Der Einstieg in den Jazz - Erinnert ihr euch?

  • ... Und dabei wollt ich so schön mit dem Louis beginen und mich dann langsam steigern. Aber bei der Klassik musste es ja damals auch gleich Mahler sein ...


    Dieser Satz von unserem GalloNero brachte mich zum Grübeln, wie es denn bei mir so war mit dem Jazz-Einstieg. Wie war das bei euch? Gab es eine bestimmte Platte als Initialzündung? Ein besonderes Erlebnis oder eine Person, die euch mit dem Jazz in Berührung gebracht hat? Und wie ist es dann weiter verlaufen?


    Meine kleine Geschichte geht so: Aus einem Haushalt stammend, in dem seit meiner Geburt ein Schlagzeug herumstand, mit dem mein Vater als Student unseren Unterhalt zusammentrommelte, nahm ich mit 14 Jahren (leider erst nach jahrelangem Zieren...) Schlagzeug-Unterricht.


    Mein Lehrer, ein in den siebziger Jahren bundesweit tätiger und beachteter Jazzmusiker, tat zweierlei: Er gab mir auf selbstgebastelten Audio-Cassetten ein paar Aufnahmen mit, die ich mir mal anhören sollte. Darauf waren u.a. Tony Williams, Elvin Jones und Steve Gadd. Hoppla, dachte ich beim Hören. Was spielen die denn da? Wie macht man denn so was?


    Die zweite Maßnahme meines Lehrers war, mich umgehend in eine musikschul-interne Combo zu verfrachten, um zu lernen, mit anderen zusammen zu spielen. Ich stieß zu den Proben und musste mich gleich mit "Bessie's Blues" von John Coltrane, "So What" von Miles Davis und (das ging wohl jedem so) "Now's the Time" von Charlie Parker befassen. Mein Satz, den Herrn Davis und auch die anderen Musikanten gar nicht zu kennen, erntete verständnislose Blicke bei den anderen Teilnehmern, die durchweg schon im Zivildienst- oder Studentenalter waren.


    Daraufhin schenkte mir der begleitende Dozent eine Platte, die er wohl irgendwie zufällig dabei hatte und die somit meine erste Jazz-Einspielung werden sollte:


    Joe Henderson
    Our Thing

    1963, Blue Note



    Im Laufe der Wochen kamen dann mehrere Platten vom mühsam zusammen gehaltenen Taschengeld dazu, u.a. folgende:


    Jack DeJohnette
    New Directions in Europe

    ECM, 1979



    Und natürlich der schon von meinem Lehrer vorgestellte große Schlagzeuger Tony Williams mit folgender Platte, die mir meine neuen Bandkollegen wohlmeinend schenkten:


    Miles Davis
    Seven Steps to Heaven

    Columbia, 1963



    Tja, das war's dann. Mittlerweile stehen drei Billy-Regale voll mit dieser Hibbel-Musik... :D


    LG
    B.

  • Au ja, Geschichten von früher erzählen. Da bin ich doch gerade in Übung, nach meinem Beitrag in "Der Reiz des Neuen".


    Ich hatte einen wunderbaren Musiklehrer. Als ich 14 oder 15 war, machte er uns im Musikunterricht im Schnelldurchgang mit der Geschichte des Jazz bekannt. Keine Ahnung, ob das in irgendeinem Lehrplan stand. Er brachte Schallplatten mit und spielte uns so ungefähr je ein Stück von : Louis Armstrong. Count Basie. Duke Ellington. Charlie Parker. Miles Davis. Chet Baker. John Coltrane. Ornette Coleman. Sun Ra (hört DEN eigentlich noch jemand? Ganz gefährlicher Stoff!). Und ich war angefixt. (Als einziger. Die anderen saßen wie's Schwein vorm Uhrwerk.)
    Dann gab es das Jazzbuch von Behrendt in der örtlichen Bibliothek und gleichzeitig in der Karstadt-Filiale (jawohl) aufm Wühltisch Platten aus einer italienischen Kiosk-Edition: I Giganti del Jazz. Die hab ich alle noch.


    Und so ging es weiter...


    Grüße,
    Micha

  • Zitat

    Original von Michael M.
    Dann gab es das Jazzbuch von Behrendt in der örtlichen Bibliothek


    Au weia! Das habe ich ganz vergessen! Natürlich habe ich mir auch das gleich gekauft. Man mag heute manchmal etwas schmunzeln über Berendts späteres Abgleiten in eine esoterische Welt und ihm vorhalten, mit fortschreitendem Alter den richtigen Blick auf das Jazzgeschehen verloren zu haben. Nur: Er hat das auch selber eingeräumt und sich nach verdienstvollen Jahrzehnten zurückgezogen. Für Einsteiger, aber auch noch später, ist das Jazzbuch Berendts wirklich Gold wert! Ich jedenfalls fühlte mich von seiner Jazz-Begeisterung über alle Maßen angesteckt.


    LG
    B.

  • Mein erster Kontakt mit dem Jazz - und zugleich mit dem "Einstieg" in den Jazz - war eindeutig eine Langspielplatte der "Greatest Hits" oder so des Glenn Miller Orchestra in meiner Kindheit, noch bevor die ersten Pickel kamen. Ein Schulfreund sagte zu mit (fast wörtlich, ich erinnere mich noch ziemlich genau): "Komm doch nach der Schule zu mir. Ich habe eine ganz komische Platte von meinem Vater gehört, die ist total gut".


    Ich muss dazu sagen, dass weder mein Schulfreund und ich jemals Jazzmusik vorher gehört haben. Mein Klarinettenspiel beschränkte sich damals auf das Nachspielen einiger Stücke von Acker Bilk und so.


    Nach der Schule gingen wir also zu ihm nach Hause, und seine Eltern waren nicht da. Also legte er heimlich (ja, so war das damals) die Platte auf:


    Mein Gott, war das prickelnd. Was waren das Rhytmen, was waren das tolle Bläserklänge! "In The Mood", "Little Brown Jug", aber auch das ruhige "Moonlight Serenade" haben mich sehr fasziniert, geradezu durcheinandergebracht. Ich habe mir die LP auf Cassettenrekorder überspielt und TAUSENDMAL gehört.


    Von da an hat mich der Jazz so richtig gepackt...Und seitdem verteidige ich Glenn Miller mit all meiner Kraft (gegen die, die sagen, Miller sei kein Jazzer gewesen)...


    Fast zeitgleich kam übrigens meine erste Bekanntschaft mit Mahalia Jackson und Gospelmusik; das ist aber ein anderes Thema, beeinflusste mich aber nahzu genauso.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Ein spanischer Trompeter schenkte mir einst dies,




    meinte, ich solle Beethoven vergessen und wenn ich alles intus hätte, könne ich in seiner Combo mitspielen.


    Bin bis heut nicht durch.



    audiamus



    .


  • Ja, ja, das gute, alte Real Book. Die Fibel aller angehenden Jazzmusiker. Keine Probe begann, bevor das Ding ausgepackt wurde. Kein Saxophon- oder Gitarrenkoffer konnte geöffnet werden, ohne dass die abgegrabbelte Kladde herausfiel...


  • Jahaaa! Das kam dann natürlich auch. Die kleine Combo, das Real Book, ich am Klavier, und weil ich technisch einfach überhaupt nix konnte, bildete ich mir ein, wie Thelonious Monk zu klingen...

  • Das Real Book habe ich natürlich auch gekauft und bis zum Erschöpfen damals geübt und gespielt. Ich habe die B-Stimmen-Version.


    Aber Beethoven habe ich bis heute dennoch nicht vergessen...


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Wie langweilig da doch meine Story. Mich haben im September 2008 ein paar Verrückte in einem Internetforum in etwas hineingezogen, was ich (noch) gar nicht wollte... :beatnik: ;)


    Liebe Grüße
    GalloNero

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

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  • Man kann die Vorschreiber nur beneiden, die Jazz nicht nur auf Konserve erleben, sondern selbst spielen können !


    Meine "Karriere" als Nur-Hörer begann Mitte der 70er Jahre, als in meinem Freundeskreis Alternativen für Santana und Co. gesucht wurden.


    Meine erste Jazz-Platte war ein Atlantic-Sampler mit zwei entscheidenden Stücken, die ich bis heute immer wieder begeistert höre:
    Ray Bryant - after hours
    Les McCann - Compared to what.
    Danach kam eine CBS-Best of Doppel-LP mit Dave Brubeck dazu und Al Jarreau mit We got By (muß ich unbedingt mal wieder einlegen).
    Danach ging es im Schwerpunkt mit Jazz-Rock weiter (weather-report etc) und hörte bei Freunden viel ECM.
    Es war eine spannende Zeit, weil in diesen Jahren viele aufregende und neue Platten auf den Markt kamen.


    Mein erstes Jazz-buch war das Jazzbuch von Behrendt, damals eine absolute Pflichtlektüre.
    Hatte er diese Kategorisierung in 10-Jahres Schritten eingeführt (jedes Jahrzehnt eine neue Stilepoche) ?
    Na ja, schon in der Achtzigern fiel dieses System ja in sich zusammen, weil mE im Grunde im Jazz nichts gravierend neues dazukam.


    Grüsse
    Achim :hello:

  • Zitat

    Original von Achim
    schon in der Achtzigern fiel dieses System ja in sich zusammen, weil mE im Grunde im Jazz nichts gravierend neues dazukam.


    Meinste?
    In den späten Achtzigern, frühen Neunziger schwappte der New Yorker Knitting-Factory-Kreativitätsausbruch nach Europa: John Zorn, Fred Frith, Arto Lindsay, Elliott Sharp, Don Byron, Ned Rothenberg - und der weitere Kreis, global: Keiji Haino, Saynkho Namtchylak, Marc Ribot... Wenn das nichts Neues war! Damals war ich noch regelmäßig in Moers, und es gab sehr aufregende Musik zu hören. Danach habe ich dann den Faden verloren. Aber ich glaube nicht, dass dann nichts mehr passiert ist, nur weil ich es nicht mitgekriegt habe.


    Grüße,
    Micha

  • Lieber Micha,


    du bist mir zuvorgekommen und genau die hätte ich auch genannt!


    Ergänzt um Marty Ehrlich, Dave Douglas, Myra Melford, das Trio Medeski, Martin, Wood, das, was sich von Ornette Colemans Prime Time Band aus neu entwickelte, oder was aus dem M-Base-Collective um Steve Coleman oder aus der neuen Chicagoer Szene um Ken Vandermark, eng vernetzt mit der skandinavischen Szene um Mats Gustafsson, Nils Ljundberg-Holm u. a. sich entwickelte. Dann etwa in Frankreich die Projekte von Louis Sclavis, die Musik der Pianistin Sylvie Courvoisier im Grenzbereich zur Neuen Musik, in Italien z.B. der blutjunge Pianist Livio Minafra, der schon jetzt eine völlig eigene Tonsprache entwickelt hat, sogar noch das Italian Instabile Orchestra um seinen Vater Pino Minafra, der einen ziemlich neuen Big Band - Jazz entwickelt hat, ebenso wie Colin Townes oder die Uruhu Big Band aus Detroit, dann wirklich ganz hochlebendig die neue asian-american Szene um z.B. Fred Houns Afro-Asian Music Ensemble in San Francisco oder die Cellistin Peggy Lee aus Vancouver, die sich zunehmend zu einer transpazifischen entwickelt, die m.E. immer wichtiger werden wird, .......


    ....es tut sich wirklich viel! Und ein Projekt für Jahre, dies vorzustellen.


    :hello: Matthias

  • Zitat

    Original von Matthias Oberg


    ....es tut sich wirklich viel! Und ein Projekt für Jahre, dies vorzustellen.


    Na, dann fang mal schleunigst an!
    Von denen, die du nanntest, kannte ich nämlich gerade mal drei. Was muss ich mir besorgen, um die letzten 10-15 Jahre aufzuholen? (Vielleicht ein neuer thread dafür? Im Ernst, eine kleine Oberg-Liste der wichtigsten Jazzplatten der neunziger und bisherigen nuller Jahre würde ich sehr goutieren! Und mal schauen, wer dann noch seinen Senf dazu gibt!)


    In Vorfreude,
    Micha

  • Zitat

    Original von Michael M.


    Meinste?


    Grüße,
    Micha


    Hallo Michael,


    ja, meine ich so. Und zwar im Sinne folgender Aussagen aus "das Jazzbuch" - von JEB, fortgeführt von Günther Huesman, der im Kapitel Jazzstile unter der Überschrift "Seit 1980" im ersten Satz schreibt: Zum Stil ist geworden, daß nichts mehr Stil ist.
    Dann unter der Überschrift "Seit 1990": Anfang der 90er Jahre war das Stildelta des Jazz unermeßlich breit geworden.


    Will sagen, es findet unter anderem eine Vermischung bekannter Stile miteinander statt. Es werden andere Genres mit einbezogen, wie Hiphop, Worldmusic usw.
    Das meint ihr ja auch mit den genannten Beispielen, aber den einen, das Jahrzehnt prägenden Stil, den scheint es nicht mehr zu geben.


    Grüsse
    Achim :hello:

  • Tja, womit fing die Liebe zum Jazz an?


    Ganz einfach: Auf den Straßen von New Orleans .... Mardi Gras




    Magnificent Seventh's Brass Band


    Titelliste:
    1. Sweet Lorraine
    2. When My Dreamboat Comes Home
    3. China Boy
    4. On the Sunny Side of the Street
    5. After You've Gone
    6. Who's Sorry Now?
    7. Funky New Second Line
    8. Bogalusa Strut
    9. You Are My Sunshine
    10. Glory of Love
    11. Rosetta
    12. C.C. Rider


    Später kamen dann Dutch Swing College Band und andere Dixie Bands dazu...


    LG


    :pfeif: :pfeif:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich kann das gar nicht so genau definieren - es waren mehrere Erlebnisse - ein Jazzkenner ist trotzdem nicht aus mir geworden.....


    Ich erinnere mich, des öfteren Lautsprecherboxen mit Jazz vorgeführt bekommen zu haben, ferner an eine Zeit einer extremen Nervenkrise, wo ich nur Jazz ertragen konnte (ich war damals 30 - die Pase dauerte über 2 Jahre), ferner gab es Bekannte, die mir immer wenn ich sie mit klassischern Musik drangsalierte, mir zur Strafe Jazz vorführten.


    Jazz gibt es IMO natürlich ebensowenig wir "Klassische Musik". ich begann mit dier Vinylplatte (mein Gott das alte Stück soll auf CD jetzt 39.90 895064 Euro kosten !!)



    dann aber entdeckte ich meine Liebe zum Dixieland -besonders unterstützt durch eine (längst gestrichene) Philips Live-Aufnahme.


    Im allgemeinen jedoch höre ich seit einigen Jahren "Klassischen Jazz"
    die ganzen großen Namen zwischen 1915 und 1945 .......


    Jelly Roll Morton, Earl Hines,Sydney Bechet, Charly Parker, Fats Waller.....



    Danach ist im allgemeinen Sendepause .....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie hat alles angefangen....?



    Tja, das muß wohl 1985-86 gewesen sein. Aber mit Sicherheit war es diese Platte. Ein Freund hatte damals ein ganzes Regal voll Jazz-Kassetten (Ja, Kassetten und nur Jazz). Der wollte mir mal zeigen was richtige Musik ist, und riet mir Monty Alexander. Für Miles Davis, Coltrane, Bird war ich damals noch zu grün (nicht politisch gemeint). Die CD habe ich heute noch und höre sie ab und zu.


    gruß roman

  • Wie hat es wohl angefangen? Ich würde sagen, folgende drei Scheiben waren hauptsächlich daran schuld, dass ich diese musikalische Ecke gelegentlich gerne besuche:




    Und Jacques Loussier hat eine gewisse Vorarbeit geleistet...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich kann mich hervorragend an meine eigene Hinwendung zum Jazz erinnern: ich sah im Fernsehen das Gary Burton Quartet. Und fand faszinierend, dass dieser Mann mit vier (!) Schlegeln Vibraphon spielte. Sowas ist heute normal - damals war das eine Sensation. Das war mein Startschuss zur Jazzbegeisterung. Wenig später wollte der Vater meiner ersten Freundin in das CCH Hamburg, zum Count Basie Orchestra mit Count Basie am Klavier und einer ganz besonderen Vokalistin: Ella Fitzgerald. Ich wurde von ihm mit meiner Freundin eingeladen und sah so Ella und Count Basie. Und dann ging es weiter und weiter und weiter. Die Beschäftigung mit Bill Evans kam auf, mit Miles Davis, mit Stan Getz, mit Gerry Mulligan, Chet Baker. Aber auch den ECM-Künstlern (Keith Jarrett, Pat Metheny, Jan Garbarek, Eberhard Weber).


    Seit diesen jungen Jahren fahre ich zweigleisig: ich bin Jazz-Fan und Klassik-Fan. In beiden Bereichen gleich enthusiastisch. Vielleicht momentan doch mehr im klassischen Bereich, aber dann kommt ganz schnell wieder der Moment, da lege ich eine Roland Kirk-CD auf und es mach *peng*!!

    2 Mal editiert, zuletzt von Swjatoslaw ()

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