Amato Opera New York schließt nach 60 Jahren

  • Liebe Opernfreunde,


    wie ich gerade in den Nachrichten gelesen habe, schließt Tony Amato sein nach ihm benanntes (vermutlich kleinstes) Operhaus (der Welt) nach 60 Jahren. Diese Nachricht wird vermutlich weltweit Bedauern auslösen, da dies eine DER New Yorker Musik-Institutionen war. Ich hatte vor 18 Jahren das Glück, hier eine Karte zu ergattern (und nebenbei ein launiges Gesrpäch mit Tony Amato zu führen, einschließlich Hausführung); Madame Butterfly - ein Traum....


    Kennt jemand von Euch dieses Haus? Hat jemand dort eine Aufführung gesehen?


    Bin neugieirig und würde mich über einen Gedankenaustausch freuen.
    Herzliche Grüße
    Thomas


    ich hoffe, das richtige Forum erwischt zu haben....

  • Hallo Thomas,


    ich war zwar selbst noch nie dort, habe aber mal ein sehr schönes Feature auf PHOENIX (oder 3sat) über Tony Amato und seine kleine Operncompagnie gesehen (war wohl Ende der 1990er, da lebte seine Frau noch). Ich fand den Enthusiasmus und die Hingabe dieses Mannes an die "unmögliche Kunst" sehr berührend, außerdem fand ich die familiäre, witzige Atmosphäre sehr angenehm. Natürlich war das Niveau der gezeigten Ausschnitte nicht mit dem professioneller Häuser vergleichbar (obwohl einige Profis dort am Beginn ihrer Karriere gesungen haben, besteht der Großteil der Sänger aus Amateuren und Semiprofessionellen), aber die Liebe zum Gegenstand war trotz (oder gerade wegen) der kümmerlichen Ausstattung und der sehr reduzierten "Orchesterbegleitung" (Keyboard und einige Streicher unter dem "Maestro") immer spürbar. Lustig war das Raufziehen des Kronleuchters vor Beginn der Vorstellung, man orientierte sich zumindest äußerlich an den großen Vorbildern. Schade, dass wieder ein Stück "gutes, altes New York" verschwindet.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Hallo Giselher,


    da kannst Du ja ein bisserl nachvollziehen, was dort war.. Ich hatte im Vorfeld meines New York-Aufenthaltes 1991 davon gelesen und mir war sofort klar, daß ich da hin muß. Ich liebe solche "schrägen" Sachen und habs nicht bereut.


    Tony Amato hat vor 60 Jahren auf der früher ehrenwerten Bowery ein Brownstone gekauft, ein Haus mit gerade mal 6 Meter Breite und drei Stockwerken. Bezahlt hat er damals 20000 USD (heute hat er schon mal 2.000.000 USD abgelehnt).


    Er baute ein Opernhaus im Miniaturformat; was man halt so in ein Mietshaus mit 6 m Schaufensterfront reinkriegt ;-) Aber alles war da: ein Besucherraum mit einer Handvoll (Klapp-) Stuhlreihen (insgesamt immerhin ca 100 Plätze), einen Balkon, eine Bühne mit schätzungsweise 30qm, einen "Orchestergraben" für max 8 Musiker in Käfighaltung, einen Fallschacht für dramatische Effekte, einen schweren Vorhang, der rauschend auf und zu ging sowie natürlich den "Kronleuchter", eine Ausführung, die in jedes stilvolle Wohnzimmer passen würde. Und es war in der Tat ein erhebender Moment, als nach dem dritten Gong und niedergingendem Licht dieser Kronleuchter - wie im richtigen Opernhaus - nach oben gezogen wurde. Auch wenns nur ungefähr ein Meter war ;-) Die gesamte Bühnendeko wirkte wie mit der Laubsäge geschnitten, liebevollste Detailarbeit eines Leidenschaftlichen.


    Der Orchesterpart wurde, aus verständlichem Platzmangel, von solistischen Bläsern und einem (elektr.) Klavier, das den Steicherapparat abdeckte, besetzt. Ein weiterer erhebender Moment war, als Maestro Amato im schwarzen (mittlerweile etwas zu groß ausfallenden) Frack und strenger Dirigentenmine sein Pult bestieg und - wie ein Großer - mit ausladenden und leidenschaftlichen Gesten das Mini-Orchrester dirigierte. Zum Niederknien.... Beeindruckend war auch, daß auf der Minibühne - wenns nötig war - ein ganzer Chor nebst den Solisten Platz hatte (in Madame Butterfly sinds ja meines Wissens zwei Auftritte eines Chores; ein kleines Gedränge wars allemal).


    Reizvoll war auch die Tatsache, daß die Ressourcen effizient genutz wurden - sowohl die baulichen, als auch die personellen. Ganze Bühnenbilder wurden im Treppenhaus zwischengelagert, Bühnen"bauten" standen im überdachten Freien, Darsteller, die die Bühne nach hinten verliesen, mußten über den Hof, um das Haus herum und vorne zum Eingang und durchs den Zuschauerraum wieder herein. Mr Pinketon verkaufte Eis in der Pause, Butterfly Cho Cho San wieß die Plätze an und Suzuki entwertete die Tickets - alles in voller Bühnenmontur. Hinreisend.


    Mr Amato bot jungen Sängern eine Heimstatt, unterstütze sie in ihrem Vorhaben, war eine Vaterfigur für sie und bot Ihnen Aufführungs- und Übungsmöglichkeiten. Viele dankten es ihm später, als sie Stars an der Met oder der NYCO waren, indem sie für ein bescheidenes Honorar (früher wie heute 10 USD) bei Ihm sangen.


    Ach ja, ich komm schon wieder ins Schwärmen - schade, daß solche Unikate irgendwann mal nicht mehr da sind......


    In diesem schwärmerischen Sinne herzliche Grüße
    Thomas