Wie Todesahnung...Welcher Sänger hinterließ als Wolfram den nachhaltigsten Eindruck?

  • Zitat aus der web-site Staatstheater Nürnberg:


    Kammersänger Raimund Grumbach verstorben


    Am 5. Mai 2010 ist Kammersänger Raimund Grumbach in München verstorben, der seine große Sängerkarriere in den frühen 60er Jahren in Nürnberg gestartet hatte.


    Der 1934 in Eibelstadt bei Würzburg geborene Bariton begann seine Laufbahn am Theater Würzburg und wechselte 1959 an das Nürnberger Opernhaus. Hier war er mit Mozart-Partien wie Figaro, Guglielmo oder Papageno zu hören, als Dr. Malatesta in „Don Pasquale“, als Silvio in „Der Bajazzo“, Schlemihl in „Hoffmanns Erzählungen“, Herrn Fluth in Otto Nicolais „Die lustigen Weiber von Windsor“, Chorführer in Kurt Weills „Der weite Weg“ und als Spielmann in Humperdincks „Königskinder“. Er sang hier auch einige Wagner-Partien wie den Heerrufer im „Lohengrin“, Fritz Kothner in „Die Meistersinger von Nürnberg“ und Melot in „Tristan und Isolde“. In der Nürnberger Uraufführung von Hans Ulrich Engelmanns „Doctor Fausts Höllenfahrt“ 1962 übernahm er die Titelrolle.


    Bereits 1963 wechselte Raimund Grumbach an die Bayerische Staatsoper nach München, wo er 1966 zum Kammersänger ernannt wurde. 1972 übernahm er an der Musikhochschule München eine Gesangsprofessur, die er auch nach seinem Abschied von der Opernbühne in den 80er Jahren weiter ausübte. Zu seinen Schülern gehörte u.a. der Bariton Christian Gerhaher.

    M.B.



  • Ein hervorragender Wolfram war wirklich der hier schon oft genannte Hermann Prey. Ich beziehe mich jetzt vor allem auf die Einspielung vom Lied an den Abendstern mit den Berliner Symphonikern unter Horst Stein aus dem Jahre 1960, enthalten in oben abgebildeter Box.

    Gibt es von Prey auch eine gut klingende Gesamteinspielung? Vermutlich nicht. Es kursieren ein paar inoffizielle CDs mit Mitschnitten aus Bayreuth zwischen 1965 und 1967, deren Klangqualität leider nicht eben ideal zu nennen ist.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Auf der Bühne habe ich Lauri Vasar (Hamburg), Christian Gerhaher (Wien), Peter Mattei (Berliner Staatsoper) und Markus Brück (Deutsche Oper Berlin) als Wolfram gesehen.

    Ich mag die Inszenierung von Kirsten Harms an der DOB besonders gern, war oft drin und habe mich immer auf Markus Brück gefreut.

    Auf CD höre ich fast immer Victor Braun, weil ich beim Tannhäuser eigentlich immer zur Solti-Aufnahme greife.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Bernd Weikl finde ich in der Rolle auch geradezu ideal. Vielleicht sogar seine beste Wagner-Partie neben dem Sachs. Aufnahmen dürfte es etliche geben zwischen den 1970er und 1990er Jahren, so etwa bereits in Bayreuth 1972 und noch in Wien 1996. Offiziell auf Tonträger festgehalten wurde er in folgenden Aufnahmen:


    Bayreuth 1978

    New York 1982

    Studio 1985

    München 1994

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Auf der Bühne erinnere ich mich nicht unbedingt positiv an Roman Trekel in Chemnitz (am 18.4.2014) und an KS Terohuki Komori in Gera (vor etwa 8 Jahren). Beide fand ich für den Abendstern als zu hart, zu wenig geschmeidig. Vielleicht war Trekel, der in den Beiträgen aus 2010 so gelobt wurde, in schlechter stimmlicher Verfassung.

    Am 17.4. 2016 habe ich Trekel als Beckmesser in den Meistersingern in Chemnitz wesentlich besser, ja begeisternd erlebt.


    Live hab ich sie leider nicht sehen und hören, meine Favoriten als Wolfram. Wie viele hier gebe ich DFD meine Bestnote. Der Wolfram ist haargenau seine Stimmlage, er hat das Timbre, hat sicher auch die Ausstrahlung, und der lyrische Inhalt besonders beim Abendstern kommt ihm sehr entgegen.

    Erstaunt bin ich, daß bisher Marcel Cordes nicht genannt wurde. Ich habe einmal eine Aufnahme unter Karl Böhm gehört, aus Italien, und da war Cordes der Wolfram. Ich habs bis heute im Ohr. Manches ist allerdings verklärt durch die Vergänglichkeit früherer Erlebnisse.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Mich haben eigentlich drei Interpreten des Wolfram am meisten beeindruckt (zwei nur auf Schallplatte und einer auch noch 16x live):


    Herbert Janssen war nicht nur in vielen MET-Aufführungen, die ja nicht gerade selten mitgeschnitten wurden und im Handel erhältlich waren, ein kongenialer Partner von Lauritz Melchior, der war schon in der ersten Studioaufnahme dieser Oper von 1930 maßstabsetzend. Seine warme, menschliche Stimme imponiert mir ungemein - da kann man sich schon fragen, warum sich Elisabeth nicht für ihn entscheidet?





    Der zweite herausragende Wolfram-Interpret des vergangenen Jahrhunderts ist für mich ganz klar Dietrich Fischer-Dieskau, den ich zuerst auf der Konwitschny-Aufnahme kennen lernte, wo ich ihn maßstabsetzend fand, den ich dann aber auch auf den Bayreuther Live-Mitschnitten zwischen 1954 und 1961 und in der vielleicht schon etwas späten Gerdes-Studioaufnahme erlebte. Er ist für mich die Inkarnation eines Minnesängers, der seine Angebetete mit betörendem Schönklang geradezu engelhaft besingt, ohne es zu wagen, sich ihr zu sehr zu nähern. Zum Schönklang kommt eine geistige Durchdringung des Textes, die ich durchaus für minnsänger-"authentisch" halte. Bei ihm merkt man auch, warum sich Elisabeth gegen ihn entscheidet, obwohl er sich schönste Musik hat: weil er in den üblichen Konventionen verharrt und dadurch ihr Herz nicht erreichen kann. Für mich ein durch und durch exemplarischer Wolfram, der nur ganz wenige würdige Nachfolger von dieser Qualität gefunden hat.






    Einer dieser ganz wenigen würdigen Nachfolger, durch den ich zudem auch durch 16 Live-Begegnungen in dieser Rolle (15x an der Staatsoper Berlin und 1x an der Deutschen Oper Berlin) geprägt wurde, ist Siegfried Lorenz. Mit betörendem Stimmklang, wunderbar schwebenden Höhenpiani und perfekter Sprachgestaltung bei großer Textdurchdringung, die in der dynamisch-agogischen Interpretation erlebbar wurde, war er ein genauso vollendeter Minnesänger wie FiDi, allerdings konnte er mich - vielleicht auch wegen der Live-Erlebnisse, emotional in dieser Rolle noch mehr erreichen und bewegen. In der Auseinandersetzung mit Tannhäuser im 3. Akt konnte er jenseits allen Liedgesangs auch dramatisch zupackend singen - vielleicht noch nicht von Beginn an (in der Fernsehverfilmung von 1982, wo er zudem auf seinen eigenen vorher aufgenommenden Gesang spielen muss, weniger), aber in den erlebten Aufführungen Anfang der 1990er Jahre auf alle Fälle.







    Das sind für mich die drei überragenden Wolfram-Interpreten des 20. Jahrhunderts. Zu den anderen hier bereits genannten könnte ich mich auch äußern, möchte dies aber nicht. Bei ihnen allen fehlt mir irgendetwas, was mir bei diesen dreien nicht fehlt.


    Und heute? Die meisten können mich nicht begeistern, Herr Gerhaher war 2010 in London ein Wechselbad der Gefühle...


    Es gibt aber einen, der mich im Jahre 2014 (2x) live wirklich vom Stuhl gehauen hat, obwohl er die Rolle ganz anders gesungen und gestaltet hat als Dietrich Fischer-Dieskau oder Siegfried Lorenz - der finnische Bariton Peter Mattei im Berliner Schiller-Theater. Das war unglaublich authentisch und direkt ins Herz gesungen, wenn auch vielleicht nicht unbedingt im mittelalterlichen Minnesängerstil, aber diese Stimme hatte eine Wärme und einen dunklen Klang, das man da - trotz bescheidener Inszenierung - nicht unberührt bleiben konnte. (Eher an Herbert Janssen dran, trotzdem aber auch ein großer Gestalter.) Er war der absolute Überflieger in dieser eher missratenen Produktion. Ihn möchte ich als besten Wolfram der Gegenwart nominieren.




    Soweit meine Beantwortung der im Rubriktitel gestellten Frage, welche Sänger bei mir den nachhaltigsten Eindruck als Wolfram hinterließen. Im Singular kann ich diese Frage nicht beantworten, da alle vier von mir namentlich Genannten (Herbert Janssen, Dietrich Fischer-Dieskau, Siegfried Lorenz und Peter Mattei) in dieser Rolle wirklich unauslöschliche Eindrücke hinterließen, die ich nicht missen kann und will.


    P.S.: Es gab noch einen, der vielleicht am besten von allen gespielt hat, obwohl die stimmliche Leistung schon ziemlich grenzwertig war: Ernst Volker Schwarz in der Reuscher-Inszenierung von "Tannhäuser" in Eisenach neben Klaus König in der Titelpartie. Es war ein Erlebnis, ihn in dieser Rolle zu sehen, aber man musste dann auch wirklich mehr mit den Augen als mit den Ohren hören, um richtig begeistert zu sein...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

    Einmal editiert, zuletzt von Stimmenliebhaber () aus folgendem Grund: Schreibfehlerkorrekturen, v.a. "Live" statt "Lieve"-

  • Mich hat am meisten Heinrich Schlusnus mit dem Lied an den Abendstern beeindruckt.

    Ich weiß, das ist ein Sänger, dessen Karriere vor allem in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts stattfand. Der aus Braubach am Rhein stammende Künstler ist international vor allem als Liedersänger bekannt geworden, er war so etwas wie der "Dietrich Fi-Di" der Vorkriegszeit. Neben seiner Tätigkeit auf die Liedsektor war er aber auch ein berühmter Opernsänger. Er gehörte bis nach dem 2. Weltkrieg zum Ensemble der Berliner Staatsoper und sang dort ein breites Repertoire, vor allem war er als Verdi-Sänger eine Institution.

    Es gibt von ihm in diversen Recitals das "Lied an den Abendstern", eine originale DGG-Aufnahme von 1935. Aber es ist glücklicherweise auch eine Gesamtaufnahme des TANNHÄUSER überliefert, in der Schlusnus die Rolle des Wolfram singt, und die auf CD erhältlich ist:

    Tannhaeuser

    Es handelt sich um eine Rundfunkproduktion von 1949, mit dem Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt a.M., Dirigent war Kurt Schröder.

    Ich besaß sie bereits auf LP, da sah sie so aus:

    Tannhäuser Gesamtaufnahme [3xVinyl] [3x Vinyl LP]

    Die klangliche Seite ist natürlich bescheiden, aber die Stimmen kommen recht gut zur Geltung.

    Schlusnus singt hier mit einem guten Sängerteam, hervorheben möchte ich vor allem Otto von Rohr als Landgraf, aber nicht unerwähnt möchte ich Aga Joesten lassen, die hier die Rolle der Venus singt. Sie wurde 1904 in Remagen geboren und hat vor dem Krieg eine beachtliche Karriere hingelegt. Es gibt sogar (außer diesem "Tannhäuser") noch einige Tonaufnahmen von ihr, die es auf CD geschafft haben. Aga Joesten starb 1996.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Das kann ich nun gar nicht nachvollziehen. Ich besitze die Konwitschny-Aufnahme seit vielen Jahren, und wenn ich von meinem Lieblingssänger Heinrich Schlusnus absehe, so finde ich Fischer-Dieskau in dieser Rolle (und vor allem in dieser Aufnahme!) geradezu als eine Idealbesetzung. Prey ist mir persönlich zu burschikos, Fi-Di bringt nicht nur die schönere Stimme, sondern auch den erforderlichen Ernst für die Rolle mit. Doch letztlich mag das natürlich Geschmacksache sein. Wenn man allerdings keine besondere Beziehung zu dieser Oper hat, so ist diese negative Bewertung leichter verständlich.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Prey ist mir persönlich zu burschikos, Fi-Di bringt nicht nur die schönere Stimme, sondern auch den erforderlichen Ernst für die Rolle mit.

    Lieber nemorino,


    ich meine zu verstehen, was Du sagen willst. Tatsächlich ist Fischer-Dieskau ernsthafter, was für den Wolfram aber sehr gut passen mag. Daher empfinde auch ich ihn als ausgezeichneten Interpreten. Leider gibt es aus Bayreuth 1955 unter Keilberth nur wenige Auszüge in Stereo (Decca/Testament). Cluytens (selbes Jahr) und Sawallisch 1961 sind ja nur in Mono, wobei es genügend Alternativen gibt.

    Ich persönlich finde aber Preys Stimme eigentlich schöner. Vielleicht fehlt ihm für die Gesamtrolle etwas das Seriöse, aber beim Lied an den Abendstern (unter Stein) ist er für sich genommen doch vorzüglich und eine allererste Adresse. Um bei der Wortwahl von farinelli zu bleiben: Bigott ist Preys Wolfram mitnichten. Das bringt Fi-Di in seiner ureigenen Art viel mehr herüber.

    Ich möchte auf keinen der beiden in der Wolfram-Diskographie verzichten.

    Beste Grüße

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Karl Schmitt-Walter dürfte noch nicht genannt worden sein. Deshalb stelle ich mal seinen "Abendstern" von 1937 ein. Sein Vortrag ist sehr kulturvoll und sehr genau. Betörend finde ich den Übergang von der realen Situation in der Dunkelheit des Tales hin zum Schein des Sternes. Als ob ein Licht angeht. Genau das fängt Schmitt-Walter haargenau ein. Jedes Wort ist zu verstehen. Wie gut konnten die Alten doch singen.


    Eine spätere - nicht ganz so elegante und feinsinnige Version findet sich auf diesem großen Querschnitt durch "Tannhäuser". Der Sänger entwickelte eine gewisse Neigung, zu näseln.



    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Phänomenal, der Schmitt-Walter!:hail:

    Er war mein erster bewusst gehörter Beckmesser. Danke für diese Bereicherung!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich persönlich finde aber Preys Stimme eigentlich schöner.

    Lieber Joseph II.,


    auch ich schätze Hermann Prey sehr, vor allem in Spielopern, wie denen von Lortzing, Flotow oder Kienzl, aber auch im "Barbier von Sevilla" oder in Mozarts "Figaro". Als Papageno überzeugt mich Prey ebenfalls weit mehr als Fischer-Dieskau, der macht aus dem Vogelfänger einen Professor der Ornithologie. Als Liedersänger hingegen ziehe ich (fast) immer Fi-Di vor, und ebenso bei ernsten Opernrollen, wozu ja der Wolfram zählt.


    Doch schlußendlich ist das immer eine Sache des persönlichen Geschmacks.


    Liebe Grüße :hello:Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Stimmenliebhaber, vielen Dank für Deine schöne Zusammenstellung, die einen Opernführer in den Schatten stellt! Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Am häufigsten habe ich als Wolfram Andreas Schmidt, Siegfried Lorenz, Roman Trekel und Markus Brück erlebt. Am besten fand ich allerdings Christian Gerhaher und Peter Mattei.


    @ La Roche: 2014 war Trekels beste Zeit leider schon vorbei. Er war früher ein sehr guter Wolfram.