Was suche ich in der Musik - und wo finde ich es?

  • Bekanntlich treten wir in Kürze in die traditionelle Woche der Besinnlichkeit ein, die immer noch für manche, zumal sie nur dann Zeit dafür haben, auch eine der Besinnung ist. Der rechte Zeitpunkt also, Definitionsfragen wie "Was ist Musik" auf die einzig sinnvolle Frage zurück zu führen, nämlich die radikal subjektive: Was bedeutet mir Musik und was suche ich darin?


    Es gab zwar schon eine Reihe ähnlicher Threads, aber, jedenfalls soweit ich feststellen konnte, noch keinen mit spezifischen Spielregeln. Die erklären sich am besten anhand des folgenden Beispiels. Deshalb mache ich mal den Anfang und nenne eine Reihe von denkbaren Begriffen, die Ihr zitieren, variieren und nach eigenem Gusto ergänzen könnt. Selbstverständlich sind die nachfolgenden Begriffe nur Beispiele und können innerhalb eines Maximums von zehn Nennungen beliebig ausgetauscht werden:


    Was suche ich in der Musik - und wo finde ich es ?


    An- und Aufregendes -


    Angenehme Geräuschkulisse -


    Erhabenheit -


    Fortschritt -


    Heiterkeit -


    Leidenschaft -


    Melodik -


    Neue Horizonte -


    Perfektion -


    Schönheit -


    Spaß -


    Trost -


    Unterhaltung -


    Weisheit -


    etc. ad. lib.


    Die Spielregeln: jede/r kann bis zu zehn Begriffen definieren oder auswählen und sollte dazu ein Werk in der für sie/ihn maßgeblichen Aufnahme nominieren. Das kann natürlich auch stückweise geschehen, muss also nicht gleich komplett eingestellt werden. Wenn sich genügend Taminas und Taminos daran beteiligen, könnte daraus ein repräsentativer Kanon der besten - im Sinne von subjektiv bedeutendsten - Werke oder einfach nur der Lieblingswerke der Paminas und Taminos daraus werden. Es zählen nur einzelne Werke, in denen Ihr den gesuchten Begriff am besten befriedigt findet, also nicht etwa "alles von Beethoven", sondern allenfalls "Beethoven: 9. Sinfonie". Natürlich ist es erwünscht, aber nicht Pflicht, die Nominierungen auch zu begründen.


    Hier meine ersten drei Beispiele:


    Erhabenheit - Hector Berlioz: Les Troyens



    Ich hätte dieses überragende Meisterwerk auch für eine Reihe anderer Begriffe nominieren können, etwa Fortschritt, Leidenschaft, Weisheit (Heiterkeit eher nicht), aber genau das macht, in Verbindung mit seiner kühnen Wahl und dem kongenialen Zuschnitt von Vergils Vorlage, seine Erhabenheit für mich aus. Die ausgewählte Aufnahme John Eliot Gardiners mit Susan Graham, womit die beiden für mich wichtigsten Faktoren der Aufnahme genannt sind, ist nur eine von mehreren sehr guten (s. TMOO - Troyens, Les ), aber diejenige, welche mir DERZEIT am meisten zusagt.


    Heiterkeit - Giuseppe Verdi: Falstaff


    Ich hätte hier auch Mozarts LE NOZZE DI FIGARO nennen können, aber Verdis altersweises, perfektes Werk mit seiner Vielzahl mehr oder weniger unauffälliger musikalischer Scherze ist das einzige, das seine Wirkung der Erheiterung unweigerlich erzielt, wann immer ich es auflege, sogar mehr noch als die ebenfalls todsicher wirkenden, aber vordergründigeren heiteren Werke Offenbachs oder Rossinis. Die gewählte erste Aufnahme Herbert von Karajans mit seinem absolut untadeligen Ensemble auf allerhöchstem Niveau war meine erste und bleibt trotz gerade bei diesem Werk sehr starker Konkurrenz (s. TMOO - Falstaff) diejenige, an der sich alle messen lassen müssen.



    Trost - Richard Strauss: Vier letzte Lieder



    Fast mehr noch als bei den anderen Begriffen war hier die Konkurrenz besonders stark. Mein erster Spontaneinfall war z. B. Faurés REQUIEM. Letztlich aber entschied auch hier der altersweise Stil eines der ganz Großen, der es weder an erfüllender Melodik noch an höchster Kunstfertigkeit fehlen lässt, in Verbindung mit vier wunderschönen Gedichten von Herrmann Hesse und Joseph von Eichendorff für mich diese Wahl. Bei den Aufnahmen war die Qual der Wahl eher noch größer (s. Vier letzte Lieder von Richard Strauss - was ist die ultimative Aufnahme?). Für diese mustergültige Einspielung mit einer Gundula Janowitz in Topform, in der sie ohne Weiteres neben anderen Kandidatinnen wie Elisabeth Schwarzkopf, Lisa della Casa und anderen bestehen kann, entschied ich mich letzten Endes wegen der optimalen Kopplung mit den beiden anderen Werken von Richard Strauss, die hier auch hätten genannt werden können.


    Nicht von ungefähr sind damit auch meine drei anhaltenden Lieblingskomponisten genannt. Aber ich habe ja noch sieben frei. :D


    Auf rege Beteiligung, nicht nur zwischen den Jahren, freut sich


    :hello: Jacques Rideamus

  • Lieber Jacques, das ist doch wirklich eine sehr schöne Weihnachts-Thread-Idee, denn sie schliesst nicht nur Alle ein sondern sie schliesst vor Allem auch Fundamentalismus und Dogmatismus aus, weil es per definitionem um Subjektives geht. Et in terra pax :angel:


    Ich muss darüber ein bisschen nachdenken, aber spontan fällt mir doch gleich mal Folgendes ein:



    Sehnsucht 1 (süss)



    Hier eine meiner absoluten Favoriten-Cds , die in sich meine geliebtesten Bellini-Arien vereinigt.(dazu Raritäten von Donizetti und Rossini, aber darauf kommt es in dieser Kategorie nicht an)
    Ihr ist die Sehnsucht vierfach per Komponist, per Musik, per wunderschöner Stimme von Eva Mei und per Inhalten einprägniert.
    Da wo die Sehnsucht noch einen Funken (oder mehr) süsse Hoffnung in sich trägt, allererste Wahl.



    Sehnsucht 2 (bitter-weh)





    Diese Neuerscheinung hat mich aufs erste Hören schon umgehauen und geht in den Olymp meiner Cds ein . Barocke Lamenti auf musikalisch allerhöchstem Niveau von den allerschönsten Stimmen interpretiert. Wenn die Sehnsucht nur noch weh tut und quasi Alles verloren scheint.



    Fairy Queen

  • Schuld und Sühne






    Könnte auch für Angst, Verzweiflung, Todesnähe usw usw genannt werden, aber in tiefer Schuld gefangen, passt es m.E. besser als Alles andere: Miserere mei deus!
    Der Engelssopran darinnen ist so ungefähr der Ergreifendste was einen Menschen im schwärzesten aller Löcher umfangen kann.





    Verzweiflung




    Bach ist stets mein erstes musikalisches Mittel der Wahl gegen Verzweiflung angescihts unabänderlciher Katastrophen, wie sie etwa der grausam frühe Tod geliebter Menschen für mich waren. Es könnten auch die Kantaten sein oder das Thema der Goldbergvariationen oder dei Cellosuiten , aber die Bearbeitungen der Choralvorspiele von Busoni haben mich ganz besonders erreicht.



    Angst



    Arvo Pärt wunderbare Meditation Spiegel im Spiegel habe ich bereits am lebenden Objekt(und auch mir selbst) mit Erfolg getestet: das ist keine Hömöopathie!



    Die Nächsten werden nun aber wieder heller. :angel:


    F.Q.

  • Beim Hausputz kommen mir immer die meisten Ideen, weiter geht's mit einer angenehmen Unterbrechung:



    Schönheit




    Mozart und Natalie Dessays Stimme- da bedarf es keiner weiteren Erklärung.
    Das war ihre allererste Cd und damit hat sie mich auf alle Zeiten bezaubert.




    Liebe



    Eine brandneue Cd, die ich nicht mal ganz gehört habe, weil ich sie noch gar nicht besitze (aber wahrscheinlich morgen..... :angel: ). Cer Titel sagt bereits Alles. "Amoureuse"
    Alles zum Thema Liebe, was Mozart und Gluck zu sagen hatten- und die hatten viel zu sagen!- ist hier versammelt. Und Haydn noch dazu.
    Und in einer Interpretation, die wenn man den bisherigen Kennern glauben schneken kann(und das kann man!) sensationsverdächtig ist.

  • Zärtlichkeit





    Auch kleine Dinge können mich entzücken! Und wie!
    Noch eine aus meinem Olymp- quasi unbekannte Canzonetten von Rossini, Donizetti und Bellini. Allein Bellinis "Vaga luna" ist ein Kleinod ersten Grades und lohnt den Kauf dieser CD, wenn da nciht noch "La promessa", "La gita in gondola" und andere zärtliche Serenaden folgen würden.....





    Erotik







    Logisch weiter in der hoffentlich richtigen Reihenfolge.
    Wenn man hier angekommen ist hat man egal ob Night and day den Kick schon under the skin. Man ist So in love und Love is so easy in the still of the night und alles ist nur noch Wunderbar!


    Cesare Siepi als Garant für vokale Streicheleinheiten macht taktiles Einschreiten (beinahe) überflüssig :]





    Seligkeit




    Und dann fehlt nur noch die selige Leichtigkeit des Seins.
    Reynaldo Hahns Lieder kann man unmöglich besser singen, als Susan Graham das tut. Man hätte diese CD auc hunter die Kategorie Perfektion, Schönheit und Eleganz einordnen können.
    A Chloris ist die Essenz: "Je ne crois pas que les dieux même aient un bonheur pareil au mien"




    So , eigentlich sind das jetzt 10, aber ich bin noch lange nciht fertig.


    Ich muss z.B. unbedingt noch die Winterreise von Schubert mit Souzay unterbringen. Kategorie Fremdsein / Einsamkeit/Todessehnsucht. Darf ich?


    Fairy Queen

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  • Dankbarkeit



    Franco Corelli hier singen zu hören erfüllt mich mit Dankbarkeit an die Musik




    Vergnügen



    Ruggero Raimondi als Don Pasquale bereitet mir reinstes Vergnügen




    Frohe Weihnachten aus München


    Kristin

  • Hi Jacques,


    eine super Thread-Idee!


    Erst einmal, die Vier letzten Lieder, die du genannt hast, könnte man IMO auch unter "Weisheit" einordnen.


    Für Perfektion fällt direkt folgenes ein:




    Brahms, 4. Sinfonie - C. Kleiber


    In dieser Komposition stimmt gefühlsmäßig alles, von der ersten bis zur letzten Note.


    Leidenschaft




    Zu dem Begriff fällt mir diese Aufnahme ein. Muss man die Nominierung noch irgendjemandem erklären, der selbst einmal den Kopfsatz mit Richter gehört hat? ;)


    lg

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Spntan fallen mir diese ein:


    Angenehme Geräuschkulisse



    Von Pepe Romero lasse ich mich gerne auf hohem Niveau einlullen...


    Heiterkeit



    Mein Pflichtprogramm zum Aufhellen von trüben Tagen.


    Neue Horizonte



    Crossover wie es sein sollte.


    Schönheit



    Atemberaubend schöne Musik mit hohem Ohrwurmfaktor. Es ist mir schleierhaft, warum sie bei uns so wenig bekannt ist.


    Spass



    Hier beziehe ich mich eher auf die Zugabe: Die Ouvertüre "Hallelujah Trail".


    Viele Grüße
    Frank

  • Fernweh:



    John Ireland: "Sea Fever"



    I must down to the seas again, to the lonely sea and the sky,
    And all I ask is a tall ship and a star to steer her by,
    And the wheel's kick and the wind's song and the white sail's shaking,
    And a grey mist on the sea's face, and a grey dawn breaking.


    I must down to the seas again, for the call of the running tide
    Is a wild call and a clear call that may not be denied;
    And all I ask is a windy day with the white clouds flying,
    And the flung spray and the blown spume, and the sea-gulls crying.


    I must down to the seas again, to the vagrant gypsy life,
    To the gull's way and the whale's way where the wind's like a whetted knife;
    And all I ask is a merry yarn from a laughing fellow-rover
    And quiet sleep and a sweet dream when the long trick's over.


    ;( soo schön....


    :hello:
    Wulf

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  • Lieber Wulf, die muss ich haben....das klingt himmlisch!
    So ein Mist, dass morgen schon Weihnachten ist und nun keine Wunschzettel mehr vom Christkind angenommen werden. ;(

  • Hallo!


    Da mache ich gerne auch mal mit. Spontan fällt mir folgendes ein:


    An- und Aufregendes -


    Beethoven:Symphonie Nr. 3 Es-dur



    Angenehme Geräuschkulisse -


    Pop-Musik der 60er



    Erhabenheit -


    J.S. Bach: Messe h-moll



    Fortschritt -


    Beethoven: Späte Streichquartette



    Heiterkeit -


    Vivaldi-Konzerte



    Leidenschaft -


    Schubert: Die schöne Müllerin



    Melodik -


    Mozart: Klavierkonzerte



    Neue Horizonte -


    ... sind neue CDs mit Werken, die ich noch nicht kenne, und die auf das erste Hören Warten; im Moment also beispielsweise:


    oder


    Perfektion -


    J.S. Bach: Die Kunst der Fuge



    Schönheit -


    Josquin: Ave Maria



    Spaß -


    Biber: Sonata Representativa



    Trost -


    Faure: Requiem



    Unterhaltung -


    Boccherini: Klavierquintette



    Weisheit -


    Schütz: Musikalische Exequien



    Viele Grüße,
    Pius.

  • RE: Was suche ich in der Musik - und wo finde ich es?


    von mir hier nun auch eine Zusammenstellung.


    An- und Aufregendes



    Es ist kein Zufall, dass ich ausgerechnet diese Einspielung gewählt habe. Zwar bezieht sich das An- und Aufregende auf die 9. Sinfonie Dvoráks, doch für Smetanas "Molda" trifft es ebenso zu. Die Urwüchsigkeit beider Komponisten spricht mich besonders an. Ich habe das Gefühl dieser Musik auf Augenhöhe zu begegnen und das macht sie für mich so interessant so an- und aufregend.



    Erhabenheit



    Das Requiem hat für mich etwas von Größe die ich nicht recht in Worte fassen kann.



    Heiterkeit



    Da Ihr mich als Operettenliebhaberin kennt, wird Euch diese Wahl nicht groß verwundern. Die Fledermaus ist für mich Heiterkeit pur.



    Leidenschaft



    Klaviersonate in B-Dur D. 960
    Dieses Stück ist für mich Leidenschaft - es bewegt mich tief, es zaubert ein Lächeln in mein Gesicht und es ist zur Zeit mein absolutes Lieblingsstück.



    Schönheit


    Hier entscheide ich mich für schönen Gesang.




    Spaß


    Wie JR II mag auch ich den dicken Falstaff.




    Neue Horizonte


    In diesem Jahr gab es derer viele.


    Ein Beispiel:



    Zwar tue ich mich mit Wagner nach wie vor schwer, doch der Holländer hat es mir angetan.




    LG


    Maggie

  • Zitat

    Original von Maggie
    Klaviersonate in B-Dur D. 960
    Dieses Stück ist für mich Leidenschaft - es bewegt mich tief, es zaubert ein Lächeln in mein Gesicht und es ist zur Zeit mein absolutes Lieblingsstück.


    Wow, "Leidenschaft" käme mir hier am wenigsten in den Sinn! Eher: Einsamkeit, Resignation, Trauer, Schmerz, ...

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von rappy


    Wow, "Leidenschaft" käme mir hier am wenigsten in den Sinn! Eher: Einsamkeit, Resignation, Trauer, Schmerz, ...


    Das alles ist für mich Leidenschaft, aber vielleicht ist das auch nur mein ganz persönliches Empfinden.


    LG


    Maggie

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  • Freut mich, dass der Thread so gut ankommt. Da lasse ich gerne die Obergrenze von zehn fallen. :D


    Hier meine nächsten drei:


    Weihnachtliches - Diana Krall: Christmas Songs



    Weihnachtsliedersammlungen gibt es haufenweise, aber ich liebe nun einmal besonders die bunte amerikaniche Weihnacht, mit der jetzt meine Enkelkinder aufwachsen, und wenn die passenden Lieder mit dem jazzigen Gefühl und der faszinierenden Stimme Diana Kralls dargeboten werden, dann bin ich gleich mitten drin. Louis Armstrong, Rosemary Clooney, Chet Baker und viele andere können das aber auch sehr gut. Es muss ja nicht immer "White Christmas" sein.



    Spaß - Jacques Offenbach: La Belle Hélène



    Gibt es ein besseres Ausdauertraining für die Lachmuskeln als Jacques Offenbachs großartige Operetten in vorzüglichen Aufführungen? Die Auswahl ist hier recht stattlich, aber wenn sie in einer so überwältigend einfallsreichen Inszenierung dargeboten werden, wie in dieser hier von Laurent Pelly und dann noch von der sängerisch wie darstellerisch exzeptionellen Felicity Lott so hinreißend ausgestaltet werden, kann man nur noch alle Widerstände aufgeben, immer wieder laut lachen und einfach begeistert sein.


    Schönheit - W. A. Mozart: Klarinettenkonzert A-dur KV 622



    Nichts gegen den Rest des Konzertes und die vielen anderen Kandidaten, aber seit ich vor Jahrzehnten erstmals das Adagio dieses wunderschönen Konzertes gehört habe, damals gespielt von Karl Leister und der Academy of St. Martin in the Fields, ist es für mich der Inbegriff musikalischer Schönheit geblieben. Die Wahl dieser Aufnahme mit Sabine Meyer hat eine persönliche Konnotation. Sie steht dehalb weniger als spezielle Empfehlung, obwohl sie das sehr wohl auch sein kann, sondern als Platzhalter für den jeweilig HIPen oder weniger hippen Stil, in dem man das Konzert am liebsten hört.


    Ich wünsche Euch allen, dass Ihr weiterhin viel sucht und noch vieles findet, was Euch heute noch unbekannt ist und nur deshalb noch keine Erwähnung in Euren Nominierungen findet.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Hier noch zwei immer wieder zuverlässige Funde


    Aubruch und Vorwärtsdrang - Beethoven: 7. Sinfonie A-Dur op. 92



    Wer bei diesem Werk ruhig bleiben kann, sollte sich für eine Statistenrolle in einem Remake von "The Night of the Living Dead" bewerben. Den Beinamen "Apotheose des Tanzes" kann ich verstehen, obwohl ich nicht recht glücklich damit bin. Vielleicht liegt das aber auch an dieser optimal vorwärts drängenden Einspielung von Carlos Kleiber, die wirklich keine Wünsche an das Werk offen lässt, obwohl ich auch die Aufnahmen von Bernstein (vor alem die frühe mit dem NYPO), Dohnany (mit dem Cleveland Orchestra), Gardiner und Kempe sehr mag, der auch einen Einblick in seine Probenarbeit mit der Staatskapelle Dresden gibt. Es ist einfach ein phänomenal mitreißendes Werk.


    Melodie - George Gershwin: Crazy for You



    Für diese Kategorie bot sich naturgemäß eine Fülle von Alternativen an, aber man wird wenige Werke mit einem reicheren Schatz an mitreißenden Melodien verschiedenster Art finden wie eines der klassischen Musicals von George Gershwin. Normalerweise mag ich Musicalpasticchios nicht so sehr, aber was Ken Ludwig, der Buchautor dieses Musicals, und der Gershwin-Kenner Tommy Krasker, vorzüglich unterstützt von dem erfahrenen Paul Gemignani und seinen Solisten Jodi Benson und Harry Groener, hier aus den verschiedensten Quellen, einschließlich Gershwins Filmkompositionen in einer höchst gekonnten Überarbeitung von Gershwins GIRL CRAZY (an sich schon eine Melodienschatztruhe) versammelt haben, ist tatsächlich eine Art Super Gershwin. Diese Version enthält nämlich nicht nur die Klassiker des Ursprungsmusicals wie "Embraceable You," "I Got Rhythm," und "But Not For Me", sondern fast jeden zweiten populären Song dieses viel zu früh gestorbenen Komponisten - und das noch im Rahmen eines höchst geschickt gebauten, intelligenten Librettos. Die tadellose Tonaufnahme kann zwar nichts von den einfallsreichen Choreographien Susan Strohmanns vermitteln, die ich zum Glück in New York und London gesehen habe, aber sie lässt sie sofort in meiner Erinnerung wieder aufsteigen. Es gibt keinen besseren Weg, Gershwins Musicals kennen zu lernen - außer einer Sammlung aller Originale der vorbildlichen Rekonstruktionen in der von John Mauceri, Eric Stern und anderen betreuten Nonesuch-Serie, zu der auch diese Aufnahme gehört:



    Wer es jazziger und ebenfalls auf höchstem Niveau mag, kann natürlich auch zu Ella Fitzgerald greifen, die aber mit dem Original nicht mehr so viel zu tun hat. Am besten natürlich in dieser Luxusausgabe aller Song Books (also auch Porter, Kern, Rodgers, Berlin, Arlen, Ellington, Mercer), die zwar einiges kostet, aber jeden Cent wert ist, weil man nirgendwo sonst mehr großartige Melodien dafür bekommt:



    :hello: Jacques Rideamus

  • Zitat

    Original von Maggie


    Wow, "Leidenschaft" käme mir hier am wenigsten in den Sinn! Eher: Einsamkeit, Resignation, Trauer, Schmerz, ...


    Ich verbinde den Begriff eher mit positivem Enthusiasmus, aber wir meinen dann wohl in Bezug auf das Stück dasselbe. ;)


    Unter Schönheit fällt mir natürlich ganz viel von R. Strauss ein. Ich will aber keine ganzen Werke nennen (da fielen mir nur die Vier Letzten Lieder ein, und die hat JRII ja schon genannt), denn Strauss hat immer Schönes mit Groteskem oder Gar Hässlichem verbunden (meistens mit dem Zweck, dass die Wirkung des Schönen noch erhöht wird).
    Als die "schönsten" Passagen der Musik fallen mir ein: Von den Hinterweltlern aus Also Sprach Zarathustra; aus Tod und Verklärung das Oboenthema und das chromatische der Erinnerungen-Passage; aus Don Juan das Oboensolo; aus Ein Heldenleben die Liebesszene und der Schluss; aus dem Rosenkavalier das Vorspiel; die langsamen Sätze aus den beiden Hornkonzerten und aus dem Oboenkonzert.


    Empfindung


    Zu dem Stichwort fällt mir folgende CD ein:



    Man muss es selbst gehört haben...

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hermann Preys einzigartiger Bariton hat mich schon in meiner Jungmädchenzeit
    gänzlich begeistert, insbesondere die Lieder und Balladen, aber auch die Opernarien, und das ist bis zum heutigen Tag so geblieben!
    Sein Gesang war mir aber auch in schwierigen Lebenssituationen die beste Thearpie, da ich dann Kummer und Stress für eine CD-Länge total vergessen konnte. :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:



    Mit weihnachtlichen Grüßen,
    diotima. :hello:

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  • Liebe Erna,


    die Souzay-Winterreise ist wirklich ganz große, kaum zu überbietende Interpretationskunst - ich hoffe und wünsche Dir, dass Du Trost dabei finden wirst. Ich persönlich würde jedoch eher zu etwas Bitter-süßem oder Melancholisch-heiterem greifen. In dunkler Zeit bewährt hat sich bei mir das wundervolle "Chanson Perpetuelle" von Ernest Chausson, eine Vertonung eines längeren Charles Cros-Gedichts, in dem es um die Trauer über eine verlorene Liebe geht. Ungewöhnlich und höchst apart die Begleitung durch Piano und Streichquartett, und wenn Jessye Norman zu Ihrer Glanzzeit anhub, "Bois frissonnants, ciel étoilé, mon bien-aimé s'en est allé - emportant mon coeur désolé" zu singen, so konnte dies Steine zum Erweichen bringen. Ebenso überirdisch schön auch das "Poeme de l'amour et de la mer" - auch hier fliegt jeder Herzschmerz auf Flügeln des Gesanges einfach davon.





    Angenehme Geräuschkulisse – Die Village Vanguarde Sessions des legendären Bill Evans Trios von 1961 zähle zu meinen liebsten Jazz-Scheiben und sind längst zu einem zeitlosen Klassiker geworden. Der Impressionist unter den Jazz-Pianisten garniert sein Spiel mit locker aus dem Ärmel geschüttelten Akkorden, die bei näherer Analyse harmonisch komplexer sind, als es Debussy je gewagt hätte. Wesentliches Merkmal dieser Aufnahme sind die Hintergrundgeräusche des Publikums – Geplauder, Gelächter, Gemurmel und Gläserklirren. Für manche der damaligen Zuhörer war diese herrliche Musik offenbar nicht viel mehr als eine angenehme Geräuschkulisse beim Clubbing, und die Aufnahmetechnik hat diese Abende eben so eingefangen, dass man glauben könnte, gerade selbst mit guten Freunden bei einem Cocktail in einem verräucherten Jazzkeller zu sitzen, wo irgendwo im Hintergrund drei Musiker agieren.





    Erhabenheit – Der Parsifal ist für mich der Inbegriff von Erhabenheit in der Musik – nicht wegen weihevollem Brimborium, mystischer transzendentaler Erleuchtung und aufgesetztem Pathos, sondern wegen des Durchmessens erhabener Gefühle mit Hilfe einer enorm klangfarbenreichen Musik, die herrlich viel Zeit bekommt, sich zu entwickeln und zu entfalten. Wer vor dem Bühnenweihfestspiel als zu dickem Brocken noch zurückschreckt, dem kann ich als Kostprobe (neben dem Vorspiel und dem Karfreitagszauber) die „sinfonische Synthese“ empfehlen, die Leopold Stokowski vom Akt III angefertigt hat. Sein Schüler Josè Serebrier hat sie in einer auch klangtechnisch großartigen Aufnahme mit einem fabelhaft disponierten Bournemouth Symphony Orchestra eingespielt.





    Fortschritt Beethovens späte Streichquartette sind für mich ein Monument musikalischen Fortschritts – meilenweit entfernt von allem, was zu dieser Zeit sonst komponiert wurde, und auch für den heutigen Hörer noch eine große Herausforderung. In dieser Fassung gelingt Bernstein das Kunststück, das vertrackte op. 131 mit dem Streicherapparat der Wiener absolut schlüssig und transparent aufzuführen, als hätte der alte Ludwig im Wahn eine 10. Sinfonie für Streichorchester geschrieben. Wird seit vielen Jahren seeeehr oft bei Cassiodor gehört...





    Salve,


    Cassiodor :hello:

  • Falls keine CD dabeisteht, gibt es für mich noch keine Insel-Aufnahme.


    Schönheit -


    Klaviersonate No.11, K.331 (Mozart)



    Heiterkeit -


    Die Zauberflöte (Mozart)



    Leidenschaft -


    Matthäus-Passion (J.S. Bach)



    Perfektion/Weisheit -


    Contrapunktus 14 aus der Kunst der Fuge (J.S. Bach)



    Phantasiereichtum -


    Wohltemperiertes Klavier (J.S. Bach)



    Respekt für Minderbegabte - ( :))


    Zwei- und dreistimmige Inventionen (J.S. Bach)

    "Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten" Gustav Mahler

  • Hallo zusammen,


    zum Thema "Trost" ist mir auch noch eingefallen. Vor ein paar Jahren, in einer schweren Krise, hat mir ganz unerwartet diese Musik sehr viel Trost gegeben und mich innerlich immer wieder "zurechtgerückt":


    Trost



    Und da meine ich jetzt die Peer Gynt-Suiten von Edward Grieg


    Viele Grüße aus München


    Kristin

  • Da unser Threadsteller oben erlaubt, auch jenseits der 10 weiterzumachen ,will ich das ausnutzen.



    Heimweh 1





    Irgendwie nciht so ganz logisch, dass es bei mir ausgerechnet in einer Version von einem Franzosen gesungen sein muss, aber Souzays Stimme ist ein solcher Traum, dass ich keine schönere Aufnahme dieses Werkes kenne.
    Die Winterreise ist für mich der Inbegriff meiner musikalischen Herzensheimat.



    Heimweh 2


    Ganz aktuell vorgestern- erst wenn man fern von "zu Hause" Weihnachten feiert, spürt man, wie existentiell auch die spirituelle Heimat ist.
    Hier eine meiner liebsten Aufnahmen.



    Liebe Weihnachtsgrüsse von zu Hause- mit Blick auf den Rhein!

  • Harmonie


    R. Strauss - Hornkonzert Nr. 2 Es-Dur


    Ich kenne nur die Einspielung aus der Kempe-Box, aber die ist zum dahinschmelzen.



    :jubel: :jubel:


    Achja: in der Winterreise Trost zu finden, finde ich aber erklärungsbedürftig! ;) Der Zyklus endet ja nicht gerade positiv...

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

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  • Zitat

    Original von rappy
    ...
    Achja: in der Winterreise Trost zu finden, finde ich aber erklärungsbedürftig! ;) Der Zyklus endet ja nicht gerade positiv...


    Da erklärt sich für dich in 20 bis 30 Jahren von selbst... ;)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Bitte konkreter :D


    Ich glaube schon zu wissen, was gemeint ist (ich mag ja selbst die Winterreise sehr gerne), aber paradox ist es trotzdem, oder? Könnte man glatt einen neuen Thread drüber aufmachen :pfeif:

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Lieber Rappy, ich habe doch gar ncihts von Trost sondern von Heimweh geschrieben. Dir das zu erklären würde aber wirklich einen ganzen Thread brauchen. Nur ein" paradoxer" Satz:
    Für mich ist das Schönste und Tröstlichste immer auch so, dass ein Schmerz und eine Sehnsucht dabei ist, sonst würde ich es in seiner Gewalt kaum ertragen.
    Ansonsten hat Theophlius wohl recht.


    F.Q.

  • Hi F.Q.,


    nur um Missverständnisse zu vermeiden, ich habe Erna gemeint. ;)
    Aber danke für die Erklärung.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Hallo Kristin, hallo Cassiodor!


    Vielen Dank für Eure Tipps, besonders Valse triste habe ich auch schon früher sehr geliebt.


    rappy


    Trost finde ich in der "Winterreise" wohl nach dem Motto "Geteiltes Leid ist halbes
    Leid". Es war schon immer so, dass mich in dunklen Stunden dieser Liederzyklus wieder aufgerichtet hat, den wirklichen Grund dafür kann ich aber nicht erklären.

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