Aimez vous ... Dvorak?

  • Liebe ForianerInnen,


    in Anlehnung an den Buchtitel von Francoise Sagan „Aimez vous Brahms?“, formuliere ich eine Thread-Frage, die ich leider beantworten muss mit dem Ausruf:
    „Je regrette: Non!“


    Johannes Brahms war sich nicht zu schade, über Dvorak Folgendes verlauten zu lassen:
    «Der Kerl hat mehr Ideen als wir alle. Aus seinen Abfällen könnte sich jeder andere die Hauptthemen zusammenklauben.»


    Ich persönlich muss aber gestehen, dass ich recht wenig anfangen kann mit dem böhmischen Kolorit und dem mährischen Idiom in den Werken des trefflichen Musikanten aus Prag.
    (Aber ich achte selbstverständlich jede(n), der/die sich in diesem Thread verlauten lässt: Was mich an Antonín Dvorák fasziniert....)


    Mit wenigen Ausnahmen, so etwa dem langsamen Satz aus seiner vierten Sinfonie, (na ja: das Cellokonzert h-moll ist auch nicht übel...) klingt vieles von Dvorak für meine Ohren einfach wie, hmmm...„gehobene Folklore“: Da gibt es massenweise kunstvoll aufgemotzte „Polka-Seligkeiten“, haufenweise artifiziell gestylte „Furaintismen“ und akademisch-elaborierte „Dumkysmen“ und, nicht zuletzt, Myriaden von tränendrüsenstrapazierenden „Rusalkigkeiten“...


    Man nehme bitte meine Wortwahl nicht allzu ernst, ebenso nicht meine bewusst eingesetzte Polemik, denn ich bin mir sehr wohl im Klaren, dass Dvorak einer der wenigen allgemeinverständlichen Säulenheiligen der klassischen Musik darstellt, und es liegt mir ehrlich fern, ihn von seinem hoch verdienten Sockel herunterzuholen (ist doch etwa sein Klaviertrio op. 21 ganz grosse Kunst, oder auch sein Klavierquintett, oder sein Violinkonzert, oder seine Mittagshexe, seine Waldtaube und, und, und...).
    Aber ich erlaube mir dennoch - insbesondere behufs forianischer Anregung - die unverschämte Frage in die Runde zu werfen, ob Dvorak nicht doch etwas gar zu exklusiv bewertet wird (das heisst explizit: zu Ungunsten eines Suk, Novak, Fibich, Foerster), und die tendenziöse Rede vom böhmisch-mährischen, naiv-folkloristischen Erzmusikanten nicht halt doch eine gewisse Berechtigung hat... (was ich keineswegs abwertend, sondern einordnend, verstanden haben will!).


    Aber zugegeben: ich persönlich habe so meine Mühe mit dem „Humptärätä“-Anton aus Praha, (ganz im Gegensatz zum “Agnus dei“-Anton aus St.Flo).


    Es grüsst freundlich aus Bern


    Walter

  • Ja, Walter, häschd dini Ovo hiet scho gcha?


    Du magst keinen Dvorak?


    Du redest Dich wohl gerne um Kopf und Kragen, wie? (So wie Wulf :lips: ). Kaum kommt der Frühling, bricht sich der Todestrieb Bahn, wie?


    Und gib zu, dass Du die massiven Widerworte, die Du hier provozierst und die kommen werden (das ist Fakt, keine Drohung) genießen wirst... Ich seh den Thread jetzt schon geschlossen :D


    Ob ich Dvorak liebe? Was für eine Frage... Natürlich nicht...


    :hello:

  • Ach Blackadder, wenn Du wüsstest, wie gruuusig die "Ovo" schmeckt, jedenfalls mir....


    Ich hüte mich, Dvorak abzuwerten, das sollte aus meinem Statement hervorgegangen sein.
    Ich habe einfach meine Mühe mit dem gewissen "Böhmakeln" in seiner Musik.
    Mag sein, dass die Schschweiz halt etwas gar sehr im (wilden) Westen liegt...


    Sei gegrüsst aus Bern


    Walter

  • Darf ich eure Maße nehmen, Walter und Blacky??


    Ich fertige Materpfahle nur maßgeschneidert, soviel sind mir die Kunden schon wert. :boese2: :boese2:



    Lieber Walter,


    hast Du es schon mal mit dem Requiem probiert? Mit den späten StrQ? Mit den biblischen Liedern? Oder vielleicht auch mit dem KK? Gerade mit den ersten drei könntest Du Dich mit dem Meister wieder versöhnen, denn hier scheint mir die folkloristische Prägung sehr zurückgenommen.
    Schade, daß Du mit dieser Art von "Natürlichkeit" in seiner Musik nichts anfangen kannst - vielleicht ändert sich das noch.


    Lieber Blackadder,


    bei Dir ist sowieso Hopfen und Malz verloren :lips:


    Zur der Frage: Non, j'adore Dvorak!! :jubel::jubel:


    :hello:
    Wulf

  • Die besseren Sinfonien sind die 6. und die 7., die sich zwar teils recht eng an Brahms anlehnen (bes. die 6. an dessen 2.), aber dafür eben weniger Folklore bieten. Der langsame Satz der 7. ist wirklich sehr schön.
    Auch sind die beiden letzten Streichquartette und das Klavierquintett eine Größenordnung stärker als das charmante "Amerikanische".


    Die Popularität beschränkt sich ja weitgehend auf eine recht eng umrissene Gruppe von Werken. Sie ist m.E. durchaus nachzuvollziehen: Durch den gewissen Volkston sind die Werke oft recht eingängig, allerdings meist unprätentiös und weniger kitschgefährdet als einiges von z.B. Tschaikowsky. Dabei bleibt aber meistens alles recht übersichtlich und wird nicht allzu exotisch usw.
    Brahms Lob war sicher ehrlich gemeint, aber es relativiert sich ein wenig durch seine eigene Mißachtung des "Einfalls". Verglichen mit Brahms ist Dvorak ein unbekümmerter "Vielschreiber", was ihm aber anscheinend in der Gunst des Publikums kaum geschadet hat.
    Insgesamt ein Komponist, der zwar Begeisterung, aber eher selten heftige Ablehnung (wie man sie vermutlich gegenüber Wagner, Bruckner, Brahms, Tschaikowsky nicht selten finden wird) auslöst. Ein Nichtmögen bedeutet hier eher Gleichgültigkeit.
    (Zu den genannten etwas jüngeren böhmischen Komponisten kann ich nichts sagen, weil ich nur ein paar Sachen sehr flüchtig kenne.)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Lieber Wulf,


    Danke für Deine Replik. Ich gestehe, dass ich das Requiem tatsächlich noch nicht kenne.
    (ich bin grundsätzlich kein Freund geistlicher Musik!)


    Aber das G-Dur Quartett op.106 habe ich mir gerade heute angehört: In einer fulminanten Interpretation mit dem Artemis Quartett:



    Ach, das ist doch tolle Musik, ohne Zweifel (so bescheuert bin ich nicht, dass ich dies nicht realisiere). Aber dennoch gibt es gerade etwa im zweiten Satz eine Bordun-Monotonie, Trauer andeutend, die ich einfach schlecht ertrage... Ich weiss doch nicht weshalb! Och, ich leide durchaus an diesem Umstand!


    Das Quartett "atmet den Duft der böhmischen Felder" meint ein gewisser Sourek (Dvorak komponierte es kurz nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten). Ich habe diesen Duft bisher nicht in mein Parfümsortiment aufgenommen.


    Das Klavierkonzert ist mir sehr wohl bekannt (in den Exegesen mit Richter/Kleiber sowie Schiff/Dohnanyi). Aber das spröde Werk reizt mich nicht zu Begeisterungsausbrüchen.
    (By the way: spielt Schiff in der genannten Aufnahme auf Bösendorfer? Weiss das Jemand? Eigenartiger Klavierklang, den ich eben auch nicht so liebe, wissen die Böhmen, weshalb...)


    Lieber Gruss aus Bern


    Walter

  • Die selten zu findene völlige Ablehnung Dvoraks begründet sich wohl darin, dass seine Musik nicht oder kaum provoziert (im Gegensatz zu den genannten Namen).


    Dass Nr. 6 und 7 die besseren Sinfonien seien, kann ich nicht unterschreiben. 7 finde ich sehr gut, aber 8 ist für mich der Gipfel Dvorak'scher Expressivität.
    Wenn du dir diese Sinfonie mit R. Kubelik/Berliner Phil. anhörst und danach nicht überwältigt bist, dann weiß ich auch nicht weiter
    :pfeif:
    (aber das wird nicht passieren :yes: )

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Durch den gewissen Volkston sind die Werke oft recht eingängig, allerdings meist unprätentiös und weniger kitschgefährdet als einiges von z.B. Tschaikowsky. Dabei bleibt aber meistens alles recht übersichtlich und wird nicht allzu exotisch usw.


    Du hast recht, lieber Johannes, die Siebente hat ihre Meriten, weil der Volkston darin etwas zurückgedrängt ist.
    Kann mir jemand erklären, was diesen Volkston ausmacht, den ich bei Dvorak nicht so schätze?
    Ich wills ja nicht a tout prix kompliziert und unverständlich, aber manchmal ist mir der Dvorak-Ton tatsächlich zu "einfältig" (ich meine das nicht abwertend, im Sinne von "doof", sondern zu "eindimensional" irgendwie, ach ich weiss doch nicht...)


    Walter

  • Ja, ja. Die Schleifmaschine für die Kriegsbeile läuft, die Lederrriemen frisch gefettet und Pfeile sind genug da... :D


    Obwohl es natürlich schwer ist, objektiv zu bleiben, wenn es um seinen Lieblingskomponisten geht und dem man auch größte Schwächen nachsehen würde ( die er natürlich keinesfalls hat ;) ) muß man schon zugeben, daß auch bei Dvorak die Qualität der Werke unterschiedlich ist.


    Ja, er ist in einigen Frühwerken ein Wagner-Epigone, und ja, er hat auch schon mal Schwierigkeiten, seinen überbordenden Einfallsreichtum im Zaum zu halten. Aber er hat das auch durchaus selbstkritisch erkannt und Frühwerke vernichtet.
    Als was ich ihn aber nie empfunden habe, als "naiv-folkloristisch". Ja, natürlich, er schöpft aus der Folklore, aber er kopiert nicht, sondern schafft aus seinen Inspirationen künstlerisch gültig Neues. Ich glaube schon, das Dvorak leicht durch äußere Eindrücke beeinflußbar war. Aber ist das schlimm? Ist es kritikwürdig, die Folklore seiner Heimat in seinem Werk aufzuheben? Ich finde nicht, und bewundere ich ihn gerade dafür.
    Ist Dvorak "zu Ungunsten eines Suk, Novak, Fibich, Foerster" überbewertet? Damit habe ich jetzt komplett ein Problem, weil ich die Logik dahinter nicht verstehe. Ist denn eine Überbewertung von Dvorak schuld an der - zugegebenermaßen vorhandenen und zu bedauernden Unterbewertung der vier Genannten? (nur soviel böhmisch-mährisches darf sein, und wir haben jetzt schon 85% Dvorak, da bleiben für die anderen nur noch 15...)


    Soviel mal auf die Schnelle, ich denke doch, hier wird sich eine interessante Diskussion entwickeln, so gesehen Dank an Walter.


    Aber für das „Humptärätä" wird jetzt doch ein Beil extra scharf geschliffen, das war wirklich starker Tobak :boese2: :boese2:

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Zitat

    Original von rappy
    Die selten zu findene völlige Ablehnung Dvoraks


    Lieber Rappy,


    bitte lies meine Statements genau: Ich gehe nicht davon aus, dass aus meinen Worten eine "völlige Ablehnung" Dvoraks zu lesen ist. Mitnichten!
    Ich bringe in zugegebenermassen etwas burschikosen Worten mein Ringen um das Dvorak-Idiom zum Ausdruck. Wenn nötig, werde ich zu gegebener Zeit durchaus in der Lage sein, Dir meine Kenntnis des Werkes von Dvorak zu demonstrieren:D


    Walter

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  • Hallo Walter,


    ein Missverständnis, der Kommentar war nicht auf deine Äußerungen bezogen, sondern auf JRs Beobachtung:


    Zitat

    Insgesamt ein Komponist, der zwar Begeisterung, aber eher selten heftige Ablehnung (wie man sie vermutlich gegenüber Wagner, Bruckner, Brahms, Tschaikowsky nicht selten finden wird) auslöst. Ein Nichtmögen bedeutet hier eher Gleichgültigkeit.



    :hello:

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von rappy
    Die selten zu findene völlige Ablehnung Dvoraks begründet sich wohl darin, dass seine Musik nicht oder kaum provoziert (im Gegensatz zu den genannten Namen).


    Ja. Aber warum provozieren Brahms, Bruckner oder Tschaikowsky? Einige mögliche Gründe, warum Dvorak weniger, habe ich ja genannt... aber ich weiß auch nicht, wie stichhaltig die letztlich sind.



    Zitat


    Dass Nr. 6 und 7 die besseren Sinfonien seien, kann ich nicht unterschreiben. 7 finde ich sehr gut, aber 8 ist für mich der Gipfel Dvorak'scher Expressivität.
    Wenn du dir diese Sinfonie mit R. Kubelik/Berliner Phil. anhörst und danach nicht überwältigt bist, dann weiß ich auch nicht weiter
    :pfeif:
    (aber das wird nicht passieren :yes: )


    Ich will jetzt nicht mein fortgeschrittenes Alter ausspielen (zumal das andere Forianer ebenso mit mir machen könnten), aber ich habe diese Aufnahme der 8. vermutlich schon gehört, als Du noch nicht schriftlich multiplizieren konntest (aber vielleicht hast Du ja schon Dvorak gehört). Finde die 8. ein nicht unproblematisches Werk. Ich müßte mich näher damit befassen, will aus dem Stand lieber nichts weiter sagen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die in den letzten Jahren steigende Reputation der 6. und 7. Symphonie teile ich, allerdings nicht mit der meist einhergehenden Abwertung der 9., die nicht minder ein formales Meisterwerk ist.


    Das was dem Amerikanischen Streichquartett an letzter Stringenz und "Substanz" fehlen mag, macht es durch Eleganz, Frische und Charme wieder wett.


    Das "Vielschreiber"-Argument führt bei Dvorak zu IMO falschen Schlüssen.
    Tondichtungen wie z.B.Die Waldtaube, die eine raffiniert verschachtelte, monothematische Komposition ist, die alles auf dem einleitenden Trauermarsch ableitet, der am Ende in variierter Form dasteht, oder Othello sind formale Meisterwerke, wie sie Brahms IMO auch nicht hätte viel besser schreiben können.


    Von einem Ausspielen halte ich eh nichts - beide Komponisten waren befreundet und respektierten die Arbeit des anderen.
    Das Vielschreiber-Argument, demzufolge Dvorak ein Drauflosschreiber war ist längst entkräftet, wie in der von Klaus Döge geschriebenen Biographie zu entnehmen ist - Dvorak feilte an vielen Themen übere längere Zeiträume.


    Daß Brahms nicht viel auf den Einfall gab, etnkräftet IMO das Lob für Dvorak nicht wirklich. Schönberg wies auf die durch wegweisenden, auf Janacek Einfluss nehmenden, späte Werke hin.


    Ich liebe Dvoraks Werke, manche mehr, manche weniger - das Argument der "aufgeblähten Folklore", kann ich zwar nachvollziehen, aber nicht teilen. Immerhin hatte Dvorak für seine Tänze eigens komponierte Themen ;)


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Reinhard
    Ja, er ist in einigen Frühwerken ein Wagner-Epigone, und ja, er hat auch schon mal Schwierigkeiten, seinen überbordenden Einfallsreichtum im Zaum zu halten.


    Erstaunlicherweise, lieber Reinhard, gefällt mir ausgerechnet der Wagner-inspirierte langsame Satz aus der Vierten ganz ungemein: Schmacht: Das ist mein Dvorak-Highlight!
    Aber leider ist er "von Wagner abgefallen" :D und dem Volkston verfallen (Achtung: Polemik, genauso wie das "Humptärätä" :D).


    Was die etwas jüngeren böhmischen Brüder betrifft, hast Du natürlich recht mit der Unmöglichkeit numerischer Verteilung. Aber im Konzertsaal hörst Du mit Sicherheit eher eine Dvorak-Sinfonie als eine von Fibich, ganz zu schweigen von Suks "Asrael" oder seinem "Ripening": und das sind mE zwei Jahrhundertwerke tschechischen Schaffens, die jedem "Dvorak" ebenbürtig sind.


    Es grüsst Dich aus Bern der Walter

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    ...ganz zu schweigen von Suks "Asrael" oder seinem "Ripening": und das sind mE zwei Jahrhundertwerke tschechischen Schaffens, die jedem "Dvorak" ebenbürtig sind.


    Ja, das unterschreibe ich sofort. Aber das ist ja hier nicht das Thema...

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

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  • Zitat

    Original von Reinhard Ja, das unterschreibe ich sofort. Aber das ist ja hier nicht das Thema...


    Na ja, lieber Reinhard, es ist immerhin insofern für das Thema relevant, als ich festzustellen geneigt bin, dass das Publikum mit Sicherheit vom böhmischen Gesamtschinken lieber die fetten Dvorak-Scheiben vorgesetzt bekommen will, als den harten Suk-Knochen...:D.


    Das ist a priori nicht zu verurteilen, aber Dvorak ist nun mal massentaugliche Musik, und das meine ich jetzt bitte ohne Abwertung, und das ist nicht der Grund, weshalb ich mich weniger zu Dvorak hingezogen fühle.
    Viel Dvorak im Konzertsaal bedeutet weniger Fibich, Novak und Suk. (Aber das ist ein Gemeinplatz, denn viel Bach in der Kirche bedeutet ebenfalls weniger Krebs u.co. und so weiter.)


    Mich interessieren die Gründe für Dvoraks (erfreuliche) Massentauglichkeit. Es hat etwas mit der Volkston-Nähe zu tun.


    Walter grüsst aus Bern

  • Lieber Walter,


    ich habe sogar schon Suks Ein Sommermärchen vernehmen dürfen - und zwar unter Kirll Petrenko :] - manchmal hat sie echt gute Spielpläne, die Komische Oper Berlin.


    Ja, Suks Asrael ist ein gewaltiges Werk, man beachte die Entstehungsgeschichte, die ja eng mit dem Namen Dvorak verbunden ist.


    Sie braucht nicht hinter Dvoraks Werken zurückzustehen. Aber was bietet der Anton noch? Rusalka, die späten StrQ, die StrQuintette, Dumky-Trio, das Cellkonzert, die Symphonischen Dichtungen...... ;)


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    ... dass das Publikum mit Sicherheit vom böhmischen Gesamtschinken lieber die fetten Dvorak-Scheiben vorgesetzt bekommen will, als den harten Suk-Knochen...:D.


    Lieber Walter,
    wir bewegen uns jetzt wieder in gefährlicher Nähe des Abgrundes, um in eine Tamino-Grundsatzdiskussion zu stürzen.
    Ich bin dann insofern nicht "das Publikum", denn man hätte mir in meinen Jahren als regelmäßiger Konzertgänger lieber mal einen Suk-Knochen vorwerfen oder mich mit Novak in die Tatra schicken sollen. Dann hätte ich die nämlich schon früher gekannt und geschätzt.


    :hello:
    Reinhard

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich will jetzt nicht mein fortgeschrittenes Alter ausspielen (zumal das andere Forianer ebenso mit mir machen könnten), aber ich habe diese Aufnahme der 8. vermutlich schon gehört, als Du noch nicht schriftlich multiplizieren konntest (aber vielleicht hast Du ja schon Dvorak gehört). Finde die 8. ein nicht unproblematisches Werk. Ich müßte mich näher damit befassen, will aus dem Stand lieber nichts weiter sagen.


    Das war jetzt wiederum als Hörinspiration an Walter gerichtet.
    Weiß aber trotzdem nicht, was das mit dem Alter zu tun haben soll, wie man zur 8. von Dvorak steht ?(
    Irgendein bekannter Musiker (du weißt es sicherlich) hat auch mal gesagt, die 6. sei Tschaikowski (?), die 7. Brahms und die 8. und 9. echter Dvorak - habe also auch Leute auf meiner Seite ;)


    Wenn man nach von Beethoven und Brahms kommenden Kriterien urteilt, ist die 8. vielleicht "problematisch", aber hier zieht das Argument von Wulf IMO besonders deutlich :yes:


    Zitat

    Das was dem Amerikanischen Streichquartett an letzter Stringenz und "Substanz" fehlen mag, macht es durch Eleganz, Frische und Charme wieder wett.


    Wenn ich Dvorak höre, will ich keinen Brahms mit geringerer Dichte, aber schöneren Melodien hören...

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Lieber Reinhard


    Du hast recht. Ich gehe davon aus, dass "grins-be-smilte" Aussagen der Lesesüffigkeit dienen sollen und nicht der weiteren Vertiefung bedürfen. Ich frage nicht nach den Volksgeschmack. Ich frage nach den Parametern, die den Eindruck des Böhmisch-mährischen generieren, welcher mir Mühe bereitet.


    Walter

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  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    Mich interessieren die Gründe für Dvoraks (erfreuliche) Massentauglichkeit. Es hat etwas mit der Volkston-Nähe zu tun.


    Aus dem Bauch heraus ein möglicher Grund:


    Jeder erfolgreiche Satz von Dvorak besitzt mindestens einen Ohrwurm, der meist so exponiert präsentiert wird, dass er auch dem total ungeschulten Hörer nicht entgehen kann.
    Irgendeine weitere Ebene der Substanz macht diese Ohrwürmer - wie bei Mozart - aber zu mehr als bloßen einprägsamen Melodiechen und lässt auch den kritischen Kenner aufhorchen.


    Bitte weiter präzisieren oder völlig verwerfen.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von rappy
    Jeder erfolgreiche Satz von Dvorak besitzt mindestens einen Ohrwurm


    Ich glaube, Du hast recht, wobei diesem "Ohrwurm" fast immer etwas Liedhaftes eignet.
    Ich empfinde die Musik Dvoraks sehr vom Lied, vom Gesanglichen her entworfen.
    Da ich persönlich dem Lied nicht so zugetan bin, mögen meine Schwierigkeiten wohl daher rühren.
    Mal so eine Vermutung.


    Gute Nacht wünscht


    Walter

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    Ich empfinde die Musik Dvoraks sehr vom Lied, vom Gesanglichen her entworfen.


    Das kann so sein, wünschte sich doch Dvorak nichts mehr, als als Opern-Komponist erfolgreich zu sein...



    Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    Da ich persönlich dem Lied nicht so zugetan bin, mögen meine Schwierigkeiten wohl daher rühren.


    Ich glaube nicht, daß Du dem Lied noch weniger zugetan bist als ich (zumindest ist mein Geschmack da sehr selektiv), also daran muß es nicht liegen...


    Nicht beantwortet ist freilich die Frage nach dem böhmisch-mährischen Idiom. (Du müßtest ja dann wohl die slawischen Tänze besonders hassen... )
    Hier schweige ich aus Unkenntnis, ich kenne keine originale Volksmusik von dort. Mein Eindruck, was denn "böhmisch-mährische Volksseele" ausmacht, definiert sich eher über Dvoraks Musik.


    So, ich muß jetzt mal schlafen gehen... Ist aber schon ein spannendes Thema


    :hello:
    Gute Nacht!

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Zitat

    Original von Reinhard
    (Du müßtest ja dann wohl die slawischen Tänze besonders hassen... )


    Lieber Reinhard,


    auch wenn Du es ganz klein gedruckt hast (ach, das verflixte Kleingedruckte...):
    Hassen tu` ich überhaupt nichts in der Musik!
    Hassen tu`ich überhaupt grundsätzlich nicht...jedenfalls gebe ich mir alle Mühe!
    ...auch wenn ich mir die Slavischen Tänze tatsächlich nur selten antue... :D.


    Dvorak bereitet mir einfach nicht nur Wohlsein, das ist eigentlich alles.


    Dir auch eine gute Nacht


    Walter

  • Lieber Walter,


    vielleicht ist es bei Dir auch das, was Harnoncourt wie folgt ausdrückt:


    Bei Dvorak ist man viel direkter am Geschehen, seine Aussagen besitzen große Spontaneität. Und bei Brahms dominiert das Kunstvolle, man hat das Gefühl, als schaute man nicht direkt, sondern mit irgendwelchen Geräten. Ich möchte das keinesfalls abwerten, aber es ist eben sehr kunst-voll.


    Vielleicht behagt Dir diese Spontaneität, das Unmittelbare in Kombination mit dem nachmal derb-naiven des Slawischen Idioms weniger...!?


    :hello:
    Wulf

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  • Lieber Walter,


    Das Böhmisch-Volkstümliche kann man mögen oder nicht, das ist nun einmal so. Falls nicht, was kann man tun? Zum Beispiel Dir in großen Mengen köstlichen böhmischen Gerstensaft einflößen, bis der Zustand der Erkenntnis eintritt!
    Ratsamer wäre aber vielleicht, andere Interpretationen von Dvoraks Musik zu wählen, die weniger "böhmisch" klingen (mein Problem ist, daß Dvorak für mich gar nicht übermäßig folkloristisch angehaucht ist, und selbst wenn er es wäre, würde mich das nicht stören - schließlich bin ich Wiener; die haben bekanntlich schon eine halb böhmische Seele...). Daher die Frage, welche konkreten Dvorak-Einspielungen lösen bei Dir die beschriebenen Gefühle aus? Oder tritt der Effekt generell ein? Wieviel Wiedergaben z.B. der Neunten kennst Du?


    LG


    Waldi

  • Meine Lieben,


    ich kann mich heute an der Diskussion leider nicht beteiligen: meine angeschlagene Gesundheit fordert wieder einmal ihren Tribut. Aber ich danke für die Stellungnahmen.


    Drei Anmerkungen seien mir erlaubt:
    Erstens zu meinem Stil: Ich pflege meine (durchaus ernsthaft gemeinten) Beiträge manchmal etwas ironisch-satirisch zu überzeichnen.
    Dies dient meiner Schreibfreude und hoffentlich der Leselust.
    Ich bin weit davon entfernt, provozieren zu wollen.


    Zweitens zu Dvorak: Ich bekenne mich selbstverständlich zur Bedeutung des böhmischen Meisters, aber sein Feuer entzündet mich persönlich leider eher selten
    (auch nicht mit Gerstensaft...).
    Interessanterweise irritieren mich die volkstonlichen Anklänge in der Musik der österreichisch-ungarischen Nachbarkultur überhaupt nicht:
    Ich bin wohl eher ein Csardas- als ein Polka-Typ :D.



    Und: last but not least: „Vivat, Blacky, the prophet!“ :D:hello:


    Mit freundlichem Gruss aus Bern


    Walter

  • Zu- und Abneigungen gegenüber bestimmten Komponisten und Kompositionen sind jedem freigestellt, solange sie nicht allzu unflätig artikuliert werden - das haben wir ja schon oft genug diskutiert. (Auch bringt es meist nichts, die Ungeläufigkeit der einen Komponisten bzw. Werke gegen die Popularität der anderen auszuspielen...).


    Walter hat seine Skepsis bezüglich Dvorak moderat kundgetan - wenn er den "Volkston" und einiges andere nicht mag, kann ich seine Ansicht nachvollziehen, wenn auch nicht teilen. Mit meinem Vater habe ich, als er noch lebte, manchmal über Dvorak diskutiert - er konnte ihn absolut nicht leiden (Brahms allerdings auch nicht), was mich schon sehr früh dazu gebracht hat, mich mit Dvorak (und Brahms) zu beschäftigen.


    Ich habe Dvoraks Musik immer gemocht, einschließlich ihrer folkloristischen Elemente - die bei mir keineswegs zur Abwertung bestimmter Kompositionen führen (die achte Sinfonie folgt mit ihrem Kehraus-Finale halt einem gänzlich anderen Typus als die Siebte, die Neunte ist in mancher Hinsicht dann eine Synthese). Als "Vielschreiber" sehe ich Dvorak nicht, obwohl er zweifellos eine längere Anlaufzeit als Brahms gebraucht hat, der mit seinem op. 1 ja bereits ganz auf der Höhe war.


    Insgesamt halte ich Dvorak für einen bemerkenswert vielseitigen Komponisten, der in Sinfonik, Instrumentalkonzert, Sakralmusik, Lied Hervorragendes geleistet hat - zudem mit der Rusalka auch die m.E. bedeutendste tschechische Oper vor Janacek komponierte.


    Musikgeschichtlich ist die Nähe zu Brahms natürlich vorhanden und führt zu den üblichen Vergleichen. Vergessen wird dabei immer die Entwicklung im Spätwerk, insb. in den Tondichtungen, bei denen Dvorak sehr eigenständig in den Spuren Liszts und Smetanas geht und - wie von Wulf schon hervorgehoben - direkt zu Janacek hinführt.


    Auch das von Walter erwähnte G-dur-Quartett op. 106 weist schon in diese Richtung - die von ihm abgebildete (in der Tat hervorragende und gänzlich unfolkloristische) Aufnahme mit dem Artemis-Quartett kombiniert das Werk ja nicht zufällig mit Janaceks zweitem Streichquartett: gerade der langsame Satz beinhaltet fast unkontrollierte Ausbrüche, wie sie dann auch in den Intimen Briefen vorkommen und die gleichzeitig zurück auf Schubert verweisen - in dessen Tradition des "Aussingens" gegen formale Konzentration Dvorak eh häufig zu verorten ist.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo,


    Ich persönlich mag gerade die speziell volkstümlichen Einwürfe sofern sie natürlich nicht zu oft auftreten (Extremfall natürlich die slawischen Tänze) und gehört für mich zu Dvorak wie zu Mendelssohn die Einflüsse zB Bachs, zu Beethoven die öfters mal auftretenden rebellisch anmutenden Töne usw. - das hilft aber jetzt natürlich Walter auch recht wenig.


    Was sich m.M. nach über "gehobener Folklore" hebt sind sicher einige seiner Sinfonien - ich persönlch mag ebenso sehr die 7. als auch 8. - auch die 5. würde ich als ein recht tiefsinniges Werk abseits der als v. Walter etwas seicht empfundenen Seite Dvoraks sehn. Vor kurzem hörte ich die ersten 2 Sinfonien von Dvorak wo interessanterweise - vor allem in der 1. - ein starker Einfluss Beethovens unüberhörbar ist. Zwar finde ich diese etwas langamtig und stellenweise gegenüber seinen späten Sinfonien noch unausgegoren aber es wäre zum. ein stilistisch
    anderer Dvorak wie man ihn sonst üblicherweise kennt.


    Ein Werk das ich auch sehr schätze aber wohl Walter wahrscheinlich nicht gefallen würde ist seine Streicherseranade - es gibt zwar manch Werke wo man besser in der Detaitiefe rumwühlen kann aber hier jagt wirklich ein genialer thematischer Einfall den Anderen...Ohrwürmer aber auf hohem Niveau. (gut, die Gefahr das man sich schnell daran satt hört ist gegeben aber dann darf man es halt nur selten hören ;) )


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Zitat

    Original von âme
    Ein Werk das ich auch sehr schätze aber wohl Walter wahrscheinlich nicht gefallen würde ist seine Streicherseranade - es gibt zwar manch Werke wo man besser in der Detaitiefe rumwühlen kann aber hier jagt wirklich ein genialer thematischer Einfall den Anderen...Ohrwürmer aber auf hohem Niveau. (gut, die Gefahr das man sich schnell daran satt hört ist gegeben aber dann darf man es halt nur selten hören ;) )


    Muß zwar zugeben, die für Streicher nur flüchtig zu kennen, aber empfehlen würde ich jedenfalls die für Bläser! Die ist zwar auch, gemäß der Serenadentradition, nicht besonders schwergewichtig, aber eine klanglich außerordentlich attraktives und insgesamt m.E. in vieler Hinsicht originelles Werk.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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