Wien, Staatsoper. Verdi: Simone Boccanegra

  • wunschgemäß aus dem Thread "Was höre ich gerade" in einen eigenen verschoben. J.R. II


    .. gerade auf Ö1:



    Giuseppe Verdi
    Simon Boccanegra


    Mit Leo Nucci (Simon Boccanegra), Roxana Briban (Amelia), Giacomo Prestia (Fiesco), Mario Malagnini (Gabriele Adorno) u. a.; Chor und Orchester der Wiener Staatsoper, Dirigent: Yves Abel (Übertragung aus der Wiener Staatsoper)



    Wer es heute nicht hören kann - nächsten Samstag besteht auf DRadio Kultur Gelegenheit.



    LG, Elisabeth



  • Tja. Warum überträgt man eine hörbar wenig geprobte Repertoirevorstellung auch noch im Rundfunk?


    Fazit nach Prolog und erstem Akt: Ein uninspiriertes Dirigat, schon der Prolog (selten sind bei Verdi soviele Pianissimi vorgeschrieben) dümpelt im dynamischen Bereich zwischen mf und f vorbei. Yves Abel zieht gerne unmotiviert das Tempo an und lässt es auch mal ordentlich krachen, wenn sonst schon nichts los ist. Orchester und Sänger sind ab und zu mehr als Haaresbreite auseinander. Auch in den Ensembles wenig Feinabstimmung, Tiefpunkt das Duett Amelia/Gabriele.


    Wenn's wenigstens die Sänger rausreißen würden. Aber Malagnini und der Sänger des Paolo bleiben blass, Frau Briban schmiert sich ziemlich grässlich mit Portamenti und viel Vibrato (sowie einigen manieriert auf pianissimo getrimmten Spitzentönen) durch die Partie. Ziemlich gut Prestia als Fiesco. Bei Nucci habe ich mich bei der Lektüre des relativ neuen Threads schon gewundert, dass der auf einmal so gut sein soll. Ich kann das nicht hören: insbesondere die Höhe klingt angestrengt, grau, nasal, die Stimme insgesamt monochrom.


    Ich habe den Wiener Simone vor ziemlich genau fünf Jahren gesehen, damals noch mit Hampson, Furlanetto, Dvorsky und - ich glaube - Gallardo-Domas, Gatti dirigierte. Und obwohl das auch eine Repertoirevorstellung gewesen ist und ich weder Hampson- noch Gatti-Fan bin: es war damals musikalisch um zwei Klassen besser.


    Ich steig' jetzt jedenfalls aus.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht


    Wenn's wenigstens die Sänger rausreißen würden. Aber Malagnini und der Sänger des Paolo bleiben blass, Frau Briban schmiert sich ziemlich grässlich mit Portamenti und viel Vibrato (sowie einigen manieriert auf pianissimo getrimmten Spitzentönen) durch die Partie. Ziemlich gut Prestia als Fiesco. Bei Nucci habe ich mich bei der Lektüre des relativ neuen Threads schon gewundert, dass der auf einmal so gut sein soll. Ich kann das nicht hören: insbesondere die Höhe klingt angestrengt, grau, nasal, die Stimme insgesamt monochrom.



    Lieber Bernd,


    Du beruhigst mich sehr - denn ich hatte schon überlegt, ob zwischen zwei Vorstellungen so ein großer Unterschied sein kann.


    Severina hatte offenbar noch etwas mehr Glück.


    Deine Beurteilung kann ich jedenfalls unterschreiben - beim rauhen Stimmansatz Nuccis schon im Prolog überlegte ich, ob er den Abend schafft.


    LG, Elisabeth



  • Liebe Elisabeth,


    er klingt wirklich ein bisschen indisponiert, aber vielleicht ist es einfach der Normalzustand seiner Stimme.


    Wenn ich im Opernhaus sitze (oder stehe), neige ich auch dazu, Schwächen bei der musikalischen Seite einer Aufführung zu verzeihen. Aber vor dem Radio, allein auf die akustische Dimension zurückgeworfen, urteilt man schnell schonungsloser...



    Viele Grüße


    Bernd

  • Liebe Elisabeth, lieber Bernd,
    ich kann jetzt nichts dazu sagen, weil ich die Rundfunkübertragung nicht gehört habe (war in der Kammeroper bei Rameau), aber so schlimm war's am Dienstag gottlob nicht. Was Roxandra Briban betrifft, stimme ich Bernd zu, wie du bin ich auch der Meinung, dass Prestia der Beste in diesem Ensemble ist. Aber Nucci gefiel mir schon gut, natürlich nicht so gut wie Hampson, aber der ist auch beinahe 20 Jahre jünger. Nur von seinem Spiel war ich sehr enttäuscht, das schrieb ich ja. Was Malagnini betrifft, der ein Darling der Wiener Kritiker zu sein scheint, weil er regelmäßig bejubelt wird, finde ich ihn einfach sterbenslangweilig, egal, was er singt. Und Enjiro Kai kann Boaz Daniel natürlich nicht das Wasser reichen, aber der war auch ein Paolo der Luxusklasse.
    Und dass Yves Abel kein Daniele Gatti ist...... Das ist jetzt kein Rückzieher von mir, denn ich finde die Vorstellung vom 23. nach wie vor gut, aber sicher nicht großartig, daher verstehe ich eure Einwände.
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von severina
    Liebe Elisabeth, lieber Bernd,
    ich kann jetzt nichts dazu sagen, weil ich die Rundfunkübertragung nicht gehört habe (war in der Kammeroper bei Rameau), aber so schlimm war's am Dienstag gottlob nicht. Was Roxandra Briban betrifft, stimme ich Bernd zu, wie du bin ich auch der Meinung, dass Prestia der Beste in diesem Ensemble ist. Aber Nucci gefiel mir schon gut, natürlich nicht so gut wie Hampson, aber der ist auch beinahe 20 Jahre jünger. Nur von seinem Spiel war ich sehr enttäuscht, das schrieb ich ja. Was Malagnini betrifft, der ein Darling der Wiener Kritiker zu sein scheint, weil er regelmäßig bejubelt wird, finde ich ihn einfach sterbenslangweilig, egal, was er singt. Und Enjiro Kai kann Boaz Daniel natürlich nicht das Wasser reichen, aber der war auch ein Paolo der Luxusklasse.
    Und dass Yves Abel kein Daniele Gatti ist...... Das ist jetzt kein Rückzieher von mir, denn ich finde die Vorstellung vom 23. nach wie vor gut, aber sicher nicht großartig, daher verstehe ich eure Einwände.
    lg Severina :hello:



    Liebe Severina,


    als Rückzieher würde ich Dein Posting auch nicht verstehen wollen - ich habe früher viele Inszenierungen als Vorstellungsserien gesehen und dabei sehr oft erlebt, wie das Niveau zwischen einzelnen Vorstellungen schwanken kann.


    Das Publikum in Haus am Ring war entweder weniger kritisch - es gab sehr viele Bravos, oder - was ich eher vermute - die Radioübertragung ist einfach weniger gnädig als das Liveerlebnis. Da nehme ich mich nicht aus - im Opernhaus reagiere ich vielleicht anders.


    Was mir von dem Abend in Erinnerung bleibt ist, dass Prestia sehr hörenswert ist, und mW wird er wohl in absehbarer Zeit auch in München singen. Nucci kämpfte sich wacker durch den Abend, war mE aber am Rand einer Indisposition, und als Gabriele hätte ich den ursprünglich angekündigten Roberto Aronica wesentlich lieber gehört.


    Trotz allem: ich bin mir durchaus bewußt, dass ich hier auf sehr hohem Niveau "jammere".



    LG, Elisabeth