Beethoven - welchen Einfluß hatte er auf zeitgenössische und nachgeborene Komponisten ?

  • Passend zum Schwesterthread


    Schmälert geringer Einfluss die Größe eines Komponisten?


    eröffne ich hier mit dieser etwas eigenartigen Frage.


    Hat Beethoven - von Czerny und Ries mal abgesehen - in wesentlichen Zügen Einfluß auf irgendeine Komponistenschule gehabt ?


    Ich meine - eher nein. Viele Nachgeborene setzten (indirekt) bei Mozart fort oder waren bereits von Chopin beeinflusst.


    Des öfteren wurde sogar behauptet, mit Beethovens Sinfonien sei der Prozess dieses Genres ein für alle mal abgeschlossen - man könne gar keine (erfolgreichen) Sinfonien mehr schreiben....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Na prima, da haben wir ja im Schwesterthread schon die Antwort :D:


    Zitat

    Original von Klawirr
    Mal im Klartext: aus Perspektive einer informationstheoretisch programmierten Ästhetik misst sich die Bedeutsamkeit von etwa Beethovens Symphonien nicht daran, dass er irgendwie den Standard der Haydnschen/Mozartschen Symphonien überschritten und weiterentwickelt hat oder in signifikanter Weise von ihr abweicht, sondern daran, dass sein Schaffen die Symphonik des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus im hohen Maße informiert hat und zwar dergestalt, daß sich nachfolgende Komponisten von Schubert, Schumann und Berlioz, über Brahms, Bruckner, Mahler und Schostakowitsch bis hin zu Trojahn und Winbeck an Beethovens Symphonik abgearbeitet haben (und somit die in Beethovens Symphonien enthaltenen Informationen prozessiert haben) und zwar explizit.


    Da kann man zusätzlich noch darauf hinweisen, dass über Weber und vor allem über die (zweifellos sehr einseitige) Beethoven-Rezeption Wagners auch die Operngeschichte von den sinfonischen Konzeptionen Beethovens geprägt wurde.


    Mit "Komponistenschulen" hat das natürlich wenig zu tun.



    Viele Grüßé


    Bernd

  • Alfred hat allerdings insofern recht, als daß die nur wenig jüngeren Zeitgenossen wie Hummel, Spohr und selbst der junge Schubert eher stärker an die vorhergehenden Klassiker anknüpfen (grob gesagt: deren Formen als Gerüst nehmen und mit langen romantischen Melodien anfüllen und harmonisch etwas würzen). Und daß es mit Chopin jedenfalls einen wirklich bedeutenden Komponisten gibt, der Beethoven beinahe vollständig ablehnte (außer op.26 :D). Nach Charles Rosen waren neben einigen Klaviervirtuosen wie Hummel, Weber, Clementi, hauptsächlich Bach und Bellini die wesentlichen Einflüsse (+ polnische Folklore).


    Weitere Fälle, die sich in Einzelwerken oft sehr eng, bis zum Zitat an Beethoven orientieren, sind Schubert in einer gewissen Phase (am mittleren Beethoven) und besonders der sehr junge Mendelssohn, mit den Streichquartetten op.12 &13 und einigen Klavierwerken (an den späten Sonaten und Quartetten)


    Weber in den beiden Klavierkonzerten sehr deutlich (Vorbilder sind LvBs 1+5, er folgt ihnen sowohl im Gestus als auch z.B. in den relativ ungewöhnlichen Tonarten As-Dur bzw. H-Dur in den Mittelsätzen, wenn auch nicht annähernd im sinfonischen Anspruch), sonst nur bedingt.


    Onslow könnte man ebenfalls noch nennen (und sicher noch ein paar, von denen ich noch nie gehört habe).


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Johannes,


    Vielleicht mach ich ja einen Gedankenfehler (?) aber komischerweise hast du nicht Brahms genannt den ich von den nachfolgenden (oder wie im Titel "nachgeborene" angegeben) Komponisten stilistisch am Meisten die Beethovennähe unterstellen würde. Ich hab zwar leider (noch) keine Brahmsbiographie gelesen, kann also nicht sagen ob er bewußt als Vorbild gedient hat in einigen Werken höre ich aber jedenfalls eine gewisse stilistische Nähe heraus. Oder gilt der nicht mehr als Nachgeborener (wie auch immer man hier die Zeitspanne setzen würde)?
    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Du hast selbstverständlich völlig recht; ich habe absichtlich erstmal nur einige, die entweder noch als Zeitgenossen oder doch unmittelbare "Nachfahren" durchgehen können, genannt.
    Brahms Aussage, vom "Riesen (sc. Beethoven), den er hinter sich marschieren hört", ist ja allgemein bekannt. Das extrem lange Aufschieben der 1. Sinfonie ist ein weiteres Symptom dieses mitunter als übermächtig empfundenen Vorbilds.
    Außer diesem generellen Einfluß kann man an einzelnen Stücken sowohl Zitatähnliches (ein Scherzo aus der 1. Serenade (LvBs 2. Sinfonie), die frühe C-Dur-Sonate (op. 106) finden als auch Fälle, bei denen Aufbau, Struktur oder jedenfalls einige zentrale Züge von (meist) Beethovenschen Vorbildern beeinflußt wurden. Z.B. gibt es auffallende Ähnlichkeiten zwischen den Finalsätzen von Beethovens 3. und Brahms' 1. Klavierkonzert: Taktart, Themencharakter, Tonartenverhältnisse der Rondo-Abschnitte, Fugato gegen Ende usw.
    (Rosen geht irgendwo so weit zu anzudeuten, man könne für beinahe jeden Satz von Brahms ein klassisches Vorbild von Haydn bis Schubert finden, das halte ich aber für ziemlich übertrieben.)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Es ist bloß eine Vermutung, aber ich könnte mir vorstellen, dass Brahms andererseits große Schwierigkeiten mit Beethovens Spätwerk hatte. Jedenfalls machen die Brahms-Werke, die ich kenne auf mich den Eindruck, dass er sich auch immer um eine klassizistische Gemäßigtheit bemüht hat, die mir Beethoven etwa in der Großen Fuge, allgemeiner mit dem zerklüfteten, scharfe Gegensätze nebeneinander stellenden Charakter über Bord wirft.
    So kommt mir Brahms 3. Streichquartett (B-dur) wie eine Antwort auf Beethovens op. 130/133 vor, gerade im 1. Satz.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Zitat

    Brahms Aussage, vom "Riesen (sc. Beethoven), den er hinter sich marschieren hört", ist ja allgemein bekannt


    Das Zitat ist mir durchaus geläufig - indes als ich in meiner Jugend den Zugang zu Brahms suchte (oder besser gesagt als mir jemand Brahms schmackhaft machen wolte . er behauptete es MÜSSE mir einfach gefallen - er sein nämlich sehr nahe bei den Wiener Klassikern) - da schien er mir spräde und zudem dick instrumentiert zu sein - ich empfand ihn sperrig - etwasd das ich bei Beethoven nicht mal in Ansätzen feststellen konnte......


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Kontrapunkt
    Es ist bloß eine Vermutung, aber ich könnte mir vorstellen, dass Brahms andererseits große Schwierigkeiten mit Beethovens Spätwerk hatte.


    Ziemlich sicher nicht. Er kannte die Stücke natürlich sehr gut. Wie schon gesagt, der Anfang seines op.1 (obgleich nicht die erste komponierte Sonate, die fis-moll ist früher geschrieben und vermutlich wurden einige vernichtet) läßt überdeutlich den Beginn der Hammerklaviersonate anklingen. Daß Brahms von einigen wenigen Stellen abgesehen nicht unbedingt offensichtlich so klingt wie (später) Beethoven, ist eine andere Sache. Aber er ist z.B. auch, ähnlich wie dieser manchmal, fast obsessiv auf kontrapunktische Verwicklungen aus. In einem ziemlich frühen Werk wie der e-moll-Cellosonate, basiert das Finale mehr oder weniger auf einem Contrapunctus aus der Kunst der Fuge. Allerdings sind diese Sachen meistens subtiler eingebaut als bei demonstrativen Stücken wie der Fuge aus der Hammerklaviersonate u.ä.


    Auch Mendelssohns frühe Quartette in a-moll und Es-Dur, die teils sehr deutlich von Beethovens späten in diesen Tonarten (und op.95) beeinflußt sind, klingen nicht so schroff, sondern "klassizistischer". Natürlich merkt man trotz aller Verehrung usw. bei Brahms ca. 50 Jahre später auch die Distanz.


    Zitat


    Jedenfalls machen die Brahms-Werke, die ich kenne auf mich den Eindruck, dass er sich auch immer um eine klassizistische Gemäßigtheit bemüht hat, die mir Beethoven etwa in der Großen Fuge, allgemeiner mit dem zerklüfteten, scharfe Gegensätze nebeneinander stellenden Charakter über Bord wirft.
    So kommt mir Brahms 3. Streichquartett (B-dur) wie eine Antwort auf Beethovens op. 130/133 vor, gerade im 1. Satz.


    Ich glaube eher, daß Brahms' op. 67 erstmal noch Älteres aufgreift, nämlich den Gestus eines "Jagdquartetts" wie Mozarts KV 458 im Kopfsatz. Das Finale muß aber eigentlich eine Reminiszenz an einen besonders "brahmsisch" klingenden Satz Beethovens, nämlich das Variationenfinale in op.74 sein. In dem so harmlos beginnenden "Jagdsatz" wird es aber später durch ständiges Gegeneinander verschiedener Rhythmen (6/8, 3/4 und 2/4-Takt) ziemlich widerborstig. Ich sollte mir das vielleicht nochmal im Hinblick auf op.130 anhören.


    Aber Du hast selbstverständlich recht, daß Brahms durch seinen Klassizismus "gemäßigter" wirkt als Beethoven (der ja kein Klassizist, sondern ein Klassiker ist), obwohl es natürlich auch relativ schroffe und "wilde" Stücke gibt wie das Klavierquintett oder das c-moll-Streichquartett.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
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    (Bob Dylan)

  • Nicht nur Brahms, auch Robert Schumann hat die Beethoven-Sinfonien genau studiert, i.e. mit Frau Clara vierhändig durchgespielt usf., bevor er seine eigenen schrieb. Auch wenn sie weniger nach Beethoven klingen als die von Brahms, ein Einfluß ist das in meinen Ohren - der kann auch in einer Abgrezung resultieren.

  • Beethoven gilt, mit einigem Recht, als "Wegbereiter" der nachfolgenden Romantiker, indem er mit der Vollendung der klassischen Formen gleichzeitig auch ihr Überwinder war und die strenge Form aufgebrochen hat. Insofern halte ich es gar nicht für so eindeutig, dass er Klassiker war - und würde das auch gern zur Diskussion stellen. Beethoven : Klassiker oder (doch schon) Romantiker?

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Ich sehe Beethoven eher als Klassiker, wie jeder andere Komponist auch,
    ist er eben ein Kind seiner Zeit.
    Das mag nicht jeder hören, aber so sehe ich das eben.
    Denn gerade Einspielungen in historisch informierter Aufführungspraxis zeigen das ganz deutlich - was ich für sehr positiv halte - denn alles andere grenzt schon an Verfälschung.
    Beethoven war auch bei weitem nicht der modernste Komponist seiner Zeit.
    Gegen Komponisten wie Eberl konnte er sich nicht durchsetzen, und das obwohl Eberl wesentlich avantgardistischer war als Beethoven, seine Symphonien weisen bereits auf Schubert und Mendelssohn hin.


    Wäre Arriaga nicht so früh verstorben, er hätte Beethoven hinweggefegt.
    Wenn man sich anhört was dieser Mann in seinen 20 Lebensjahren geschrieben hat, da sieht selbst Mozart alt aus, der wirklich bahnbrechende Werke erst ab 25 schrieb.
    Den frühen Tod Arriagas halte ich für einen der größten Verluste der europäischen Musikgeschichte. Ähnliches hat ja auch Schubert mal geschrieben.



    Beethoven ist ganz klar von der frz. Musik ab 1790 beeinflusst, er orientierte sich an der Revolution ja nicht nur musikalisch.
    Gerade Komponisten wie Gossec, Mehul und Lesuer sind die Vorbilder, mit Sicherheit noch andere.
    Beethoven gab seine politischen Ansichten ja auch oft genug bekannt.
    Und das ist Klassizismus in Reinform, sowohl in der Musik, der Malerei (David ! ) der Mode und der Architektur.


    Es ist leider auch bisher zu wenig bekannt, was in dieser Zeit außer Beethoven musikalisch passierte – eigentlich sehr schade. Es gibt zwar einige Einspielungen mit Musik von Zeitgenossen, aber wer könnte jetzt aus dem Stehgreif 10 Komponisten nennen ?
    Aber die Eberl CD vom Concerto Köln hat gezeigt dass auch hier sehr starke Konkurrenz anwesend war und Beethoven keinesfalls das alleinige Genie dieser Zeit gewesen ist.



    Woran es liegen mag, das andere Komponisten einfach vergessen werden, wurde ja auch schon öfter diskutiert, aber gerade im Fall von Eberl, Gossec und Arriaga kann ich da keinen wirklichen Grund für sehen.
    Oder man wärmt mal wieder eine Verschwörungstheorie auf, indem man gezielte "Verschleierung" heranzieht. :D

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Beethoven war auch bei weitem nicht der modernste Komponist seiner Zeit.
    Gegen Komponisten wie Eberl konnte er sich nicht durchsetzen, und das obwohl Eberl wesentlich avantgardistischer war als Beethoven, seine Symphonien weisen bereits auf Schubert und Mendelssohn hin.


    Bei aller Wertschätzung für Eberl: das halte ich schlicht für eine Legende!
    Ich hab' leider grad eigentlich zu wenig Zeit, um das auszuführen, aber dennoch ganz kurz: Wenn man z. B. Eberls berüchtigte (und wirklich sehr schöne) Es-Dur-Sinfonie, die seinerzeit ja die »Eroica« aus dem Felde geschlagen hat, hört, kann man diese Legende eigentlich nicht wirklich bestätigt finden. Das »Allegro con fuoco e vivace« des Kopfsatzes dieser Sinfonie etwa weist mit seinen bohrenden Synkopen streckenweise eher in die stürmenden und drängenden 1770/80er Jahre zurück (da hat Beethoven noch Windeln getragen - in den 80ern hoffentlich nicht mehr), als daß man es - aus der Perspektive der Gegenwart - um 1805 verorten würde. Große Musik - keine Frage; aber die Sollbruchstellen zum Zeitgeschmack (das wäre ja sowas wie »Avantgarde«) sind doch vergleichsweise - und die Vergleichsgröße ist eben Beethovens 3. - eher dezent und zahm gehalten.



    Zitat

    Wäre Arriaga nicht so früh verstorben, er hätte Beethoven hinweggefegt.


    Wenn das Wörtchen wenn nicht wär... :D Man weiß halt nicht, was gewesen wäre, wenn usw....
    Das Problem kontrafaktischer Argumentationen besteht schlicht darin, daß sie halt kontrafaktisch sind.


    Derowegen: bleiben wir mal doch einfach mal bei dem, was wir wissen: Arriaga ist 1806 geboren - da hatte Beethoven die »Eroica« schon komponiert.
    Arrigas D-Dur-Sinfonie entstand Mitte der 1820er Jahre. Da hatte Beethoven bereits mit der 5. und 7. Sinfonie weitere Schritte getan, die in Richtung 9. wiesen. Ich kann da in Arriagas (ebenfalls wirklich schöner und beachtenswerter) Sinfonie leider keine Aspekte erkennen, die hier Beethovens Bedeutsamkeit quasi annullieren würden.


    Daß Arriaga in Richting Schubert weist, ist ja auch nicht unbedingt verwunderlich: Arriags Sinfonie entstand ja wohl zwischen 1821 und 1825. Der gute Schubert hatte Mitte der 1820er Jahre einen Großteil seines sinfonischen Werks bereits geschrieben - darunter immerhin auch die beiden ausgeführten Sätze der h-moll Sinfonie (die Arriaga freilich genausowenig kennen konnte wie Beethoven). Schubert und Arriaga waren so gesehen echte Zeitgenossen (Beethoven ist beinahe eine Generation älter).


    Und daß Beethovens Werk sich ausschließlich aus dem Rückblick auf Mehul und Gossec speiste und zudem nicht auch irgendwie in Richtung Schubert weisen würde, fände ich überdies schon eine ziemlich steile These.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Die Sache mit Eberl sehe ich völlig anders, die Es Dur Symphonie ist für mein Empfinden wesentlich moderner als die Eroica.


    Ich hatte das Glück beide Symphonien etwa zur gleichen Zeit kennen zu lernen, so dass ich sicher sein kann, dass es nicht an dem völlig neuartigen Höreintruck liegt.
    Ich liebe die Eroica, aber dass sie gegen die Es Dur Symphonie von Eberl abgestunken ist, kann ich durchaus nachvollziehen.


    Aber mit Sturm und Drang würde ich die Es Dur Symphonie nie in Verbindung bringen, mich erinnert sie stellenweise an Beethovens 5. und an Mendelssohns Symphonien.


    Ich habe einfach das Gefühl, dass diese Symphonien von Eberl, vor allem eben die Es-Dur und auch die d-moll viel reifer sind und wesentlich avantgardistischer.
    Ich höre sie gerade noch einmal im Vergleich und der Eindruck bleibt der gleiche.




    Arriaga ist geschenkt, das war ja nur eine Vermutung von mir.
    Was hätte sein könne, wird man nie wissen. :D ...leider ;(



    Zitat

    Und daß Beethovens Werk sich ausschließlich aus dem Rückblick auf Mehul und Gossec speiste und zudem nicht auch irgendwie in Richtung Schubert weisen würde, fände ich überdies schon eine ziemlich steile These.


    das war eigenlich nicht das was ich gemeint habe. Soweit würde ich mich dann doch nicht aus dem fenster lehnen :D
    Sondern ich sehe in deren Musik die Wurzel für Beethovens Schaffen - dass er natürlich auch modern ist, habe ich eigentlich als selbstverständlich vorrausgesetzt, aber wahrscheinlich etwas miussverständlich ausgedrückt.
    Denn auch wenn sich ein Komponist / Maler / Schrifsteller an älterem orientiert, dann heißt das ja noch lange nicht, dass er rückwärtsgewand ist.


    Aber gerade diese Musikästhetik der Revolutionsepoche ist der Musik von Beethoven schon sehr verwandt und das bleibt auch in allen Werken präsent.



    Aber wie auch immer, das ist meine persönliche Einschätzung und mein Empfinden.

  • Zunächst die 10 Beethoven Zeitgenossen



    Eberl, Hummel, Mehul, Weber, Schubert, Ries, Czerny, Clementi, Fesca, Jadin, Krommer, Romberg.


    Von Schubert mal abgesehen finden sich nur mehr weinige im allgemeinen Bewusstsein wieder , allenfalls noch Hummel, Weber und Czerny.....


    Ich glaub nicht an eine Verschwörung - allein die "Vergöttlichung" Beethovens im 19. Jahrhundert reichte aus seine Zeitgenossen (er gibt weit mehr interessante, als die genannten) bis zum heutigen Tage in die 2. und dritte Reihe der Musikgeschichte zu verbannen......


    Abgesehen von Ries und Schubert hat Beethoven aus meiner Sicht keinen Komponisten dirket beeinflusst - auch nicht Brahms, wenn ich mir diese Ansicht erlauben darf...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred :


    (1) Franz Schubert sprach in seinem letztes Lebensjahr von dem "immer länger werdenden Schatten" Beethovens .


    Beethoven hat wahrscheinlich in seiner letzten , interessanterwesie zweisätzigen Klaviersonate c - Moll , Opus 111 , seine nicht nur musikalische Lebensrückschau geschrieben .


    Schubert in seiner letzte Klaviersonate B - Dur , D 960 .


    Beide Kompositionen steheh wie Monolithen in der Sonatenlandschaft und vielleicht wird es keinem nachschöpfenden Interpreten oder auch Musikwissenschaftler je gelingen , das Innerste dieser Sonaten ganz zu erfassen und darzustellen .


    (2) Johannes Brahms hatte ein völlig andere Tonsprache . Meiner Meinung nach war er nicht ein Nachfolger Beethovens . Die Festlegung , dass mit Brahms "die Romantik" zu Ende gegnagen sei , halte ich solange schon deswegen frü problematisch , weil erst einmal annähernd zuverlässig geklärt werden müsste , was "Romantik" tatsächlich ist ( etwa im Vergleich zu Litertur oder Malerei ) .


    Mit Herbert von Karajan bin ich der Meinung , dass Brahms in seiner 3. Symphonie sein persönlichstes Werk komponiert hat .


    Wer sich näher mit dem "Deutschen Requiem" und Brahms' Eingriffe etwa in den Text des Johannes - Evangeliums eingehender beschäftigt , wird den darin liegenden nachvollziehbaren Subjektivismus Brahms' als Stil- und Ausdrucksmittel im Sinne einer Wirkungsästhetik
    nicht leugnen konnen .


    Brahms hatte in Opus 52 seine innersten Gefühle nach dem Scheitern einer eventuellen Hochzeit mit Julie Schumann , die er sehr angestrebt hatte , ausgedrückt .


    Kompositorisch kann ich keinen Einfluss Beethovens in den oben genannten Werken durch Ludwig van Beethoven hören .


    Auch das Spätwerk für Klavier solo , das viel Material aus den frühen Kompositionen und Skizzen von ihm wieder aufnnimmt , ist charakteristisch für Joahannes Brahms .


    Viele Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Auf den Lullisten (ich halte fast alles, was er hier vorbringt, für falsch und leicht zu widerlegen, die teils grotesken Fehlurteile sind nur dadurch zu erklären, daß er die französische Musik viel besser kennt als Beethoven, Haydn, Mozart) gehe ich später nochmal ein, wenn ich mehr Zeit habe. Außerdem droht hier Offtopizität, denn es geht hier erstmal um den Einfluß Beethovens, nicht um Einflüsse auf Beethoven.


    Selbstverständlich ist die Sachlage bei einem Komponisten, der sogar zwei Generationen jünger war wie Brahms nicht so einfach wie bei Ries, Schubert oder Mendelssohn. Aber der Einfluß Beethovens ist (s.o.) nicht nur durch eigene Aussagen, durch die Rezeption (pro & contra, Wagner & Hanslick etc.) der Zeitgenossen (wie die sicher etwas oberflächliche Bezeichung "10." für Brahms' 1.) oder durch Zitate und Anspielungen, die jeder Esel hört, wie in der frühen C-Dur-Sonate oder der ersten Serenade, sondern auch auf subtilerer Ebene umfassend nachweisbar und nachgewiesen. Etwa in einigen Aufsätzen von Charles Rosen, aber auch schon lange vorher, verstreut in der Literatur. Bei dem zeitlichen Abstand und bei einem so bedeutenden und trotz allem Traditionsbewußtsein eigenständigen Komponisten wie Brahms liegt auf der Hand, daß es sich hier nur selten um einfache Zitate wie die genannten handelt. Aber es können tatsächlich stellenweise Dinge wie der Aufbau ganzer Sätze (Finale des 1. KK*) oder einzelne "Kniffe" oder Verfahrensweisen aufgezeigt werden, die die oftmals enge Orientierung an konkreten Beethovenschen Vorbildern deutlich machen. (Ähnlich wie im Falle Beethovens Mozarts A-Dur-Quartett oder einige Klavierkonzerte).


    Ganz oben wurde ja schon auf den "Einfluß" hingewiesen, den Beethoven (wie sonst höchstens noch zuweilen Bach) als allgemeiner "Hintergrund" auf große Teile der Musik im gesamten 19. und auch noch im 20. (Simpson wäre hier z.B. auch noch zu nennen) ausübt.



    :hello:


    JR

    *Duktus der Themen ähnlich (wobei Brahms vermutlich zusätzlich noch auf Bachs d-moll anspielt), Taktart, Tonartenverhältnisse der Rondo-Refrains und Episoden, Fugato-Episode, Durschluß usw.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Johannes :


    Ich teile unbedingt Deine Meinung über die "Eigenständigkeit von Brahms " .


    Mit Einsätzern wie Brahms' 1. Symphonie ist die 10. Symphonie von Beethoven kann man mit leichter Formulierung alle soweit simplifizieren , dass Brahms als einegständiger , neuer kreativer kompositorischer Geist , geradzu entbehrlich gemacht werden kann .


    Das Verhältnis von Schubert zu Beethoven ist auch in der aktuellen Schubertforschung nicht überzeugend schlüssig gelöst . Man sollte dann das Spekulieren aber aufgeben . Es macht kaum Sinn zu fragen, was Schubert noch komponiert hätte , wenn er doch nur länger gelebt hätte .


    Dies könnte man ja druchaus auch auf Beethoven (und seine völlige Ertaubung" anwenden .


    Wenn wir suchen , so finden wir für fast alles irgendeine Aussage , wie etwa die von M. Uchida , dass man Schuberts Klaviersonate D 960 ruhig ohne die beiden letzten Sätze spielen könne .


    Oder Schubert habe wie Mozarrt "nur im Kopf" komponiert , was ihre enorme Schaffensvielfalt erkläre ( n i c h t aber die Qualität der Kompositionen! ) .


    Frau Uchida legt sich auch in anderer Hinsicht fest und bezeichnet Mozart als "italienischen Komponisten" , Schubert als "typischen Wiener Komponisten" und Beethoven als "rheinischen Komponisten aus Köln" ( 2008 . Im Falle Beethovens , weil dieser Kölner Dialekt gesprochen haben solle - sein Leben lang .


    An andere Stelle hat jetzt ( WDR ; 2. Hörfunkprogramm ) ein offensichtlich selten gewordner Musikkenner festgestellt , dass Österreich auf seiner 1-Euro-Münze W. A. Mozart abgebildet habe . Dies könne Deutschland mit bestem Gewissen auch machen , weil Mozart nachweislich sein Leben lang einen "bayerischen Pass" gehabt habe und Salzburg esrt 1806 in fremde Hände gefallen sein .


    Der Einfluss der oben genannten französischen Komponisten auf Ludwig van Beethoven wird selbst in der mir bekannten französischen Literatur nicht wirklich mit Beispieln gar beschrieben . Selbst wenn Beethoven die Werke der genannten Komponisten gekannt hat , so besagt dies nichts über deren "Einfluss" auf seine Art zu komponieren wie seine Themenwahl .


    Albert Einstein , um ein nachlesbares Beispiel aus den reinen Naturwissenschaften zu nehmen , hat n a c h seinen Realtivitätstheorien nichts für die Physik Relevantes verfasst , obwohl er danach noch lange gelebt hat .


    Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Albert Einstein , um ein nachlesbares Beispiel aus den reinen Naturwissenschaften zu nhmen , hat n a c h seinen Realtivitätstheorien nichts für die Physik Relevantes verfasst , obwohl er danach noch lange gelebt hat .
    Grüsse ,
    Frank


    Was?
    Einstein hat sich Zeit seines Lebens mit der Quantentheorie beschäfigt, ja geradezu gequält.
    Von 1935 ist das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon datiert, für die Physik sogar von sehr hoher Relevanz.
    Außerdem hat Einstein in späteren Jahren erhebliche Anstrengungen in kosmologische Fragen investiert. Daß er - nach bis heute gängiger Auffasung (die aber langsam zu bröckeln scheint) - wie er selbst sagt, in der EInführung einer kosmologischen Konstante die größte Eselei seines Lebens betrieben habe, sollte nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, daß die Irrtümer eines großen Genies meist lehrreicher sind, als die Wahrheiten eines kleinen Geistes (Börne).


    OT-Ende
    Wulf

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Wenn wir suchen , so finden wir für fast alles irgendeine Aussage , wie etwa die von M. Uchida , dass man Schuberts Klaviersonate D 96o ruhig ohne die beiden letzten Sätze spielen könne .


    Der Meinung bin ich auch. :stumm:



    OT-Ende
    rappy

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von Klawirr, zitiert von Zwielicht
    Mal im Klartext: aus Perspektive einer informationstheoretisch programmierten Ästhetik misst sich die Bedeutsamkeit von etwa Beethovens Symphonien nicht daran, dass er irgendwie den Standard der Haydnschen/Mozartschen Symphonien überschritten und weiterentwickelt hat oder in signifikanter Weise von ihr abweicht, sondern daran, dass sein Schaffen die Symphonik des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus im hohen Maße informiert hat und zwar dergestalt, daß sich nachfolgende Komponisten von Schubert, Schumann und Berlioz, über Brahms, Bruckner, Mahler und Schostakowitsch bis hin zu Trojahn und Winbeck an Beethovens Symphonik abgearbeitet haben (und somit die in Beethovens Symphonien enthaltenen Informationen prozessiert haben) und zwar explizit.


    Also, ich halte das für wenig mehr als eine schick formulierte Behauptung und sehe gegenüber den allerdings abwegigen Behauptungen des Lullisten oder auch Alfreds kurz angebundenen Kalendersprüchen keinen echten argumentativen Mehrwert.


    Der Informationsbegriff wird gerne dann bemüht, wenn man trivialer sagen müßte: Das hat mit dem irgendwie zu tun. Aufs "irgendwie" käme aber schon irgendwie alles an. So auch in unserm Fall.


    Daß Beethovens "Schaffen die Symphonik des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus im hohen Maße informiert hat" (Klawirr) hört sich nett an, sagt aber ersteinmal nicht mehr als der Begriff der "Beeinflussung" auch. "Abarbeiten" ist auch so´n Fall. Das einzige Wörtchen, das uns vielleicht weiterhelfen könnte, steht am Schluß: "explizit".


    Johannes hat sehr richtig die "Zitate und Anspielungen, die jeder Esel hört" von denen auf "subtilerer Ebene" unterschieden.


    Ich fürchte, daß gerade bei Beethoven ein unwirklich weites Spielfeld eröffnet werden kann bzgl. dessen, was noch als Anspielung, Einfluß, Referenz bezeichnet werden dürfe.


    Die einen werden sich recht streng ans musikalische Material halten (obgleich auch hier nicht ausgemacht ist, was als echter Einfluß zu gelten hat), wieder andere (und das sind, fürchte ich, so wenige nicht) werden sich auf "das Ideenkunstwerk" oder weiß der Geier was noch alles stürzen und es bis in die U-Musik verfolgen, weil da auch mal einer eine "Idee" gehabt habe und dergleichen.... :wacky:


    Freilich kann man derartige genauere Nachweise nicht im Kontext eines solchen Internetthreads beibringen, aber ein bißchen genauer als die folgenden Beispiel darf´s denn schon sein:


    Zitat

    Original, wie alle folgenden, vom Lullisten
    Beethoven war auch bei weitem nicht der modernste Komponist seiner Zeit.


    Ich halte es für sehr schwierig, die Frage nach der Modernität vor anderen als zeitgenössischen Kriterien zufriedenstellend entscheiden zu wollen. Und woher willst Du die nehmen?


    Zitat

    Gegen Komponisten wie Eberl konnte er sich nicht durchsetzen...


    Dieses Urteil wird vor welchem Hintergrund gefällt? Was ist gemeint mit "durchsetzen"? Die allgemeine Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte doch wohl gerade nicht? Was aber dann?


    Zitat

    ...und das obwohl Eberl wesentlich avantgardistischer war als Beethoven, seine Symphonien weisen bereits auf Schubert und Mendelssohn hin.


    Diese Aussage enthält schon die implizite Wertung, daß der spätere Komponist automatisch der avangardistischere sei. Ich bezweifle das insbesondere in Bezug auf die gegebenen Beispiele Schubert und Mendelssohn und auf die angegebne Musikgattung.


    Zitat

    Beethoven ist ganz klar von der frz. Musik ab 1790 beeinflusst, er orientierte sich an der Revolution ja nicht nur musikalisch.


    Ich verstehe das so: (explizite Prämisse) Beethoven orientierte sich an der frz. Revolution nicht nur musikalisch (also auf ganz anderen Gebieten). (implizite Prämisse) Die frz. Musik ab 1790 hat mit der frz. Revolution direkt zu tun (in welcher Form auch immer). (Schlußfolgerung) Beethoven orientierte sich an der frz. Revolution auch musikalisch.


    Zitat

    Gerade Komponisten wie Gossec, Mehul und Lesuer sind die Vorbilder, mit Sicherheit noch andere. Beethoven gab seine politischen Ansichten ja auch oft genug bekannt.


    Das eine, das Politische, hat mit dem anderen, dem Musikalischen, wie genau zu tun?


    Hm, um mal aus dem Ärmel eine starke Gegenbehauptung zu wagen: Hätte eine strukturell identische Revolution in Russland anstelle Frankreichs stattgefunden, würde jetzt der Einfluß der damaligen russ. Komponisten auf Beethoven behauptet. Ich sehe die Verbindung von französischer Revolution und Beethovens musikalischer Rezeption aber vielleicht auch noch nicht richtig. Nur, darum geht es ja, wie Johannes schon sagte, in unserer Ausgangsfragstellung gar nicht. Hier ist nach dem Einfluß gefragt, den Beethoven ausübte und ausübt.


    Zitat

    Ich habe einfach das Gefühl, dass diese Symphonien von Eberl, vor allem eben die Es-Dur und auch die d-moll viel reifer sind und wesentlich avantgardistischer.


    Noch einmal: Du kannst heute außerhalb einer exakten und ausgebreiteten, zudem vergleichenden musikalischen Analyse schlecht sagen, welche Symphonie(n) das Etikett "avangardistisch" vor welchem Hintergrund (Angabe der Kriterien!) mit welchem Recht (die Mühe intersubjektiver Plausibilisierung wird niemandem erspart bleiben) verdienen.


    Zitat

    Ich höre sie gerade noch einmal im Vergleich und der Eindruck bleibt der gleiche.


    "Wenn jemand ein Ding hinter einem Busch versteckt, es ebendort wieder sucht und auch findet, so ist an diesem Suchen und Finden nicht viel zu rühmen." (Nietzsche, Über Wahreit u. Lüge)


    Ich will damit sagen: Was von zweihundertjähriger Musik auf Dich heute, der Du eine eben zweihundertjährige Weiterentwicklung unter z.T. starkem Zugriff auf jedenfalls doch einen der genannten Komponisten mit im Ohr hast, "avangardistischer" wirkt, bleibt solange im Dunkeln, wie Du den Begriff leer und unverbunden mit Deinen Kriterien hinstellst. Zudem könnte es sein, daß Du in neue Hörvorgänge mit der Haltung gehst, ein Ergebnis lieber als das andere zu erhalten.


    Schließlich befürchte ich, daß es besonders in unserem Forum vielfach als ansprechender und interessanter empfunden wird, sich den abgelegenen Namen und Werken zuzuwenden. Man erhält dadurch selbst ein wenig den Anstrich des Besonderen und Unalltäglichen...



    Alex.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo Frank,



    Ein Beispiel für die Eigenständigkeit eines Komponisten sehe ich in Charles Ives. der früher als die Wiener Schule atonal komponiert hat. Aber auch diese Eigenständigkeit ist bloß eine relative. Denn Ives hat ja Musik studiert.
    Aber wenn ein Komponist einen Vorgänger intensiv studiert hat, ist dessen Einfluss fraglos vorhanden. Selbst dann, wenn sich keine expliziten Zitate oder aber deutlich konträre Konzepte nachweisen ließen.
    Wie genau sich der Einfluss ausgewirkt hat, könnte man dann nicht nachweisen. In dem Fall ist es gleichermaßen spekulativ zu sagen, was sich einem Einfluss verdankt und was eigenständig ist.
    Aber dies ist ja bei Brahms ohnehin nicht der Fall.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Beethoven ist ganz klar von der frz. Musik ab 1790 beeinflusst, er orientierte sich an der Revolution ja nicht nur musikalisch.
    Gerade Komponisten wie Gossec, Mehul und Lesuer sind die Vorbilder, mit Sicherheit noch andere.
    Beethoven gab seine politischen Ansichten ja auch oft genug bekannt.
    Und das ist Klassizismus in Reinform, sowohl in der Musik, der Malerei (David ! ) der Mode und der Architektur.


    Nicht zu vergessen Luigi Cherubini, den Beethoven wohl mal als den bedeutendsten lebenden Komponisten bezeichnete.
    Ohne seinen Wasserträger sollen ja Fidelio wie auch Webers Freischütz nicht denkbar gewesen sein.
    Und Brahms soll mal gesagt haben, wenn er doch mal eine Oper schriebe, dann würde er sich an Cherubinis Medea orientieren.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Hallo Alex,



    allzu große Kunst ist es nun auch wieder nicht, Beiträge so formalistisch abzuwatschen.
    In Bezug auf Beethoven kann man wissen: Er verwendete französische Musik, um politische Zusammenhänge anzutexten - z.B. Revolutionsmärsche von Cherubini.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl


    Also, ich halte das für wenig mehr als eine schick formulierte Behauptung


    Mehr sollte es ja auch gar nicht sein... ;)


    Zitat

    und sehe gegenüber den allerdings abwegigen Behauptungen des Lullisten oder auch Alfreds kurz angebundenen Kalendersprüchen keinen echten argumentativen Mehrwert.


    :hahahaha: - Vielleicht brauchste Du 'ne Brille...


    Aber im Ernst: Der Mehrwert, so es soetwas denn tatsächlich geben sollte, ergibt sich wenn überhaupt aus dem Kontext, aus dem das Zitat da oben ausgeschnitten worden ist. Hätteste vielleicht einfach mal lesen sollen. :rolleyes:


    Zitat

    Der Informationsbegriff wird gerne dann bemüht, wenn man trivialer sagen müßte: Das hat mit dem irgendwie zu tun. Aufs "irgendwie" käme aber schon irgendwie alles an. So auch in unserm Fall.
    Daß Beethovens "Schaffen die Symphonik des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus im hohen Maße informiert hat" (Klawirr) hört sich nett an, sagt aber ersteinmal nicht mehr als der Begriff der "Beeinflussung" auch.


    Ach, mein lieber Alex, manchmal ist eine gewisse Informiertheit des Lesers dann doch entscheidend dafür, ob eine Lektüre ihm zum Mehrwert gereichen kann oder nicht. :D
    Du schüttest - ungelenk wie Du bist - das Kindlein mit dem Bade aus und willst uns glauben machen, mit einem forschen, aber ziemlich uninformativen Halbsatz ganze Forschungsbereiche (oder zumindest einigermaßen elaborierte und akzeptierte Positionen im wissenschaftlichen Diskurs) beiseite wischen zu können.

    Aber bevor Du Du mit Deinem Wischmopp herumwirbelst , ist doch erstmal die Frage zu stellen, wer den Informationsbegriff in welchem Zusammenhang wie verwendet. Woher der spezifische Informationsbegriff rührt, der in dem von Zwielicht herbeizitierten Passus Verwendung findet, ist anderenthreads von mir (zugegeben: kurz) ausgeführt worden. Daß Du den Informationsbegriff holterdipolter wieder mit dem Begriff »Beeinflussung« (hast Du vielleicht eine Überdosis Harold Bloom zu Dir genommen?) kurzschließt zeigt - das habe ich oben schon geschrieben -, daß Du den Kontext nicht kennst, in dem das unschuldige Sätzchen von mir geschrieben wurde und zudem wohl kein wirklich romantisches tet a tet mit Informationstheorien im Kontext der Ästhetik hattest (oder Dein Rondevouz war so traumatisierend, daß Du alles, was Dir dabei begegnet ist, gleich wieder verdrängt hast). Du solltest das ein zweites mal versuchen - das tut dann gar nicht mehr so weh. Ein paar Namen, die da hilfreich sein könnten, findest Du im Paralellthread.


    Zitat

    "Abarbeiten" ist auch so´n Fall. Das einzige Wörtchen, das uns vielleicht weiterhelfen könnte, steht am Schluß: "explizit".


    Du hast das »Prozessieren« vergessen... ;)


    Zugegeben: »Abarbeiten« ist ein blödes Wort und es ist zudem ziemlich trivial. Ich hätte auch »explizit auseinandersetzen« schreiben können. Aber egal, es trifft doch einigermaßen die Sache. Es geht dabei nämlich gar nicht vornehmlich um das was JR, den Du zitierst, sehr richtig schrieb; »Abarbeiten« hat zuvorderst nix mit offenen oder versteckten Zitaten zu tun, mit Anspielungen, motivischer Referenzen oder sonst was. Der Informationswert von Beethovens Symphonik – wenn man mal im System einer Informationsästhetik verbleibt – mißt sich nicht dran, daß 700 Epigonen oder Nachahmer versucht hätten zu schreiben wie Beethoven, sondern daran, daß sein Werk seit etwa 1830 den Referenzrahmen für die Gattung »Sinfonie« darstellt, in den sich wohl so ziemlich sämtliche Komponisten, die sich an der Gattung versuchten, gestellt haben und den Informationswert dieses Werks somit explizit prozessiert haben.


    Man muß das alles übrigens nicht glauben und man kann auch den Jargon der Informationsheinis ziemlich überspannt finden (geht mir auch so). In der Sache ist das jedenfalls nicht gar so dumm, wie Euer Gräflichkeit zu glauben belieben.


    Jetzt hab' ich keine Lust mehr / und gehe ins Theater.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Lieber Medard,


    ich hatte gehofft, von Dir Aufschlüsse über den Explikationswert des Informationsbegriffes (über den ich schon ein wenig was gelesen habe) in unserem Zusammenhang zu erhalten. Stattdessen machst Du Dich über mich lustig. Woher soll ich wissen, aus welchem Kontext Bernd das Zitat genommen hat? Für interne Recherche bin ich mir zu schön und für die Suchfunktion im Forum bin ich schlicht zu blöd. Damit krieg ich nie was raus... :wacky:


    Zitat

    Informiertes Original vom Klawirr
    Der Informationswert von Beethovens Symphonik – wenn man mal im System einer Informationsästhetik verbleibt – mißt sich nicht dran, daß 700 Epigonen oder Nachahmer versucht hätten zu schreiben wie Beethoven, sondern daran, daß sein Werk seit etwa 1830 den Referenzrahmen für die Gattung »Sinfonie« darstellt, in den sich wohl so ziemlich sämtliche Komponisten, die sich an der Gattung versuchten, gestellt haben und den Informationswert dieses Werks somit explizit prozessiert haben.


    Das hast Du wieder hübsch gesagt, die Begriffe ein wenig umgestellt, und doch ist mir so wunderlich als wie beim ersten Mal. Ich glaube, begriffen zu haben, was ungefähr Du sagen willst, aber mir ist das einfach zu pauschal, obwohl ich sonst sehr für abstraktes Zeugs bin.


    Ich will mich mal daran machen, das nach meinem fragmentarischen Verständnis für normale Menschen zu übersetzen.


    Mit einem "Referenzrahmen", in den "sich so sämtlich die ziemlichen Komponisten gestellt haben" (Blumigkeit, ik tu Dir schnüffeln), ist offenbar gemeint, daß es nicht ganz egal gewesen sein kann, was der Beethoven ehedem mal innerhalb der Gattung "Sinfonie" abgeliefert hat. Soweit, so erheiternd, aber wo bleibt hier der Nachweis?


    Vollends problematisch empfinde ich den semantischen Begriff "Informationswert" in ästhetischen Zusammenhängen. Mir wird damit einerseits zuviel und andererseits beinahe etwas Unzutreffendes gesagt. "Information" kann doch in ästhetischen Fragen nicht das Gleiche meinen wie in der mathematischen Informationstheorie oder in der Nachrichten- und Computertechnik? Oder doch? Da hätt ich Hilfe nötig...


    Weißt Du was? Ich informiere mich jetzt mal über "Information" in den Kulturwissenschaften, und wenn Du aus dem Theater wieder da bist, werde ich Dir sagen, was Du gemeint haben könntest. Du grunzt dann zustimmend oder ablehnend, aber immer mit Bezug auf Beethoven und unsere Frage, die wir hier verhandlen, ja? Dessen werde ich mich auch befleissigen.



    Grüß mir viele,


    Alex.

  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl
    Woher soll ich wissen, aus welchem Kontext Bernd das Zitat genommen hat? Für interne Recherche bin ich mir zu schön und für die Suchfunktion im Forum bin ich schlicht zu blöd. Damit krieg ich nie was raus... :wacky:


    Jetzt bin ich wieder schuld, weil ich dekontextualisiert habe :D. Also rekontextualisiere ich: Die zugehörigen Beiträge unseres wohlinformierten Theatergängers finden sich hier und hier.



    Zitat

    Mit einem "Referenzrahmen", in den "sich so sämtlich die ziemlichen Komponisten gestellt haben" (Blumigkeit, ik tu Dir schnüffeln), ist offenbar gemeint, daß es nicht ganz egal gewesen sein kann, was der Beethoven ehedem mal innerhalb der Gattung "Sinfonie" abgeliefert hat. Soweit, so erheiternd, aber wo bleibt hier der Nachweis?


    Den Nachweis kann und werde ich hier bestimmt nicht liefern, erlaube mir aber den Hinweis, dass die kompositorische Beethoven-Rezeption ein ziemlich gut bestelltes Feld der Musikwissenschaft ist. Früher, als ich noch mehr Bücher über Musik gelesen habe anstatt vor dem Monitor zu sitzen, hätte ich dazu vermutlich Genaueres sagen können...


    Was mir als relativ frühes Beispiel einfällt, ist das Buch von Paul Bekker über die Sinfonie von Beethoven bis Mahler - dort unterscheidet er nach meiner Erinnerung mehrere Richtungen der Beethoven-Nachfolge und erläutert das ganz gut. Auf neuerem methodischen Stand und mit etwas anderer Zielrichtung erfährt man auch bei Martin Gecks Von Beethoven bis Mahler ziemlich viel. Allein über die (natürlich nicht nur kompositorische) Rezeption der Neunten gibt es inzwischen mindestens drei Bücher unterschiedlicher Qualität. Und außerdem zahlreiche Einzelstudien zur musikalischen Beethoven-Rezeption bei Mendelssohn, Schumann, Berlioz, Liszt, Wagner usw. usw. bis hin zu Schönberg, Mauricio Kagel und Stockhausen.


    Dass sich diese Prozesse des Informierens, Abarbeitens, Beeinflussens etc. auf vielen Ebenen zeigen, ist klar: vom deutlichen oder verschleierten Zitat über die Rezeption spezifischer formaler und semantischer Konzeptionen (z.B. Chorsinfonie - Berlioz, Mendelssohn, Mahler etc; "Sinfonisierung" der Oper bei Wagner) bis hin zur "Politisierung" des Konzertsaals seit Beethoven (darüber gibt's ein Buch von Ulrich Schmitt, Revolution im Konzertsaal). Und manches mehr.


    Besonders bemerkenswert finde ich ja, dass die kompositorische Beethoven-Rezeption bei so gegensätzlichen Exponenten der Musik des 19. und 20. Jahrhunderts eine große Rolle spielt: bei Mendelssohn UND Berlioz, bei Schumann UND Wagner, bei Brahms UND Bruckner, bei Strauss UND Schönberg (vgl. die Eroica-Bezugnahmen in Schönbergs Ode an Napoleon und Straussens Metamorphosen).


    Die Frage, ob man das Kind jetzt Information oder sonstwie nennen soll, überlasse ich Berufeneren. :D



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Ich fürchte, daß gerade bei Beethoven ein unwirklich weites Spielfeld eröffnet werden kann bzgl. dessen, was noch als Anspielung, Einfluß, Referenz bezeichnet werden dürfe.


    Die einen werden sich recht streng ans musikalische Material halten (obgleich auch hier nicht ausgemacht ist, was als echter Einfluß zu gelten hat), wieder andere (und das sind, fürchte ich, so wenige nicht) werden


    Wie zweifelsfrei ein Einfluß im Einzelfall nachgewiesen werden kann, ist eine andere Sache. Und es mag mühsam werden. Aber im Falle Beethovens und den Gattungen Sinfonie und Streichquartett ist es wirklich ziemlich offensichtlich, daß für zahlreiche bedeutende (nicht hunderte vergessener Epigonen) er das Paradigma gestiftet hat. Gerade auf die Beinahe-Zeitgenossen trifft das, wie auch schon gesagt wurde, noch weniger zu, die halten sich (wie auch der frühe Schubert) eher an Haydn und Mozart als Vorbild.
    Auch in Schumanns Sinfonien könnte man deutliche Einflüsse nachweisen: Beethovens 4. u. 2. in der Frühlingssinfonie und der monomanisch-monomotivische Kopfsatz sowie das per-aspera-ad-astra-Schema in seiner 4. Sinfonie. Wenn irgendjemand zwischen 1820 und 1900 "gegen" Beethoven Sinfonien schreiben wollte, dann entweder noch klassizistischer (wie teils Mendelssohn, evtl. Gade) oder er ist eben der Vergessenheit anheimgefallen. Auf anderen Gebieten stimmt das so nicht. Zwar gibt es auch in der Klaviermusik unzweifelhaften Einfluß, aber jedenfalls unter den heute noch berühmten Werken nehmen klassizistische Sonaten ja kaum Raum ein, sondern hier gab es ein "dialektische" Reaktion und wesentlich freier gestaltete Formen, die sich aus verschiedenen Quellen speisen, gewannen die Oberhand. (Wie schon mal angedeutet, war der vielleicht von Beethoven unabhängigste Instrumentalkomponist der Nachfolgegeneration Chopin)
    Wiederum stehen aber Meilensteine der Klaviersonate im 20. Jhd. wie Ives oder Boulez 2. immer noch in dem Beethovenschen Rahmen, teils mit ausdrücklichen Anspielungen.


    Zitat


    Original, wie alle folgenden, vom Lullisten


    Dieses Urteil wird vor welchem Hintergrund gefällt? Was ist gemeint mit "durchsetzen"? Die allgemeine Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte doch wohl gerade nicht? Was aber dann?


    Er hat sich im Gegenteil so gründlich gegen Eberl durchgesetzt, daß den 1835 vermutlich kaum noch einer kannte...


    Zitat


    Diese Aussage enthält schon die implizite Wertung, daß der spätere Komponist automatisch der avangardistischere sei. Ich bezweifle das insbesondere in Bezug auf die gegebenen Beispiele Schubert und Mendelssohn und auf die angegebne Musikgattung.


    Dsa sehe ich ähnlich
    Alle frühen Schubert-Sinfonien sidn "konservativer" als Beethovens, nämlich klassizistische Klone von Haydn&Mozart (und eine Prise Rossini) mit breiteren, regelmäßigeren Melodien, harmonisch ein wenig gewürzter, aber weniger stringent, weniger motivische Arbeit usw. Die 8. und die späten Fragmente zeigen, wohin Schubert vielleicht noch gelangt wäre, die 9. ist zwar eine originäre, eigenständige Meisterleistung, aber sie ist deutlich von Beethoven geprägt, besonders von dessen 7. Jedenfalls waren die späten Werke Schuberts zwar so modern, daß erst wieder Bruckner und Mahler dort anknüpfen konnten, aber sie spielten meines Wissen, trotz der Verehrung Schumanns (und Mendelssohns Einsatz) zunächst keine große Rolle. Der (teils um Jahrzehnte) verzögerten Aufführung folgt die entsprechend verzögerte Wirkungsgeschichte
    Mendelssohns klassizistische Sinfonien liegen eher quer zu Beethovens.


    Zitat

    Ich sehe die Verbindung von französischer Revolution und Beethovens musikalischer Rezeption aber vielleicht auch noch nicht richtig. Nur, darum geht es ja, wie Johannes schon sagte, in unserer Ausgangsfragstellung gar nicht. Hier ist nach dem Einfluß gefragt, den Beethoven ausübte und ausübt.


    Es gibt diesen Einfluß des "eclat triomphal" eines gewissen Gestus der franz. Marsch- und Revolutionsmusik. Ich muß zwar zugeben, nicht genügend Musik dieser Zeit zu kennen (eine CD mit Minkowski, habe aber schon wieder vergessen, ob das Mehul oder Gossec ist), aber ich halte das dem Einfluß der österreichischen Volksmusik auf Haydn oder Mahler vergleichbar. Dieser Tonfall mag einige Codas oder Schlußgruppen, im Einzelfall auch mal ganze Sätze wie das Finale der 5. prägen und sogar dominieren.
    Aber das ist ja bloßes Material. Die Verfahren, die Verarbeitung, die Formen, die dramatische Dynamik hat Beethoven von Mozart und besonders Haydn und er war diesbezüglich auch selbst nicht gerade auf den Kopf gefallen. Jedenfalls war schon vorher in den 1780er/90ern Haydn der meistgespielte Instrumentalkomponist in Paris, kein Franzose. Die Instrumentalmusik spielte dort eine geringere Rolle und kaum etwas davon hatte europäischen Rang wie die Sinfonien Haydns (er schrieb Sinfonien für Paris und London, nicht Mehul für Wien). Selbst für Berlioz waren die wichtigsten "französischen" Komponisten Gluck und Cherubini! (Wiederum, von einigen Neben- und bei Cherubini Spätwerken, die nach Beethovens Reife enstanden, reine Opernkomponisten).


    Man fällt vielleicht allzuleicht in Superlative. Aber bei Beethoven und dem Einfluß, den er auf die nachfolgende Musikgeschichte ausübte, sind die kaum zu vermeiden. Und das beruht auf keiner nationalchauvinistischen Verschwörung deutscher Musikwissenschaftler um 1900, die die anderen bewußt vergaßen, sondern daß war schon 1827 ziemlich eindeutig festzustellen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • o.K. o.K. ich hab verstanden, wenn man die Obrigkeit gegen sich hat, bleibt nur noch eines:


    im Büßergewand liege ich auf dem Boden.



    Ich wiederrufe – REVOCO !



    Beethoven hat genauso wie Bach niemals Vorbilder gehabt, beide erfanden die Musik aus der ihnen von Gott gegebenen Genialität heraus.
    Niemand vor Ihnen oder nach Ihnen hat jemals etwas ähnliches gemacht, da dies den beiden Helden der Deutschen Musikkultur einzig zukommt, ähnlich erhaben und ohne Vorbild ist nur noch Wagner.
    Es gibt keinerlei Ähnlichkeiten zwischen den Machwerken irgendwelcher Zeitgenossen und schon gar nicht zu irgendwelchen Franzosen bei Beethoven.


    Niemals hat auch nur ein anderer Beethovens Kunst übertroffen, nicht mal im direkten Wettstreit. Der Beweis ist hierfür, das außer Beethoven nichts blieb, alles andere wurde auf ewig hinweg gefegt, weil allein die Beschäftigung mit solchem Teufelszeugs schon eine Beleidigung von Gott und Vaterland gleichkommt.


    Niemals wieder werde ich meine Fehlurteile die nur vom Teufel selbst mir eingegeben werden konnten, veröffentlichen.
    So verschonet mich vor den reinigenden Flammen des Scheiterhaufens, auf das ich gelobe meine Ketzerseele jeden Tag selbst zu züchtigen !



    Revoco !



    :D :lips: :rolleyes::untertauch:

  • Beethoven hat bis in die Musik des 20. Jahrhunderts hinein Spuren hinterlassen - und zwar bei Komponisten, bei denen man (vielleicht) nicht einmal an Beethoven denkt. Bela Bartók ist einer von ihnen: Beethovens Methode, ein Thema zu exponieren und in der Folge zu pulverisieren, hat bei Bartók deutliche Spuren hinterlassen. In den Streichquertetten hört man das besser als in den Orchesterwerken, wo der Blick auf die Tatsache durch die fortgeschrittene Instrumentierungskunst verstellt wird. Außerdem bin ich überzeugt, daß die "Große Fuge" im ersten Satz der "Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta" ihre Fingerabdrücke hinterlassen hat.


    Intensiv mit Beethoven befaßt hat sich der Engländer Michael Tippett. Er versuchte, in Beethovens Werk dem Antagonismus dynamisch-statisch nachzuspüren. Die Ergebnisse mögen subjektiv gefärbt sein, haben aber dazu geführt, daß in Tippetts Werken bis Ende der 50er Jahre immer wieder klare Querbeziehungen aufblitzen. Man höre sich daraufhin etwa die Erste Symphonie an.


    Wiederum mehr mit den formalen Konstruktionen und der Thematik befaßt hat sich der Engländer Sir Peter Maxwell Davies, der in Beethovens Quartetten Verfahren von Motivumbildungen entdeckte, die für seine eigene Musik "wie ein Ferment" (Zit. Davies) waren. Die Musik klingt nicht wie Beethoven, aber dessen konstruktive Verfahren stehen mitunter merklich im Hintergrund.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Jetzt bin ich wieder schuld, weil ich dekontextualisiert habe.


    Ja, Bernd, die Amme hatte die Schuld.


    An die Bücher von Bekker und Geck (sein mit Abstand bestes) hätte ich auch gedacht.


    Zitat

    Original von Zwielicht
    Besonders bemerkenswert finde ich ja, dass die kompositorische Beethoven-Rezeption bei so gegensätzlichen Exponenten der Musik des 19. und 20. Jahrhunderts eine große Rolle spielt: bei Mendelssohn UND Berlioz, bei Schumann UND Wagner, bei Brahms UND Bruckner, bei Strauss UND Schönberg...


    Exakt, es scheint soviel "musikalische Substanz" (meinetwegen auch eine ideentheoretische, gesellschaftliche und sonstige) in Beethovens Werken angelegt zu sein, daß nicht nur (beinahe) jeder später etwas finden konnte, was ihm oder ihr am Herzen lag, sondern eben auch bei Beethoven so viel gebündelt war, was sich später (wiederum?) antipodisch ausdifferenzieren wollte. In solcher Bündelung ist sicherlich nicht das geringste Anzeichen für kompositorische Bedeutsamkeit und Einflußgröße zu sehen.


    Zitat

    Original von Johannes Roehl, Hervorhebung von mir
    Aber im Falle Beethovens und den Gattungen Sinfonie und Streichquartett ist es wirklich ziemlich offensichtlich, daß für zahlreiche bedeutende (nicht hunderte vergessener Epigonen) er das Paradigma gestiftet hat.


    Allerdings. Wenn auch der Begriff des "bedeutenden" Künstlers wieder eigene Schwierigkeiten mit sich bringt, so darf man doch vielleicht nüchtern festhalten, daß die Komponisten, die in einer Art "Konsens der Informierten" (s. Habermas/Breil) mit Gründen für bedeutend gehalten werden, in der Tat ausnehmend lückenlos Beethoven zu einem ihrer Hauptsteinbrüche gemacht haben - ob in dezidiert motivischer, explizit "weiterverarbeitender" oder ideentheoretischer Weise.


    Man könnte, was die Symphonien betrifft, vielleicht sogar eine Art "Rückzugsbewegung aus der Rezeption (Beethovens)" heraus sehen. Ich meine das so (bitte nicht wundern, daß ich jetzt munter mitspekuliere, das macht auch Spaß):


    Beethovens Symphonien waren womöglich ein derartiger Fortschritt, ein solch überwältigendes Novum (welches gleichwohl in bis dahin nicht dagewesener Komprimiertheit große Teile der bekannten musikalischen Tradition miteinbezog), daß die Komponisten der folgenden Jahre und eventuell Jahrzehnte zunächst bis auf eigentlich recht wenige formale und strukturelle Anleihen aus einer gewissen Not heraus, wie mit diesem Reichtum umzugehen sei, einem gewissen semantisch-syntaktischen "overkill" heraus sich wieder auf die Symphonik vor Beethoven zurückbesonnen haben. Ich möchte das ad hoc an Personen wie Ries, Hoffmann, Weber, Schubert, Mendelssohn zum wenigsten festmachen.


    Denn es geht ja bei der Beurteilung des Wertes einer Komposition nicht allein um technische Brillianz, das erfolgreiche Einfangen zeitgenössischer Tendenzen aus Musik und Nicht-Musik, den politischen Aussagegehalt oder um die hier verhandelte reine Wirkungsmächtigkeit, sondern auch um das, was man den strukturellen Reichtum nennen könnte, um das, was anlaßunabhängig und interesseninvariant in den komponierten "Texten" liegt. Ich habe das gesagt, weil ja Wirkungsmächtigkeit und "Wert" nie ganz unkorreliert bleiben - auch in diesem Thread natürlich nicht.


    Prophetie ex eventu ist immer eine mißliche Sache und zu behaupten, Beethoven habe seinen Rang zurecht, bequem. Dennoch, mir scheint es in beinahe keinem anderen Fall so evident, daß die Rolle, die dieser Komponist gespielt hat, an Form und Aussage, Zeitgenossen und Nachgeborenen, Komponisten und Rezipienten jederzeit unzählige Belege findet.


    Alfred hat wieder einmal erfolgreich polemisiert in seinem Eingangsposting! Das klappt halt jederzeit wie beim ersten Mal... :D


    Zitat

    Original von Zwielicht
    Die Frage, ob man das Kind jetzt Information oder sonstwie nennen soll, überlasse ich Berufeneren. :D


    Ha-ha! Mach Du Dich nur lustig...


    Das mit dem Informationsbegriff übrigens lassen wir doch besser. Ich hätte zwar eine "Idee" (der Meister Ludwig wirkt bis heute :yes:), wie man ein plausibles, einfaches und durchaus oberflächliches Sortierungsverfahren für "Anleihe", "Übernahme", "Zitat" u. Co auf unsere bescheidenen Zwecke zugeschnitten rausziehen könnte, aber das tu ich mir nicht an, das Geschrei dann wieder entgegenzunehmen, das zuverlässig entstünde. Ich werd auch so oft genug gewatscht, verschoben, gelöscht. ;(


    Btw: Ich hab neulich übrigens ein prominentes Motiv aus Haydns Paukenmesse in einer Lortzingoper an ebenfalls exponierter Stelle wiedergefunden! Der Beeinflussung sind offensichtlich wenig Grenzen gesetzt.



    Alex van.



    (Nana, lieber Lullist, das war doch prima, von Dir ein wenig Widerstand bekommen zu haben. Regt an und erfrischt, außerdem werde ich das auch mit mir nehmen. Also kein Grund, sich den Flammen zu überantworten - obwohl, das mit der Ketzerseele... :D. War eben nur nicht ganz das Thema. Aber was sage ich Dir das :untertauch:?)

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