Schumann: Carnaval op. 9

  • Ich habe die Aufnahme in einer etwas älteren Variante der tollen 7-CD Box "Yuri Egorov: The Master Pianist", die es - wie ich soeben erst feststelle - für 15.99 immer noch bei amazon gibt! Unbedingt empfehlenswert:


  • Ich habe zuletzt noch einige Stücke aus dem Carnaval aus der obigen CD ( in Schnipseln) angehört. Sehr bemerkenswert, viel besser als mein vorher genanntes YT- Material, nicht nur technisch, sondern auch bei der Interpretation. Die Interpretation trägt der geister- bzw. maskenhaften Komponente des Carnaval Rechnung. Ich würde mich sehr freuen, wenn ein begeisterter FK dazu einige Sätze schreiben könnte.

    2 Mal editiert, zuletzt von Damiro ()

  • Ich habe jetzt wieder mehr Muse und möchte diese zu mehr Mitarbeit hier im Forum verwenden.


    Vor kurzem ist ja Jörg Demus verstorben. Das wurde im Forum bereits zeitnahe gewürdigt. Dennoch kann man die Gelegenheit nutzen, nochmals auf diesen grossartigen österreichischen Pianisten hinzuweisen, siehe Beitrag # 139 mit praktischem Link !!!


    MlG, D. :)

  • Ich wollte den Carnaval einige Zeit lang nicht mehr hören, habe ihn erstmal sattgehabt, vieles andere gehört, z.B. Anouar Brahem, oder Aaron Diehl mit Trio, und auch oft für Stille gesorgt. Es wäre das beste, fünf bis zehn Jahre lang keinen frühen Schumann mehr zu hören. Auch habe ich, über 10 Jahre lang, nur wenig Musik überhaupt gehört.


    Was ist los mit mir ?

    Vorgestern früh weckte mich meine Allerbeste mich mit der freudigen, abber auch reserviert klingenden Botschaft:

    da ist ein Päckchen, hast du da MEHRERE CDs bestellt ? Das Päckchen ist so dick ? Straff !? (zuletzt gar nicht mehr häufig)

    angekommen sind CARNAVALs von G. Oppitz, M. Korstick und ABM (1957), Brian Auger und Ernö von Dohnanyi.


    Darüber möchte ich jetzt sprechen, anfangen allerdings mit den zwei Sofronitsky- Aufnahmen von 1951 und 1959, die ich schon öfter angekündigt hatte.

    Was sollte ich nur über diesen smarten Pianisten sagen, was nicht schon viele pianoforte- affektierte, tief- gläubige, nüchtern- kritische Russinnen lange vorher ihm zugeschenkt hatten (ganz abgesehen von den vielen russischen Frontkämpfern, Musiklehrern, -freunden ?, MG- Schützen und Soldatenköchen, mein Vater im gegenüberliegenden Schützengraben !!!)


    Wladimir Sofronitsky

    ist 1901 in St. Petersburg geboren, hat dort die deutsche Belagerung ab Oktober 1941 bis April 1942 aushalten müssen, dabei einige Konzerte bei minus 3 Grad in Handschuhen mit abgeschnittenen Fingerspitzen gegeben. Es gelingt ihm, aus dieser Hölle von dort wegzukommen, allmählich bessere Zeiten zu erleben,

    Im nächsten Post geht es vor allem um die beiden Carnaval- Aufnahmen des Mannes, der diese Kälte- und Hungerfolter überlebt hatte.

    Einmal editiert, zuletzt von Damiro ()

  • Vielen Dank fürs Ausgraben dieses threads! Dass Oppitz den Carnaval eingespielt hat, wusste ich bis heute nicht - er scheint mir von seiner eher schwerblütigen Anlage (siehe auch auch seine Schubert-Aufnahmen) allerdings nicht der ideale Pianist für diesen hypernervösen Zyklus zu sein (ein großartiger Pianist wie Jorgen Bolet hat der Carnaval auch nicht gelegen). Aber da mag ich natürlich völlig daneben liegen - bin gespannt auf Deine Eindrücke. Sofronitzky habe ich sehr beweglich in Erinnerung!

    Gut gefallen hat mir zuletzt die Aufnahme von Klara Min. Und immer wieder zurück komme ich auf Alicia de Larrocha, die den Zyklus ja sogar zweimal aufgenommen hat.


    Viele Grüße

    Christian


    PS: Es ist total ärgerlich, dass anstelle der über amazon eingestellten Plattencover nur noch schwarze Platzhalter erscheinen. Da gehen sehr viele Infos verloren und ist einfach auch sehr hässlich! Mir ist der Hintergrund bekannt, aber ich hätte es besser gefunden, wenn die Cover erhalten blieben.

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  • PS: Es ist total ärgerlich, dass anstelle der über amazon eingestellten Plattencover nur noch schwarze Platzhalter erscheinen. Da gehen sehr viele Infos verloren und ist einfach auch sehr hässlich! Mir ist der Hintergrund bekannt, aber ich hätte es besser gefunden, wenn die Cover erhalten blieben.

    Wir arbeiten dran. Bitten aber um seeeehr viel Geduld.

    Ich habe mich jetz mal diesem Thread gewidmet und die Platzhalter, soweit möglich ersetzt.

    Und zwar nach dieser Vergehensweise:

    War die Aufnahme bei jpc verfügbar, habe ich dorthin verlinkt.

    Wenn nicht, war die nächste Auswahl discogs.

    War die CD/LP auch dort nicht auffindbar, wurde die Bildadresse der a...-Abbildung herangezogen.

    Ist die Aufnahme durch die ASIN nicht identifizierbar, mußte der Platzhalter leider bleiben. Das gleiche gilt für ungültige Youtube-Links.

    Logischerweise stimmen nun bestimmte Hinweise auf Verfügbarkeiten nicht mehr unbedingt. Bei weitergehenden Eingriffen habe ich einen Editiervermerk gesetzt. (War nur ein Fall, in dem ich ein zusätzliches Cover eingesetzt habe). Ich hoffe, in Eurem Sinne gehandelt zu haben.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Habe ich das richtig verstanden, dass Alfred deshalb keine AMAZON- Bilder bzw. - Titel- Abbildungen mehr sehen will, weil ihn die schwarzen Platzhalter stören ? Dass aber eine ganz normale Grafik- Verlinkung mit der rechten Maustaste akzeptabel wäre ?

  • Habe ich das richtig verstanden, dass Alfred deshalb keine AMAZON- Bilder bzw. - Titel- Abbildungen mehr sehen will, weil ihn die schwarzen Platzhalter stören ?

    Nein, das hast Du nicht richtig verstanden. Die Platzhalter störten berechtigterweise Christian, weil sich der Thread dann blöd liest.

    Was Alfred - ebenfalls berechtigterweise - will: Überhaupt nichts mehr mit amazon zu tun zu haben.

    Die Grafik-Verlinkung auf die amazon-Seite ist also das allerletzte Mittel, wenn alles andere versagt.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

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  • Vielen Dank für diesen Aufwand und Deine Mühen!

    Liebe Grüße, Christian

  • Wladimir W. Sofronitsky

    (syn. Sofronitzky) (1901 -- 1961)

    wird in St. Petersburg geboren als Sohn eines Mathematik- und Physikprofessors bzw. – lehrers. Nach kurzer Zeit ziehen die Eltern mit ihm nach Warschau um. Den ersten Klavierunterricht hat er bei Lebedewa- Getzewitsch, später bei A. Michalowski. Von dort folgt nach einigen Jahren erneut ein Umzug der Familie zurück nach St. Petersburg und nun eine systematische Ausbildung am Klavier, bald am dortigen Konservatorium (1917). Seine Mitstudenten sind u.a. Maria Judina, D. Schostakowitsch und Jelena Scriabin, die Tochter des bekannten Komponisten, die er als 19 jähriger heiratet.

    Noch bis 1921 am Konservatorium beginnt er in und um St. Petersburg zu konzertieren, in Freundschaft und Anerkennung verbunden mit Wassili Safonov, Felix Blumenfeldt und A. Glasunov. 1930 ist er Lehrkraft am Konservatorium, wenig später Professor. Seine „Habilitierung“ waren im Winter 1937/38 zwölf Konzerte als Anthologie der Klaviermusik von Dietrich Buxtehude bis Felix Goltz [angesehener Komponist der Stalinzeit] !

    Doch zuvor noch konzertiert er einige Jahre im Ausland, in Warschau und Paris, wo er sich 1928 mit Prokofiew anfreundet. Erfolgreich zwar überall, wo er spielt, aber es gelingt ihm – im Gegensatz zu Horowitz- keine internationale Karriere.


    Er muss 1941/42 ein halbes Jahr mit Kälte, Hunger und Todesbedrohung sowie allgemeinen Entsagungen in Leningrad verbringen und manchmal mit Handschuhen unterrichten und kommerziell konzertieren. Schliesslich gelingt ihm die Evakuierung mit seiner Familie und er kann später in Moskau Fuss fassen, sogar eine Professur am dortigen Konservatorium bekommen. Weil er nicht zum offiziellen, kulturellen Aushängeschild in der statinistischen Nomenklatura taugt (die sich ja nach Stalins Tod in 1953 nur sehr träge erneuert hat) ist ihm eine Auslandskarriere mit den dazu nötigen Reisen verwehrt geblieben. Inzwischen ist der Künstler ein zweites Mal verheiratet. In der Sowjetunion hat er viele, viele Konzerte gegeben und es werden auch beträchtlich viele Bänder bespielt und Vinyl gepresst (v.a. nach seinem Tode)

    Doch ab ca. 1957 wird seine Gesundheit schlechter, es ist von Medikamenten, Drogen und Alkohol die Rede. Die Todesursache sei Krebs, heisst es.


    *******************


    W.S. gilt seit vielen Jahren als Geheimtipp unter den russischen Pianisten, mit allerbester Reputation, auch Expertise, speziell als SCRIABIN- Interpret. In der Sowjetunion galt er zu seinen Lebzeiten als bester Pianist des ganzen Riesenreiches, nicht nur voll momentaner Inspiration und „improvisatorischem Geist“, sondern auch von allumfassender Technik, welche ihm eine breite Palette von Klangfarben und Strukturbildungen ermöglicht hat. Es schien ihm möglich, den musikalischen Geist der gespielten Werke in den Zuhörer zu „transzendieren“. Er habe Kollegen wie den etwa gleich alten Horowitz und die teils erheblich jüngeren Richter, auch Gilels, ja Kissin beeinflusst.

    Die Anzahl der gespielten Konzerte schon ab dem Ende seines Studiums scheint sehr gross gewesen zu sein, nur eben nicht im Ausland (mit Ausnahme von Polen und Frankreich 1928 bis 1930). Erst seit den späten 1980er Jahren wurden Schallplatten und CDs im Westen veröffentlich, bei Philips „Great Pianists…“, Denon und Harmonia mundi.


    Dieses dürfte für die beiden vorliegenden CDs zutreffen, mit jeweils mehreren Copyright- und Press- Daten. Die rote ist „Mono ADD“, die grün- gelbe „ADD“ beschriftet Beide CDs sind, zumindest zeitweilig bei JPC und AMAZON nicht erhältlich. Discogs habe ich teilweise, ausländische Archive gar nicht erforscht. Dennoch kam die rote CD, ca. Ende 2019, über den „Marktplatz“ von einem St. Petersburger 2nd Hand Laden, zu einem eher schmalen Preis.


    Wg. Lieferbarkeit also immer wieder gucken !


    Ich habe den Eindruck, dass (Schallplatten und) CDs des 1959er Mitschnitts eher produziert und veröffentlicht worden sind als diejenigen von 1952 (live !).



    Frühere Aufnahmen des Carnaval scheint es nicht zu geben..



    Bzgl. der technischen Qualität hat die CD mit der älteren Aufnahme von 1952 einen leicht harten, aber nicht unangenehmen runden bassbetonten Klang (live !). Leider fallen geringe Gleichlaufschwankungen mit einem angedeuteten Schwebungsanteil auf, wogegen in der Aufnahme von 1959 das Klavier weicher klingt, teils etwas verwaschen. Die Anzahl der falschen Töne ist 1952 minimalst, 1959 nurmehr minimal. Ich kann keine Gleichlaufschwankungen ausmachen.


    Ich habe beide CDs ca. 5 – 7 x komplett gehört während ca. 16 Monaten, teils mit Noten, habe mir teils Notizen gemacht . Ich finde, dass die einzelnen Versionen leicht voneinander abweichen, in jedem einzelnen Stück. Ich vermute, dass der Pianist in jedem Konzert den Zyklus etwas anders gespielt hat und dass die Leute das gehört und empfunden haben. Dagegen ist die Gesamtspielzeit bei beiden CDs ähnlich, nämlich 29 plus Min.


    Gegenüber Cziffra u. Frau Wirsaladse spielt S. die Papillons (# 9) geradezu „provozierend“ langsam, auch langsamer als die Anführerin meiner Favoriten, Frau Uchida. Dagegen den finalen „Marsch der Davidsbündler“ (# 20) eher etwas schneller und nicht so breit wie einige andere. Ansonsten sieht man sich verführt von den Details der einzelnen Szenen: der unglaubliche Kantilenenreichtum lässt einen fast mitsingen – (nur mit welcher Stimme ?!) - es gelingt dem Pianisten die Stimmen so zu führen, dass die jeweils andere nicht dominierend wirkt, sondernd immer ein intimes Verhältnis zur ersteren/ anderen hat. Dazu ein Tempomanagement bis herab in den Mikrobereich einzelner Töne und kleiner Tongruppen, ins feinste pedalisiert. Das beherrschen ein E. Naoumoff, L. Astanowa, oder T. Poon, alle auf YT, leider gar nicht (u.a.). Bei Kissin höre ich es fast etwas zu wenig, und bei Rachmaninow macht es v.a. der unerhört verfeinerte Rhythmus der Figuren. Annie Fischer (hier im Thread gleich 2 x ) kann das, Rachmaninow (als Pianist) kann dort tanzen, wo andere niemals daran dächten, schliesslich ABM, der mir immer ein Quentchen zu unbiegsam ist, in seiner „schnellen“ Zeit (früh) oder danach in den langsameren Tempi (später). (Doch hat jener eben ganz andere Tricks parat- davon später)


    Ich habe Sofronitsky gründlichst gehört, bitte um Verständnis für evtl. wenig geschliffene Formulierungen und Vereinfachungen. Es geht hier sehr in den Bereich der Noten- und Mitschnittbeispiele. Allerorten gibt es textliche Stereotype und Sentenzen genug.

    Am Ende meines Berichts hat mich meine Frau gefragt: „Und ??? Wie spielt er nun ?“ Ich habe geantwortet: „Das sollst du selbst hören…“


    Auf G. Oppitz und M. Korstick bin ich demnächst sehr gespannt (C. Arrau, G. Sokolow und B. Giltburg sind auch noch da) :!::jubel::)




    fehlen noch die Coverbilder...


  • Kommen wir nun zu einem weiteren Russen, der ebenfalls in Leningrad geboren wurde, allerdings 49 Jahre später als Sofronitski, nämlich


    Grigori Sokolow (* 1950)


    der nun nicht unbedingt bevorzugt Schumann- Werke spielt, eher schon Mozart, Beethoven, Schubert, Chopin, Brahms und Scriabin. Es gibt bei uns einige, soweit ich weiss beliebte, gut verkäufliche CDs, nahezu alles Liveaufnahmen. Seine Konzerte sind gut besucht. Wer ihn kennt, ist voll des Lobes. Er ist jährlich in Stuttgart und in den Hauptstädten des südlichen Dreiländerbereichs, auch in Österreich. Er soll mit seinen Vorbereitungen ein grosser Tüftler sein. Es heisst, er suche sich gerne ein Programm für einige Monate aus, an dem er dann wochenlang akribisch arbeite. Er wirkt manchmal, als würde er gerne vor den Leuten davonlaufen. Er gewinnt- noch als Musikstudent- 1966 den Moskauer Tschaikovski- Wettbewerb. Der Carnaval wird 1967 aufgenommen, aber später herausgebracht. Der Künstler scheint nicht so sehr am Marketing seines künstlerischen Potentials interessiert zu sein..

    Ich habe ein 2 CD- Set der ehemals staatlichen Firma Melodiya zur Verfügung. Die Klangqualität ist befriedigend bis gut b(für die 60er bis 70er Jahre. Die Gesamtspielzeit des Zyklus beträgt 27:19, eine rel. kurze Spielzeit.


    MEL CD 10 02292 (vor kurzem im Februar bei JPC noch erhältlich zum reduzierten Preis, 20 EUR)


    Beim Preambule fallen bei den einleitenden 6- 7 stimmigen Akkorden einige wenig hörbare Unsauberheiten auf, dieses dann wieder im finalen Davidsbündlermarsch (Zählmarke 25). Pierrot . All die Zeit dazwischen erstklassige, fehlerlose Pianistenarbeit. Nach der Einleitung zupackendes Spiel, ersteinmal noch etwas verhalten. Pierrot (5) nett und unauffällig, der zugehörige Harlekin (6) erscheint als Bezug, weil bühnenoptisch gedacht und in der klingenden Musik ein Gegensatzpaar. Der Pianist und sein Zuhörer gestalten dieses Verhältnis auf ganz eigene Weise aus, z.B. mit Spannungsbögen, Wiederholungs und Abwandlungsfiguren. Valse noble (7) ist ein Walzerthema, was von eleganter, eher zarter Gestalt ist. Bis schliesslich der Eusebius (8) mit einer merkwürdigen, auf beide Hände aufgeteilten, bremsenden Figur ins Stocken gerät.


    [Es ist oft wie in der Realität, man muss nicht ganz genau wissen, was warum passiert und deren Sinn geht der Gestalt oft hinterher.]


    Es geht weiter mit dem heranstürmenden Florestan (8), in wachsender Leidenschaft. Mögliche Worte- und Bilder werden zu einem musikalischen und weiterhin erkennbaren Ganzen verwandelt. Es wundert nicht, dass in der zuzuordnenden Belletristik oder Dokumentationen Sokolov auf eine Ebene mit Richter, Gilels, Rubinstein und Horowitz gestellt wird.


    Und im einzelnen noch:

    - man höre auf das langsamer werdende Tempo bei gleichzeitiger Dynamikzunahme in Reconnaissance (18) nach einem vorhergehenden Zirkuspferdchengallopp.

    - meist im Sinne von musikalischen Gegensätzen kommt es zur Steigerung der musikalischen Spannung Richtung Ende der 21- teiligen Komposition:

    - kurze musikalische Bögen führen durch das jeweilige Musikstück (von oft nur 45 Sek. bis ca. 2 Minuten Dauer),

    - längere solche Bögen machen den weiterräumigen Fortgang des Zyklus aus, bis zu dessen triumphalen Schluss hin.


    Es ist eine geniale Komposition für einen genialen Pianisten, nur ein klein wenig durch situative, im Grunde unwichtige Wermutströpfchen getrübt !

    Er versteht es, die Zusammenhänge zu knüpfen, die Struktur für dieses Fantastikum zu liefern.


    Klare Empfehlung, auch wegen der Scriabin Sonate 9, sowie wegen Prokoviev Son. 7 und 8.

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  • Lieber Damiro


    Herzlichen Dank für die genauen und detaillierten Analysen von Robert Schumanns Carnaval Op. 9, die auf intensiver Beschäftigung über Monate geschieht.


    Das Werk Schumanns ist mir eines meiner liebsten. Und dass du wie ich Mitsuko Uchidas Interpretation ebenso schätzt wie ich, freut mich.


    Bei der Suche nach neueren Aufnahmen habe ich auf ein interessantes Projekt gestossen. Etwas für Kenner, die den Carnaval in und auswendig kennen.


    Der Israeli Matan Porat hat zwischen die 21 Stücken des Carnavals Stücke anderer Komponisten quer durch die Musikgeschichte sowie aus anderen Werken Schumanns gesetzt. Ich habe mir die Hörschnipsel angehört und dabei überraschende Parallelen entdeckt, so zum Beispiel die Tracks 32 / 33. Ich lasse die Hörer und Hörerinnen eigene Entdeckungen machen. Die CD werde ich mir bestellen.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Lieber moderato,


    die oben erwähnte CD kenne ich schon einigen Wochen. Ich hatte sie zwar seitdem schon gespeichert, aber erst jetzt als Schnipsies gehört. Und bin recht angetan, sowohl von von deren Cover, welches einem sanft die Kindheit zur Erinnerung bringt, aber einen auch mit den ausgewählten akustischen Kleinigkeiten überrascht. Solche Stückchen muss man ja erst mal finden....:):rolleyes:


    Magst mal bissle was schreiben, sobald du die Scheibe hast ?

    Einmal editiert, zuletzt von Damiro ()

  • Lieber Damiro,


    ich habe 2 Mitschnitte von Sofronitzky in den folgenden Boxen:


    M0B001716JRE-large.jpg


    Diese Aufnahme ist vom 28. November 1950. (Vielleicht ist es ja dieselbe Aufnahme wie in Deiner Einzelausgabe auf CD, nur die Angaben bei den Einzel-CDs sind falsch (nicht 1952!). Das ist leider oft der Fall bei der Veröffentlichung von solchen historischen Mitschnitten.)


    Dann noch diese Box mit einem Mitschntt von 1959:


    1594120218_600566.jpg


    Letztere Aufnahme habe ich noch nicht gehört - bei der von 1950 ist es zu lange her einfach. Das muss ich mir also noch einmal wieder zu Gemüte führen! :)


    Besten Dank jedenfalls für Deine sorgfältigen und sehr aufschlussreichen Besprechungen, die ich sehr gerne lese, obwohl ich im Moment nicht dazu komme, mich mit dem Thema "Carnaval" zu beschäftigen! :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Hallo Holger,


    bei der 1959er Aufnahme scheinen uns die gleichen Datenquellen vorzuliegen, das dürfte stimmen. Wo ich 1952 geschrieben hatte, könnte es auch 1951 gewesen sein (so wie es auf der "roten" CD, links halb oben aufgedruckt ist, im Post # 163). Die Jahreszahl 1952 dagegen wird in Wikipedia mehrfach genannt und be- linked und dafür habe ich mich entschieden.

    Kurz noch:

    aus Discogs könnte man evtl. noch deutlich mehr Infos herausholen. Dort sieht man, welche Mengen von Aufnahmen für W. Sofr. ab den späten 40er Jahren existieren. Ist leider alles kyrillisch --> dein Fachgebiet ! ;):)

  • Hallo Holger,


    bei der 1959er Aufnahme scheinen uns die gleichen Datenquellen vorzuliegen, das dürfte stimmen. Wo ich 1952 geschrieben hatte, könnte es auch 1951 gewesen sein (so wie es auf der "roten" CD, links halb oben aufgedruckt ist, im Post # 163). Die Jahreszahl 1952 dagegen wird in Wikipedia mehrfach genannt und be- linked und dafür habe ich mich entschieden.

    Kurz noch:

    aus Discogs könnte man evtl. noch deutlich mehr Infos herausholen. Dort sieht man, welche Mengen von Aufnahmen für W. Sofr. ab den späten 40er Jahren existieren. Ist leider alles kyrillisch --> dein Fachgebiet ! ;):)

    Hallo Damiro,


    zwar kann ich Kyrillisch lesen, aber leider kein Russisch! ;( Was leider fehlt, ist eine vollständige Discographie. Ich vermute mal, so etwas (was wir bei Svjatoslav Richter zum Glück haben) gibt auch nicht auf der Webseite des Moskauer Konservatoriums - und wenn, dann sind die discographischen Angaben höchst wahrscheinlich nicht vollständig. Von ABM und auch Gilels habe ich Mitschnitte, wo die Jahreszahl falsch ist. Ein Hinweis, dass es richtig ist, ist die Angabe des vollständigen Datums mit Tag und Jahr. Solange die Angaben dagegen vage bleiben nur mit Jahreszahl, bleibe ich bei solchen Mitschnitten aus Erfahrung immer skeptisch. Bei Sofronitzky ist es natürlich sehr gut denkbar, dass es mehrere Mitschnitte des Carnaval gibt. Die meisten veröffentlichten CDs sind aber Raubkopein. Bei Labels wie Melodya kann man davon ausgehen, dass sie sich Zugang zu den Archiven verschaffen können, Urania und Vista Vera garantiert nicht. Brilliant Classics hat offenbar eine Lizenz von Melodya - und die haben die Aufnahmedaten genau recherchiert. :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Ich bin in den letzten Wochen bzw. wenigen Monaten auf einige, interessante "Carnaval"- Interpreten gestossen, die ich inzwischen gründlich gehört und "hörverglichen" habe. Im Laufe der 2020/ 2021er Monate habe ich aber auch ca. 180 neue oder gebrauchte CDs erstanden, diese teilweise gehört und- ganz nebenbei- sich ein Faible für barocke oder Sturm- und Drang- Klavier- bzw. Cembalomusik bei mir entwickelt hat, ziemlich spät, in Lebensjahren gerechnet. Ich muss also noch deutlich älter werden, und dabei möglichst gesund bleiben, um meine Präferenzen angemessen zu (er)leben ;).


    Ich bin- ausser mit Soul- und Jazzmusik- mit etwas Bächle, Beethoven, Schumann, Chopin, Brahms, Bartok, Badings, Kabalewsky und Prokofiew der Jugend entwachsen. Barock und Renaissancezeit interessierten mich damals und etwas später nicht die Bohne.

    Das hole ich jetzt sozusagen nach.

    Schumann, Chopin und Brahms waren ab-, G. de Macheaut, Kirchenstücke - z.B. der Übergang von vokaler zu instrumentaler Musik, die Bäche, v.a. C.Ph.E. dagegen sehr angemeldet. Beim Hören alter Musik, insbesondere 1- bis 3- stimmiger Musik, kann ich mich immer mehr auf die Themen Melodie und Rhythmus konzentrieren, weniger auf die musikalische STRUKTUR. Zuletzt ausgehend von den tonlichen Komponenten, vielleicht sogar schon einer Gestalt als Teil einer Melodie, glaubte ich zu fühlen/ verstehen, wie tausende von Musikern mit Liebe und Energie nach den Tönen suchen, die auf die bereits dagewesenen folgen (sollen/ werden) !!! :hello::jubel: Das sehe ich für die Renaissance genauso wie für die Moderne und Postmoderne und natürlich auch für den Jazz im Allgemeinen, vor allem dessen improvisatorischen Anteile. Als Beispiele dienten mir Gregorianik, Liturgie (vor dem Barockzeitalter), ja sogar Wagner mit der Waltrautenerzählung, Schönberg, Var. über ein Rezitativ, J. Coltrane- Balladen, und den Trompeter Don Cherry. Schliesslich Anouar Brahem auf der Oud (tolle CD mit Joachim Kühn [den ich als Pianisten nicht besonders mag])


    Zu meiner Überraschung entpuppte sich C.Ph.E. Bach und die Barockzeit gg. ihren Vorläufern als Revolution in Sachen Rhythmus, bezogen auf die Renaissancemusik. Als ob man genug gehabt hätte von den atmenden, sanft strukturierten Musikalien vorher (dazu z.B. Anna Prohaska mit der Lautencompagney), schienen jetzt Organisation der Musik und ihre Relevanz für Zusammenkünfte und gesellschaftliches Leben plötzlich eine riesige Rolle zu spielen. Das nahezu zerstörte Mitteleuropa berappelte sich wohl ab 1648 wieder mehr und mehr, und die Geldgeber konnten und wollten eben auch wieder Komponisten und Musiker bezahlen. Suiten mit und ohne Tanz / Tanzidee gab es nun in Massen.


    Es ist also faszinierend, dass Verzierungen jeglicher Art den musikalischen Ablauf, der doch sehr streng, teils auch monoton sein konnte, sowohl eröffnen als auch beschliessen konnten. Ihm also sowas wie Struktur geben, was durchaus nach mehr oder weniger strengen Regeln geschehen konnte. Inzwischen liebe ich viele dieser tollen Kontraste, nahezu in "Reinkultur" bei C.Ph.E. Bach.


    Dieses "Meer" von musikalischen Eindrücken bewirkten, dass die CDs mit den neu entdeckten Musikstücken die verblassten Erinnerungen an den Carnaval und seine Interpreten wiederbelebten, ich weiss es nicht warum. Schlagartig war seit ca. 6 Wochen das Interesse an den noch mir armem Lichte unbekannten Versionen dieses genialen Zyklus wieder da. Und ich hörte, schrieb, hörte, schwieg...Es ging zunächst um die CDs von

    Stefan Vladar, Herbert Schuch, Michael Korstick, Gerhard Oppitz zu den vorhandenen 17 St., die vorher schon drangekommen waren. (Noch immer lagen die CDs von Boris Giltburg, Claudio Arrau und ABM auf der Seite.


    Noch im Januar war ich mir unsicher, ob ich alle weiteren attraktiven oder vielversprechenden Interpretationen der Carnaval- CDs kaufen sollte oder sonstwas. Ich habe sie alle gekauft, gehört und war froh darum und war dann etwas fleissig beim Hören (da ich keine interessierten, sondern nette und rationale Erben habe, kaufe ich die für mich wichtigen CDs ungehemmt weiter ein :D. Ist doch cool, wie ich gelesen hatte :hahahaha:,)


    Ehe der "Carnaval" wieder im Zentrum der konkreten Betrachtung stehen wird, erlebe ich noch einen Veränderungsprozess, der meine physiologisch- psychologischen Empfindungen angeht. Früher waren die Leute oft in Konzerten, was jedesmal einen ganz speziellen Kick hatte (von Elly Ney in einer Burggaststätte bei Heilbronn bis W. Horowitz in Hamburg). Solche Konzerte aller Art und verschiedener Genres waren etwas einmaliges, manchmal super- teueres, wichtiges und oft erinnerungsträchtiges Ereignis, aber eben nie in mentalen Details über einen längeren Zeitabschnitt hinweg fassbares Phänomen, Nur Rundfunk und später Fernsehen konnten das für einen konservieren. Später besorgten das kurzerhand die diversen, sich entwickelnden Speichermedien und "Anlagen", So etwas wie innerlich gespeicherte Klänge und Sequenzen konnten nun beliebig repetiert, somit aufgefrischt werden.

    Ich ging natürlich weiterhin in Konzerte, um immer wieder die Momente der Einmaligkeit und das Vergängliche auszukosten, eine ganz neue und eigene Qualität, wie sie sich herausstellen sollte.


    Und nun lernte man, immer besser und genauer zu hören. Selbstverständlich brauchte es immer bessere Geräte und Boxen. Das kurzfristig womöglich verloren gegangene Wir- Gefühl früherer gemeinsamer Konzertbesuche wurde nun ersetzt bzw. erweitert durch gemeinsame blindfold sessions für drei bis fünf Ohrenpaare und zeitweises Hin- und Herverleihen der schwarzen und silbernen Scheiben. Nach einiger Stagnation in meinen musikalischen Wahrnehmungen, hauptsächlich während meines Berufslebens, hatte ich allmählich das Gefühl und Bewusstsein, immer mehr und genauer Musik hören zu können.


    Nach einigen Jahren der Unsicherheit wurde mir klar, dass man (ich) sowohl analytisch, kühl und berechnend, als auch empathisch Musik hören und dabei ganz unterschiedlich empfinden konnte. Wobei der emotionale Aspekt zuletzt wieder überwiegt. Das Schöne dabei ist, dass ich mit Berichten über Musik und deren Gerätschaften nicht mein Geld verdienen muss, dass ich meine Meinung zu den Dingen ändern darf, wenn es mir beliebt. Ja sogar meinungslos sein und/ oder Fragen stellen darf. Da ich manchmal Musik höre, dabei auch Zeitung lese, koche, rede oder zuhören soll/ muss/ will, dürfte die Qualität meiner Musikrezeption dann zwar eingeschränkt sein. Doch bin ich mir dessen bewusst und ich kompensiere diese intrapsychischen Vorgänge mit Phasen grösstmöglicher Konzentration und Hördisziplin. Dann sitze ich in einem relativ steilen Sessel und schaue in die Puppen- und Porzellansammlung meiner Frau hinein, welche auf zwei symmetrisch aufgestellten Schränken deckennahe plaziert ist.


    Stefan Vladar ist ein österreichischer Pianist, der ganz am Anfang des Threads genannt worden ist und von dem es für mich eine gebrauchte CD zu einem sehr gutem Preis gab. Von ihm ist in meinem nächsten Beitrag nocheinmal die Rede.

  • Lieber Damiro,


    eine sehr sympathische kleine Biographie Deiner Musik-Leidenschaft, die Du uns hier zu lesen gibt! Die hat mich sehr erfreut! :) Mein Vater (Jahrgang 1927) hat Elly Ney auch noch gehört im Konzert und fand sie im Alter schon eine etwas seltsame Erscheinung. Aber solche Konzerterlebnisse vergisst man nicht. Vom Label apr hatte ich mir diese Box angeschafft. muss sie allerdings noch durchhören, obwohl sie schon inzwischen einige Monate im Regal steht :D :



    Auch noch zu hören habe ich - eine meiner Nelson Freire Neuerwerbungen - die Aufnahme wirst Du natürlich haben! ;)


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    Einen schönen Sonntag wünschend

    Holger

  • Nein, diese CD von Nelson Freire besitze ich noch nicht, aber wohl die Harmonies de soir. Über den Carnaval mit N.F. will ich später noch was sagen.

    Ja, zur Entwicklung des Hörerlebens können biografische Sequenzen schon herhalten.


    Zum Beispiel habe ich diesen Carnaval (s.u.), also von Stefan Vladar, vor einiger Zeit beim Kochen gehört. Wenn es nicht um Sekunden geht, ist aufmerksames Hören während solcher Tätigkeiten durchaus möglich. Mann, kann der Typ Klavier spielen ! Flüssigkeit der Läufe, Phrasierungen , Pausen, Dynamik, alles von hoher Qualität... Und ich habe keine einzige falsche Note gehört. Dazu ein schöner kräftiger Flügelklang....



    Doch wo bleibt die Poesie des Klavierspiels ? Wo sind die kleinen Pausen, leise Ak- und Dezelerationen, wo klingt etwas ohne Hast aus, wo endet ein sachter Pedaleinsatz ? Das alles kann man/ ich beim Kochen nicht hören. Diese Details werden mir erst beim zweiten Male hören bewusst. Nein, das ist mehr Powerklavier, was ich da höre. Nahezu absolute technische Perfektion. Doch am Ende ist eine gewisse Gleichförmigkeit mein Haupteindruck.

  • Zum Beispiel habe ich diesen Carnaval (s.u.), also von Stefan Vladar, vor einiger Zeit beim Kochen gehört.

    Lieber Damiro,


    das mache ich auch öfters! ^^ Wir haben den Vorteil eine Wohn-Küche, d.h. ich kann meine Anlage nebenan laufen lassen, wenn ich mein Gemüse schneide. Um einen Eindruck für das Ganze zu bekommen reicht es - natürlich nicht, um alle Pedalschwebungen zu erhaschen. Dazu gibt es die lustige Anekdote, dass Krystian Zimerman einmal sagte, er würde seine eigenen Aufnahmen nur im Autoradio (!) :D hören, weil er nur so den Gesamteindruck bekomme und nicht von Details abgelenkt werde! Da ich aber kein Autofahrer bin, erfüllt diesen Zweck bei mir das Hören beim Kochen! ^^ :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Also gut,

    auf der Ebene von Vico Toriani den Carnaval zu händeln mag ja mal gehen, wo jener doch der Lieblingssänger meiner seligen Mutter war, und ein guter Musikerfreund "Meisterschüler" von Catarina Valente in Mannem, V.T. wiederum öfter mal deren Zweitstimme im Terzabstand unter ihr deutlich vorher, zuweilen auch über ihr (im Terzabstand) :D:D:D


    Mal sehen, was ich mir über Herbert Schuch aufgeschrieben habe, über seine Aufnahme hier: (dessen Carnaval ist sehr preiswert in folgender Box zu haben und seine sonstig enthaltenen Aufnahmen stellen sehr solides, teils recht originelles und traumhaft sicheres Klavierspiel dar ---> ....)




    Weitere Informationen über ihn gibt es hier:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Schuch


    H. Sch. ist im Alter von neun Jahren von Temeschburg mit seinen Eltern nach Deutschland übergesiedelt, zunächst nach Rosenheim / Bayern. Er hat im Verlauf eine ganze Menge von Preisen bei Klavier- resp. Musikwettbewerben gewonnen.


    Die vorliegende Aufnahme stammt aus 2008, der Pianist war damals 30 Jahre alt. Der Flügel klingt rund, weich und warm, mit etwas Bassbetonung. REPLIQUE (Pos. 38) geht nahezu tonlos zuende, danach greift der Pianist in den geöffneten Flügel und lässt von den geforderten Grundtönen aus Glissandi erklingen, die den Abschnitt SPHINX zum tönen bringen sollen. Das ist eine sehr freie Interpretation von Schumanns Absicht, das literarische Schema Sphinx adäquat in die Musik einzuflechten. Das wird sicher nicht jedermann gefallen, doch geht es weiter, alsbald mit dem dreiteiligen Komplex VALSE ALLEMANDE - PAGANINI. Die geforderte Vortragsweise Tempo 1 (ma piu vivo) nimmt Schuch wörtlich leidenschaftlich romantisch, ebenso wie CHIARINA. Da wird Schuchs Spiel, ohne dass Fehler und Fehlgriffe passieren einfach phänomenal. Endlich gerät der abschliessende MARSCH DER DAVIDSBÜNDLER recht langsam und eher behäbig. Ich finde, dass alles stilistisch gut zusammen passt. 8)

  • Von Herbert Schuch (s.o.) habe ich inzwischen CDs entdeckt, die wohl eine recht junge Zielgruppe haben, vielleicht Verliebte ?

    Jedenfalls ist das bei mir schon länger her ..... (dahinschmelz !)

    Die oben näher genannte, nicht nagelneue Box (# 176) bietet abgesehen vom Schumann op. 9 (für sehr wenig Geld) abwechslungsreiche klassische Klaviermusik auf durchwegs hohem bis höchsten Niveau.


    Ein Pianist, den ich imgrunde wenig kenne, und mit dem ich inzwischen v.a. Beethoven` sche Sonaten assoziiere, ist


    Michael Korstick (s.u.)


    Dieser ist inzwichen über 60 Jahre alt, für Pianisten ein interessantes, oft sehr produktives Alter. Er spielt den CARNAVAL mit einem ziemlich poetischen Grundton, den ich gerne in die Nähe der Interpretation von Wilhelm Kempf rücke.

    ...

  • (siehe letztes Post)



    Auch ist sein pianistisches Vermögen kaum mehr steigerbar, so exquisit. Doch sind mir seine Forte- Passagen manchmal etwas zu laut und zu massiv. Das will auch nicht so recht zu den lyrischen und leisen Passagen der Carnavalsfiguren passen. Es geht teilweise aber nur ins Geschmackliche und muss einen deshalb auch nicht unbedingt stören. Zudem bietet die CD noch eine tadellose Kreisleriana und zwischen den beiden Zyklen noch die bezaubernde Arabeske. Durch die Bank ist die Klangqualität wirklich hervorragend.


    +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++


    Von Gerhard Oppitz, Klavierprofessor in Munchen, begeisterter Hobbypilot mit eigenem Flugzeug, gibt es auch einen CARNAVAL, der 1991 im Reitstadel in Neumarkt, gute 30 km südöstlich von Nürnberg, studiomässig aufgenommen worden ist, wie viele andere seiner CDs auch.



    Auch dieser Carnaval ist technisch und klanglich untadelig. Es entsteht aber eher der Eindruck von Eleganz und Klangschönheit als von Gegensatz und z.B. Ironie, schlussendlich fehlt mir deshalb etwas. Insoweit dürften die (schwächeren ?) Charaktere der "Waldszenen" und "Nachtstücke" auf dieser CD ein klein wenig besser bei ihm aufgehoben sein als der Carnaval in seinen ziemlich wechselhaften Bildern. Was Oppitz zum Weltklassepianisten gemacht hat, ist u.a. die Fähigkeit, gerade in den scheinbar "alltäglichen" und "geläufigen" Werken über eine unüberschaubare Vielfalt von Differenzierungsmöglichkeiten zu verfügen, sodass ihm erstklassige Livedarbietungen und Studioaufnahmen der für unseren Kulturbereich so wichtigen Komponisten wie Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und Brahms über Jahrzehnte hin geglückt sind.


    Der aktuell leider hier nicht mehr vernehmbare "Operus" kennt G. Oppitz etwas besser als ich. G. O. spricht leise und deutlich, er sitzt in Ruhe auf seinem Stuhl, hat eine harmonische Performance. Er schaut einen in der Unterhaltung freundlich und direkt an, lässt einen ausreden, spricht in eher kurzen, gut formulierten Sätzen. Er hat nichts Belehrendes und nichts Drängendes an sich. Er lächelt und ist dabei sehr natürlich.


    Das obige Foto passt sehr gut zu ihm, er hat eine schöne zierliche japanische Ehefrau.

  • Ich reibe mir die Augen =O:


    der Preis der obigen Oppitz- CD ist inzwischen - zumindest bei JPC - explodiert - und wie ! (bitte auf das untere Cover klicken in # 178 !). Und man muss mit 4 oder mehr Wochen Lieferzeit rechnen). Man sollte also nach diversen Angeboten neu Ausschau halten.:(.

  • Die erste Folge eines Schumann Projektes hat Nicolas van Pouke beim Label TRPTK während der Corona-Zeit eingespielt.


    Carnaval Op. 9; Fantasiestücke Op. 12; Arabesque Op. 18


    Die Aufnahmequalität dieser SACD-Aufnahme zählt zum besten, was ich von Klavier-Aufnahmen kenne. Die technischen Parameter von verwendeten Mikrophonen, Kabeln, Prozessor usw. füllen im Booklet eine Seite. Die Mikrofone sind beim verwendeten Steinway & Sons D-274 grand concert nah gesetzt. Die Räumlichkeit der reformierten Kirche von Westvest, Schiedom NL ist vorbildlich eingefangen. Dem kanadischen Toningenieur Brendon Heinst gehört das Label und er muss niemandem Rechenschaft über die Konzeption der Aufnahme ablegen. Auf einer Seite erklärt er seine Grundsätze. Der hochformatigen Hülle liegt ein Karton mit den Daten für den Download bei. Man hört, was der Pianist Nicolas van Pouke, Schüler von Brendel, Argerich, Perahia, von seinem Platz am Flügel gehört hat. Wunderbar wie die tiefen Saiten ausschwingen. Der selten zu hörende Teil Sphinx habe ich noch nie so gehört.


    Nicolas van Pouke geht überlegt an die Sache. Er poltert nicht los, wo es vordergründig angebracht scheint. Er hat dennoch Pranke. Er lässt die Musik atmen, Poesie lässt er geschehen. Was am meisten für diesen Pianisten spricht, er hat etwas musikalisch mitzuteilen. Das ist nicht wenig.


    Die hochwertig hergestellte Hülle im Hochformat mit einem längeren Interview im Booklet will auf sich aufmerksam machen. Die eigens hergestellten Fotografien geben einen Eindruck der Aufnahmesitzungen, die am 26. und 27. Januar 2020 stattfanden. In der Recherche habe ich Erstaunliches erfahren. Der Aufwand, der betrieben wurde, war ausserordentlich. Der Klavierstimmer Charles Rademakers wird im Blog des Labels TRPTK mit Bild erwähnt:


    Es war absolut erstaunlich, Charles ständig dort zu haben, da er das Klavier auf jedes Stück und sogar auf jeden Satz stimmte. Auf diese Weise erhielten weichere, lyrischere Sätze einen resonanteren Charakter, während einige der typischen Schumanesken Schwergewichte etwas mehr Biss bekamen.


    https://trptk.com/behind-the-s…chumann-collection-vol-1/

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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