Wiener Volksoper - TOSCA (Premiere am 12.10.2008)

  • „Puccinis ‚Tosca’, die gestern in der Volksoper zum ersten Mal in Szene ging, wird jeder gesehen haben wollen“, meinte nach der Wiener Erstaufführung – die nicht an der Hofoper erfolgte – Ludwig Karpath (Zitat aus dem Programmheft). Ob man das von der gestrigen Premiere auch wird sagen können, möchte ich allerdings stark in Frage stellen. Da ließ die Regie einige Fragen ungenutzt, da konnte der Dirigent nur selten die in der Partitur vorhandene Spannung entfachen, da fehlte es zumindest zwei der drei Hauptpartien an Stimmkultur und Persönlichkeit und trotz deutscher Sprache blieb der Text weitgehend unverständlich.
    Man kann trefflich darüber diskutieren, ob es tatsächlich Sinn macht, wenn an der Staatsoper und an der Volksoper gleiche Werke am Spielplan stehen, oder ob Aufführungen auf deutsch statt in der Originalsprache wirklich helfen, Schwellenängste zu minimieren. Zumindest beim zweiten Punkt bin ich diametral anderer Meinung und auch die Frage des Repertoires sehe ich differenziert. Wie auch immer – wenn die Direktion der Volksoper meint, den Spielplan der Staatsoper in Teilbereichen zu übernehmen, ist das ihre Entscheidung. Warum aber dann nicht konkurrenzfähige Produktionen auf die Bretter gestellt werden, bleibt offen. Und vielleicht sind SängerInnen, die bereit sind, italienische Oper auf deutsch zu lernen und zu singen, auch billiger.
    Diese Produktion der „Tosca“ lässt jedenfalls viele Wünsche offen. Zeigt das Bühnenbild von Karl Kneidl im 1. Akt noch sinnvolle und logische Ansätze (ein riesiges Gerüst, auf dem ganz oben das von Cavaradossi zu malende Bild steht, geht quer über die Bühne; den Bühnenhintergrund bildet perspektivisch projiziert die Kuppel der Kirche), vermisst man im 2. Akt schon den Prunk des Palazzo Farnese (die Szene spielt in einer kleinen Kammer; Scarpias Schreibtisch ist eher ein Beistelltisch; das leiterähnliche Gestell im Hintergrund, auf dem er sein Leben aushauchen wird, erinnert an den Aufstieg zum Oberdeck eines Autoreisezuges). Der 3. Akt schließlich spielt auf einem weiten Nichts, auf das von der Seite eine bedrohlich wackelnde Annäherung einer Statue geschoben wird. Die Darsteller sind in Kostüme gekleidet, die – wenn man positiv gestimmt ist – gerade noch als „an die Zeit Puccini´s erinnernd“ bezeichnet werden können.
    Die Regie von Alfred Kirchner schwankt zwischen lächerlich und nicht vorhanden. Lächerlich dann, wenn sich gleich zu Beginn der in die Kirche geflohene Angelotti hoch am Gerüst übergibt oder wenn Scarpia wütend ein Glas in die Ecke wirft und die Dienerschaft mit Besen und Schaufel unverzüglich die Scherben beseitigt. Nicht vorhanden dann, wenn die Protagonisten im 1. Akt verzweifelt das Gerüst hinauf und dann wieder hinunter klettern müssen und Scarpia am Ende des Aktes zuerst sein Hemd weit öffnet und sich dann selbst geißelt oder wenn im 3. Akt der Hirtenknabe als halbnackter Jüngling auf der sonst leeren Bühne von rechts nach links und dann wieder von links nach rechts schreitet. Um nur wenige Beispiele zu nennen.
    Das wäre nicht so schlimm, stünden überzeugende Persönlichkeiten mit entsprechender Stimme auf der Bühne. So aber ist Tosca (Ann-Marie Backlund debutiert in dieser Rolle an der Volksoper) in jeder Sekunde nicht die Diva, die sie sein soll, und kann sie mangels Ausstrahlung auch nicht vermitteln. Dazu ist ihre Stimme weder schön noch ausdrucksstark, dafür aber schrill in der Höhe. In der Rolle des Cavaradossi steht mit Janos Bandi ein zweiter Hausdebutant auf der Bühne. Und auch er kann mit einer wenig modulationsfähigen Stimme und mühsam ersungenen Höhen nur mäßig begeistern. Morten Frank Larsen, eine der Stützen des Hauses noch aus der Zeit der Direktion Mentha, wäre bei einer intensiveren Regie und einem engagierteren Dirigenten vermutlich ein guter Scarpia. An diesem Abend bleibt aber auch er weit unter seiner gewohnten Qualität.
    Stefan Cerny ist ein ausgezeichneter Angelotti (den einige Besucher als den Höhepunkt der Premiere bezeichneten), von Martin Winkler (Mesner) konnte ich nahezu kein Wort seines Textes verstehen, rollendeckend erfüllten Karl-Michael Ebner (Spoletta), Stefan Tanzer (Sciarrone) und Heinz Fitzka (Schließer) ihre Aufgaben. Hoffnungslos überfordert (oder durch extreme Nervosität behindert) war der Hirtenknabe von Florentin Fink.
    Und wieder einmal bewiesen der Chor sowie der Kinderchor, dass diese Gruppe eine wesentliche Stütze des Hauses ist. Josep Caballe-Domenech verschleppte manche Tempi und es gelang ihm nie, Spannung aus dem Orchester zu holen.
    Wer dem Projekt „Tosca“ skeptisch gegenüber gestanden ist, wurde (leider) an diesem Abend bestätigt. Der Applaus des Premierenpublikums blieb in Grenzen.

    Michael 2

  • Lieber Michael, danke für deine Ausführungen. Das spart wieder weitere Überlegungen... Hatte nämlich erst kürzlich mit einer Freundin geplaudert, ob wir nicht wieder einmal etwas in der Volksoper ansehen.
    Aber schade eigentlich... wirklich.


    Und eines bin ich sicher: Schwellenängste minimieren und Leute in die Oper locken, die mit diesem Genre bisher nicht so viel am Hut hatten, tut man damit nicht. Das funktioniert AUSSCHLIESSLICH mit ausgezeichneten, tollen, spannenden Aufführungen.


    Warum gehen wir denn in die Oper und lieben die Opern so sehr?! Doch weil wir bei tollen wunderbaren Aufführungen ganz hin und weg waren. :angel:

  • Lieber Michael 2!


    Danke für Deinen Bericht, denn gerade bei der italienischen Oper bin ich neugierig, was da gemacht wird.


    Eines will ich aber zur Ehre (oder Unehre) der Direktion der Volksoper sagen, ich kenne keine wirklich gute deutsche Übersetzung der Tosca, es wäre besser gewesen es in Italienisch singen zu lassen, da haben auch die Protagonisten mehr davon.


    Beim Hirtenknaben kann ich die Nervosität verstehen, habe ich ihn doch vor zig Jahren auch gesungen, damals noch von den Sängerknaben aus. Beim ersten Mal war ich auch nervös. Dann hat mir Franco Corelli den Rat gegeben, und ich habe ihn immer so gesungen, und es war immer ein Lob beim jeweiligen Dirigenten.


    Tosca an der Wiener Volksoper zu geben, ist bestimmt eine gute Idee, wenn die Oper, wie auch Turandot jetzt nie an der Wiener Staatsoper gegeben wird.


    Liebe Grüße sendet Dir Peter. :hello: :hello:

  • Es wird wohl so sein,


    dass man die wirklich vorzügliche, ältere "Wallmann - Inszenierung" im Haus am Ring,


    in die Versenkung senden wird, in der schon eine Stella, Rysanek oder Tebaldi gesungen haben, die immer schön bleiben wird,


    wie den wunderbaren "Maskenball" um dann wieder eine Neuinszenierung zu machen,


    zwischendurch eben die "Volksopern - Tosca".


    Schade, dass nur mehr provozierende Inszenierungen jetzt "modern" sind.


    Liebe Grüße Peter aus Wien. :hello: :hello:

  • Ich war auch in der Tosca-Premiere und Wesentliches ist schon gesagt, was mich aber am Meisten gestört hat: Die deutsche Sprache. Oder besser gesagt: Die grobe Behandlung derselben. Wenn man bei der schwedischen Sängerin ohnehin kein Wort versteht wie auch beim ungarischen Mario, dann ist der wesentliche Aspekt der Volksoper, auf Grund der heimischen Sprache die Oper näher zu bringen, aber so was von gründlich gescheitert. Deutsche Sänger hätten alleine von der Diktion her tatsächlich was draus machen können, aber dieses Pseudo-Deutsch war wie Tofu: Weder Fisch noch Fleisch ;)


    Ich persönlich fand den II. Akt dann schauspielerisch allerdings ganz packend dargestellt, der kleine Raum, in dem sich Tosca und Scarpia ihre Kämpfe lieferten, fand ich für derartig beengende Spiele ganz passend. Daß Tosca auf dem Weg zum Rande der Engelsburg einem Herzschlag erliegt, war ein wenig befremdlich, möchte ich den Sprung bei einer Tosca-Aufführung schon sehen. Ist aber mein persönlicher Geschmack...


    Ohnehin sind wir Wiener von der altehrwürdigen und sensationell stimmungsvollen Staatsopern-Inszenierung derart verwöhnt, daß eine zweite Produktion in derselben Stadt ohnehin nur zwei Chancen hat: Entweder als verweifelte Neu-Entstaubung daherzukommen oder als Parodie einer Tosca. Ich empfand es als Ersteres.

  • Lieber Louis!


    Es gab einmal einen deutsche Querschnitt - Aufnahme von Tosca, mit Gerda Scheyrer, Eberhard Waechter und Waldemar Kmentt,


    die eine realtiv gute Übersetzung hatte,


    aber es war auch in den 1960er Jahren schon der fall, dass Opern auf Deutsch gesungen wurden, wo die Sänger kaum der deutschen Sprache mächtig waren,


    das ist leider nichts Neues, aber wie ich geschrieben habe, es wäre besser, auch an der Volksoper, eine italienische Oper in Italienisch zu bringen.


    Eine Konkurrenz zur "Wallmann - Tosca" kann das ja kaum sein, was da geboten wurde.


    Liebe Grüße Peter aus Wien. :hello: :hello:

  • ich war drin - allerdings war ich wenig begeistert.
    Ich ging wegen Morten hin und leider war er ein wenig verkühlt, wurde auch angekündigt, daß er trotzdem singen wird - er hat es schön hinbekommen. Als er sich auf dem Gerüst das Hemd aufriss, hat er mich an Michael Jackson erinnert.
    Der kleine Raum im 2. Akt hatte etwas beklemmendes, war wohl beabsichtigt, etwas mehr als so eine ärmliche Kammer hatte ich mir vorgestellt. Der Herzinfarkt Tosca´s war lächerlich und ich bin nicht befriedigt nach Hause gegangen.

    WHEN MUSIC FAILS TO AGREE TO THE EAR;
    TO SOOTHE THE EAR AND THE HEART AND SENSES;
    THEN IT HAS MISSED ITS POINT
    (Maria Callas)