Der bedeutendste Jazz-Musiker des 20. Jahrhunderts?

  • Liebe Jazz-Freunde,


    Ha, was für eine krude Frage, oder? Erinnert fatal an die unzähligen Rankings im Obergeschoss, wo die gut gekleideten Damen und Herren andauernd abstimmen... :D


    Aber im Ernst: Wen würdet ihr als den wichtigsten Jazz-Musiker bezeichnen - unabhängig davon, ob ihr ihn persönlich gerne hören mögt? Ich finde, dass man die Möglichkeiten auf maximal acht Persönlichkeiten beschränken könnte, halte mich mit meinem Favoriten aber erst einmal zurück. Allerdings steht mein Mann (Das sei in der Tat schon einmal verraten: Es ist ein Mann...) bereits nahezu solange fest, wie ich mich mit Jazz beschäftige. Ein überraschender Außenseiter ist es nicht. Aber erst einmal würde mich eure Wahl interessieren.


    LG
    B.

  • Hallo B.,
    frech wie ich bin, beabsichtige ich trotz meiner noch jungen Liebe zum Jazz hier meine Meinung zu äußern. Ich bin natürlich gezwungen auch sehr auf theoretisches, angelesenes Wissen zurückzugreifen. Trotzdem oder gerade deswegen wird es mit den Achten eng. Gab es doch sehr viele, sehr einflußreche Menschen in der Welt des Jazz. Und ich betrachte fast ausschließlich Künstler, die gar nicht mehr unter uns weilen. Mal sehen, ob ich noch ausmisten kann...


    Liebe Grüße
    GalloNero

    ... da wurde mir wieder weit ums Herz ... (G. Mahler)

  • Hallo zusammen,


    da ja bis jetzt keiner den Anfang machen will, lege ich mal los:


    Also
    Platz 1 für Miles Davis, weil er in seinen besten Jahren trendsetzend war
    Platz 2 für John Coltrane, weil seine Spielweise Maßstäbe gesetzt hat
    Platz 3 für Louis Armstrong, weil über mehrere Jahrzehnte in der Spitze mitspielte
    Platz 4 für Charlie Parker, weil er für für mich den Bebop (von mir nicht geliebt) symbolisiert, der den Jazz in den vierziger Jahren auf eine neue Ebene gehoben hat.
    Platz 5 für Fats Waller, weil er den vielen Pianisten danach den Weg gezeigt hat
    Platz 6 für Billy Holiday, weil sie für mich die erste war, die den Jazzgesang nach vorne gebracht hat
    Platz 7 für Duke Ellington, der den Bigbandbereich abdeckt.
    Platz 8 für Klaus Doldinger, der den Jazz in Deutschland über Jahrzehnte vielfältigst mitgestaltet hat.


    Ich muß noch sagen, es handelt sich nicht um meine persönlich Lieblingsliste, die sähe doch in vielem anders aus, vermutlich weil ich häufig Musik der nur "zweitgrößten" Musiker höre (die Kleinmeister des Jazz, oder was :baeh01:).


    Grüsse


    Achim :hello:

  • Es ist wirklich sehr schwer, EINE Person herauszustreichen. Meine Top 10 wären -


    Louis Armstrong (Trompete)
    Dizzy Gillespie (Trompete)
    Miles Davis (Trompete)


    Ella Fitzgerald (Gesang)
    Billie Holiday (Gesang)


    Duke Ellington (Komponist)
    Charles Mingus (Komponist)


    Coleman Hawkins (Tenorsaxophon)
    Charlie Parker (Altsaxophon)
    John Coltrane (Tenor- und Sopransaxophon)

    Hear Me Roar!

  • Hallo,


    wenn es in der Ausgangsfrage um einen, nämlich DEN bedeutendsten Jazz-Musiker geht, nenne ich Louis Armstrong.


    Ich glaube, dass er die Jazzgeschichte mehr beeinflusst hat als jeder andere Musiker.


    Gruß,


    Uwe

    Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt. (Arnold Schönberg)

  • Für mich


    John Coltrane



    Und zwar allein deswegen, weil ich überhaupt erst durch ihn eine leise Ahnung davon erhalten habe, was man mit Musik auszudrücken vermag (der andere war Arvo Pärt).

  • Hier fehlt, gerahmt von Idol Fats Waller und Idealist Oscar Peterson


    Art Tatum,


    nahezu blind, weitgehend autodidaktisch, beinahe lichtgeschwind und selbst von Horowitz um seine Technik beneidet.


    Es erhub sich ein Stride.




    audiamus



    .

  • :hello:


    Der bedeutenste Jazzmusiker? Da denke ich zuerst auch an Louis Armstrong, als eigentlichen Ursprung, der Quell, aus dem die anderen schöpfen konnten. Und dann natürlich an Miles Davis, in diesem Zusammenhang besonders sein Innovationsvermögen. Wenn ich generell nach dem besonderen Musiker gefragt werde, frage ich zurück: Komponist? Arrangeur? Dirigent? Instrumentalist? Natürlich in allem beyond category: Duke Ellington!


    Gruß, Beryllo

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  • Für mich der coolste Jazzmusiker aller Zeiten:


    Glenn Miller


    Es wundert mich, dass er noch nicht genannt wurde ?(

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Für mich:


    BILL EVANS!


    Ganz persönlich und eigentlich offtopic, denn ich habe nur meinen Lieblingsmusiker genannt.


    Denn DEN bedeutendsten Jazz-Musiker zu finden........na ja, da wird es unübersichtlich, schwierig, kaum lösbar.



    Evans jedenfalls ist für mich der bedeutendste Musiker im Rahmen eines Klaviertrios, was seine enorm verfeinerte Harmonik wie auch sein damals neues, freies Interagieren zwischen Ihm und seinen jeweiligen Kollegen angeht.


    Beim Jazz wie auch in der Klassik wäre es erheblich einfacher, den oder die maßgeblichen Musiker anhand der Gattung und des jeweiligen Stilzeitraumes zu suchen.


    Miller hat durchaus auch Jazz gemacht, ist aber vor allem wegen der Leistungen seiner Arrangeure bekannt geblieben, da er selber ein sehr mittelmäßiger Posaunist war und seine Leistung eher in der Vermarktung und Leitung seines Orchesters lag.


    Es waren Musiker wie Earl Hines und Benny Goodman z.B., welche jungen Gipfelstürmern wie Parker, Christian, Gillespie eine erste Plattform gaben zu Beginn der Bebop-Ära, als Beispiel für andere wichtige Bandleader wie Basie, Kenton usw.


    Überhaupt Charlie Parker:
    Wenn die Frage wäre, wer das allermeiste aus dem Bluesschema herausgezogen hat, dann wäre Parker ein 1. Kandidat für mich, latürnich, denn für einen sehr großen Rest der jazzliebenden Welt ist ER der größte- und durchaus zu Recht.
    Wenn seine Zeit und sein Stil berücksichtigt wird.


    Wenn es wirklich um nur EINE EINZIGE Person geht, welche am wichtigsten für den Jazz des 20.Jhdts war, dann gebe ich meine Stimme trotzdem Duke Ellington, da er über Jahrzehnte innovativ und führend in diesem Bereich war.


    Aber irgendwie ist mir das zu einfach, denn wo bleibt dann Miles Davis?
    Oder auf der Arrangeurseite Gil Evans?


    Fragen über Fragen........


    Schwieriger thread.....hoffentlich nicht lösbar :D

    Zitat

    Der bedeutenste Jazzmusiker? Da denke ich zuerst auch an Louis Armstrong, als eigentlichen Ursprung,


    Hier wird es schon mit dem Ursprung schwierig, denn Armstrongs Ursprung war King Oliver, und auch der hat den Jazz nicht erfunden.



    :hello:



    Michael

  • Zitat

    Original von Michael Schlechtriem


    Hier wird es schon mit dem Ursprung schwierig, denn Armstrongs Ursprung war King Oliver, und auch der hat den Jazz nicht erfunden.
    Michael


    Hallo Michael,


    Gewiss, deswegen habe ich das Wort eigentlich eingefügt. Ein für mich ähnliches Beispiel: "L' Orfeo" von Monteverdi war der eigentliche Beginn der Oper, auch wenn es Vorläufer gab.


    Gruß, Beryllo

  • Die bedeutensten in dieser Reihenfolge:


    1. John Coltrane
    2. Ornette Colemann
    3. Miles Davis


    Meine Lieblings Jazz-Musiker sind jedoch Oscar Peterson und Stan Getz. Mainstream, aber gut.


    VG, Bernd

  • Hallo Beryllo,

    Zitat

    Ein für mich ähnliches Beispiel: "L' Orfeo" von Monteverdi war der eigentliche Beginn der Oper, auch wenn es Vorläufer gab.


    also ist für Dich der eigentliche Beginn des Jazz gleichzusetzen mit Armstrong?
    Seine Vorläufer und Zeitgenossen sind also vernachlässigbar?
    Haben gar überhaupt nicht Jazz oder Blues oder Ragtime gespielt?


    Louis Armstrong ist jedenfalls mitnichten der "eigentliche" Ursprung der Jazz-Musik.


    Ich verstehe Deinen Gedankengang im Zusammenhang mit Klaus Bergengrün nicht so recht, aber wir müssen dies nicht vertiefen.
    :angel:


    Michael

  • Um die bedeutendsten zu benennen habe ich viel zu wenig Ahnung von Musik. Meine liebsten seien dennoch hier aufgezählt:


    John Lewis
    Miles Davis
    Lionel Hampton
    Wes Montgomery


    Zur Erläuterung: Ich fühle mich in der Be-Bop Ära wohl sowie in der Grauzone von Swing und Easy Listening. Da kämen dann noch


    Glenn Miller,
    Jack Teagarden,
    Count Basie
    und
    Andre Previn hinzu.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Da sind je eine Menge Antworten eingegangen auf meine an sich wenig gewinnbringende Frage. Und wie wie man sieht, mischt sich Geschmack mit vermeintlicher Objektivität. Da die Eingangsfrage auf letzteres zielte, möchte ich nun denn auch endlich meine Meinung kund tun. Thomas nannte Coltrane, Michael erwähnte Bill Evans. Gehe ich von meinen persönlichen Präferenzen aus, so würden diese beiden auch bei mir ganz weit oben rangieren. Etwas kurios finde ich die Nennung Glenn Millers. So manches Jazzbuch oder Nachschlagewerk führt den netten Truppenbetreuer nicht einmal...


    Wäge ich viele der genannten und der schon vorher bedachten Argumente ab, so bleibe ich bei meiner Meinung, dass Miles Davis der bedeutendste Jazzmusiker des Jahrhunderts war!



    Aber warum? Ein paar Erklärungsversuche:


    Betrachten wir zunächst die Zeitspanne seines Wirkens: Die ersten relevanten Aufnahmen stammen aus der Mitte der 40er Jahre, die letzten entstanden Ende der 80er. Macht also einen Zeitraum von etwa 45 Jahren. Das kriegen zwar manch andere Jazzmusiker auch hin, so sie denn alt genug werden. Der wunderbare Sonny Rollins legte gerade mit seinen Deutschland-Konzerten Zeugnis davon ab. Miles Davis aber nutzte diese Zeit, um immer wieder zu neuen Ufern aufzubrechen.


    Folgt man seinem grenzenlosen Ego, so hat er seit dem Bebop nahezu alle neuen Daseinsformen des Jazz erfunden. Folgt man seinen Kritikern, so hat er sich als Trittbrettfahrer auf jeden neuen Zug willentlich hinauf geschwungen. Ich finde, er hat (abgesehen vom Free Jazz) in allen Stilen des Jazz ab den 40er Jahren Maßstäbe gesetzt, auch wenn er nicht immer der erste an Bord eines neuen Zuges war.


    Beim Bebop um Parker, Monk und Gillespie war er mittendrin. Lehrjahre sozusagen. Während die meisten Musiker jener Zeit in den Klischees und Patterns einfroren, die Blues-Schemata in immer schnellere und extremere Höhen führten, seilte sich Miles Davis ab. Dank Gil Evans und Gerry Mulligan entstand "Birth of the Cool", Meilenstein des Cool Jazz. Kaum dort etabliert, scharte er Bebopper der ersten und zweiten Generation um sich, um auch im Hard Bop der 50er wichtige Akzente zu setzen. Den Weg in die Freiheit ebnete er zunächst gemäßigt im modalen Jazz der "Kind of Blue"-Jahre, später dann mit seinem Quintett der 60er um Wayne Shorter und Herbie Hancock. Ende der 60er war schwarze Musik dann en vogue: Jimi Hendrix, Sly and the Family Stone u. a. war vorbehalten, was Davis immer wollte: Anerkennung. Er elektrifizierte seine Musik, schuf mit "Bitches Brew" und vielen folgenden Live-Aufnahmen Meilensteine des Rock-Jazz, trat auf der Isle of Wight auf und wurde endgültig zum Superstar. Dann die gesundheitliche Auszeit und ein Comeback Ende der 70er bis zu seinem Tod, das manch minder gelungenes Projekt hervor brachte, aber seine größte Stärke noch einmal offenbarte: Die Fähigkeit, mit seiner Vision des Musizierens Stars zu gebären! Für mich ist das ein entscheidendes Kriterium: Wann immer Davis auf dem Zenit seines Ruhmes stand, langweilte er sich musikalisch und suchte nach frischem Blut, das in ihm neue Lebensgeister wecken sollte. Doch egal, wen er sich suchte oder welche neue Richtung eingeschlagen wurde, in der Art des Musizierens blieb er sich treu.


    Die Talente bei ihm hatten die größtmöglichen Freiheiten. Nur die, die sie nicht nutzen konnten, scheiterten. Nahezu alle wuchsen aber bei ihm, trotz seiner menschlich manchmal grenzwertigen Art. Mir sind eigentlich nur Bassist Dave Holland, Saxophonist Dave Liebman und Pianist Keith Jarrett bekannt, die in seinen Gruppen nicht zurecht kamen, weil sich ihre Vorstellungen nicht mit denen des Zeremonienmeisters deckten. Die anderen, die die Davis-Schule erfolgreich durchliefen, mag man kaum aufzählen: Es würde nicht enden.


    Dabei war Davis doch zuallererst Trompeter. Und in diesem Bereich war die Konkurrenz groß. In den 40ern blies Dizzy Gillespie ihn durch die Wand, in den 50ern war Clifford Brown der instrumental bessere. Danach kamen junge Wilde wie Lee Morgan oder Freddie Hubbard und später in den 80ern musste man einem Wynton Marsalis ein stupendes instrumentales Können bescheinigen, an dem sich Davis nie hätte messen können. Aber auch nicht hätte müssen. Wofür andere ganze Tonkaskaden brauchten, das machte Davis mit ein oder zwei Tönen, manchmal gar einfach mit - einer Pause! Geschichten erzählen, sie wenden und neu aufnehmen, Stimmungen erzeugen und diese an- und abschwellen lassen - das war die große Magie von Miles Davis, der sich für diese Form des Spielens immer nur die besten Talente holte.


    Ich zähle die Anzahl an großen Plattenaufnahmen verschiedenster Epochen, ich höre die nervöse Spannung von fast fünf Jahrzehnten Live-Konzerten am Rande des Abgrunds, ohne Netz und doppelten Boden. Ich sehe und freue mich an der Legion geförderter und ins Rampenlicht katapultierter Musiker und ich spüre seine Wirkung als selbstbewusster schwarzer Musiker in einem Amerika, in dem das nicht selbstverständlich war. Bei alldem ziehe ich meinen Hut vor diesem musikalischen Lebenswerk.


    LG
    B.

  • Zitat

    Original von Barbirolli...
    Wäge ich viele der genannten und der schon vorher bedachten Argumente ab, so bleibe ich bei meiner Meinung, dass Miles Davis der bedeutendste Jazzmusiker des Jahrhunderts war!


    Ein leidenschaftliches und durchaus überzeugendes Statement !


    VG, Bernd

  • Miles war einfach toll mit allem, was er gemacht hat, und eine solche stilistische Vielfalt kann sonst niemand vorweisen. Wobei ein stilistischer Wechsel bei ihm stets damit einherging, dass ihm gleich die gesamte Jazzwelt folgte.


    "Ich habe nur vier oder fünf mal die Musik revolutioniert. Und warum sind Sie hier?" So staucht er einmal eine weiße Bankiersfrau zusammen, die sich gewundert hatte, warum er beim Bankett des US-Präsidenten eingeladen sei.


    Ich bin einfach nur froh, dass ich Miles 1986 noch in Top-Form live erleben durfte.


    Die Nummern 2 bis 5 vergebe ich an Armstrong, Ellington, Monk und Charlie Parker.


    Salve,


    Cassiodor

  • :hello:


    An Barbirolli: Der Hinweis auf den Lehrer Miles Davis ist wirklich sehr wichtig in diesem Zusammenhang, Danke dafür.


    An Thomas Pape: Hätte ich meine Lieblingsjazzmusiker genannt, John Lewis hätte auch bei mir an erster Stelle gestanden.


    An Michael: Ach, ja das vertiefen wir wirklich nicht mehr, jedenfalls helfen Unterstellungen nicht das Missverständnis zu klären.


    Gruß, Beryllo

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  • Hallo Beryllo,

    Zitat

    An Michael: Ach, ja das vertiefen wir wirklich nicht mehr, jedenfalls helfen Unterstellungen nicht das Missverständnis zu klären.


    Zitat

    also ist für Dich der eigentliche Beginn des Jazz gleichzusetzen mit Armstrong?


    das war keine Unterstellung, sondern eine Frage von mir, da ich dich in diesem Sinne verstanden habe.


    Tut mir leid, wenn ich Dich mißverstehe, aber Du mußt mir auch nicht gleich eine Unterstellung unterstellen....... :wacky:


    Gruß,
    Michael

  • Zitat

    Original von miguel54
    Wenn nur einer, dann


    DUKE ELLINGTON !!!!!


    :yes: Das würde ich auch so sehen. In seinen Bands entstehen schon in den 20ern teilweise derart moderne Arrangments und Spielweisen, dass sich heute noch von ihnen viel abgeschaut wird. Bei keinem anderen spielten über so lange Zeit derart viele erstklassige Virtuosen ihrer Instrumente, wirkten derart viele, der besten Arrangeure ihrer Zeit derart innovativ mit. Natürlich steht "Duke Ellington" damit, wie etwa auch "Bert Brecht", genau genommen, für ein hochproduktives Kollektiv, in dem er aber das orgnisierende Kraftzentrum, die Spinne im Netz, blieb. Kein anderer dürfte derart den Jazz bis heute beeinflußt haben. Und natürlich war er auch ein sehr guter, origineller Pianist, der das Spiel der Stride-Piano-Meister mit neueren Jazzformen originell meisterhaft verband, wenn sein eigenes Spiel auch immer dem auch in den kleinen Gruppemaufnahmen, sogar Duetten und Trios, dem Gruppenspiel untergeordent blieb und es relativ wenig Solo-Aufnahmen gibt, auf denen er zumeist, Athritis bedingt, nicht mehr auf der vollen Höhe seines Könnens der 20er/30er spielen konnte. In der Trioaufnahme mit Charles Mingus und Max Roach geht ihr Spiel sogar teilweise bis an den Rand zum Free-Jazz.


    Zitat

    Zitat Miles Davis von Cassiodor:"Ich habe nur vier oder fünf mal die Musik revolutioniert.


    Das halte ich für einen Mythos. Natürlich hatte Miles Davis den richtigen Riecher dafür, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Musiker, immer einige der besten, einfallsreichsten ihrer Zeit, zusammenzubringen und immer wieder ausgezeichnete Platten zu machen. Aber die Innovationen, auch die spezifischen Kombinationen musikalischer Elemente und Stile, waren immer von anderen aufgeschnappt, die da schon vorher hingekommen waren, oder jedenfalls waren andere da vor ihm auch schon hingelangt und hatten schon nicht unbedingt schlechtere Aufnahmen ähnlicher Art gemacht. Das macht natürlich keine seiner großartigen Aufnahmen und Konzerte in irgendeiner Weise schlechter. Aber deswegen würde ich ihn nicht unter den ersten 10, aber sicher bald darauf, nennen.


    Der innovativste Neuerer war vielleicht ein Chicagoer Multi-instrumentalist namens Herbert Luettenbacher, nicht besonders bekannt geworden unter dem Namen Hal Russell. Aber wohl kein anderer war seiner Zeit immer wieder so weit vorraus. Dabei versammelte auch Hal Russell immer wieder einige der besten, einfallsreichten Musiker seiner Zeit um sich und prägte sie nachhaltig.
    Hal Russell begann in den für Neues offeneren Big Bands der Swing-Ära, ist beim Bebop sofort dabei, geht aber gleichzeitig in ähnliche Richtung wie Lennie Tristano und dessen Kreis und ist zur klassischen Avantgarde offen, aber immer wilder, rauher, als der Cool Jazz New Yorks oder der West Coast, spielt schon relativ früh in den 50ern völlig freie Kollektivimprovistionen in Formationen um ihn und Joe Daley, ist in den 60ern, auf der Höhe des Free Jazz, schon längst beim Post-Free Jazz angekommen, der energiereiche (Kollektiv-)Improvisationen wieder mit komplexeren, vorgegebenen Strukturen verbindet, elektifiziert schon bald auch einige seiner Bandprojekte und nimmt Psychedelic-Rock-, Avantgarde-Rock und Funk-Elemente auf und formt Ende der 70er schließlich seine Band NRG, das hochenergiereichste, was es vielleicht bis dahin im Jazz gab. Mit NRG nahm er auch PostPunk und Hardcore-Elemente auf und ich hörte den Hochbetagten noch, schräg elektronisch modifiziert in ein Megaphon rappen. Aus NRG sind einige der heute interessantesten, innovativsten Gegenwartsjazzer hervorgegangen, die heute selbst Spinne im Netz eines globalisierten Avantgarde-Jazz sind, wie vor allem Ken Vandermark, weiters Mars Williams, Brian Sandstrom, Kent Kesssler, Steve Hunt.... So ist Hal Russell spät doch noch zur erheblicher Wirkung gekommen und sogar eine der interessantesten Post-Hardcore/Funk/Free-Jam-Rock-Formationen benannten sich nach ihm als "The Flying Lyttenbachers", eine der ersten Bands, in einer wachsenden, längst internationalen Crossover-Szene zwischen Hardcore, Funk und Freejazz, die in den Medien und auch in der total überalterten Jazzpresse nicht vorkommt: Auch hier gilt: "The Revolution will not be televised," wie es in einem Song von Gil Scott-Heron heißt.



    Aber zurück zur Listenbildung: Ohne Rangfolge muß m.E. auf jeden Fall genannt werden:
    Charlie Parker
    John Coltrane
    Ornette Coleman
    Eric Dolphy
    Thelonious Monk
    Lennie Tristano
    Charles Mingus
    Bill Evans
    Hal Russell
    Vieleicht auch: Muhal Richard Abrams als Kopf des AACM (Association for the Advancement of Creative Musicians)


    Unter den älteren:
    Natürlich Louis Armstrong, aber eigentlich müßte erst recht die Pianistin und Arrangeurin Lil Hardin, zeitweilig Hardin-Armstrong, genannt werden, von der nämlich die Konzeption der Hot-Jazz-Gruppen stammt, später auch die Integration von Swing Big Band und Hot Jazz. Sie war meines Wissens auch, neben Bix Beiderbecke, die erste, die Jazz nicht mehr nur als irgendeine Unterhaltungsmusikform, sondern als eigene Kunstform ansah.
    Außerdem:
    Coleman Hawkins und Lester Young
    Beim Piano muß natürlich Art Tatum genannt werden mit einem Einfallsreichtum und einer Virtuosität, die für viele Jahrzehnte völlig unerreicht blieb und die auch, wie audiamus hier schon anmerkte, Horowitz begeisterte.
    Eventuell sollte vielleicht auch Erroll Garner genannt sein. Ich muß zugeben, dass ich ihn lange als zur sehr dahinplätschernden Barpianisten völlig verkannt habe, obwohl mir natürlich seine enorme Virtuosität klar war. Inzwischen ist mir aber klar geworden, wie raffiniert das häufig war, was er spielte.


    Bei der Big Band müßten dann genannt werden:
    Count Basie, dann Stan Kanton, bzw. deren beste Arrangeure, wie z.B. Melba Liston bei Count Basie, John Carisi bei Stan Kanton und in anderen West-Coast-Formationen
    Dann als später wichtigste Innovatoren und erstklassige Band-Leader auch größerer Formationen:
    Charles Mingus
    Gil Evans
    George Russell
    Sun Ra
    Sam Rivers
    Malachi Thompson
    Giorgio Gaslini
    Mike Westbroke
    Chris McGreggor
    Pino Minafra
    - nicht alle gleichermaßen bekannt, aber alle von außerordentlichem Können und internationalem Einfluß.
    Heute würde ich noch in der gleichen Liga Satoko Fuji ansiedeln, auch eine erstklassige Pianistin, - aber die gehört schön in die Liste für das 21. Jahrhundert.
    John Carisi und George Russell waren übrigens interessanterweise beide Kompositionsschüler von Stefan Wolpe. George Russell dann vor allem für die skandinavische Jazzentwicklung entscheidend prägend.


    Beim Gesang muß natürlich Billie Holiday und Ella Fitzgerald genannt werden, dann aber unbedingt auch Shirley Jordan, die die erste war, die, wie keine andere, die Innovationen des Bebop im Gesang nutzte, und Jeanne Lee, die unvergleichleich für den Beginn eines adäquaten Gesangs im Free Jazz und anderen radikal modernen Gesangsformen steht, z. B. für letztere im Duo mit dem Pianisten Ran Balke.


    Natürlich könnte man jetzt weitere Listen für jedes Instrument bilden, fürs Piano, für Leute, die an Virtuosität und Einfallsreichtum wieder, auf ganz andere, eigene, Weise an Art Tatum, Thelonious Monk und Bill Evans heranreichen, aber auch darüber hinaus außerordentlich bedeutend sind (wieder ohne Rangfolge):
    Oscar Peterson
    McCoy Tyner
    Andrew Hill
    Ran Balke
    Joanne Brackeen
    Herbie Hancock
    Paul Bley
    Cecil Taylor
    Geri Allen
    Martial Solal
    Irene Schweitzer
    Alexander von Schlippenbach
    Masahiko Satoh
    Yosuke Yamashita
    Aki Takase
    Giorgio Gaslini
    Franco D´Andrea
    Enrico Pieranunzi
    Sylvie Courvasier
    Marylin Crispell
    Matthew Shipp


    oder für den europäischen oder japanischen Jazz, Persöhnlichkeiten, die unbedingt in die erste Reihe gehören, wie z.B. Albert Mangelsdorff, Peter Brötzmann, Krisztof Komeda - und einige weitere habe ich hier ja schon bei den Pianisten und Big Band Leadern genannt - , vielleicht länderspezifisch, z.B. Frankreich:


    Django Reinhardt
    Martial Solal
    Henri Texier
    Michel Portal
    Louis Sclavis
    Sylvie Courvasier


    M.E. zeigen diese weiteren Listen die Grenze der ganzen Listerei, den es ließen sich zweifellos bei den weiteren von mir gelisteten für jeden auch gute Argumente finden, jeden von ihnen unter den ersten 10 zu nennen.


    Nur Glenn Miller ist wirklich kurios :no: :wacky:


    :hello: Matthias

  • Zitat

    Original von Matthias Oberg
    Nur Glenn Miller ist wirklich kurios :no: :wacky:


    Warum?
    Ich wusste nicht, dass er so wenig selbst gemacht hat, aber er war doch zumindest eine klasse Bandleader, oder?
    Ich dachte immer die meisten Arrangements stammen von ihm...
    Jedenfalls hat er sich dann wenigstens die besten Songwriter zusammengesucht :wacky:

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo rappy,

    Zitat

    Ich dachte immer die meisten Arrangements stammen von ihm...


    stimmt, ich war da etwas zu böse, er hat tatsächlich viele Arrangements selber geschrieben, nur hat er tatsächlich außer der "Moonlight Serenade" kein weiteres Stück selber komponiert.
    Sorry für meine Ungenauigkeit.


    :hello:


    Michael

  • Hallo Michael,


    Danke für die Erklärung zu deinen Fragen (habe ich anders verstanden, weil am Schluss deines Beitrags die Diskussion abgekürzt wurde). Auf deine Fragen: Nein, so wie die Fragen gestellt sind, sehe ich das nicht und gebe Dir gerne in allem Recht. Ich liebe den alten Ragtime auch sehr! "Eigentlich" ist wohl kein glückliches Wort für das, was ich meine. Wie Du schon gesagt hast, schwierig. ;) (Übrigens ist mir Klaus Bergengruen unbekannt.)


    Gruß, Beryllo

  • Hallo Beryllo,

    Zitat

    Klaus Bergengruen


    sorry, das ist ein alter Musikerwitz......
    Claudio Monteverdi.............auf deutsch


    Ist genau so bescheuert wie dieser hier:


    Schnell essen bei eingeschränkter Kreditfähigkeit?


    Girolamo Frescobaldi


    Oder dieser hier:


    Der Erfinder des trägerlosen BHs?


    Feruccio Busoni


    :stumm: :stumm: :stumm: :stumm:

  • Zitat

    Original von rappy


    Warum?
    Ich wusste nicht, dass er so wenig selbst gemacht hat, aber er war doch zumindest eine klasse Bandleader, oder?
    Ich dachte immer die meisten Arrangements stammen von ihm...
    Jedenfalls hat er sich dann wenigstens die besten Songwriter zusammengesucht :wacky:


    Glenn Miller ist für die Entwicklung des Jazz eine völlig unbedeutende Randfigur.
    Die wichtigsten Entwicklungen fanden anderswo statt. Die besten und für die Entwicklung ihres jeweiligen Instruments bedeutendsten Musiker spielten anderswo. Wo Arrangeure auf höchst gelungene Weise zu interessanten und neuen Lösungen kamen, war das in anderen Bands.
    Bleiben wir in seiner Zeit, dann spielen Duke Ellington, Count Basie, Lil Hardins Rythem Synkopators in großer Besetzung, Mary Lou Williams und Fletcher Handersons Bands, was Solisten wie Arrangements angeht, um hier nur die wichtigsten, die mir gerade einfallen, zu nennen, so sehr in einer anderen Liga, wie Beethoven und z.B. der Filmkomponist John Williams. Dieser Unterschied gilt auch noch zwischen Glenn Miller und solchen weißen Bands, wie denen von Benny Goodmann, Artie Shaw, Tommy Dorsey, Stan Kanton...
    .... aber natürlich wird es auch sehr merkwürdig, auf Platz 1 keinen Afro-Amerikaner zu nennen, von denen diese Musik schließlich kommt und unter denen es nun wirklich genug absolut erstklassige, erfindungsreiche und prägende Musiker und Band Leader gab und gibt und die die Entwicklung des Jazz lange Zeit bestimmt haben.


    Hör dir "Caravan" oder gar die "Black, Brown, Beige Suite" in einer beliebigen Ellington-Aufnahme an und dann die "Moonlight Serenade" mit Glenn Miller und achte auf die Solisten, ihre Interaktion und darauf, welche Komposition, welches Arrangement mehr Möglichkeiten für die Solisten schafft, diese gleichzeitig aber auch herausfordert.


    Natürlich will ich dir damit die Freude an der Musik Glenn Millers nicht nehmen. Ich habe einige alte Jazz-Fans kennengelernt, die an dieser Musik hängen, weill es für sie in den 40er Jahren der erste Jazz oder jedendfalls Jazzverwandtes war, mit dem sie in Berührung kamen, der erste Klang von Freiheit, Amerika und neuen Möglichkeiten nach den Nazi- und Kriegsjahren. Aber keiner von denen, der sich dann weiter mit Jazz genauer beschäftigt hat, würde auf den Gedanken kommen, deswegen Glenn Miller sogar über den "Duke" zu stellen.
    Insofern möchte ich auch sicherlich keinen arroganten Eindruck vermitteln. Es gibt so Vieles, von dem ich sehr wenig weiß und mein erster Eindruck vielleicht auch kurios wirken würde.


    :hello: Matthias

  • Hallo Matthias,


    vorneweg: Ich hab keine Ahnung von Jazz. Ich höre die Jazzmusik, die mir über den Weg läuft, ab und zu improvisiere ich selbst ganz gerne, das ist alles.


    Deswegen war die Aussage, dass Glenn Miller für mich der "coolste" Jazzmusiker ist, natürlich wissenschaftlich total unfundiert und nur auf meine persönlichen Höreindrücke bezogen.
    Verglichen mit anderer Jazzmusik, die ich bisher gehört habe (z. B. Brubeck) haben die Songs einen ungemein hohen Wiedererkennungswert. Jede melodische Phrase hat Eigencharakter, bleibt hängen und klingt nicht wie ein beliebiges Zufallsergebnis einer spontanen Improvisation.
    Aber wie gesagt, beim Namen kenne ich äußerst wenig, Jazz liegt eigentlich nicht so sehr in meinem Interessenbereich.
    Also bitte kein Streit darüber, ob Glenn Miller bedeutend ist, ich glaube euch gerne, dass er es nicht ist :D (vorher, als ich noch dachte, die meisten Songs wären von ihm, hätte ich noch darauf gewettet, dass er es ist).

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Lieber Matthias,


    wie immer freue ich mich auch über diesen deinen Beitrag, getragen von profunder Kenntnis und Liebe zur Musik. Nur muss ich diesesmal vorsichtig intervenieren: Sage mir lieber, wie absurd die Frage nach EINEM Musiker ist, anstatt eine Batterie an Namen abzufeuern, die der Ausgangsfrage nicht gerecht werden kann. ;)


    Eric Dolphy, Lennie Tristano, Hal Russell, George Russell, Sam Rivers oder gar Giorgio Gaslini, Mike Westbroke oder Pino Minafra sind allesamt große, ehrenwerte Musiker, nach meinem Empfinden aber nicht in dem Maße bedeutend, dass sie zur Wahl stünden, den Gang auf den Olymp antreten zu können. Eines bewirkst du mit deiner Auflistung aber: Dass ich mich meiner simplen und ziemlich doofen Eingangsfrage anfange zu schämen!


    Dennoch frage ich mich: Wie sähe die Jazzmusik ohne die 45 Jahre Schaffen eines Miles Davis aus? Und wie ohne Pino Minafra? Ich gebe dir recht. Als Erfinder und Neuerer ist Miles wahrlich nicht oft hervorgetreten, das ist in der Tat zu großem Teil ein selbstgestrickter Mythos. Als Katalysator und Musiker, der ein Gespür für das "New Thing" hatte und die richtigen Musiker für seine neuen Spielweisen fand, die ihn dabei unterstützten, maßgebliche Platten aufzunehmen, Konzerte zu geben und eine musikalische Ästhetik zu entwickeln - darin finde ich ihn unerreicht. Erst recht, wenn ich berücksichtige, dass ihm dies in vielen Spielarten des Jazz gelang. Was ihn für mich von anderen Giganten wie Ellington oder Parker unterscheidet.


    LG
    B.

  • Lieber Barbirolli,


    bei allen Grenzen der Listerei, ist es doch nicht uninteressant, wer welche Listen aufstellt.
    Außerdem haben Listendiskussionen den Vorteil, dass man ohne lange Kriterienkataloge, Abhandlungen etc. mal loslegt und dann auch in ermüdetem Zustand z. B. nach der Arbeit, dann doch noch anfängt, über Qualitätskriterien usw. nachzudenken, Wirkungen, Einflüsse zu durchdenken und darüber zu dikutieren. Insofern finde ich solche Fragen völlig legitim und gar nicht völlig unfruchtbar.


    Zitat

    Barbirolli:Wie sähe die Jazzmusik ohne die 45 Jahre Schaffen eines Miles Davis aus? Und wie ohne Pino Minafra?


    Wenn ich damit richtig liege, dass es immer andere gab, die vorher oder gleichzeitig sehr Ähnliches gemacht haben, wie Miles Davis, dann vermute ich, dass die Jazzentwicklung tatsächlich nicht so sehr anders ausgefallen wäre, die Gewichtungen zwischen den Stilen und die Aufmerksamkeiten wären vielleicht bloß etwas anders verteilt gewesen, ohne jemand, dem, das bestreite ich ja gar nicht, immer wieder in unterschiedlichen Stilen mit einigen der besten Musikern seiner Zeit erstklassige Alben gelungen wären.
    Aber die in meiner ersten allgemeinen Liste genannten haben wirklich neue Kontinente entdeckt, neue Spielweisen geschaffen und das auch bei den meisten genannten über mehrere Stile hinweg, wenn auch bei diesen meisten eher gleichzeitig und integriert. So integriert Duke Ellington Stride, Rag, Hot Jazz, Swing, Gospel, den von ihm geschaffenen "Jungle Style", Elemente aus der Klassik und über seine späteren Musiker auch Moderneres (Bebop, Harbop und mehr) oder Latin, Mexikanisches und Karibisches (über Juan Tizol) vor Dizzy Gillespie u.a
    Ohne Duke Ellington und Charlie Parker scheint mir die Jazzentwicklung nachzuvollziehen jedenfalls wirklich völlig unmöglich. Sie "rauszunehmen" und die ganze Entwicklung bricht zusammen. Genauer besehen, glaube ich, gilt das auch für die anderen von mir in meiner ersten allgemeinen Liste genannten: Kein Cool Jazz, auch nicht der von Miles Davis, ohne Tristano, keine produktive Auseinandersetzung mit klassischer und zeitgenössischer Moderne, die nicht auf trockene Nebengleise führt, sondern den Jazz voranbringt, ohne seine Stärken, Improvisation und Grooves abzuschwächen, ohne Tristano, Dolphy, Mingus, Ornette Coleman, kein Übergang zu Kollektivimprovisation und schließlich Free Jazz ohne Tristano, Dolphy, Mingus, Coltrane, Ornette Coleman, Hal Russell, M.R.Abrams, Sun Ra; ebenso undenkbar: die produktivsten Übergänge vom Free Jazz wieder zu Formen, die die Innovationen des Free Jazz nicht vergessen, aber auch wieder zu strukturierteren Formen finden, ohne Rückgriff vor allem auf die Genannten.
    Am irritierensten ist vielleicht Hal Russell in dieser Liste, weil in der Wirkung am untergründigsten. Nun, ich behaupte, seine letzten Schüler, wie Ken Vandermark und Mars Williams, gehören zu den prägendsten und bedeutendsten im Übergang zum 21. Jahrh. (etwa mit John Zorn, Satoko Fuji, Mats Gustafsson....) Damit wird auch Hal Russell unverzichtbar, ohne den diese nicht das machen könnten, was sie entwickeln.


    Ebenso meine ich, dass bei meiner Big Band leader-Liste, die genannten für diese Entwicklung bis heute auf keinen Fall herausgenommen werden können.


    Schließlich, in einem globalisierten Jazz werden die Musikerpersöhnlichkeiten, die aus regionalen Listen nicht herausgenommen werden können und darüber hinaus für die Entwicklung ihres Instruments unverzichtbar sind, wie Albert Mangelssdorff für die Entwicklung in Deutschland und für die Posaune, Giorgio Gaslini für die Entwicklung von Piano, Big Band und Italien, Pino Minafra für Big Band und Italien, usw - wo also mindestens zwei dieser Fortschrittskriterien zutreffen, werden diese in einem globalisierten Jazz "unverzichtbar" und gehören damit in den Olymp, wenn sie zusätzlich auch noch erstklassige Instrumentalisten, Arrangeure und
    Komponisten sind, viele erstklassige Aufnahmen hinterlassen und viele erstklassige Musiker um sich scharen und prägen.


    Dann kann man mir nur vorwerfen, dass ich mit meinen Kriterien Fortschritt und irgendwann der Avantgarde zugehörig gewesen zu sein, bzw seine ganz eigene Avantgarde gewesen zu sein, überbewerte und andere Kriterien und Gewichtungen vorschlagen oder einfach Lieblingslisten machen. Natürlich auch alles o.k.


    :hello: Matthias

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