Haydn, Joseph: Sinfonie Nr. 36 Es-Dur

  • Sinfonie Nr. 36 Es-Dur


    Besetzung: je zwei Oboen und Hörner, Streicher (Fagott mit der Baßstimme), Solo-Violine & -Cello


    komponiert vermutlich entgegen der laufenden Nummer schon 1761-63 in der frühen Eszterhazy-Zeit, die konzertanten Elemente teilt das Werk ja mit einer Reihe weiterer aus der Zeit bis 1765.



    1. Vivace (3/4)
    Es beginnt ohne Umschweife mit dem schwungvollen Hauptthema
    Bemerkenswert die Hornfanfaren in der Überleitung, die aber nicht zu einem solistischen Hervortreten dieser Instrumente (wie in 31 oder 72) führen. Das etwas nachdenkliche Seitenthema steht in der Moll-Dominante b-moll (was nach Lessing ebenfalls auf eine frühe Entstehungszeit hindeutet), es folgen Anklänge an das erste Thema und die Exposition schließt in B-Dur mit der Hornfanfare.
    Die recht ausgedehnte Durchführung beginnt mit dem Haupthema, dann wird ein kleines Motiv daraus zwischen den Geigen hin und her geworfen, anschließend ein anderes abgespaltet, wonach das Thema noch einmal beinahe vollständig erscheint. Dann erhält das Seitenthema noch einmal Raum, anschließend setzt die Reprise ein, die (außer leichten Kürzungen) keine wesentlichen Änderungen aufweist.



    2. Adagio (B-Dur 2/2)
    Reine Streicherbesetzung, aber durchgehend konzertierende Solo-Violine und Solo-Cello.
    Der Satz beginnt "sprechend" mit einer barock-punktierten Geste, wonach das Duett von Violine und Cello beginnt. Es wird immer wieder durch die punktierte Passage unterbrochen und in einem Mittelteil wird dieses Motiv durchführungsartig verarbeitet. Die "Reprise" des ersten Teils ist variiert gestaltet und bietet noch üppigere Figurationen der konzertierenden Solisten.



    3. Menuett
    Das kurze Menuett weist am Beginn des 2. Teils eine kleine durchführungsartige Verarbeitung eines Motivs auf.
    Bemerkenswerter ist das Trio (B-Dur): Streicher und Oboen fallen nach beinahe grellem Beginn in chromatische Melancholie, gegen die sich Ländlermotive nicht behaupten können.



    4. Allegro 2/4
    Ein Sonatensatz mit einem schwungvoll aufsteigenden Dreiklangsthema; Lessing weist auf die von Beginn an auftretende imitatorischen Einsätze hin, die auf die Überleitung prägen. Wie im Kopfsatz steht das rasch vorbeihuschende Seitenthema in b-moll. Die Durchführung folgt im wesentlichem der Verlauf der Exposition mit intensivierter imitatorischer Arbeit, auch das Seitenthema taucht gegen Ende auf. Die Reprise bringt keine Überraschung, ist allerdings deutlich verkürzt (30 Takte gegenüber 50 der Exposition). Ein sehr spritziges, aber auch vergleichsweise gewichtiges Finale, besonders wenn man sich die vielen simplen dreiteiligen Kehrausfinali, die in dieser Zeit noch recht häufig auftreten vor Augen hält.


    Insgesamt sicher kein besonders herausragendes Werk, aber eines mit bemerkenswerten Einzelheiten.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mit der Sinfonie Nr 35 habe ich ein Drittel meines Vorsatzes - alle Haydn Sinfonien in der Reihenfolge ihrer Nummerierung ,die bekanntlich nicht der (teilweise unbekannten) chronologischen entspricht, abgeschlossen. Und eine Hörpause erschien mir angebracht. Aber scheinbar ist der Sog dieserSinfonien so groß, daß ich mich heute entschloss - nach und nach weiterzumachen. Hier kommt noch hinzu, daß ich nicht allzu viel über den Kontext nachzudenken und zu schreiben habe, da dies die Threadersteller bereits in vorbildlicher Manier erledigt haben.

    Die Sinfonie Nr 36 wird in den diversen Konzertführern und Booklets eher übersprungen, und ich gestehe, daß ich sie - wie die Nummern drum herum nur in einer einzigen Aufnahme besitze, nämlich in jener Gesamtaufnahme unter Dennis Russel Davies, die sich als solide Wahl entpuppt hat, mit Höhen und Tiefen, indes nichts davon ausgeprägt (wobei ja die "großen" Sinfonien noch ausständig sind. Insgesamt zeichnen sich die Aufnahmen indes durch eine gewisse "Frische" aus - aber im allgemeinen ohne jene aggressive Attitüde, die manchen Aufnahmen eigen ist.

    Das Booklet dieser Aufnahme schreibt über das Werk keinen Satz, ordnet es aber den frühen Sinfonien im Dienst des Fürsten Esterhazy zu.

    Eigenartigerweis fiel mir beim Abhören in etwa das ein , was Johannes Roehl am Schluß seines Beitrags geschrieben hat:

    "Kein besonders herausragend es Werk" - indes aber typischer Haydn - wohl ausbalanciert und gefällig. Und hier sind wir bei einem Knackpunkt angelangt: dieses "nicht herausragend" liest sich aus heutiger Sicht als Negativ-Attribut - war aber zu Haydns Zeiten gewiss keines. Nicht um jeden Preis "originell", nicht bizarr, nicht aggressiv, sondern wohl austariert und ansprechen - und dabei keineswegs langweilig. Musik eben wie sie die adeligen Auftraggeber gern hörten.


    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 2100

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mit dem Erwerb der hier gezeigten CD der Heidelberger Sinfoniker unter Thomas Fey habe ich nicht nur die Knappheit in Sachen Sinfonie Nr 25 beseitigt, sondern auch jene der Sinfonie Nr 36 über die Johannes Roehl schreibt:

    Insgesamt sicher kein besonders herausragendes Werk, aber eines mit bemerkenswerten Einzelheiten.

    Das will ich gar nicht beurteilen. Weil ich suche nicht nach "herausragenden Werken, nach "Geniestreichen" oder "Innovationen", sondern nach gefälliger eingängiger Musik. Und hier kann diese Sinfonie zweifellos punkten.

    Das Wort "gefällig" hat in den Augen vieler Zeitgenossen einen üblen Beigeschmack. Sie quälen sich (und uns) mit Musik (und anderen "Kunstwerken", die man sich erst mühsam "erarbeiten" muss. "Gefällig" hat den Beigeschmack des "Durchschnittlichen" - und "Durchschnitt" ist heute ein Negativattribut, jeder will ganz vorn oder oben mit dabei sein - und schafft in der Regel nicht mal Unterdurchschnittliches.

    "Gefällig" war einst eine positive Aussage - ebenso wie "Elite", was ja nichts anderes bedeutet, als "die Besten, die Auserlesenen"

    Wohl wissend, daß kaum einer diesen Ansprüchen gerecht wird, ist diese Bezeichnung zum Haßobjekt geworden.

    Und damit ich den Kreis schliesse: Haydn gehört mit Sicherheit zur Elite der Komponisten - und vor allem dann, wenn es ihm gelingt aus einfachen Motiven großartige Musik zu schaffen.

    Die Sinfonie Nr 36 ist - je nach Standpunkt - großartige Musik - die Freude macht - und wird daher allen suspekt sein, die etwas anderes erwarten...


    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 2.400

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !