LE NOZZE DI FIGARO - Linz, 14.2.2009

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    Die Zusammenfassung zuerst – wer „Le nozze di Figaro“ in einer zeitgemäßen Interpretation erleben möchte, setze sich in den Zug oder ins Auto und fahre nach Linz ins Landestheater. Mit dieser Produktion (Regie: Olivier Tambosi, Bühnenbild und Kostüme: Frank Phillipp Schlößmann, musikalische Leitung: Dennis Russel Davies) hat die Kulturhauptstadt 2009 einmal mehr den Sprung in eine höhere Klasse geschafft (wenngleich die gestrige Premiere NICHT Teil des offiziellen Programmes war).
    Olivier Tambosi, der hier schon einige Werke in Szene gesetzt hat, nimmt Text und Partitur wörtlich (nur wenige Takte sind gestrichen), erinnert an die originale Komödie des Pierre Augustin Caron de Beaumarchais und zitiert immer wieder kaum merklich die Vorgeschichte des „Barbiere di Siviglia“. Was dabei entsteht, ist nicht eine bunte Kostümorgie in einem historisierenden Ambiente, sondern Szenen einer im Alltag gelandeten Ehe, die zufällig im Schloss des Grafen spielt, aber ebenso von bürgerlichen Paaren gelebt werden könnte. Als logische Konsequenz dieser Austauschbarkeit der Umstände, sind die handelnden Personen auch mit Anzug und Krawatte oder Hauskleid und Pumps gekleidet. Und es wirkt auch nicht peinlich oder aufgesetzt, wenn die handelnden Personen sich in ihrer Unterwäsche auf der Bühne tummeln, denn Realität wird in dieser Inszenierung groß geschrieben. Diese Realität geht so weit, dass Barbarina (ähnlich der Urauführung) von einem 15jährigen Mädchen gesungen wird und auch der Chor der Dorfmädchen von Mädchen gesungen wird.
    Dass dieser Graf schon bessere Zeiten erlebt haben muss, sieht man an der Ausstattung des Schlosses. Der einstige Prunk ist bloß noch an der Dimension des Raumes zu erahnen, der in Fläche und Höhe an Zimmerfluchten bedeutender Schlösser erinnert; wenige Requisiten zitieren das Interieur und ermöglichen einen schnellen Szenenwechsel auch während des Spiels.
    Wunderbar gezeichnet sind die Personen, und zwar bis zur kleinsten Rolle. Graf und Figaro sind einander beinahe zum Verwechseln ähnlich, Bartolo ist die personifizierte Hinterhältigkeit, Susanna ein reizendes Biest, die Gräfin liebend und verzweifelt gleichzeitig, Cherubino pubertierend androgyn mit langen Haaren, und nicht zuletzt die hervorragend karikierte Charakterstudie der Marcellina.
    Trotz herrschender Grippewelle kommt auch die gesangliche Seite nicht zu kurz und es spricht für Linz, dass einzig Christiane Boesiger (Contessa) nicht dem hauseigenen Ensemble angehört, alle anderen Rollen aber bestens aus ebendiesem besetzt werden können. Martin Achrainer ist ein stimmgewaltiger, aalglatter Graf Almaviva, der in Steffen Rössler einen stimmlich wie darstellerisch ebenbürtigen Figaro zur Seite und als Gegenspieler hat. Deren Partnerinnen sind Christiane Boesiger, die mit der Gräfin eine neue Rolle gefunden hat, mit der sie auch an prominenteren Häusern reüssieren könnte und die die vom Gatten betrogene und gedemütigte Frau szenisch und stimmlich mehr als glaubwürdig erleben lässt und als Susanna die junge Anja-Nina Bahrmann, die optisch und gesanglich überzeugen kann. Ein wenig zu hell ist mir die Stimme von Katerina Hebelkova, die sich als Cherubino dem Publikum als neues Ensemblemitglied erfolgreich vorstellen konnte. Karen Robertson spielt die Marcellina als herrlich schräge Figur, eine Charakterstudie ist auch William Mason als Bartolo. Und auch Basilio, Don Curzio und Antonio sind mit Matthäus Schmidlechner, Hans-Günther Müller und vor allem auch Leopold Köppl stimm- und typgetreu besetzt. Ein besonderes Lob verdient die erst 15jährige Nadine Follrich als Barbarina.
    Gut einstudiert waren auch der Chor des Landestheaters Linz und der Singschulchor der Stadt Linz. Das Bruckner Orchester Linz konnte unter seinem Chefdirigenten Dennis Russel Davies einmal mehr sein Können unter Beweis stellen.
    Trotz des späten Endes nach 23 Uhr bejubelte das Publikum begeistert eine mehr als gelungene Premiere. Und ich werde noch ein zweites Mal kommen.


    Michael 2


  • Da kann ich doch mit Recht stolz sein auf meine ehemalige Schülerin Anja-Nina Bahrmann...