Schoene Pausen

  • Liebe Tamino-Freunde,


    mit diesem Threat ziele ich nicht auf solche Pausen ab, die bei subjektiv
    als weniger schoen betrachten Stuecken Erleichterung schaffen...


    Es geht vielmehr um solche Pausen, die auf besonders wirkungsvolle
    Weise einen Uebergang zwischen Noten darstellen und/oder euch
    besonders beruehren.


    Ich werde spaeter meine Lieblingspause vorstellen...


    :hello:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Schöner Thread.


    Und schaurig schön der Abgrund zwischen teuflischem Thriller-Triller und englischem Neuanheben in D.960.
    Auf Schuberts Papier misst er eine Achtel und zwei Viertel mit Fermate auf der letzten.
    Nach gerade zehn Takten scheint mit ihm aber die Welt selbst am Ende - und wird doch durch statisch unmöglich scheinenden Brückenschlag gerettet.



    audiamus



    .

  • Meine beeindruckendste Pause findet scih m Schubertlied "Du bist die Ruh". Dort in der letzten Strophe heisst es
    "Dies Augenzelt von denem Glanz allein erhellt"


    ein Takt Pause.........





    "erfüll es ganz."


    Das Geniale ist, dass Schubert hier eine bis zum a2 aufsteugende und serh schwieirg zu singende Spannung aufgebaut hat, die gerade auch der Sänger körperlich erlebt und dann... die Erlösung in einer serh angenehmen Lage und im Piano.
    Die Pause hat mindestens eine doppelte Bedeutung-nämlci hfür die Zuhörer wie für den Ausführenden und im rein physichen Akt des Singens wie in der Musik.
    Ganz elementar ist dann natürlich die Feinabstimmung mit dem Pianisten, denn wenn der nur eine Zehntelsekunde früher einsetzt als der Sänger, ist es vorbei.



    Seit ich in Amsterdam im Concertgebouw Thomas Quasthoff mit dieser(deutlich verlängerten) Pause erlebt habe, weiss ich erst , was eine Pause ist.


    Der ganze übervolle Saal war ich einer solchen Hochspannung, dass man die Emotionen mit Händen greifen konnte und die Auflösung dieser Pause im pianissimo "Erfüll es ganz" brachte tatsächlich Tränen zum Fliessen, so als hätte die Pause ein Ventil geöffnet.


    Ein unvergessliches Erlebnis!


    F.Q.

  • Hallo zusammen,


    für mich ganz klar die schon als Gänsehautstelle geschilderte Pause im Credo der h-moll Messe von J.S.Bach:


    Das Crucifixus steigt mit dem " sepultus est" in lebensferne, schweigende Grabestiefen hinab, es wird ganz still- alles aus??


    " Et Ressurexit" braust der Auferstehungsjubel los! Da ist Bach wirklich 5. Evangelist, der zu den Herzen seiner Leute spricht!


    Während es viele Künstler gibt, die die NOTEN der h-moll Messe toll musizieren, scheitern für mich ganz viele Stars an dieser Pause . zu kurz, zu lang, den Übergang vom sepultus est nicht mit aller letzem Atem hingehaucht, das Et Ressurexit zu statisch begonnen... die Liste der Leiden ließe sich fortführen.


    Doch in meinen 11 Aufnahmen dieser Messe machen es 2 Künstler für mich völlig richtig, auch wenn sie aus unterschiedlichsten Zeiten und musikalischen Welten stammen: Eugen Jochum mit seiner alten Aufnahme mit den Ensembles des Bayrischen Rundfunks und Thomas Hengelbrock mit seinem fantastischen Balthasar- Neumann Chor. Der ist sogar noch einen Tick besser als Jochum, weil der Osterjubel grenzenloser und wilder hervorbricht. Doch all dies gäbe es nicht ohne jene Pause, die im Himmel geschrieben wurde... :angel:


    :hello:
    Stefan

    Psalmen sprechen und Tee trinken kann niemals schaden!

  • habe ein Stück, nur mit Pausen .......
    Nono - Fragmente-Stille - DGG
    wohlige Schauer überkommen mich da nicht
    wahrscheinlich verstehe ich das Werk noch nicht ?!

    Die Weisheit Des Lebens Besteht Im Ausschalten Der Unwesentlichen Dinge
    -- aus china --

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  • Zitat

    Original von SMOB
    Es geht vielmehr um solche Pausen, die auf besonders wirkungsvolle
    Weise einen Uebergang zwischen Noten darstellen und/oder euch
    besonders beruehren.


    Wahrlich ein schönes Thema! :yes: Die Pausen sind oft unheimlich wirksame gestalterische Elemente in der Musik, die leider bei oberflächlicher Betrachtung oft unbeachtet bleiben.


    Mir fällt hier sofort das Lied "Ich hab im Traum geweinet" aus der Dichterliebe von Schumann ein. In den ersten beiden Strophen gibt es jeweils lange auskomponierte Pausen zwischen den Einwürfen vom Sänger und dem Klavier. Sie erzeugen eine atemlose gespannte Stille, in welcher der Zuhörer bis zum zerreißen gespannt dem Sänger lauscht. Gleichzeitig drücken sie aus, wie schwer es dem lyrischen Ich fällt, die Worte die es zu sagen gilt überhaupt über die Lippen zu bringen.


    Außerdem ein Beispiel aus dem Radio: das herzerfrischende Lied "Ich hasse Musik" von Knorkator:


    "[..]
    Ich hasse halbe und ganze Noten,
    und auch die Pausen .... gehören verboten."


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Meine Lieben,


    Pausen an den richtigen Stellen sind ein wichtiges Geheimnis der überzeugenden Opretteninterpretation, wobei es vom Komponisten nicht einmal immer genau vorgeschrieben sein muß.
    Aber wer "Ja, das Studium der Weiber ist schwer" ohne kleine Kunstpause(n) bringt, der steht fast im Verdacht, ein Preuße zu sein. :D
    Mit dem "ja, - das -" muß man die Spannung so richtig aufbauen, die sich in der tempobetonten Fortsetzung dann entlädt.


    LG


    Waldi

  • Zitat

    Original von Walter Krause
    Mit dem "ja, - das -" muß man die Spannung so richtig aufbauen, die sich in der tempobetonten Fortsetzung dann entlädt.


    LG


    Waldi


    ... zumal eine Kunstpause vor dem "Studium" aus dem Lied fast eine Zote macht. :D


    Ähnliches gilt übrigens für den berühmt-berüchtigten Cancan aus Offenbachs "Orphée aux enfers". Ich weiß nicht, ob zwischen den ersten Tönen tatsächlich Kunstpausen einkomponiert wurden, aber auch für Dirigenten gilt, was bereits über Komponisten gesagt wurde: richtig gesetzte, winzige Kunstpausen machen oft erst den eigentlichen Reiz einer Passage aus.


    :hello: Jacques Rideamus

  • ich liebe diese Nono-Streichqartett auch über alles.. und vor allem die Pausen. .... sind beim späten Beethoven auch wichtig. Nebenbei: Wo wären Pausen nicht wichtig ? Ich hoffe momentan, dass ich das Nono-Streichquartett niemals "verstehen" werde... ist neben Schönbergs Streichtrio die mega-geilste Kammermusik, die ich mir bis jetzt reingezogen habe.
    "Wohlige Schauer" sind schon mal eine wichtige Schicht, die sich beim späten Nono dem Hörer eröffnen.....


    :hello:

  • nächste Woche gibts die H-Moll-Messe mit Rademann im DR-Kultur (siehe Radio-thread) .. hat er schon mal vor 2 Jahren in Chorin mega-geil gemacht... richtig fetzig wie er das Credo macht...
    Unbedingt reinziehen bzw. mitschneiden...


    :hello:

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  • Bruckners Motette "Locus iste" hat vor der letzten Phrase einen Pausentakt, der enorm wirkt. M. E. bringt diese Pause den Moment zum Ausdruck, in dem der Mensch unmittelbar vor Gott steht, etwa wie in der Bibelepisode mit dem brennenden Dornbusch.


    Unglaublich, diese Wirkung, auch für die Chorsängerinnen selbst.


    LG
    :hello:
    Ulrica

  • die schönsten Pausen dauern genau 4 Minuten und 33 Sekunden :D


    Eine in die Irre leitende Pause - man könnte denken, das Werk sei zu Ende - taucht eben kurz vor Ende des Mantra III (Of Will and Vision of Cosmic Avataras) von John Foulds auf. Gute fünf, wenn nicht fast zehn Sekunden Stille bevor der finale Ausbruch startet. :jubel:


    Einen der wohl pragmatischsten als auch ironischsten Titel fand Malipiero für eines seiner Werke: Pausa del silenzio.


    ________________


    @Adorno - äh -Schönberg-Junkie: Welche Quartette meinste bei Beethoven genau? Und welche Interpretion würdest Du empfehlen, wenn es darum geht, daß die Musik und die Pausen irgendwie fetzen?


    :hello:
    Wulf

  • Lieber Wulf,


    beim späten Beethoven meine ich z.B. den ersten Satz vom a-moll-Quartett (wenn es plötzlich abrubt sich was ändert) oder die Pausen beim Alla Marcia, die find ich noch - für mich - eindringlicher.... könte aus anderen Quartetten noch andere Beispiele nennen.. die Pausen sind eigentlich da gar nicht lang... ok ok ok ok klingt alles subjektiv... auch bei den letzten 3 Beethoven-Sonaten finde ich auch Pausen bzw. wenn gerade keine Musik klingt, ist der Moment noch intensiver... geht mir so z.B. wenn Pollini die spielt ....
    Oder bei der Hammerklaviersonate (1. Satz) der Moment nach dem fanfarenartigen Hauptthema, das da plötzlich in Frage gestellt wird, .....
    Beethoven-Quartette: meine intensivsten Eindrücke sind kommerzielle CDs mit Guarneri und meinen Emersons oder Livemitschnitt mit Pratzak. das beste Alla Marcia (vom a-moll-quartett) habe ich mit einem Quartett mit der Geigenlehrerin meiner Tochter - echt live- mir reingezogen, da fetzten echt die Pausen ..man könnte auch grob und pauschal sagen, der Ausdruck wird in solchen Momenten von seinem Gegenteil getragen, also vom Ausdruckslosen.....
    Oder zieh dir mal mein geliebtes Schönberg-Streichtrio rein... und achte da nur auf die Pausen.....
    Pausen müssen nicht lang sein, auch kurze Pausen können den größten Ausdruck haben.....


    :hello:

  • Zum Thema Pausen beim späten Beethoven fällt mir zuerst der 1. Satz vom Streichquartett op. 130 ein. Ein merkwürdiges Anfahren
    (zunächst Adagio-Einleitung, dann Allegro weiter)
    und wieder Anhalten
    (nach 5 Takten Allegro wieder Adagio; Viertel-Pause; aha, die Adagio-Einleitung ist gar keine Einleitung (3, 4 weitere Takte); Achtelpause mit Fermate; erst dann geht's richtig mit Allegro weiter)
    ist das - wunderbar :]


    Viele Grüße


    :hello:

  • Gerade bin ich auf eine weitere schöne Pause in einer Kantate von JS Bach gestoßen:


    BWV 72 Nr. 5 Aria Sopran: "Mein Jesus will es tun, er will dein Kreuz versüßen"


    Von der musikalischen Umsetzung und wie es auf den Text bezogen ist ein echter Lecker-
    bissen.


    Text:


    Mein Jesus will es tun, er will dein Kreuz versüßen.
    Obgleich dein Herze liegt in viel Bekümmernissen,
    Soll es doch sanft und still in seinen Armen ruhn, (PAUSE)
    Wenn ihn/es? der Glaube fasst; mein Jesus will es tun!



    Vielleicht sollte ich kurz beschreiben, was vor und nach der Pause passiert:


    Zweimal ein sich musikalisch wiederholendes Absenken =
    1. Obgleich dein Herze liegt (mit der tiefsten Note auf "liegt")
    2. in viel(en) Bekümmernissen (mit der tiefsten Note auf "(Bekümmer)nissen")


    Dann: "Soll es doch sanft und still" auf einem (hohen) Ton


    Folglich: Absteigende Tonreihe mit tiefstem (ausgehaltenen) Ton auf "ruhn"
    ("sein"=Jesus; auf der gleichen Höhe wie "Soll es doch sanft und still")


    Ein paar Takte nur Instrumente


    PAUSE


    Danach hoch einsetzende Tonfolge mit vielen Verzierungen während "Glaube".



    Hier gibt es eine Kostprobe (leider etwas fahriges Spiel, mit nur angedeutetem Innehalten
    nach dem Motto, super schon darf ich weiterdirigieren/spielen/singen :no: )


    "http://www.youtube.com/watch?v=NB4ehBan-44


    Beginn des Ausschnitts: 2:30; Pause auf 3:00


    Sehr gut gefällt mir hingegen was Leusink mit Ruth Holton abgeliefert hat :jubel:



    PS: Die oben genannten Pausen gefallen mir sehr (z.B. "Ich habe im Traum geweinet")


    :hello:

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

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  • Lohengrin, 2. Akt, 1. Szene.
    Friedrich von Telramund: "Hat nicht durch sein Gericht Gott mich dafür geschlagen?"
    Ortrud: "Gott?"
    Es folgt eine Generalpause, die mit zunehmender Länge immer unheimlicher wird.


    Tolle Pause!


    Tharon.

  • Wo muß ich hin mit der schlimmsten Pause??? X(


    "Aufforderung zum Tanz". Einige Takte vor dem Ende: PAUSE !! Das Publikum applaudiert. Der Dirigent bittet daraufhin um Ruhe, um dann die letzten Takten zu spielen. Und dann bleibt es Sekunden lang still.


    LG, Paul

  • Für mich die schönste Pause: Gustav Mahlers Sinfonie Nr 3, letzter Satz, kurz vor dem so schön ewig lang auslaufenden Paukenfinale. Vielleicht zwei Sekunden mit einem hinreissenden Steicher- und Holzbläserton dannach. Am überzeugendsten dargestellt in Benjamin Zanders Einspielung; erschreckend unsensibel drübergefahren von Pierre Boulez.
    Banause... :no: :no: :no:
    In diesem Sinne einen erquicklichen guten Morgen...

  • Zwei Pausen, die "die Ruhe vor dem Sturm" kennzeichnen gefallen mir besonders gut:


    1. Schostakowitsch: Sinfonie Nr.1- 4.Satz; Pause vor der fff-Solopaukenstelle.
    Dies ist eine der gespanntesten Pausen, die ich über haupt kenne, weil man weiss was einen gleich erwartet ..... :jubel:


    2. Gershwin: Ein Amerikaner in Paris; Finale.
    Hier ist vor dem eigendlichen Finale eine Pause. Das Werk scheint an dieser Stelle schon zu Ende zu sein. Doch dann legt das Orchester nochmal richtig los - gute Laune pur !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Ich denke an die kurzen Generalpausen - besonders die letzte - im langsamen Satz des Mozart'schen Klavierkonzerts in G-Dur, KV 453. Der Satz steht in C-Dur, die letzte dieser Pausen moduliert anschließend das Thema in beherztem Zugriff nach Es-Dur - für mich eine faszinierende Wirkung!


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • @ Thomas Knöchel
    die Pause bei M3 mag ich auch


    oder z.B. aus Othello im 4. Akt Desdemona fühlt Tränen in ihren Augen. Der Hörer wartet auf das Echo des Englisch Horn, wie in vorherigen Srophen des Salce-Liedes ..... jetzt die Pause !!! ... und statt des Echos nur ein Klarinettenton, wie der matte Rest eines Luftballons und dann "Emilia addio.."


    :hello:

  • Gleiches Problem, das musicophil schon hatte: Keine "schöne Pause"...:
    Sibelius' 5.
    Warum nur endet diese Sinfonie mit diesen trockenen Akkordschlägen, getrennt durch quälende Pausen?
    Ich dachte lange, Sibelius wollte das Pathos des Satzes durch Sarkasmus brechen, aber heute scheint es mir eher so, als seien die Pausen ernst gemeint...
    "Schön" ist was Anderes, aber interessant sind sie schon.

  • Hola!


    Dass ich von Pausen Gänsehaut bekomme ist sehr selten. Aber ein Fall fällt mir spontan ein, wo es immer wieder der Fall ist.
    Natürlich bei Mozart. :untertauch:
    Und zwar bei einer unbekannten (und sehr Kurzen) Sinfonie KV 314. Sie besteht nämlmich aus einem Satz, in dem auch ein Adagio drinnen ist. (Darum wird sie auch meist als Ersatz für die fehlende Overtuere zu Zaide genutzt) Und zwischen dem Übergang vom Allegro zum Adagio ist eine Pause, und die ist einfach MAGISCH!



    :hello:


    C.

  • Zitat

    Original von Sakow
    Und zwar bei einer unbekannten (und sehr Kurzen) Sinfonie KV 314.


    Ja, die ist mir wirklich nicht bekannt. Du meinst wohl KV 318 :P - Zu Zaïde passt 318 ziemlich gut wegen des Ouvertürencharakters (sie entspricht auch dem ital. Sinfoniastil) und wegen deren zeitlicher Nähe zu KV 344. Harnoncourt nimmt ja lieber 184 in Es, was garnicht passt (vermutlich deswegen...). Der Eröffnungschor steht nämlich in D und es gibt kein modulierendes Rezitativ davor.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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