Hallo liebe Opernfreunde!
Nachdem ich mich heute intensiv mit der Oper Rinaldo, meiner Lieblings-Händeloper, beschäftigt habe, liegt es nur nahe, dass ich ihr nun einen eigenen Thread widme, ganz im Sinne des Jubiläumsjahres 2009.
Zuerst einmal eine grobe Skizze der Handlung: Im Jahre 1099 im heiligen Land (ein eigener Thread zum Hintergrund folgt noch)belagert ein christliches Kreuzfahrerheer die Stadt Jerusalem, um sie aus den Händen des muslimischen Fürsten Argante zu befreien. Anführer des Kreuzheeres ist Goffredo, seine wichtigsten Gefolgsleute und Freunde sind Eustazio und der Titelheld Rinaldo. Rinaldo liebt Almirena, Goffredos Tochter und bittet ihn um die Hand der Geliebten. Goffredo verspricht ihm ihre Hand, wenn Jerusalem gefallen ist. Es kommt zu Verhandlungen zwischen Argante und Goffredo, wo ein dreitägiger Waffenstillstand vereinbart wird. Rinaldo nutzt die Pause vom Kampf und eilt zu Almirena. Als sich die beiden treffen erscheint die Zauberin Armida und entführt Almirena. Armida und Argante machen gemeinsame Sache und die Zauberin hinterlässt zwei Furien, die Rinaldo verspotten.
Rinaldo ist wütend und will mit Waffengewalt gegen die Zauberin vorgehen, während Goffredo und Eustazio den Rat eines Zauberers einholen wollen, um die Zauberin mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.
Doch Armida will mehr – Almirena reicht ihr nicht, sie schickt Sirenen, die die Kreuzfahrer verwirren sollen und Rinaldo zu ihr locken sollen. Es gelingt den Sirenen den Widerstand Rinaldos zu brechen und ihn auf ihr Schiff zu locken, das mit Rinaldo davonsegelt. Das Schiff bringt ihn in Armidas Zaubergarten, wo schon Almirena und Argante warten. Argante gesteht der verzweifelten Almirena seine Liebe und verspricht ihr sie und das Kreuzheer zu schonen, wenn sie ihn heirate.
Armida feiert ihren Triumph über Rinaldo, der sie aber mit seiner Kühnheit und der Dreistigkeit als Gefangener Forderungen zu stellen begeistert. Er begeistert sie so sehr, dass sie sich in ihn verliebt und ihm dies auch mitteilt. Armida verwandelt sich abwechselnd in Almirena und dann wieder zurück, um Rinaldo für sich zu gewinnen, doch Rinaldo bleibt in seiner Liebe zu Almirena unbeirrbar. Armida ist wütend und schwört ihm Rache und nimmt erneut die Gestalt Almirenas an. Da kommt Argante, der versucht sich an Almirena heranzumachen, er wird aber abgewiesen, da diese Almirena ja Armida ist. Sie beschimpft ihn des Verrats und er stürmt wutentbrannt davon und schwört auf sein Schwert, dass er die Kreuzritter besiegen werde.
Von fernem sieht man Armidas Zauberschloss, ebenso Eustazio und Goffredo, die mit dem Zauberer versuchen das Schloss zu infiltrieren. Der Zauberer warnt die beiden vor den Kräften Armidas und die beiden bekommen diese auch sofort zu spüren: Ein Drache vertreibt die beiden. Doch mit Hilfe zweier Zauberstäbe gelingt es ihnen den Drachen zu vertreiben und den Berg, auf dem Armidas Schloss steht zu überwinden. Der Berg wandelt sich zu einem See, zu dem die beiden Ritter hinabsteigen.
Im Garten der Armida hat sich die Situation zugespitzt. Armida will Almirena töten, da sie hofft, dass Rinaldos Liebe zu Almirena so enden wird. Rinaldo will Armida aufhalten, doch die Zauberin sendet zwei Erdgeister, die Rinaldo festhalten. Als Armida Almirena mit dem Schwert durchbohren will, tauchen Goffredo und Eustazio auf und berühren mit den Zauberstäben die Sträucher des Gartens, die daraufhin verschwinden, mit ihnen die Geister, wodurch Rinaldo Armida vertreiben kann. Im Hintergrund sieht man in der Ferne Jerusalem, dass man nun mit vereinten Kräften erobern will.
Armida und Argante versöhnen sich und lassen ihre Truppen vor ihnen in Richtung Jerusalem erobern. Man bereitet sich auf die Schlacht vor, die beiden Parteien sind fest entschlossen sie zu gewinnen.
Es kommt zum Kampf, der durch den Mut und den Einsatz Rinaldos zu Gunsten der Kreuzritter entschieden wird. Am Ende des Kampf es nimmt Rinaldo Argante gefangen und führt ihn zu Goffredo, ebenso gelang es Eustazio mit seinem Zauberstab Armida gefangen zu nehmen, die er nun ebenfalls zu Goffredo bringt.
Armida und Argante gestehen ihre Niederlage und erkennen an, dass sie von einem viel mächtigeren Gott als dem ihren geschlagen wurden und nehmen den neuen Glauben an. Almirena und Rinaldo bekommen den Segen Goffredos und Argante und Armida gehen eine Liebschaft ein. Mit allgemeinem Jubel endet die Oper.
Wie ihr schon an der Inhaltsangabe erkennen könnt, hat die Oper alles, was ein Stück der damaligen Zeit haben musste, um das Publikum zu begeistern: Special-Effects en masse, Massenszenen, Pferde auf der Bühne (auch wenn bei der UA keine vorhanden waren, wie ein Zuschauer, der das Libretto mitlas entsetzt feststellte) und natürlich große Sänger und Sängerinnen und in diesem Falle eine der besten „Musicken“, die Händel überhaupt komponierte.
Wie kam es überhaupt zum „Rinaldo“. Im Jahre 1710 wurde Händel der Posten des Kapellmeisters von Hannover angeboten, eine Folge von einflussreichen Kontakten, die Händel auf der Italienreise geknüpft hatte. Gemäß einer älteren Vereinbarung des Komponisten mit dem Prinzen Ernst, dem Bruder des Fürsten, war es Händel gestattet, sich längere Zeit von seinem Dienstort zu entfernen, was der Maestro auch sogleich tat. Er reiste nach Halle um seine Mutter zu besuchen, danach nach Düsseldorf und dann nach London, wo er hoffte, ein Libretto zum Vertonen zu bekommen. Es sollte so geschehen und so blieb er ganze acht Monate in London, um auch die Aufführung der Oper zu überwachen. Der Librettoentwurf stammte vom Impresario Aaron Hill, der sich bei Torquato Tassos „Gerusalemme liberata“ bediente.
London um 1710
In London selbst war die italienische Oper unterrepräsentiert, da italienische Ensembles nur als „Pausenfüller“ für die Pausen in Schauspielen dienten. Im Jahre 1710 plante der schon genannte Aaron Hill, Impresario am Haymarket Theatre „die englische Oper in größerem Glanze als ihre italienische Mutter zu etablieren“, sodass er sich einfach das Libretto von Giacomo Rossi griff und es auf englisch übersetzen ließ, sodass jeder im Publikum verstehen konnte, was auf der Bühne geschah.
Eigentlich wollte Hill ja Bononcini für diesen „Job“, doch dieser lehnte ab, da ihm das Risiko eines Fiaskos zu hoch erschien.
Einstudierung einer Oper-Marco Ricci, der Kastrat rechts ist Nicolini (Siehe unten)
Im Vorwort des übersetzten Librettos, das bei der Uraufführung verteilt wurde, bedauert Hill die Fehler, die bei der Übersetzung gemacht wurden, da es ihm nicht möglich war in der kurzen Zeit (Händel schrieb die Musik in nicht einmal drei Wochen) alle Texte redigieren zu lassen, da Händel einige ältere Texte und Noten in die Oper einfügte (ua aus „Il trionfo del tempo e del disinganno“).
Partitur
Am 24. Februar 1711 kam es am Queens Theatre am Haymarket zur Uraufführung.
Es sangen:
Rinaldo Nicolini Altkastrat
Goffredo Francesca Vanini-Boschi (S)
Eustazio Valentini Altkastrat
Almirena Isabella Girardeau
Armida Elisabetta Pilotti-Schiavonetti
Argante Giuseppe Maria Boschi (B)
Magier Giuseppe Cassani Altkastrat
Bühnenbild Marco Ricci
Die Oper wurde ein unglaublicher Erfolg und man sparte nicht an Spezialeffekten: Zum Beispiel stürzte die komplette Bühne zweimal ein (Armidas Zauberberg/Schlacht), in der Waldszene wurden echte Spatzen eingesetzt, was allerdings auch einige Kritiker auf den Plan rief, die die unglaubwürdige Handlung und die übertriebenen Kostüme (Nicolini trug Roben aus Hermelin, während die Boote aus Papier waren) kritisierten.
Nichtsdestotrotz war die Oper ein Publikumsmagnet, alleine bis zum Saisonende wurde sie 15 Wiederholungen, bis zum Jahr 1717 47.
Natürlich wechselten die Sänger. Hier ein Überblick über die Aufführungen in den Jahren 1711-1717 (soweit bekannt):
RINALDO
Nicolini (Niccolo Grimaldi) (AK) 1711+1712
Jane Barbier (S) 1713
Diana Vico (S) 1714,1715
ARMIDA
Elisabetta Pilotti-Schiavonetti 1711-1717
ALMIRENA
Isabella GIrardeau 1711
Maria Manina 1712+1713
Anastasia Robinson 1714+1715
GOFFREDO
Francesca Vanini-Boschi 1711
Francesca Margherita de l´Epine 1712+1713
Caterina Galerati 1714+1715
Antonio Bernacchi 1717
EUSTAZIO
Valentini 1711
Jane Barbier 1712
ARGANTE
Giuseppe Maria Boschi 1711
Salomon Bendeler 1712
Richard Leveridge 1713
Angelo Zanoni 1714,1715
Gaetano Berenstadt 1717
Nach der Aufführung reiste er zurück nach Hannover, aber er blieb dort nicht lange, denn es zog ihn zurück nach London, um dort die italienische Oper voranzutreiben, aber das ist eine andere Geschichte…
Im Jahre 1718 wurde der Rinaldo umgearbeitet, allerdings nicht von Händel, sondern von Leonardo Leo, der diese eine Aufführung auch leitete. Am 1.10.1718 feierte Kaiser Karl VI. in Neapel seinen Geburtstag. Diesem Anlass entsprechend arbeitet Leo Rinaldo um, die Sängerriege ist heute unbekannt, bis auf die Tatsache, dass Leo den Rinaldo von 1711 als Goffredo engagierte und Anna Vincenza Dotti als Almirena sang.
Es entstand dann noch eine zweite Fassung (dritte Fassung, wenn man die Leo Fassung mitrechnet) im Jahre 1731, als Händel das Haymarket Theatre selbst leitete. Er änderte einige Arien für seinen Hauskastraten Senesino
Diese Fassung hatte am 6.4.1731 Premiere und wurde 6 mal wiederholt.
Die Besetzung lautete damals:
Rinaldo Senesino
Almirena Anna Strada del Po
Armida Antonia Margherita Merighi
Argante Francesca Bertolli
Goffredo Annibale Bio Fabri
Zauberer Giovanni Giuseppe Commano
Philippe Jaroussky als Rinaldo
Weiters wurden ab dem Jahr 1715 in Hamburg am Theater am Gänsemarkt regelmäßig Vorstellungen vom Rinaldo gespielt. Bis zum Jahr 1730 (aber nicht jede Saison) ca. 40. Die musikalische Leitung der Aufführung hatte ein gewisser Reinhard Keiser inne.
Händel schafft es in dieser Oper soviele eingängige Melodien zusammenzusuchen, wie in kaum einer anderen Barockoper. Beinahe jede Arie ein Ohrwurm, manche haben sich durchgehend gehalten „Lascia chío pianga“, z.B. Für mich ist diese Oper ein Paradebeispiel der Barockoper und gleichzeitig auch ein zeitloses Stück Musiktheater, in dem die, zweifellos fragwürdige, Überlegenheit einer Religion gepriesen wird. Eine Thematik, die wohl nie sterben wird. Wie gesagt, im Rinaldo finden sich zuhauf wunderbare, große und zutiefst berührende Momente. Meines Erachtens nach sein größtes Meisterwerk und das ohne große Chorszenen , gut der Schlussgesang ist als Coro tituliert, aber das ist in beinahe jeder Seria-Oper so.
Nun zu den Aufnahmen:
Freiburger Barockorchester - Rene Jacobs
Rinaldo - Vivica Genaux
Almirena - Miah Person
Armida - Inga Kalna
Goffredo - Lawrence Zazzo
Eustazio - Christophe Dumaux
Argante - James Rutherford
Eine meisterhafte HIP-Aufnahme, die in jedes Opernregal gehört. , lediglich eine Kleinigkeit stört mich, ich hätte den Rinaldo gern von einem Countertenor interpretiert gehabt, aber eine grandiose Genaux macht dieses Manko locker weg.
Etwas billiger, aber dennoch nicht viel schlechter:
Aradia Ensemble - Kevin Mallon
Rinaldo - Kimberly Barber
Goffredo - Marion Newman
Almirena - Laura Whalen
Armida - Barbara Hannigan
Eustazio
Argante - Sean Watson
Bei weitem nicht so gute Sänger und kein solches Spitzenensemble wie bei Jacobs, dennoch eine Aufnahme zum Genießen!
HÄNDE WEG HIERVON!
Teilweise willkürlich besetzt (Goffredo-Tenor) und absolut unHIP, die Tonqualität bei NE ist grauenhaft. Diese Aufnahme gibt’s auch bei Brilliant, da ist die Tonqualität schwer in Ordnung und nur der Vollständigkeit halber zu empfehlen.
Weiters ist mir noch eine Aufnahme bekannt, aber ich besitze sie noch nicht. Wenn jemand diese Aufnahme besitzt, wäre ich sehr dankbar für eine „Kritik“:
Ich bin mir fast sicher, dass diese Aufnahme ein Hit ist, alleine wegen des Dirigenten und der Bartoli, lediglich der hohe Preis, der weit über meiner Schmerzgrenze liegt, hält mich davon ab diese Aufnahme in meine Sammlung aufzunehmen.
Und nun sei die Diskussion eröffnet!
LG joschi
PS: Hier noch ein Buchtipp:
Gucksdu