Frankfurt, "I Masnadieri", Verdi, 30.11.2008

  • Immer wieder hat Giuseppe Verdi berühmte Theaterstücke als Vorlage für seine Opern verwendet, allerdings war das Ergebnis seiner Vertonungen nicht immer so überzeugend, wie beispielsweise beim „Falstaff“ oder beim „Otello“.


    Auch der direkte Vergleich zwischen den „Räubern“ von Friedrich von Schiller und den „Masnadieri“ von Giuseppe Verdi, das Libretto stammt von Andrea Maffei, einem Schriftsteller, der sich mit Schiller gut auskannte, fällt zu ungunsten des Komponisten aus. Allzu stark wurde Schillers Werk den Konventionen der Oper um die Mitte des 19. Jahrhunderts angepasst.


    Eine typische Nummernoper hat Verdi da geschrieben, schöne Melodien, unter denen ein eher einfaches, orchestrales Fundament liegt. Bei der einzigen weiblichen Rolle der Oper, der Amalia, musste Verdi auf die sängerischen Möglichkeiten von Jenny Lind Rücksicht nehmen – sie sang die Uraufführung, die unter der Leitung des Komponisten am 22.07.1847 in London stattfand.


    Rund 160 Jahre später standen nun die „Masnadieri“ von Verdi erstmals auf dem Spielplan der Oper in Frankfurt am Main.


    Just am Premierenabend streikte das Orchester in der Mainmetropole – die Aufführung fand dennoch statt – allerdings ausschliesslich vom Flügel aus begleitet und, um es gleich zu sagen: die Repetitoren machten ihre Aufgabe, ein Orchester ersetzen zu müssen, ganz ausgezeichnet.


    Die Spielfläche besteht aus grauen Holzdielen, im Hintergrund eine Tür, die beiden Seiten der Bühne sind offen. Während der Overtüre geht das Saallicht an, man hört eine Frau aufgeregt russisch parlieren und Amalia kommt mit Massimiliano aus dem Zuschauerraum auf die Bühne. Dort wird der alte Graf Moor auf eine Krankenliege gelegt.


    Benedikt von Peter beginnt seine Inszenierung also durchaus originell, macht aber aus diesem Einstieg nichts, der bleibt völlig isoliert, das, was dann zwei Stunden lang folgt, ist ein etwas unentschiedenes, eher konventionelles Theater mit vielen Standartgesten bei den Sängern und der Sängerin.


    Zum Einheitsgrau der Bühne kommt in der ersten halben Stunde eine unzureichende Einheitsbeleuchtung, die Geschichte um die beiden ungleichen Söhne des Grafen Moor, den „guten“ Carlo und den „bösen“ Francesco will nicht so richtig in Fahrt kommen.


    Die Räuber schliesslich sind eine Rentnergruppe aus dem Dienstbotenmilleu, schon klar: die Revolutionäre von früher sind die Rentner von heute. Die verkleiden sich als Räuber der Stückzeit von 1750, vom Schnürboden werden kopfüberhängende Bäume herabgelassen, es gibt ein echtes Lagerfeuer und die Bodenbretter werden einzeln herausgebrochen. Das schaut sich ganz schön an, bleibt aber inszenatorisch unverbindlich.


    Einen guten Einfall hat von Peter allerdings: dem delirierenden Francesco Moor tritt der Pastor Moser in der Gestalt seines Vaters gegenüber (Magnus Baldvinsson mit etwas unstetem Bass in einer Doppelrolle), da entsteht dann doch noch eine Spannung zwischen den Figuren, die sonst gänzlich ausbleibt.


    Erstaunlich, dass von Peter, der in Heidelberg einen glänzenden „Onegin“ inszeniert hat, bei den „Masnadieri“ gerade im Bereich der Personenführung so wenig anzubieten weiss.


    Trotz kleiner Unsicherheiten überzeugte Olga Mykytenko als Amalia – eine Sopranistin, von der man sicher noch mehr wird erwarten dürfen, Alfred Kim war ein zuverlässiger, stimmschöner Carlo und Ashley Holland ein stimmlich eindimensional-lauter, zu keinen Zwischentönen fähiger, uninteressanter Francesco Moor.


    Viel Beifall für die Sängerin und die Sänger, vor allem auch für die Pianisten, und deutliche, massive Ablehnung für das Regieteam um Benedikt von Peter.

  • Hallo Alviano,
    wie schön, endlich wieder einmal eine Rezension von dir zu lesen :], auch wenn sich die Reise diesmal offensichtlich nicht so sehr gelohnt hat! Tut mir Leid für dich!
    lg Severina :hello:

  • Liebe severina,


    Frankfurt ist etwa 20 KM oder eine Viertel-S-Bahn-Stunde von hier entfernt, das ist noch keine Reise - und ich habe die Aufführung durchaus gerne gesehen. Allerdings waren meine Erwartungen an die Regie nach dem wirklich sehenswerten "Onegin" in Heidelberg (man kanns hier im Forum nachlesen) durchaus hoch - und diese Erwartung hat sich nun nicht erfüllt. Von Benedikt von Peter werde ich im neuen Jahr noch zwei Produktionen sehen: "Teseo" von Händel in Berlin und "Dialogue des Carmélites" von Poulenc in Basel, vielleicht gelingen die von Peter besser.


    Was ich mir gut vorstellen könnte: dass Dir die "Aida" in Leipzig in der Inszenierung von Peter Konwitschny gut gefallen hätte. Die Inszenierung des "Triumphmarsches" erinnert ein wenig an "Ebolis Traum" und diese Konzentration auf Wesentliches, in einem fast unmöblierten Raum, dürfte Dir sehr entgegenkommen.


    Jetzt will ich als nächstes ein wenig über Pfitzners "Rose vom Liebesgarten" in Chemnitz berichten, da werde ich aber etwas ausführlicher werden müssen.

  • Lieber Alviano,


    Zitat

    Original von severina
    wie schön, endlich wieder einmal eine Rezension von dir zu lesen :]


    dem kann ich mich nur voll und ganz anschließen! :yes:
    Und ganz besonders gespannt bin ich auf Deine Rezension zur Aufführung der 'Rose vom Liebesgarten' von Pfitzner, die ich mit großer Begeisterung in der Radio-Live-Übertragung gehört habe.


    :hello:
    Johannes

  • Lieber Alviano,
    nun ja, ich hatte ja schon geschrieben, dass Du in diesem Fall die Gnade der kurzen Anreise hattest. Danke, dass Du nun doch davon berichtet hast. Ich sehe die Vorstellung am 27.12. und lasse mich jetzt zunächst einmal von Deinem Beitrag nicht abschrecken. Ich kenne die Masnadieri ja nur von einer CD und nehme natürlich die Gelegenheit wahr, sie einmal auf der Bühne zu sehen.


    Noch einmal zur Aida in Leipzig. Ich hätte eigentlich eher angenommen, dass du Dir die Hilsdorf-Inszenierung von Jenufa ansehen würdest. Da las ich geradezu hymnische Kritiken.


    LG


    Emotione

  • Zitat


    Original Alviano
    Während der Overtüre geht das Saallicht an, man hört eine Frau aufgeregt russisch parlieren und Amalia kommt mit Massimiliano aus dem Zuschauerraum auf die Bühne. Dort wird der alte Graf Moor auf eine Krankenliege gelegt. Benedikt von Peter beginnt seine Inszenierung also durchaus originell, macht aber aus diesem Einstieg nichts,


    Lieber Alviano,
    diese Szene stellst Du etwas verharmlost dar. Die Ouvertüre beginnt, nach einigen Takten schreit eine Frauenstimme irgendwo rechts im Parkett mehrmals "Oh my God, Oh my God, Help, Help", gefolgt von lautem Palaver, die Sprache war dann durch die Unruhe nicht mehr zu verstehen. Erst danach ging das Saallicht an. Das halbe Parkett stand auf, Helfer drängten sich durch die Reihen. Da sich das ganze auf der rechten Parkettseite abspielte, konnten die Besucher rechts auf den Rängen natürlich nicht erkennen, dass dies zur Inszenierung gehörte und die Helfer wieder auf ihre Plätze verwiesen wurden. Ich persönlich und vermutlich die meisten Zuschauer fanden diese Idee nicht originell sondern geschmacklos. Diejenigen Besucher, die bisher keine Kritiken lasen oder wie ich den Vorzug hatten, Deinen Bericht zu kennen, die vielleicht einfach nur mal ein unbekanntes Verdiwerk sehen wollten, sich sogar die Werkeinführung anhörten (worin bezeichnender Weise natürlich keine Vorwarnung ausgesprochen wurde) waren teils schockiert, wenige belustigt. Ich denke, dass Benedikt von Peter hier mit dem Entsetzen Scherz trieb. Man stelle sich vor, dies sei Realität gewesen oder Zuschauer seien einmal tatsächlich Zeuge eines solchen Vorfalls gewesen. Nachdem das Publikum sich wieder beruhigt hatte, Massiminio auf der Trage seinen Platz auf der Bühne eingenommen hatte, setzte die Ouvertüre wieder ein, das Saallicht erlosch dann auch erst nach einiger Zeit wieder.


    Den weiteren Verlauf des Stückes empfand ich dann genau wie von Dir beschrieben, auch was die Sänger anbelangt, wobei ich denke, dass Olga Mykytenko inzwischen doch die von Dir bei der Premiere noch beobachtete Unsicherheit abgelegt hat. Ich fand sie eigentlich sehr souverän, sie war ja auch die einzige, der - wenn sie nicht gerade an der Rampe singen musste - eine Spur von Darstellung abverlangt wurde. Da konnte Alfred Kim von Glück sagen, dass dies in dieser Inszenierung nicht gefordert wurde. Ich las heute im Programmheft, dass er ab der Spielzeit 09/10 dem Ensemble der Oper Frankfurt angehört. Stimmlich hat er mich in Wiesbaden immer überzeugt aber darstellerisch :stumm:


    Liebe Grüße
    Emotione

  • Liebe Emotione,


    tendenziell würde ich Dir recht geben. Die Anfangssituation von "Masnadieri" in der Inszenierung von Benedikt von Peter ist nicht glücklich. Wenn sich ein Regisseur entschliesst, seine Inszeneirung so beginnen zu lassen, braucht er dafür einen guten Grund. Den kann ich in Frankfurt auch nicht entdecken. Von Peter macht aus dieser Introduktion im Verlauf seiner Inszenierung nichts. Auch nicht so ganz wegschieben möchte Deinen Hinweis darauf, dass eine solche Situation, wie sie hier gespielt wird, tatsächlich passieren könnte. Ich selbst kann mich an zwei gravierende Fälle erinnern - an einen sogar, wo dann die Aufführung abgebrochen wurde.


    Jetzt wirkt die ganze Produktion der "Masnadieri" halbherzig und unentschieden. In dieser Saison hat mich in Frankfurt bisher nur Reimanns "Lear" überzeugt, die "Lucia" fand ich grottenschlecht.


    Olga Mykytenko halte ich auch für eine interessante Sängerin - dass ich mir ihren Namen - sie war mir gänzlich unbekannt - anlässlich ihrer Liu in Essen gemerkt hatte, spricht durchaus für sie. Vielleicht hört man noch gewichtiges von ihr. In Berlin singt sie wohl hin-und-wieder die Mimi.


    Jetzt folgt in Frankfurt "Arabella" - das ist überhaupt nicht mein Stück, weder von der Handlung, noch vom Komponisten und seiner Musik her, mal sehen, was Christof Loy daraus machen wird.


    Gruss nach WI

  • Zitat

    Original von Alviano
    Die Anfangssituation von "Masnadieri" in der Inszenierung von Benedikt von Peter ist nicht glücklich. Wenn sich ein Regisseur entschliesst, seine Inszeneirung so beginnen zu lassen, braucht er dafür einen guten Grund. Den kann ich in Frankfurt auch nicht entdecken. Von Peter macht aus dieser Introduktion im Verlauf seiner Inszenierung nichts.


    Jetzt wirkt die ganze Produktion der "Masnadieri" halbherzig und unentschieden.


    sehr richtig. so empfand ich das auch. ein durchschnittlicher opernabend, den nur die stimmen gerettet haben.


    arabella werde ich mir verkneifen und stattdessen mir das recital mit kate royal und roger vignoles gönnen morgen. mal sehen, wir sie mir live gefällt. auf cd klang sie recht gut, aber für mich noch nicht so ausgewogen.

    --- alles ein traum? ---


    klingsor