Les Pêcheurs de Perles, 08.11.2008, Opéra de Montréal

  • Lange habe ich mich darauf gefreut, am vergangenen Samstag war es endlich soweit: Bizets in Europa sehr selten gespielte Oper "Les Pêcheurs de Perles" stand an der Opéra de Montréal auf dem Programm. Die billigste Karte kostete immerhin 50 Kanadische Dollar (ca. 35 Euro) und es gab nicht einmal Studentenermäßigung :boese2: Da sehnt man sich doch wieder nach Europa zurück ...


    Nach "La Fanciulla del West" sind die Perlenfischer die zweite Produktion der Montrealer Spielzeit 08/09, die insgesamt leider nur 4 Werke umfasst (es folgen noch Verdis "Macbeth" und Donizettis "Lucia di Lammermoor"). Für die aktuelle Produktion kehrte die in Kanada sehr erfolgreiche Sopranistin Karina Gauvin nach drei Jahren wieder an die Opéra de Montréal zurück, diesmal in der Rolle der Leila. Außerdem feierte der französische Dirigent Frédéric Chaslin, der an der Bayrischen Staatsoper München in der Vergangenheit u.a. "La Traviata" mit Anna Netrebko und zuletzt "I Purritani" dirigierte sein Montrealer Debut. Selbiges galt für den australischen Regisseur Andrew Sinclair, wobei hinzugefügt werden muss, dass die Montrealer Inszenierung keine eigene Neuinszenierung, sondern eine Übernahme von Sinclairs Inszenierung für die San Diego Opera (USA) ist.


    Da die Handlung der Oper selbst für Opernverhältnisse relativ banal und wenig gehaltvoll ist, hoffte ich auf eine interessante und stimulierende Auseinandersetzung mit dem Stoff. Leider wurde ich in dieser Hinsicht enttäuscht. Die Inszenierung beschränkte sich größtenteils auf eine bunte Bebilderung des Librettos (inklusive farbenprächtiger, aufwendiger Kostüme), bei der lediglich John Malashocks zahlreiche Tanzchoreographien herausstachen, die während der vielen Chorszenen eingesetzt wurden und in denen meist 4 oder 5 junge Männer mit nacktem Oberkörper (teilweise auch mit weiblicher Begleitung) auf der Bühne herumturnten. Alles nett anzusehen, man hätte sich aber lieber gewünscht, dass in der Personenführung und Ausarbeitung der Hauptfiguren etwas mehr Bewegung und Flexibilität zu erkennen gewesen wäre. So blieb das ganze doch recht oberflächlich und stellenweise etwas langweilig.


    Der musikalische Teil überzeugte da schon mehr. Chaslin und das Orchestre Métropolitain du Grand Montréal lieferten eine wirklich gute Leistung ab, obwohl es mitunter noch etwas spritziger und feuriger hätte sein dürfen. Der Chor, dem in dieser Oper ja eine überdurchschnittlich große Rolle zukommt, überzeugte ebenfalls durch präzisen und homogenen Gesang. Bei den Solisten stach für mich trotz des größeren Rummels um Karina Gauvin der Bariton Phillip Addis in der Rolle des Zurga heraus, der ebenso wie Gauvin nach drei Jahren wieder einmal in Montreal auf der Bühne stand. Sein kraftvoller und doch eleganter Bariton wurde der Partie mehr als gerecht und war für mich das Highlight des Abends. Zu meiner Freude wurde das nach der Vorstellung vom Publikum auch mit leidenschaftlichem Beifall honoriert. Karina Gauvin als Leila überzeugte ebenfalls mit einer sehr soliden Leistung, für mich fehlte jedoch das gewisse Etwas für eine wirklich große Interpretation. Die nicht ganz leichte Partie des Nadir wurde von Antonio Figueroa gesungen und er erledigte seine Sache im Großen und Ganzen recht ordentlich, ohne bei mir allerdings einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Im Vergleich zu Gauvin und vor allem zu Addis fiel er etwas ab. Bleibt noch hinzuzufügen, dass sämtliche Solisten Kanadier waren. In Deutschland kommt es ja doch eher selten vor, dass das gesamte Ensemble aus deutschen Sängern und Sängerinnen besteht.


    Insgesamt war es ein durchaus lohnenswerter und interessanter Abend. Es war wunderbar, Bizets tolle Musik einmal live zusammen mit einer Bühneninszenierung zu erleben, auch wenn letztere letztlich nicht übermäßig inspiriert / inspirierend war.


    Les Pêcheurs de Perles
    Oper in 3 Akten von Georges Bizet
    Libretto von Eugène Cormon und Michel Carré
    Uraufführung: 30. September 1863, Théâtre Lyrique, Paris


    Aufführung an der Opéra de Montréal, 08.11.2008


    Leila ... Karina Gauvin, Sopran
    Nadir ... Antonio Figueroa, Tenor
    Zurga ... Phillip Addis, Bariton
    Nourabad ... Alexandre Sylvestre, Bass-Bariton


    Choeur de L'Opéra de Montréal, Einstudierung: Claude Webster


    Orchestre Métropolitain du Grand Montréal unter der Leitung von Frédéric Chaslin


    Inszenierung: Andrew Sinclair



    In der Pause gab es übrigens ein lustiges Quiz, bei dem ein Pianist kurze Ausschnitte aus verschiedenen Opern spielte und das Publikum erraten musste, um welche Oper es sich handelt. Als Belohnung gab es verschiedene CDs. Aufgrund einer ungünstigen Position hinter dem Quizleiter konnte ich mein Wissen leider nicht in Tonträger umsetzten. Aber immerhin habe ich nun gelernt, dass "Les Maîtres Chanteurs" die französischen Meistersinger sind ...


    Best, DiO :beatnik:

  • Lieber Diabolus, danke für diesen "Frontbericht"- Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie ich Dich beneide!


    Mir war es leider noch nicht vergönnt, diese Oper auf der Bühne zu erleben und ich habe wenig Hoffnung, dass sich das in der nächsten Zeit ändern kann.


    Die Musik ist wunderbar und es ist mir vollkommen unverständlich , warum sie so im Schatten der Carmen steht und in Deutschland kaum bekannt ist.
    Natürlich ist Carmen mit all der folklorisitschen Farbigkeit viel leichter zu inszenieren, es gibt auch viel mehr äussere Handlung als in den Perlenfischern.
    Die Perlenfischer haben für mich serh viel von einer Belcanto-Oper.
    Wunderbare Musik, kein serh starkes Libretto mit dramaturgischen Schwächen. Das Ganze lebt von den Stimmen.
    Irgendwie erinnern mich die Perlenfischer an die Puritani von Bellini , beide liebe ich heiss und innig.


    Die von Dir genannten Sänger kenne ich leider nicht mal dem Namen nach.
    Canada ist wirklch weit weg, scheint mir.


    Der Nadir ist heute sehr sehr schwieirg zu besetzen und mich wundert nciht, dass es da keine richtige Begeisterung bei Dir gab- ich habe nichtmal auf Cd viele Nadir-Empfehlungen..... :(


    Einer der das wirklich kann, kann auch Belcanto- Partien udn wird ganz schnell ein Weltstar!


    Zurga und Leila sind grosse Glanzpartien und ich bin besonders vom Duett gegen Ende der Oper begeistert.
    Hat man schon ein solches Wechselbad der Gefühle auf so engem Raum erlebt?
    Erst fleht sie ihn ängstlich an, dann bedrängt sie ihn und als sie dann erfährt, dass er sie liebt und auf Nadir eifersüchtig ist, verflucht und verdammt sie ihn sogar.


    Und dieser Zurga ist der wahre Held der Geschichte(eben ein echter Bariton und kein Tenor-Weichei :hello: Bacchiana), denn er überwindet sich am Ende selbst und es geleingt ihm, Eifersucht und Neid , Enttäuschung und Hass hinter der Freundschaft udn Liebe zurückzustellen.


    Auch Leila ist ein sehr starker Charakter, denn sie setzt sich über Gesetz und Religion mutig hinweg und folgt ihrem Herzen.
    Schade , dass sie nicht erkennt, wer ihre lLebe wirklich verdient hätte.
    C'est la vie!


    In Frankfurt gibt es eine konzertante Aufführung im Februar, zu der ich aber höchstwahrscheinlich nciht gehen kann und wenn dann nur auf gut Glück..... ;( ;( ;(
    Aber eines Tages werden die Pecheurs des perles wohl auch mal wieder hier auf den Spielplan kommen......


    Fairy Queen

  • Liebe Fairy Queen,


    natürlich habe ich am letzten Samstag auch an alle Perlenfischer-Fans aus dem Tamino-Forum gedacht, die das ganze auch gerne miterlebt hätten :yes:


    Mich verwundert es etwas, dass anscheinend nicht mal im Heimatland des Komponisten (Du bist doch noch in Lille ansässig?) Wert auf die Pflege von Bizets Opernwerk abseits der allgegenwärtigen "Carmen" gelegt wird. Selbst hier in Kanada, das habe ich bei meiner Recherche herausgefunden, ist das Werk bei weitem nicht so unterrepräsentiert, wie man meinen könnte: In der Vergangenheit tauchte es regelmäßig irgendwo auf und in dieser Spielzeit gibt es auch noch an der Edmonton Opera eine Aufführung. Und dabei ist Kanada ja wahrlich keine Opernhochburg.


    Wie ich bereits in "Perlenfischer"-Thread zum Ausdruck brachte, bin auch ich der Meinung, dass diese Oper an musikalischem Einfallsreichtum der "Carmen" überlegen ist, auch wenn letztere halt "schmissiger" und die Handlung etwas mehr "Fleisch" hat, weshalb sie in der Gunst des Publikums wohl auf unbestimmte Zeit einen Spitzenrang einnehmen wird.


    Dein Vergleich mit einer Belcanto-Oper scheint mir durchaus angebracht, vielleicht könnte man sie ja wirklich als "Belle Chante"-Oper bezeichnen ;) Lediglich die exponierte Rolle des Chors und die größere Relevanz des Orchesters scheinen mir nicht ganz ins Bild zu passen, wobei ich an dieser Stelle auch gleich zugeben muss, dass ich weder ein großer Liebhaber, noch ein großer Kenner (vielleicht das eine auch mit dem anderen zusammen, wer weiß ...) des italienischen Belcanto bin.


    Von den Sängern kannte ich vorher auch keinen, allerdings scheint mir Kanada auch nicht unbedingt der große Opernmarkt zu sein, obwohl es natürlich in der Vergangenheit mit London, Vickers, Stratas und jetzt Heppner immer wieder große Opernsänger(innen) gegeben hat. Und Montreal ist zwar in vielerlei Hinsicht ein kulturell heißes Pflaster mit einem großen Angebot, Opern-mäßig scheint mir aber allein die in Toronto ansässige "Canadian Opera Company" (COC) von internationalem Gewicht zu sein.


    Dennoch freue ich mich auf weitere Opern-Besuche hier, wenn auch auf kammermusikalischem Level. Morgen hat an der für ihr Music Department weltweit renommierten McGill University (Schulich School of Music) die Lully-Oper "Thésée" Premiere und im Januar freu ich mich auf Brittens "The Rape of Lucretia" an selbiger Stelle.


    Um nochmal kurz auf die "Perlenfischer" zurückzukommen: Leider musste ich feststellen, dass das schöne Duett zwischen Leila und Nadir kurz vor dem Ende, das Pretre in seiner CD-Einspielung mit aufgenommen hat, nicht gegeben wurde. Von der Dramaturgie her vielleicht entbehrlich ist es musikalisch doch ein großer Verlust.


    Liebe Fairy, ich drücke Dir auf jeden Fall die Daumen, dass Du die Perlenfischer zumindest konzertant in Frankfurt erleben kannst!


    LG, DiO :beatnik:

  • Die Aufführung in Montreal wurde wohl auch im Radio übertragen.


    Auf OperaShare kann man die Oper downloaden:


    Les pecheurs de perles
    l'Opéra de Montréal
    3 nov 2008


    LEÏLA Karina Gauvin
    NADIR Antonio Figueroa
    ZURGA Phillip Addis
    NOURABAD Alexandre Sylvestre


    CHEF Frédéric Chaslin
    M.e.s Andrew Sinclair
    SCÉNOGRAPHIE Zandra Rhodes — San Diego Opera & Michigan Opera Theatre
    DÉCORS ET COSTUMES San Diego Opera Costume Shop
    ÉCLAIRAGES Ron Vodicka
    CHORÉGRAPHIE John Malashock
    Orchestre Métropolitain du Grand Montréal
    Chœur de l'Opéra de Montréal


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)