Man tausche Violine und Cello gegen Bass und Schlagzeug, setze jemanden gescheiten an das Klavier, und schon hat man das Klaviertrio zusammen, das im Jazz nun auch schon auf eine lange Tradition blicken kann. Um es vereinfacht auszudrücken (Achtung: Ausnahmen!), haben alle drei Instrumente bis zu einem gewissen Zeitpunkt den Harmonie- und Rhythmusknecht einer Jazzband gegeben. Das Klavier sorgte für den Harmonie-Rahmen, das Schlagzeug für den Beat, den Rhythmus, den Puls und der Bass verband beides.
Dann aber verabschiedete sich diese Dreier-Formation aus größeren Zusammenhängen und machte sich einfach mal selbständig, um auszuprobieren, ob nicht auch zu dritt wichtige musikalische Aussagen getroffen werden können. Die kleine Bandform emanzipierte sich spätestens ab den späten 40er-Jahren von den Quartetten, Quintetten oder größeren Besetzungen.
Die Anzahl dieser Trios ist bis heute mittlerweile groß, ich möchte nur einige von ihnen kurz vorstellen und fragen, wen ihr noch nennen oder favorisieren würdet und welche Aufnahmen ihr besonders schätzt. Der Schwerpunkt sollte hierbei auf relativ beständigen Formationen liegen, also nicht auf gerade mal für eine Schallplatte oder Tournee zusammengewürfelte Truppen.
Thelonious Monk Trio
Bud Powell Trio
Beide Pianisten der ersten Stunden des Modernen Jazz, suchten sie schon früh die Arbeit im Trio. Besonders letzterer definierte mit wechselnden Bassisten (u. a. Curly Russell, Ray Brown oder Charles Mingus) und Schlagzeugern (u. a. Max Roach, Art Taylor, Roy Haynes) dieses Genre. Die Aufgabenverteilung innerhalb des Trios blieb allerdings relativ konventionell: Der Pianist war der Zampano (wenngleich im Falle Powells ein wunderbar sensibler), Bassist und Schlagzeuger blieben eher in der Rolle der Begleiter verhaftet. Ähnliches galt für Monk, der sein schrullig-geniales Klavierspiel im Trio wunderbar ausleben konnte, seinen beiden Mitstreitern aber weiterhin Nebenrollen einräumte.
Oscar Peterson Trio
Er perfektionierte die Form des Mainstream-Klaviertrios. Mit den relativ beständigen Begleitern Ray Brown und Ed Thigpen bildete er ein sehr konstantes Trio, das tief in der Tradition wurzelte, die Parameter für individuelle Freiheiten aber schon deutlich verschob. Konnte man vorher vom "Powell-Klang" oder "Monk-Klang" sprechen, so hatte man es hier durchaus schon mit einem "Peterson-Trio-Klang" zu tun, an dem die beiden Mitmusiker deutlich mehr Anteil hatten hatten, als man es vorher kannte. Verwunderlich ist das nicht, denn diese Entwicklung der Emanzipation geschah im Jazz auch ganz allgemein in den 50er Jahren.
Bill Evans Trio
Mit Evans nun trat das Klaviertrio in eine Phase völlig neuer Freiheiten. Bassist und Schlagzeuger waren nunmehr gefragt als reaktionsschnelle Partner, die ebenso das musikalische Treiben blitzschnell in neue Richtungen wenden konnten, wie der Leader selbst. Waren es zunächst Scott LaFaro (der im Evans-Trio das Bass-Spiel in neue Dimensionen führte) und Paul Motian am Schlagzeug, so wechselte Evans in den späteren Jahren des öfteren seine Mitmusiker (z. B. Gomez/DeJohnette oder Johnson/Zigmund), behielt die Form und Ästhetik allerdings bei. Bis auf einige Solo-Aufnahmen und einige wenige (ganz hervorragende) Platten mit Bläsern, blieb Evans dem Trio-Spiel bis zu seinem viel zu frühen Ende treu.
Keith Jarrett Trio
Die große, bisweilen unerträglich allürenhafte Diva Jarrett knüpfte mit seinen Partnern Gary Peacock und Jack DeJohnette Anfang der 80er Jahre genau dort an, wo Evans aufgehört hatte. Seit nunmehr 25 Jahren existiert dieses Trio und hat bei ECM sich wohl bald jeden, aber auch wirklich jeden amerikanischen Standard zur Brust genommen und ihnen das letzte Fleisch von den Knochen genagt. Wie die drei auch noch die hinterletzte Musical-Schnulze zerlegen und wieder zu etwas großem formen können, finde ich ziemlich einzigartig. Besonderes Merkmal, das die faszinierendsten Ergebnisse hervorgebracht hat, ist das minutenlange Verharren auf den Tönen des abschließenden Akkordes, die in einem so genannten "Vamp" noch einmal minutenlang zu einem spannenden chromatischen oder modalen "Song im Song" werden.
Brad Mehldau Trio
Mehldau, der erste Aufmerksamkeit als Pianist des Saxophonisten Joshua Redman erlang, gründete mit Larry Grenadier und Jorge Rossy (später Jeff Ballard) ein Trio, das einerseits an das System Jarretts anknüpfte, andererseits aber das Repertoire des musikalischen Materials, das es neu zu ordnen galt, deutlich erweiterte. Plötzlich waren es z. B. auch Stücke der alternativen Brit-Popper Radiohead, die neben den Standards Einzug hielten. Auch Mehldaus Hang zur deutschen Romatik in Musik und Literatur wurde zu einem unüberhörbaren Bestandteil.
Esbjörn Svensson Trio
Nahezu parallel zu Mehldau wuchs in Europa das Trio des Schweden Svensson heran, später nur noch unter dem Kürzel E.S.T. firmierend, was deutlich macht, dass es sich hier wirklich um eine Gruppe und nicht mehr um drei temporär miteinander spielende Musiker handeln sollte. Auch Svensson hatte plötzlich Radiohead im Gepäck, aber ebenso Johann Sebastian Bach und die Elektroniker von Mouse on Mars. Im Unterschied zu Mehldau, Jarrett & Co, verlegte sich das Trio aus Schweden schon früh auf Eigenkompositionen und erweiterte den Klang um elektronische Verfremdungsmöglichkeiten aller drei Instrumente. Auf dem Höhepunkt des weltweiten Erfolges verstarb Svensson diesen Sommer leider auf tragische Weise.
In den letzten Jahren erlebt das Klaviertrio einen regelrechten Boom. Ob die humorigen The Bad Plus aus New York, der Norweger Bobo Stenson, der Pole Marcin Wasilewski oder die deutsche Gruppe Triosence: Klavier, Bass und Schlagzeug bieten vielfältige Spielarten, die momentan sehr erfolgreich scheinen, sowohl künstlerisch, als auch kommerziell.
LG
B.