den jungen Jahren hatte, und für einen guten Operndirigenten absolut lebenswichtig sind, hat er im Laufe der Jahre verloren und sich immer selbstverliebter an die Opern herangewagt.
    Darum: Je älter eine Karajan-Opernaufnahme ist - desto besser ist sie (zumindest für meine Ohren)


    LG joschi

  • Lieber Joschi ,



    Karajans späte Interpretation des "Don Carlo" finde ich auch sehr überzeugend .


    Und auch besser als seine Salzburger Aufführung .


    F r a g e :


    Es wird ja immer behauptet , dass Karajan sich zum Schluss seines Lebens an Verdis "maskenball" habe wagen wollen , obwohl er gesundheitlich schon stark gelitten hatte .


    Die ihn am meisten beschäftigende Aufnahme sei die durch Arturo Toscanini gewesen .


    Gibt es hierzu zuverlässige Informationen ?


    Wobei ging es Karajan hauptsächlich in den Toscanini - Einspielungen ?


    Leider gibt selbst das Buch von R. Osborne keine sichere Begründung.


    Danke für die Antwort im voraus .


    Beste Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    ...


    F r a g e :


    Es wird ja immer behauptet , dass Karajan sich zum Schluss seines Lebens an Verdis "Maskenball" habe wagen wollen , obwohl er gesundheitlich schon stark gelitten hatte .
    ...


    Er wollte nicht, er hat. Es sollte die Hauptinszenierung in Salzburg 1989 werden. Die Proben zum Maskenball hatten bereits begonnen, als HvK ein Herzinfarkt ereilte. Danach konnte man kurzfristig Sir Georg Solti gewinnen, die Produktion zu übernehmen. Und dieser hat sie dann auch erfolgreich betreut.


    Die dazugehörige Plattenaufnahme konnte er zuvor noch beenden.



    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Donizetti: Lucia di Lammermoor (Live 1955, Berlin)
    Verdi: Il Trovatore (Live 1962, Salzburg)
    Puccini: La Bohème (Pavarotti, Freni)
    Puccini: Tosca (Price, di Stefano)
    Verdi: Aida (Tebaldi, Bergonzi)
    Wagner: Meistersinger (Adam, Kollo, Donath)


    Conclusio: Die "alten" Karajans gefallen mir besser.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Zitat

    Zitat von Rienzi:
    Conclusio: Die "alten" Karajans gefallen mir besser.


    Das ist auch meine Hör-Erfahrung. Die sehr wenigen Karajan-Aufnahmen, die in meinem Besitz sind und die ich gern höre, sind alte Aufnahmen. Dazu gehört auch diese Einspielung von Mozarts Figaro:



    [jpc]9742001 [/jpc]


    Wolfgang Amadeus Mozart:
    Die Hochzeit des Figaro
    2 CDs
    Künstler: London, Schwarzkopf, Kunz, Seefried, Jurinac, Wien PO, Karajan
    Label: EMI , ADD/m, 1950


    Vielleicht sind das die Aufnahmen, die bleibende Relevanz haben, während anderes in der Zentralablage der Musikgeschichte verschwindet.


    Herzliche Grüße von Nordwest, Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Zitat

    Original von Rienzi
    Wagner: Meistersinger (Adam, Kollo, Donath)


    Hallo,


    stimme Dir zu, die Aufnahme ist großartig.
    Eigtl. ist es aber die neuere der zwei "Meistersinger" vom Herbert (1970).
    Die ältere aus Bayreuth (1951) ist sogar noch besser m. M. nach.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Ich stimme Dir ohne Abstriche zu , dass die "Meistersinger"-Aufnahme mit Edelmann noch besser ist .


    Dies e Interpretation ist für mich von allen mir bekannten Aufnahmen der "Meistersinger" zusammen mit der durch Otto Winer die in sich stimmigste .


    Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin


  • Hallo Andrew!


    Nur zwei CDs? Was wurde weggelassen (Arien des Don Basilio und der Barbarina im 4.Akt?) bzw. wo rast er durch die Partitur?


    2 CD-ige Figaros machen mich immer ein wenig skeptisch...


    LG Joschi

  • Zitat

    Original von Joschi Krakhofer
    ...
    Nur zwei CDs? Was wurde weggelassen (Arien des Don Basilio und der Barbarina im 4.Akt?) bzw. wo rast er durch die Partitur?
    ...


    Karajan ist in dieser Aufnahme in der Tat recht flott. Aber der vollständige Figaro ist eine Erfindung der "Neuzeit", früher wurden regelmäßig einige Arien gestrichen (du hast gute Beispiele angeführt). Auf der Opernbühne sowieso und bei Plattenaufnahmen nicht zuletzt auch aus Platzgründen.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Lieber Joschi !


    Die Gesamtaufnahme passt deshalb auf 2 CD, weil die Secco-Rezitative nicht aufgenommen wurden. Das ist leider der Wermutstropfen bei dieser tollen Aufnahme.


    Ich glaube, auf dieser Aufnahme ist eine der schnellsten Ouvertüren.


    Karajan hat m.W. auch eine Zauberflöte ohne Text aufgenommen.
    Gottseidank ist die Zeit der großen Kürzungen vorbei !


    Liebe Grüße -


    vom Operngernhörer :hello:

  • Zitat


    Wie wird denn diese (offenbar seine letzte Opern-Aufnahme überhaupt) bewertet?


    Und noch eine empfehlenswerte Aufnahme des frühen Karajan:



    Die 1950er "Zauberflöte".

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Die Gesamtaufnahme passt deshalb auf 2 CD, weil die Secco-Rezitative nicht aufgenommen wurden. Das ist leider der Wermutstropfen bei dieser tollen Aufnahme.


    Ja, das ist in der Tat so. :(


    Das hatte ich vor dem Kauf aber schon gelesen und wusste, was fehlen wird. Mich interessierten hier die Sängerarien und Karajans Dirigieren. Als ergänzende und interessante Dritt- oder Fünft-Aufnahme ist das unbedingt empfehlenswert. Ein wirklich spritzige, dynamische und starke Aufnahme, auch für Nicht-Karajanianer wie mich.


    Grüße von Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Zitat

    Original von Theophilus


    Karajan ist in dieser Aufnahme in der Tat recht flott. Aber der vollständige Figaro ist eine Erfindung der "Neuzeit", früher wurden regelmäßig einige Arien gestrichen (du hast gute Beispiele angeführt).


    Lieber Theophilus,


    Denk doch auch mal an Bachs MP. Wunderschöne Baßarien wurden eigentlich nie ausgeführt. Es war also offensichtlich eher üblich als Ausnahme.


    Übrigens, eigentlich merkwürdig, gibt es eine Oper unter Karajan, die ich sehr schätze. Sie ist dazu auch noch von Beethoven... 8o



    Ich habe diese Oper in mehrere Ausführungen. :D


    LG, Paul

  • Hallo Paul


    Zitat

    Original von musicophil
    ...
    Lieber Theophilus,


    Denk doch auch mal an Bachs MP. Wunderschöne Baßarien wurden eigentlich nie ausgeführt. Es war also offensichtlich eher üblich als Ausnahme.
    ...


    Ja, schrieb ich doch...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!



  • Nur ganz kurz: spontan würde ich Joschis Aussage einfach nur als Schmarrn bezeichnen. Diese Aufnahme gehört zum klanglich besten, was es an Karajan-Opernaufnahmen gibt. Vergleichbar mit Bohème und Otello (nicht ganz zufällig alles Decca-Aufnahmen).


    Allerdings muss ich eine Einschränkung machen: ich kenne die CD-Ausgabe nicht! Kann mir aber auch nicht recht vorstellen, dass die guten Leute bei der CD-Überspielung derart gepfuscht haben sollen.


    Aber auch hier gilt: wozu die CD, wo es doch die Butterfly-Verfilmung gibt? Im Film-Soundtrack wird nichts zugeschüttet, im Gegenteil, die klangliche Delikatesse, mit der diese Partitur zum Erblühen gebracht wird, sucht ihresgleichen. Einer der hellsten Sterne am Karajan-Opern-Himmel!


    Aber die geneigten Leser müssen mir dies alles gar nicht glauben. Sie können sich nämlich selbst überzeugen, denn heute Abend läuft auf ZDF-Theater diese Verfilmung. Unbedingt hineinhören!




    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus


    Allerdings muss ich eine Einschränkung machen: ich kenne die CD-Ausgabe nicht! :


    Dann hör sie dir mal an, bevor DU solchen Schmarrn behauptest.


    Es ist dasselbe Phänomen wie bei der Boheme zu beobachten - er hebt das Orchester in den Vordergrund und lässt die Sänger einfach singen, ohne auf ihre Stärken Rücksicht zu nehmen.
    Denn wenn ich die letzten Töne eines Duettes fast nicht mehr höre, weil das Blech sie zudröhnt, ist das für mich nur mehr ungenießbar...


    Ach ja, auf CD singt Pavarotti - nicht Domingo...


    LG joschi

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