Früher war alles besser – Komponisten, Dirigenten, Orchester und Solisten sowieso

  • Achtung! Dieser Thread ist polemisch. Alle Aussagen stehen in keinem Zusammenhang und sind wild durcheinander gewürfelt. Der Verfasser hat keinerlei gute Gründe zur Hand. Die, die ihn kennen, wissen das. Dieser Thread dient lediglich zu ( des Verfassers) Unterhaltungszwecken. Sollten Sie emotional instabil sein, verlassen Sie diesen Thread bitte jetzt.


    Der Verfasser bittet um Entschuldigung, sollte dieser Thread religiöse Gefühle verletzen. Das wird dieser Thread aber tun. Denn Kunst ist Religion. Es wurden aber dafür keine Tiere gequält. Der Verfasser hat keine Drogen genommen und steht nicht unter Medikamenteneinflüssen. Dieser Thread wurde im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte gestaltet. Zumindest in einem Zustand, der diesem am nächsten kam.


    Sollte ein Thread mit ähnlichem Inhalt vorhanden sein, bitte ich für den suboptimalen Umgang mit der Suchfunktion untertänigst um Entschuldigung.


    Ein kleiner Thread zum „sich-die-Köpfe-einhauen“. Na gut, so schlimm soll es nicht werden, aber ein bisschen Öl ins Feuer gießen sollte erlaubt sein. Auslöser ist der Karajan-Charisma-Thread unseres charismatischen Forengründers und Großmeisters Alfred.


    Nicht nur Joachim Kaiser, sondern ganze Heerscharen von Klassikhörern vertreten die These, dass einem Künstler nur dann Ausnahmerang zusteht, wenn er entweder schon lange tot und/ oder mono aufgenommen hat.


    Es gibt eine Art Klassikhörer, die nicht nur dem Vinyl nachtrauert, sondern die vor allen den Künstlern nachweint, die es nicht geschafft haben 120 Jahre alt zu werden. Alles, was heute an Künstlern herumgeistert und nicht an irgendwelchen ominösen Gebrechen leidet oder seit mehreren Jahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit existiert, taugt nichts.


    Früher war alles besser. Das braucht keine argumentative Unterstützung, das ist ein Axiom. Deswegen kann es z. B. auch keine neue Referenzeinspielung irgendeines Klavierwerkes ab Beethoven aufwärts geben, denn die sind für die nächsten dreitausend Jahre den Pianistenzombies Arrau, Michelangeli, Cortot, Rubinstein und --------- (hier bitte einen Namen nach eigenem Gusto einsetzen, der entsprechende Voraussetzungen erfüllt; s.o.) vorbehalten. Selbst schuld, wer sich dran versucht, der kann nur verlieren. Denn gegen die Ausstrahlung von Graf Dracula am Steinway wirkt ein Müslipianist an einem selbstgezimmerten Nachbau eines Erard wie Renfield, der statt dem Blut schöner Frauen (die nur dem Meister selbst zustehen) Fliegen fressen muss.


    Das gilt nicht nur für Pianisten, sondern auch für Geiger und Cellisten (Seltsamerweise gilt dies nicht für Triangelisten, Harfenisten und Hornisten. Das hat aber mit der vorhandenen Musikliteratur zu tun). Geiger z.B. waren in schwarzweiß einfach technisch besser. Sollte heute einer technisch besser sein, dann ist er eine seelenlose Maschine und die Interpretation war früher voller Seele. Heute ist alles kalt und leblos. Warum? Weil wir einfach das Jahr 2000 überschritten haben. Mehr Grund braucht es nicht. Sollte eine heutige Aufnahme seelenvoll sein, dann ist sie kitschig. Eine Aufnahme eines Beethovenkonzertes von sachenwirma Hilary Hahn kann gegen eine Aufnahme des gleichen Konzertes von Heifetz unter dem Dirigat von Leonid Rhostdesdrashin und dem Komsomolsker Himmelfahrtsorchester von 1944 (edles mono!!!) nichts ausrichten. Schon gar nichts gegen Oistrachs Aufnahme aus dem Mutterbauch von 1908, die naturbedingt etwas rauscht, aber eine stupende Technik und ein Verständnis für Beethoven offenbart, dass einem speiübel wird vor Neid.


    Gesangstechnisch ist das natürlich nicht anders. Schöne Stimmen? Die hat es früher in jedem Tante-Emma-Laden von Flensburg bis Klagenfurt reihenweise gegeben. Da konnte man die Straßen mit pflastern. Da wuchsen die Wunderlichs auf den Bäumen. War ja auch kein Wunder. Wir hatten ja sonst nix. Kein Fernsehen rund um die Uhr, PCs oder Playstation. Da musste man noch alles selbst machen. Und heute? Gähnende Leere . Taucht ein passables Stimmchen auf, wird es schon aufgeblasen und als neue Hoffnung präsentiert, bis ihm die Luft ausgeht und schnell was Neues gesucht werden muss. Damals, als alles noch besser war, die Mark noch was wert und der deutsche Fußball tonangebend, ja da war die Klassikwelt eben noch in Ordnung.
    Und mit den Orchestern? Ist doch dasselbe. Sicher, es gibt heute sehr, sehr gute Orchester. Um es mit Franz Beckenbauer zu sagen, ist die Breite an der Spitze dicker geworden. Aber die Berliner oder die Wiener Philharmoniker, damals… da läuft einem doch das Wasser im Mund zusammen. Das Concertgebouw unter Mengelberg 1101, irgendwann kurz nach Canossa, das waren doch himmlische Zustände. Dagegen klingt heute alles nach Blaskapelle Hintertupfingen nach acht Maß Bier (pro Person).
    So werden Beethovensinfonien favorisiert, die aufnahmetechnisch eine Katastrophe sind. Wie man zwischen all dem Rauschen und Knacksen und Flakgeschütz einen Hauch von Interpretation ausmachen kann, bleibt ein Rätsel; ein Fall für Uri Geller.


    Und die Musik? Ist doch dasselbe. Spätestens nach Schostakowitschs, Brittens und Strawinskys Tod ist die produzierende Klasse der Klassischen Musik doch eigentlich ausgestorben. Für viele ja schon mit Straussens Ableben. Da muss man nicht viele Worte verlieren. Das spricht für sich selbst, so laut und deutlich, da muss man eigentlich nur zuhören…


    Und die Plattenfirmen? Ist doch dasselbe. Spätestens…. (Schrift wird undeutlich)


    Und das Publikum? Ist doch dasselbe. Wer hustend… (Schrift wird undeutlich)


    Und die Produzenten? Ist doch dasselbe. Legge…. (der ganze Thread wird undeutlich)…

  • Lieber Blackadder,
    ich danke Dir für Deine Ausführungen, aber ich möchte sie jedoch ein wenig präzisieren.
    Wie wir wissen, meldete 1857 Édouard-Léon Scott de Martinville den Phonautograph als Patent an. 1860 zeichnete er das französische Kinderlied „Au Clair de la Lune“ auf. Neueste Forschungen haben ergeben, daß dieses Aufnahme von Jan van der Kar dirigiert wurde und alsbald in Frankreich die Euphorie auslöste, die in dem Satz gipfelte: "Und wenn der Sur le pont d'Avignon dirigiert, ist es auch eine Genietat."
    So war es nur konsequent, daß Jan van der Kar, als Thomas Alva Edison 1877 den Phonographen entwickelte, eine Gesamtaufnahme des Kinderliedes „Mary had a little lamb…“ vorlegte und damit zur Speerspitze der gesamten Tonträgerindustrie wurde, weshalb er auch später immer wieder gerne in Aufnahmestudios gesehen war und - leider unter Pseudonym - eine bis heute unerreichte Aufnahme preußischer Militärmärsche vorlegte. "Leider unter Pseudonym" deshalb, weil ein mit dem Pseudonym zufällig namensgleicher, aber wesentlich geringer begabter Dirigent dadurch zu einer großen Karriere kam. Die Studios nämlich meinten, sie würden den alten und daher über die Maßen verehrten Jan van der Kar verpflichten, verpflichteten in Wirklichkeit aber immer den anderen.
    Ein ähnlich gelagertes Problem hatten die Amerikaner übrigens mit Leo Birnstein, wenngleich die Folgen nicht ganz so weitreichend und katastrophal für die Geschmacksbildung des Publikums war.
    :hello:

    ...

  • Ich finde, im Ausgangsposting wird bereits mit zuvielen Zwischentönen gearbeitet. Das verstellt das Wesentliche. Man blickt rasch nicht mehr durch, wer jetzt gut sein soll und warum. Und das mit dem Fliegenfressen hab´ ich auch nicht verstanden. So kompliziert liegen die Dinge meiner Ansicht nach nicht, zur Beschreibung der gegenwärtigen Lage reichen doch viel einfachere Muster aus.


    Hier einige Thesen von mir, die mit den Schwierigkeiten aufzuräumen helfen sollen:


    1. Tote Interpreten haben den ungeheuren Vorzug, nichts mehr zu ihren Interpretationen sagen zu können. Und zu allem übrigen erst recht nichts. Die Heiligen sind heilig, weil sie nicht mehr sündigen können. Das kommt an, und wenn das Selberdenken oder -urteilen zusätzlich noch schwerfällt, hat der geneigte Classicus vollends keine Probleme mehr, vorgeprägte Gebetsformeln aufzunehmen und als die seinen anzusehen.


    2. Die exakte und hochentwickelte neuere Aufnahmetechnik ist der Qualität jedweder Interpretation von vornherein abträglich. Man hört ja alles, was da vor sich geht. So macht das wirklich keinen Sinn mehr.


    3. Große Interpreten vermögen die wenigsten tatsächlich auszumachen, bei großen Namen ist das schon viel einfacher. Dazu kommt, daß egalitäre Strukturen langweilen. Wer nie behauptet hat, er sei was besseres, der wird´s wohl auch nicht sein. Die Menschen wollen getreten werden. Wenige vor´s Schienbein, die meisten in den A…


    4. Die Entwicklung der Musik des 20 Jhdts. ist, wie der Entertainer Carl Dahlhaus mal zu spaßen beliebte, ein Produkt ihrer eigenen Problemgeschichte. Das Problem besteht vor allem darin, daß viele diese Geschichte nicht mehr überblicken können…


    5. Alles, was in der Gegenwart an Schöpferischem geschieht, hat den schalen Beigeschmack des „Da hätte man auch von selbst drauf kommen können!“. Bei Vergangenem ist diese Gefahr jedenfalls gebannt. Das Analogon auf Interpretenseite ist „Das kann ich auch!“. Und selten liegt man damit grundverkehrt.


    6. Das Entlegene hat für viele mittelmäßig begabte Konsumenten den hohen Reiz der vorgetäuschten Kennerschaft. Alltagssprachlich ausgedrückt: Diversifikation sedimentiert unvorhandene Kompetenzen zeitnah im Orkus. Wer heute singt, den können alle hören, doch wem vor achtzig Jahren durch Zufall oder zu Testzwecken ein Mikrophon unter die Nase gehalten wurde, dem muß man erstmal auf die Spur gekommen sein. Der Jäger und Sammler rechnet sich auch heute das Verdienst zu, außer Sichtweite der Hütten gegangen zu sein, bevor er auf einen Kadaver stieß, den er erlegt zu haben vorgeben konnte…


    7. Ecken und Kanten. Glatte Schönheit macht zwar an, erleuchtet aber nicht. Und bei der Dunkelheit, die heute viele in sich tragen, ist Licht der Güter kleinstes nicht. Ich sehe eine Zeit, da Filmemacher wieder in Schwarzweiß drehen und Staatsmänner in ebendieser Farbverneinung denken. Ich sehe Musiker, die künstlich ihre Bänder altern lassen, bevor sie sie veröffentlichen. Ich sehe einen kleinen Hund, der vor dem Mp3-Player sitzt, des Herrchens Stimme hört und sein Geschäft verrichtet. Ich höre schon die Klassik aus der Zukunft und ich kann Euch sagen, es ist die Klassik der Vergangenheit...



    Mein Fazit also lautet – und entschuldigen Sie, wenn ich das jetzt auch noch sage: Abwarten und Tee trinken. Die farblosen Straßenköter von heute sind die bunten Hunde von morgen. Je ähnlicher sich die Menschen werden, weil alle mit denselben zweieinhalb Gedanken und Gefühlen auskommen zu können meinen, desto stärker werden auch die kleinen Unterschiede ins Gewicht fallen. Einmal wird „Charisma“ genannt werden, was heute „Unscheinbarkeit“ heißt.


    Gebe der Himmel uns dazu die Gnade des Vergessens. Doch wird er das, man kann sich nicht ad infinitum an alles Dagewesene erinnern. Die Bibliotheksbrände von heute sind die Chance auf eine Literatur von morgen. Wer alle Stradivaris zerschlägt, wird auch an Geigen aus dem Kaufhaus irgendwann Gefallen finden. Wenige sind berufen, doch viele werden predigen. Äh, ja, genau…


    Erheitert Euch, die Ihr im Staub vor fremdem Antlitz liegt. Es kommt der Tag, da drückt man Euch eine Blockflöte in die rissigen Hände und Ihr werdet berühmt werden. Ob Ihr wollt oder nicht...



    Alex.

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  • Zitat

    So werden Beethovensinfonien favorisiert, die aufnahmetechnisch eine Katastrophe sind. Wie man zwischen all dem Rauschen und Knacksen und Flakgeschütz einen Hauch von Interpretation ausmachen kann

    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:



    hat Dir Robert Stuhr auch Beethovens Neunte von 1940, (damals zu irgendeinem ominösen Geburtstag gespielt) nahegelegt :hahahaha::D:untertauch:




    Zitat

    Alltagssprachlich ausgedrückt: Diversifikation sedimentiert unvorhandene Kompetenzen zeitnah im Orkus.



    der ist auch nicht übel :wacky: :hahahaha::untertauch:

  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl
    [...] man kann sich nicht ad infinitum an alles Dagewesene erinnern.


    Du sprichst ein großes Wort gelassen aus. Und es ist nicht nur groß - wahr ist es auch noch. Ich zum Beispiel kann mich nur an jetzt erinnern.


    Viele Grüße,
    Medard

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Wir hatten ja sonst nix.



    Der ganz große Satz der Kriegs-, Zwischenkriegs-, Mehrkriegs- und Nachkriegsgenerationen in einem ganz großen Plädoyer nicht für, sondern gegen.


    In Demut füge ich an:



    so schlimm war die zeit
    doch groß
    weißt du es denn noch
    wie wir
    nichts hatten
    und damit
    doch alles
    besaßen


    wie wir
    mit händen
    den bloßen
    kein meißel
    getrieben
    die rillen
    ins blanke
    vinyl


    wie uns
    das rauschen
    das knacken
    kein mikro
    wir krächzten
    es selber
    zum ekel
    verband


    kein messer
    nur steine
    zum ruhme
    der künstler
    im blut
    doch nun ist er groß
    und groß
    und schlimm war die zeit





    Aus "Gebt mir Höhe 18 wieder" von K.-H. Kälter, Haus Erika




    audiamus




    .

  • Liebe Mitstreiter


    Wir alle ziehen am selben Strang - gelegentlich auch jeder an der anderen Seite des Stranges....


    Aber hier wurde von Blackadder und dem edlen Grafen Wetter vom Strahl manch Wahres gesagt.
    Die Qintessenz aller Weisheit mündet für mich in diesem Satz


    Zitat

    Wer alle Stradivaris zerschlägt, wird auch an Geigen aus dem Kaufhaus irgendwann Gefallen finden.


    Allerdings konnte man auch Binsenweisheiten lesen, wie beispielsweise, daß tote Künstler beliebter seine als lebendige.


    Jedes Kind weiß das heute - sogar Goethe wusste das - schon zu Lebzeiten.


    Es gibt da eine Kurzgeschichte (angeblich aus Goethes Feder, Recherche war vergeblich) wo Goethe auf einer Promenade einem scheinbar pensionierten österreichischem Major (oder ähnlich) begegnet.
    Goethe gibt sich als Dichter zu erkennen und will wissen ob sein Gesprächspartner Werke von ihm kennt. Dieser gibt ihm zu verstehen, dies wäre völlig unmöglich, da Goethe ja noch lebe, und er selbst lese ausschließlich Literatur von verstorbenen Dichtern, Werke aus letzter Hand quasi. Die Begegnung endet mit dem (frei aus dem Gedächtnis zitiert) aufmunternden Ausspruch. "Wenn Sie erst mal tot sind, dann werde ich ihre Bücher lesen"


    Sollte die Tonträgerindustrie aus dieser vielleicht sogar wahren Begebenheit nicht folgenschwere Schlüsse ziehen ?
    Den Konzertveranstaltern bleibt ja dieser Weg naturgemäß versagt.


    In meiner Jugend gab es jedoch zwei Tendenzen


    a) der Künstler wurde gewickelt und dann aufs Podium gehoben, wo er unter frenetischem Beifall begrüsst wurde, wo er seine Leistung darbot.


    b)Der beinahe 100 Jährige Künstler wurde durch zwei Assistenten auf die Bühne gebracht,und dem staunenden Publikum präsentiert. Dann begann er seinen Vortrag - beispielsweise am Klavier (aber das spielt eigentlich nur eine nebensächliche Rolle)


    Böse Zungen behaupteten, das Publikum warte in solchen Fällen lediglich daruf, dem Ableben des musikalischen Titanen hautnah beizuwohnen, der musikalische Teil sei eher als eine Art Beigabe zu verstehen....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sagitt meint:


    Kaiser mit seinem Ansatz finde ich auch schwer erträglich.


    Aber:


    Es gibt Aufnahmen, die sind alt und dennoch für die Ewigkeit.


    Beispiele?


    Furtwängler mit seinen Kriegsaufnahmen von Beethoven ( aus den russischen Archiven)


    oder Scherchen mit der Eroica.


    Da kann noch so geistreich gemotzt werden.


    Die bleiben.

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