Zemlinsky Trio Opus 3

  • Liebe Kammermusik-Taminos,
    ich hatte heute morgen das grosse Vergnügen Zemlinskys Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier (live) kennenzulernen und war sehr angetan von dieser spätromantischen Emphase, die mich allerdings auch an Brahms erinnerte.
    Ich habe hier im Forum noch keinen Artikel zu diesem Werk gefunden.
    Kennst das jemand?
    Mag das jemand?
    Kann jemand Aufnahmen empfehlen?


    Fairy Queen

  • Liebe Fairy Queen,


    das Trio von dem sowieso von mir überaus geschätzten Zemlinsky, gefällt mir auch sehr gut. Es ist von 1896. Damals ist der Brahms-Einfluß noch besonder stark. Zemlinsky war Schüler des Brahmsianers Robert Fuchs. Das in der Brahms-Linie weiterentwickelte Prinzip der entwickelten Variation wird aber entscheidendes Strukturprinzip bei Zemlinsky bleiben. In der Hinsicht ist dieses Trio ein besonderes Meisterwerk: Alles weitere wird aus dem Urmotiv der nur drei Anfangstöne d-e-f entwickelt.
    Trotz des starken Brahms-Einfluß ist es aber natürlich schon eigenständig und viel Jugendstil-gemäß expressionistischer, viel leidenschaftlicher als etwas Brahms Trio Op.114, das fünf Jahre vorher geschrieben worden war. Zemlinsky finde ich hier richtig wunderbar schwelgerisch. Auch harmonisch ist es nicht gerade orthodox brahmsianisch. Wagner war hier für Zemlinsky, wie auch für seinen Freund und kurzzeitigen Schüler Schönberg natürlich auch sehr wichtig.


    Ich habe das Trio sehr leidenschaftlich gespielt von Eduard Brunner, Davis Geringas und Gerhard Oppitz, die mir sehr gut gefällt, kenne sonst keine andere. Diese hat aber den Vorteil, mit Schönbergs Kammersymphonie Nr. 1, bearbeitet für Quintett von Anton Webern gekoppelt zu sein.



    Leider zur Zeit offenbar nur viel zu teuer angeboten. (Aber das läßt sich ja umgehen :pfeif:)


    :hello: Matthias

  • Liebe Fairy,


    hier gleich die Qual der Wahl:
    Die zwei Großen der Gattung (im Schatten stets d'Indy) in durch Brahms indirekt legitimierten Fassungen für gestrichene Ersatzklarinette.
    Wie bei den brahmsschen Opüssen 120 mag das Geschmackssache sein, doch ob mit Bogen, ob mit Blatt, Zemlinsky hat mit diesem Werkk ein wunderbar benetztes Auge nach seitlich-hinten geworfen.


    Auf der Platte ein weiteres Kuriosum: Beethovens Sextett Op.81b um die Hälfte dezimiert.
    Ein Jahrhundert in Wien für Klavier, Bratsche und Cello.







    audiamus



    .

  • Danke!
    Ich freue mich, dass es doch Leute hier gibt, die dieses sicher eher selten gehörte Werk kennen und mögen!
    Mich hat es auf's erste Hören gleich sehr angesprochen-wenn das nciht zu platt wäre ,würde ich sagen, ein emotional gesteigerter Brahms.
    Was um Himmelwillen ncihts gegen Brahms Qualitäten an sich sein soll, den liebe ich um anderer Dinge willen und gerade seine Kammermusik heiss und innig.
    Danke für die Erläuterung zu dieser Brahms-Zemlinsky- Verbindung-das ist mir doch recht deutlich aufgefallen.


    Die Einspielung, die Matthias vorschlägt, ist mir besonders sympathisch, weil eben die auch von mir heute im selben Konzert entdeckte und mit grossem(frohem) Erstaunen auf Quintett reduzierte Kammersymphonie von Schönberg drauf ist.
    Allerdings klingen Ernas und Audiamus Empfehlungen auch serh verlockend-mal wieder die Qual der Wahl. :wacky:


    F.Q.

  • Hallo Audiamus,


    auch interessant! Carmen Piazzini schätze ich sehr. Ihre Mitmusiker kenne ich jedoch nicht.


    Spielen die den Klarinettenpart des Zemlinsky-Trios auch auf der Viola? Ich wußte nur, dass auf Veranlaßung von Zemlinskys Verleger eine Fassung für Geige entstand, bei der aber unklar ist, von wem. Beaumont meint, aufgrund der Qualität der Geigenstimme aber sehr wahrscheinlich von Zemlinsky selbst. Läßt sich dazu etwas dem Booklet entnehmen?


    :hello: Matthias

  • Lieber Matthias,


    der Klarinettenpart wird von der Bratsche übernommen, obwohl Zemlinsky das offenbar nicht offiziell vorgesehen hat.
    Problem ist das keins (außer für den armen Schlucker, der die ganze Chose in den C-Schlüssel ummodeln darf), die Bratsche kommt eh höher wie tiefer als die Klarinette.
    Ob Zemlinsky die Möglichkeit im Sinn hatte, wird wohl entweder eine Sache der Spekulation oder des Durchforstens sämtlicher Briefwechsel mit ausgesuchten Persönlichkeiten sein.
    An das Booklet komme ich gerade nicht dran (ausgeliehen, wie ungefähr die Hälfte meiner gesamten Sammlung), aber ich kann mich nicht erinnern, dass da wesentlich mehr drin steht.


    Cellist Gerlinger spielte bei den Nürnberger und Düsseldorfer Sinfonikern, dann im Stuttgarter Staatsorchester. Außerdem darf der immer wieder nach Bayreuth.
    Bratschist Nagy (spricht man wahrscheinlich Notsch) hat bei Giuranna studiert, ist viel herumgetourt und schließlich auch bei den Stuttgartern gelandet. Er hat zudem die Brahms-Sonaten aufgenommen, die ich aber von ihm nicht kenne.


    Gruß,



    audiamus



    .

  • Sehr interessant ist auch diese Aufnahme:



    Da gefällt mir besonders, das auch eine Trio-Fassung von Schönbergs "Verklärter Nacht" enthalten ist, ein Werk, das zu meinen absoluten Lieblingswerken zählt.

  • Hallo,


    ich habe Zemlinskys Trio auf einem Tonträger mit dem Titel "In the shadow of Brahms" kennengelernt (Trio Paideia). Bis auf das etwas hallige Klangbild war ich damit einigermaßen zufrieden.
    Das Werk hat eine hohe kompositorische Qualität und ist durchaus originell genug, um sich von Brahms abzuheben. Es hat eigentlich alle Eigenschaften, um in einem positiven Sinne populär zu sein - was es bisher nicht ist.


    Auf der genannten CD sind noch Trio-Miniaturen von Paul Juon, die mich schließlich auf die ausgezeichneten Klaviertrios von Paul Juon gestoßen haben. Für Juon hatte ich dereinst einen Thread aufgemacht:


    Paul Juon


    Gruß


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)