Lange habe ich mich darauf gefreut, am vergangenen Samstag war es endlich soweit: Bizets in Europa sehr selten gespielte Oper "Les Pêcheurs de Perles" stand an der Opéra de Montréal auf dem Programm. Die billigste Karte kostete immerhin 50 Kanadische Dollar (ca. 35 Euro) und es gab nicht einmal Studentenermäßigung :boese2: Da sehnt man sich doch wieder nach Europa zurück ...
Nach "La Fanciulla del West" sind die Perlenfischer die zweite Produktion der Montrealer Spielzeit 08/09, die insgesamt leider nur 4 Werke umfasst (es folgen noch Verdis "Macbeth" und Donizettis "Lucia di Lammermoor"). Für die aktuelle Produktion kehrte die in Kanada sehr erfolgreiche Sopranistin Karina Gauvin nach drei Jahren wieder an die Opéra de Montréal zurück, diesmal in der Rolle der Leila. Außerdem feierte der französische Dirigent Frédéric Chaslin, der an der Bayrischen Staatsoper München in der Vergangenheit u.a. "La Traviata" mit Anna Netrebko und zuletzt "I Purritani" dirigierte sein Montrealer Debut. Selbiges galt für den australischen Regisseur Andrew Sinclair, wobei hinzugefügt werden muss, dass die Montrealer Inszenierung keine eigene Neuinszenierung, sondern eine Übernahme von Sinclairs Inszenierung für die San Diego Opera (USA) ist.
Da die Handlung der Oper selbst für Opernverhältnisse relativ banal und wenig gehaltvoll ist, hoffte ich auf eine interessante und stimulierende Auseinandersetzung mit dem Stoff. Leider wurde ich in dieser Hinsicht enttäuscht. Die Inszenierung beschränkte sich größtenteils auf eine bunte Bebilderung des Librettos (inklusive farbenprächtiger, aufwendiger Kostüme), bei der lediglich John Malashocks zahlreiche Tanzchoreographien herausstachen, die während der vielen Chorszenen eingesetzt wurden und in denen meist 4 oder 5 junge Männer mit nacktem Oberkörper (teilweise auch mit weiblicher Begleitung) auf der Bühne herumturnten. Alles nett anzusehen, man hätte sich aber lieber gewünscht, dass in der Personenführung und Ausarbeitung der Hauptfiguren etwas mehr Bewegung und Flexibilität zu erkennen gewesen wäre. So blieb das ganze doch recht oberflächlich und stellenweise etwas langweilig.
Der musikalische Teil überzeugte da schon mehr. Chaslin und das Orchestre Métropolitain du Grand Montréal lieferten eine wirklich gute Leistung ab, obwohl es mitunter noch etwas spritziger und feuriger hätte sein dürfen. Der Chor, dem in dieser Oper ja eine überdurchschnittlich große Rolle zukommt, überzeugte ebenfalls durch präzisen und homogenen Gesang. Bei den Solisten stach für mich trotz des größeren Rummels um Karina Gauvin der Bariton Phillip Addis in der Rolle des Zurga heraus, der ebenso wie Gauvin nach drei Jahren wieder einmal in Montreal auf der Bühne stand. Sein kraftvoller und doch eleganter Bariton wurde der Partie mehr als gerecht und war für mich das Highlight des Abends. Zu meiner Freude wurde das nach der Vorstellung vom Publikum auch mit leidenschaftlichem Beifall honoriert. Karina Gauvin als Leila überzeugte ebenfalls mit einer sehr soliden Leistung, für mich fehlte jedoch das gewisse Etwas für eine wirklich große Interpretation. Die nicht ganz leichte Partie des Nadir wurde von Antonio Figueroa gesungen und er erledigte seine Sache im Großen und Ganzen recht ordentlich, ohne bei mir allerdings einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Im Vergleich zu Gauvin und vor allem zu Addis fiel er etwas ab. Bleibt noch hinzuzufügen, dass sämtliche Solisten Kanadier waren. In Deutschland kommt es ja doch eher selten vor, dass das gesamte Ensemble aus deutschen Sängern und Sängerinnen besteht.
Insgesamt war es ein durchaus lohnenswerter und interessanter Abend. Es war wunderbar, Bizets tolle Musik einmal live zusammen mit einer Bühneninszenierung zu erleben, auch wenn letztere letztlich nicht übermäßig inspiriert / inspirierend war.
Les Pêcheurs de Perles
Oper in 3 Akten von Georges Bizet
Libretto von Eugène Cormon und Michel Carré
Uraufführung: 30. September 1863, Théâtre Lyrique, Paris
Aufführung an der Opéra de Montréal, 08.11.2008
Leila ... Karina Gauvin, Sopran
Nadir ... Antonio Figueroa, Tenor
Zurga ... Phillip Addis, Bariton
Nourabad ... Alexandre Sylvestre, Bass-Bariton
Choeur de L'Opéra de Montréal, Einstudierung: Claude Webster
Orchestre Métropolitain du Grand Montréal unter der Leitung von Frédéric Chaslin
Inszenierung: Andrew Sinclair
In der Pause gab es übrigens ein lustiges Quiz, bei dem ein Pianist kurze Ausschnitte aus verschiedenen Opern spielte und das Publikum erraten musste, um welche Oper es sich handelt. Als Belohnung gab es verschiedene CDs. Aufgrund einer ungünstigen Position hinter dem Quizleiter konnte ich mein Wissen leider nicht in Tonträger umsetzten. Aber immerhin habe ich nun gelernt, dass "Les Maîtres Chanteurs" die französischen Meistersinger sind ...
Best, DiO :beatnik: