Qualitätsunterschiede zwischen "Kleinmeister" und "Genie" nur eingebildet ?

  • Zugegeben - das ist eine etwas provokante Frage - die zudem eigentlich gar nicht zu beantworten ist.


    Aber das ist ja auch gar nicht Ziel dieses Threads, die Frage dient nur als Aufhänger für einen Thread, wo über bestimmte Dinge nachgedacht werden kann, darf, oder soll.....


    Die Musikwissenschaft und die Kritiker haben ja seit Jahren urteilssicher zwischen den "großen" Komponisten und den "Kleinmeistern" unterschieden und alles in die richtige Schublade abgelegt.


    Die Musikwissenschaft kann ja dank akribischer Forschung genau erklären warum das eine Werk ein "Meisterwerk", das andere aber allenfalls "guter Durchschnitt ist - allerdings nur solange ihr der Name des Komponisten bekannt ist.
    Bei anonymen, oder Zuschreibungen tut sie sich viel schwerer - warum das weiß wohl niemand so genau.


    Da gibt es eine ganze Serie von mdg, Welche sich "MOZART ???" nennt, und wo die Autorenschft der Werke zumindest zweifelhaft ist.
    Dabei wäre es doch ein Leichtes die Autorenschaft festzustellen, indem man nun prüft ob es sich um ein "geniales" oder "Durchschnittswerk" handelt. Aber hier liegt scheinbar die CRUX dieser Aufgabenstelluing: Sobald der Autor unbekannt ist, ist auch die Qualitätsbestimmung unsicher,
    Stamnen nun die Streichquartette Nr 15-18 von Joseph Haydn oder sind sie- wie man heute annimmt von Romanus Hofstetter??


    Da beide Komponisten offensichtlich in einer Liga angesiedelt sind ist die Zuschreibung schwierig.


    Aber es gibt sogar Leute, welche eines der Aushängeschilder Bachs Orgelmusik, nämlich Toccata und Fuge BWV 565 als nicht von Bach komponiert betrachten.......


    Wer kennt noch solche zweifelhaften Werke, soll heissen die Zuschreibung ist zweifelhaft, das Werk offenbar nicht...


    Und warum konnten sie so lange unter falschem Titel laufen..... ???


    mfg aus Wien
    ALfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Fehlzuschreibungen sind einerseits ein Symptom dafür, daß man anderen Komponisten (deren Werk man häufig nur unzureichend kennt) bestimmte Werke und Qualitäten nicht zutraut, andererseits ein Zeichen, daß diese eben auch gut schreiben konnten.


    Eine Diskussion von Motivationen für Fehlzuschreibungen wäre sicher auch interessant. Die "Gier" nach Werken von anerkannten Meistern spielt sicher eine große Rolle. Oder die romantische Verklärung nach einem frühen Tod, wie bei Pergolesi oder Mozart.


    Ein Grund ist sicher die übertriebene Platzierung einiger Komponisten auf den höchsten Podesten, während man die große Menge undifferenziert vernächlässigt hat und viele der möglichen Kandidaten überhaupt nicht kennt. Ich vertrete immer die These, daß man die Besonderheit (ich sage bewußt nicht: Größe) eines Bach, Beethoven oder Mozart nur sehen kann, wenn man all das sieht, was ihre Zeitgenossen hervorgebracht haben. Gerade Mozart hat sich viele Inspirationen bei seinen Kollegen geholt, und meistens etwas Interessanteres daraus gemacht, aber deswegen muß man seine Quellen nicht abqualifizieren. Und die Werke werden ja nicht schlechter, nur weil sie doch nicht von einem der (meistens von der Nachwelt) so betitelten "Großmeister" sind - dann waren die "Kleinmeister" eben doch etwas "größer" ... Vergleiche mit Ausnahmeerscheinungen wie den drei genannten führen zwangsläufig zu Ungerechtigkeiten. Ich denke, man sollte erst mal versuchen, jeden Komponisten mit seinen eigenen Meriten zu sehen. Die zitierten "Schubladen" halte ich für überholt - die Verflechtungen und Einflüsse sind weit differenzierter als es sich die Musikhistoriker dachten, die sie erfunden haben.

  • Ich finde das man bei den sog. "Kleinmeistern" vereinzelt sicher Meisterwerke finden kann die den besseren Werken großer Komponisten durchaus das Wasser reichen können. Ich habe diese Werke insofern ich sie entdeckt habe hier im Forum auch schon Aufmerksamkeit schenken wollen (Wie zB die Ries Klavierquartette, Klaviertrios von Volkmann, vereinzelt manch Bläserkammermusikwerk von Danzi usw.) aber die Resonanz ist darauf soweit ich das im Gefühl hatte nicht sehr groß, die Vorurteile oder Ressentiments gegenüber relativ unbekannt klingende Namen ist wahrscheinlich bei den Meisten mehr oder weniger vorhanden.


    Die Zugkraft eines großen Namen darf man psychologisch sicher nicht unterschätzen, würde man wahrscheinlich bei einem Blindtest das Werk einmal mit Beethoven und dann vielleicht zB mit Spohr oder Ries versehen so hätte das wahrscheinlich schon alleine dadurch seine gewisse Wirkung beim Hörer ganz zu schweigen davon ob man überhaupt in dieses Werk hineinhören möchte.


    Ich denke die großen Komponisten haben eine größere Anzahl an Meisterwerke, in mehr Sparten verteilt und darunter auch Meisterwerke die sich klar von den anderen meisten Zeitgenossen abheben können, aber man darf nicht vergessen das auch nicht jedes Werk von Ihnen dem überdurchschnittlich hohen Niveau ihrer besten Werke standhalten kann.
    Und hier denk ich mal setzt dann hauptsächlich dieser Bereich ein wo die Unsicherheiten mit Werken die man nicht eindeutig zuordnen kann aufkommen.
    Die zB Mozart ???-Werke würde man objektiv wohl sicher nicht zu seinen Highlights zählen (wäre es bewiesen das sie von ihm stammen würden) aber man weiß das viele von Mozarts-Frühwerken durchaus ungefähr auf diesem Level angesiedelt waren und es auch klar ist das manche Zeitgenossen mit dieser Qualität durchaus zum. vereinzelt mithalten konnten wenn sie nicht sogar als Inspiration für Mozart dienten. Mozart hat sich den großen Namen durch andere Werke verdient wie einige der Klavierkonzerte, den letzten Sinfonien, einige der kammermusikalischen Spätwerke usw. wo dann in Relation zu den anderen (zeitgenössischen) Kollegen (außer teilweise von J.Haydn) ein deutlicher Klasseunterschied merkbar ist.


    Und es wird wohl immer so sein das der großteils der Klassikhörer noch eher
    Mozarts frühe Sinfonien anhört als zB Mendelssohns Streichersinfonien obwohl hier vor allem die späten Streichersinfonien Mendelssohns wesentlich interessanter sind (dabei hat Mendelssohn noch einen halbwegs guten Bekanntheitsgrad)


    Die großen Komponisten haben ihren Status sicher zurecht, aber leider sind noch zu viele Vorurteile gegenüber ihren weniger bekannten Kollegen (wo der Mythos nur ein großer Name könnte auch etwas großes hervorbringen besteht) vorhanden dabei findet man hier auch die eine oder andere "Perle" die sich zu entdecken lohnt.
    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Man muss hier m.E. unterscheiden zwischen dem Rang eines Komponisten und der Qualität einzelner Werke. Die musikhistorische Stellung eines Komponisten wird von Musikwissenschaftlern höchstens beschrieben. Musikwissenschaft gibt es noch keine 150 Jahre und sehr wenige Komponisten wurden aufgrund von "wissenschaftlichen" Gesichtspunkten seither neu bewertet.


    Der Rang eines Komponisten ergibt sich aus seinem Einfluß (bzw. dem seiner Werke) auf andere Komponisten, ausübende Musiker und Publikum und zwar zu Lebzeiten, wo die inauthentischen Werke in der Minderzahl sein dürften (denn es gibt ja nur deswegen dutzende oder hunderte von unterschobenen "Haydn-Sinfonien", weil Haydn berühmt war und man meinte, Werke unter seinem Namen besser an den Mann zu bringen).


    Zeitgenössische Kritiker und Rezensenten können sicher oft als Meinungsverstärker oder Multiplikatoren dienen, aber ich glaube, dass deren Einfluss eher überschätzt wird. Hanslicks Urteil über Tschaikowskys Violinkonzert hat ihm ebenswenig geschadet wie die Ansicht einiger damaliger Geiger, es sei unspielbar schwierig. (Dass ein Urteil wie letzteres andere Kollegen gerade dazu bringen wird, ihre Virtuosität zu beweisen, ist naheliegend.) Es reicht, wenn es einige leidenschaftliche Musiker gibt, die die entsprechende Werke zur Aufführung bringen und ein Publikum, dass sich für sie begeistert.


    Ich kenne auch keinen Komponisten, dessen Rang auf einem dubiosen Stück beruhen würde. Selbst wenn die Matthäuspassion nicht von Bach stammte (oder Mozarts Requiem komplett von Süssmayer) wären das immer noch zwei der größten Komponisten. Die dubiosen Konzerte, die Klöcker ausgegraben hat (und von denen meines Wissens kein ernsthafter Wissenschaftler glaubt, dass sie von Mozart stammen), oder ein, zwei dutzend Bachscher Orgelwerke oder Kantaten fallen da kaum ins Gewicht.


    Ich weiß nicht genau, wie häufig Wissenschaftler nach rein stilistischen Kriterien entscheiden müssen, ob ein Werk authentisch ist. In vielen Fällen geht das über "äußerliche" Merkmale. Es gibt gewiß berühmte falsch zugeschriebene Werke oder Fälschungen, die lange nicht in Zweifel gezogen worden waren. Noch in den 1980er Jahren ist der berühmte Haydn-Forscher Robbins-Landon einigen bewußt gefälschten Klaviersonaten auf den Leim gegangen.


    Im Falle der Quartette "op.3" inkl. der berühmten Serenade, ist m.E. rein von der Musik her für einen Laien schwer zu sehen, warum sie nicht von Haydn stammen sollten. Sie könnten im Umkreis seines op.1 u.2 um 1760 enstanden sein. Rein äußerlich wäre hier aber schon seltsam, dass die Divertimenti op.1 und 2 durchgehend 5sätzig sind, während op.3 3 und 4sätzige, sogar ein zweisätziges Werk enthält, was bei Haydns Quartetten sonst nie vorkommt.


    Musikführer weisen allerdings darauf hin, dass der Komponist dieser Werke op.9 oder 17 (ca. 1769) gekannt haben müsse (genaueres weiß ich nicht). Und dass sie, ungeachtet der Opuszahl später als opp.9,17 u. 20 entstanden sein sollten (sie stammen vermutlich tatsächlich aus der Mitte der 1770er), ist auch für den Laien, der diese Quartette kennt und mit op.3,5 vergleicht, sehr schwer nachvollziehbar. Haydn hatte als alter Mann um 1800 die Werke selbst anerkannt, wobei er angesichts der Fülle seiner (frühen) Werke wohl den Überblick verloren hatte.
    Die Belege für Hofstetters Autorschaft sind aber keineswegs nur stilistischer Natur; es gibt wohl Druckplatten, auf denen sein Name weggekratzt wurde.
    Auch wenn op.3,5 ganz hübsch ist, ist die seinerzeitige Beliebtheit für mich nicht ganz verständlich, da die vergleichbaren Werke op.1 praktisch unbekannt geblieben sind. Es gibt dort sogar schon einen ähnlichen Satz wie die berühmte "Serenade", vielleicht das Vorbild...


    Es mag unter Komponisten früherer Zeiten vielleicht einige geben, bei denen zentrale Werke unklarer Autorschaft sind (so wurde die Missa Salisburgensis früher noch als anonym geführt), aber ich selbst weiß keinen, bei dem neue Erkenntnisse über Fehlattributionen zu einer Neubewertung geführt hätten.
    Sogar Pergolesi, von dem wohl mehr unterschobene als authentische Werke überliefert sind (ich glaube, kein einziges Motiv in Strawinskys Pulcinella stammt von Pergolesi selbst...), schrieb das Stabat Mater und die paar anderen Werke, die die Zeitgenossen (selbst JS Bach) tief beindruckten und die seinen Ruhm begründeten, selbst.


    Fazit: es werden immer mal wieder Werke falsch zugeordnet, aber ob ein Komponist ein "Kleinmeister" oder "Großmeister" ist, hängt davon nicht ab.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Man muss hier m.E. unterscheiden zwischen dem Rang eines Komponisten und der Qualität einzelner Werke.


    Eben.
    Alfred hängt irgendwie dem Glauben an, dass jedes Werk eines Genies ein Geniestreich sein müsse - dem ist aber nicht so.
    :hello:

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  • Zitat

    Auch wenn op.3,5 ganz hübsch ist, ist die seinerzeitige Beliebtheit für mich nicht ganz verständlich, da die vergleichbaren Werke op.1 praktisch unbekannt geblieben sind. Es gibt dort sogar schon einen ähnlichen Satz wie die berühmte "Serenade", vielleicht das Vorbild...


    Ich habe das gesamte Quartett op.3,5 leider gerade nicht zur Verfügung. Das berühmte andante daraus aber doch ziemlich gut parat. Gestern habe ich dann mal den sehr ähnlichen Satz (Violinsolo mit Pizzicato-Begleitung) aus op.1,6 gehört. Der ist vielleicht nicht ganz so volkstümlich, aber sehr hübsch und eher raffinierter. Weit überlegen m.E. dann das ebenfalls serenaden-, aber beinahe schon opernhafte Duett/Echo der beiden Violinen im adagio von op.1,4. :jubel: :jubel:
    Auch zu den schnellen Sätzen behauptet jedenfalls der Reclam-Führer, dass Haydns op.1 und 2 hier meist raffinierter seien als das ominöse op.3.


    Dass Haydn nach op.20 einen "Rückfall" wie op.3 hätte begehen können, schiene höchstens bei Werken mit abgesichtlich geringem Anspruch (Sonatinen für Schüler oder so etwas) denkbar. Dafür gibt es aber unter seinen Quartetten überhaupt keine Beispiele. (Nicht einmal das sehr kurze und relativ schlichte op.42)


    Insofern hätten m.E. Musiker und Wissenschaftler vielleicht schon eher stutzig werden können.


    Bei der Toccata&Fuge BWV 565 ist man meines Wissens auch früher schon von einem recht frühen Werk ausgegangen, u.a. weil besonders die Fuge für Bachsche Verhältnisse angeblich sehr simpel sein soll.


    Die Moral, dass sowohl große Genies auch weniger grandiose Werke komponieren und noch mehr, dass der Abstand zu heute viel weniger angesehenen Komponisten oft gar nicht so groß ist, ist allerdings sicher richtig.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Es ist auch interessant den Wikipedia-Artikel zur "Neuen Lambacher" G-Dur KV Anh. 221 (45a) durchzulesen. Bis heute gibt es sowohl Verfechter für Leopold als auch Wolfgang. (Anders als zB KV 444, die ja schon 1907 entlarvt wurde)


    Vor allem aber in der geistlichen Musik gab es viele unklare Zuordnungen, das mag wohl auch vor allem daran liegen das Mozart (die meisten seiner geistlichen Werke fallen ja in die Salzburger Zeit) sich vor allem hier dem Zeitgeist und der damals üblichen Stilistik der 1760er,70er Jahre untergordnet bzw. natürlich auch hier an anderen Komponisten orientiert hat.
    So wurden zB in der 6.Ausgabe des Köchelverzeichnisses 5 weitere Requien Mozart zugeschrieben. :D
    Des weiteren andere Fälle wie zB KV 116/90a die man in langjährigen Recherchen vor ein paar Jahrzehnten Leopold Mozart zuordnen konnte.
    Bei zB KV.Anh C1.03 (Anh 186) ist man sich noch nach wie vor unklar ob diese von Mozart oder Vanhal stammen könnte (man vermutet aber rein aus musikalischen Gründen eher von Vanhal)
    Was für ein Durcheinander manchmal vorkommt belegt auch die Geschichte um ein Requiem in Es wo in der Benidiktinerabtei Ottobeuren als auch eine Kopie in St.Jakob in Wasserburg unter Mozarts Namen gelistet war dann wie auch immer Michael Haydn zugesprochen wurde und dazu noch einige Kopien unter dem Namen Joseph Haydn existieren (im Hobkoken-Verzeichnis unter
    HOB XXIIa bei den zweifelhaften Werken gelistet wird) Dann gibt es anscheinend noch 2 weitere Quellen wie zB in der Öst.Nationalbibliothek die dieses Werk Vanhal zuschreiben.
    Mich würde interessieren ob dieses Werk jemals aufgenommen wurde um mir eine eigene Meinung darüber zu bilden.


    Bei Schubert fällt mir jetzt nur spontan die Grazer Fantasie D605A ein von der kein Orignalautograph existiert und nur durch einen Aufenhalt Schuberts in Graz der im Entstehungszeitraum (1818 ) reinfällt vermuten läßt das sie von ihm stammen könnte - entdeckt wurde sie ja erst 1962 (!)


    Sicher könnte man noch bei vielen Komponisten von solchen Fällen sprechen, erst gestern hab ich mir eine CD bestellt wo erst vor 5 Jahren ein weiteres "Dixit Dominus" (RV 807) Vivaldi zugeordnet werden konnte (vorher fälschlicherweise unter seinem Zeitgenossen Baldassarre Galuppi lief...oder besser gesagt nicht lief weil ich mir vorstellen kann das mangels Zugkraft dieses Namens dieses Werk zuvor nie eingespielt wurde)


    :hello:
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Zitat

    Original von âme
    ...
    Bei Schubert fällt mir jetzt nur spontan die Grazer Fantasie D605A ein von der kein Orignalautograph existiert und nur durch einen Aufenhalt Schuberts in Graz der im Entstehungszeitraum (1818 ) reinfällt vermuten läßt das sie von ihm stammen könnte - entdeckt wurde sie ja erst 1962 (!)
    ...


    Dieses Werk klingt aber so deutlich nach Schubert, dass man sich schwer einen anderen Komponisten vorstellen kann...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus


    Dieses Werk klingt aber so deutlich nach Schubert, dass man sich schwer einen anderen Komponisten vorstellen kann...


    :hello:


    Mag sein, ich hab aber zB noch nie etwas von Anselm Hüttenbrenner gehört der eventuell auch (u.a.) in Frage kämen würde. Was mir an der Fantasie nicht gefällt sind die meist zu aprupten Übergänge der einzelnen Themen, aber stellenweise klingt es wohl so was wir in etwa Schubertstilistisch nennen könnten.

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Zitat

    Original von âme
    Es ist auch interessant den Wikipedia-Artikel zur "Neuen Lambacher" G-Dur KV Anh. 221 (45a) durchzulesen. Bis heute gibt es sowohl Verfechter für Leopold als auch Wolfgang. (Anders als zB KV 444, die ja schon 1907 entlarvt wurde)


    Die "Neue Lambacher" sollte aber wirklich nicht als potenzielles Hauptwerk WA Mozarts in Frage kommen ...
    :wacky:

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  • Wie ich mich erinnere, haben sich ob dieses Themas schon einige ehemalige "Kleinmeister des Forums" die Köpfe eingeschlagen; so weit wird es hoffentlich nicht mehr kommen!


    Auch Genies haben sich bisweilen den einen oder anderen Ausrutscher geleistet, trotzdem stehen sie als leuchtende Fixsterne am musikalischen Firmament. Die zahllosen Sternschnuppen dagegen sind längst verglüht, bis wir sie wahrnehmen - und trotzdem können wir uns ihrem Reiz nicht entziehen.


    Platz ist für Alle genügend da, Jeder möge sich seine Lieblingssterne und -sternchen selbst aussuchen.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Die "Neue Lambacher" sollte aber wirklich nicht als potenzielles Hauptwerk WA Mozarts in Frage kommen ...
    :wacky:


    Nein natürlich nicht, aber bekanntlich ist es ja so das dieses Werk je nachdem wer es dann letztendlich komponiert haben sollte entweder eine magische Aura eines Genies oder die langweilende Präsenz eines mittelmäßig Begabten umgibt. ;)
    :hello:

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Bei mir nicht, ich erwarte mir von einem erwachsenen berühmten Komponisten wie Abel wesentlich mehr als von einem 8-13-Jährigen. Aber da bin ich vielleicht noch in der Minderheit (trotz der Kleinmeister-Renaissance der letzten Jahrzehnte).
    :hello:

  • Hallo,


    ich schreib mal zum Thema ab aus dem Beiheft dieser CD:



    (zu derzeit 5.99 bei JPC, ich zahlte 18, die im Hinblick aufs Gebotene auch gut angelegt sind)


    " Sein grösster Fehler? Ein Licht inmitten leuchtender Sterne gewesen zu sein, deren Glanz ihn bis heute überstrahlt. In der Musikgeschichte verweilt man, ebenso wie in der Geschichte der Literatur oder der Malerei, bei den grossen Titeln. Zwischen Mozart, Beethoven und Chopin... fallen Dussek oder Hummel kaum ins Auge. Zwischen Schumann und Brahms... sind Goetz, Heller und Kirchner in Vergessenheit geraten. Ob Vorreiter oder Nachfolger - sie teilen das selbe Schicksal. Ihr Name sorgt nicht für Aufsehen. Auch der geringsten Sonate, Sonatine, Sonatelle Beethovens ist ungleich grössere Anerkennung gewiss als Dusseks bemerkenswerter "Sonate des Adieux" oder seiner "Élégie harmonique". Wen kümmert es, dass sie uns wunderbare Musik hinterlassen haben? Die Werke ihrer vom Glück begünstigteren älteren oder jüngeren Kollegen sind ebenfalls schön. Schönheit in allzu grosser Menge macht sich nicht bezahlt. (...)".


    Viele Grüsse
    Julius

    Julius

  • Zu Kirchner will ich noch nachtragen
    "Schumann, Mendelsohn and Wagner admired him... As did Brahms, who was left his home to move closer to him!..."
    So ist also die Zuweisung zu "Genie" oder "Kleinmeister" zeitabhängig, wobei die Zeit auch "zementiert". Ich muss dabei auch an die Diskussionen über die "x bedeutendsten Komponisten" des 20. Jahrhunderts denken. In zweihundert Jahren gäbe es vielleicht nicht mehr so viele verschiedene Ansichten.


    Viele Grüsse
    Julius

    Julius

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  • Mir ist nicht so ganz klar, aus welcher Perspektive die Adjektive "klein" oder "groß" vergeben werden -


    es bieten sich an:
    - der persönliche Geschmack
    - die augenblickliche Rezeption in einer geneigten Beurteilergruppe
    - die Rezeption im "aufgeklärten" Teil der Musikgeschichte, also ungefähr ab hip
    - die Rezeption im gut dokumentierten Teil der Musikgeschichte, also vermutlich ab 1870
    die Rezeption zu Lebzeiten des Komponisten oder bis kurz nach seinem Tod
    - das Integral über alle Bedeutungs-Deutungen


    persönlich finde ich natürlich, daß Händel Beetofen (schöner Freud´scher...lol) gleich kilometerweit überragt, zu Händels Lebzeiten fand man das vermutlich auch - gg
    ansonsten gestehe ich natürlich KSM zu, jedweden abstrusen "Künstler" zum Schwarzgurtträger (7. Dan) zu promovieren

  • Zitat

    Haydn hatte als alter Mann um 1800 die Werke selbst anerkannt, wobei er angesichts der Fülle seiner (frühen) Werke wohl den Überblick verloren hatte.


    Haydn hatte nicht nur den Überblick verloren, sondern zudem noch jegliches Interesse an dieser Frage verloren. Was eher kaum bekannt seindürfte, ist, daß Haydn äusserst merkantil veranlagt war, und es auf den Tod hasste, wenn seine Werke als Schwarzdrucke (vorzugsweise in Paris) auftauchten oder sein Name auf der Komposition eines anderen Komponisten prangte - vor allem weil er davon keinen persönlichen finanziellen Nutzen ziehen konnte.
    Als im Alter das Interesse an der Authentzität seiner Werke auftauchte und er diesbezüglich befragt wurde, gab er zur Antwort, daß er sich nicht mehr erinnern könne - und auch nicht wolle - dieses Thema sei für ihn nunmehr uninteressant. Auf wiederholtes Drängen ließ er sich dann doch bewegen, diesbezügliche Fragen zu beantworten - aber es ist erwiesen, daß Haydn hier zu einigen Sinfonien NACHWEISLICH falsch Aussagen machte, er authorisierte Werke die - wie man heute weiß - NICHT aus seiner Feder stammte. Ich würde das unter den Begriff: "Altersbosheit" reihen ;)


    Ansonst wurde hier zu Recht festgehalten, daß es für die Reputation der "Großen" völlig unbedeutend sei ob ihnen zugeschriebene Werke tatsächlich von ihnen seien.


    Umgekehrt wäre es natürlich schon eine Aufwertung für den EIGENTLICHEN Autor, beispielsweise wird ja Bachs BWV 565 als fraglich eingestuft, Bach ist also möglicherweise nicht der Komponist (??)


    Aber al das - so interessant es ist - zielt an der Kernfrage vorbei.


    Fragen wir uns mal (als Beispiel) welchen Stellenwert Die Sinfonien von Ferdinand Ries - jahrelang kannte sie immerhin kein Mensch - hätten, wenn wir ein Autograph hätten, das mit "Ludwig van Beethoven" signiert wäre ??


    Aber irgendwie ist das kein guter Vergleich, weil Ries ja auch zu Lebzeiten keine führende Rolle in der Musikszene innehatte - im Gegensatz etwa zu Salieri.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Fragen wir uns mal (als Beispiel) welchen Stellenwert Die Sinfonien von Ferdinand Ries - jahrelang kannte sie immerhin kein Mensch - hätten, wenn wir ein Autograph hätten, das mit "Ludwig van Beethoven" signiert wäre ??


    Ich glaube, wenn Du das jetzt machst, dass man die Fälschung als solche erkennen wird.
    :D

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Ansonst wurde hier zu Recht festgehalten, daß es für die Reputation der "Großen" völlig unbedeutend sei ob ihnen zugeschriebene Werke tatsächlich von ihnen seien.


    Ich meinte damit allerdings nur, dass immer noch genügend unzweifelhafte und anerkanntermaßen große Werke übrig bleiben würden, selbst wenn man zB herausfände, dass Süssmayr das Requiem alleine komponiert hätte.
    Selbst im extremen Falle Pergolesi, wo sich anscheinend mehr der ursprünglich zugeschriebenen Werke als unterschoben denn als authentisch herausgestellt haben, reicht wohl das Stabat Mater und ein paar weitere Werke, um den Stellenwert aufrecht zu erhalten.


    Zitat


    Umgekehrt wäre es natürlich schon eine Aufwertung für den EIGENTLICHEN Autor, beispielsweise wird ja Bachs BWV 565 als fraglich eingestuft, Bach ist also möglicherweise nicht der Komponist (??)


    Ich kenne den Diskussionsstand nicht genauer, aber lese immer häufiger, dass praktisch sicher sei, dass höchstens die Orgelbearbeitung von Bach stamme, vermutlich nicht mal diese...


    Zitat


    Fragen wir uns mal (als Beispiel) welchen Stellenwert Die Sinfonien von Ferdinand Ries - jahrelang kannte sie immerhin kein Mensch - hätten, wenn wir ein Autograph hätten, das mit "Ludwig van Beethoven" signiert wäre ??


    Wir haben einen Fall, der gar nicht so weit von diesem fiktiven entfernt ist: Die sog. "Jenaer" Sinfonie, bei der lange der junge Beethoven als Autor vermutet wurde. Sie stammt tatsächlich von Friedrich Witt. Das Werk war lt. Wikipedia 1909 entdeckt worden und 1968 stellte sich der wahre Urheber heraus.
    Meinem Eindruck nach war sie aber weder besonders bekannt, als man sie noch für ein Jugendwerk Beethovens hielt, noch hinterher... Freilich ist das eine andere Situation, als wenn das Werk schon im 19. Jhd. zusammen mit den anderen Sinfonien (als Nullte) bekanntgewesen wäre. Diese Sinfonie ist jedoch ziemlich offensichtlich wesentlich weniger originell (sie hängt sich enger an ein Vorbild, Haydns 97 an als es beim jungen Beethoven üblich ist) als die C-Dur op. 21 und selbst diese hatte man ja oft noch als "Fingerübung" im Geiste Haydns & Mozarts gesehen. Ich wage also mal die Prognose, dass auch ein früheres Bekanntsein der Jenaer nicht viel an der Beethoven-Rezeption geändert hätte.
    Ob man eine verkehrt überlieferte Ries-Sinfonie als "Ausrutscher" eingestuft hätte? Keine Ahnung.


    :hello:


    JR

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  • Ich glaube, die gesamte Frage ergibt sich überhaupt erst aus einer sehr speziellen, historischen und "späten" Perspektive. Mir wurde das bewußt, als ich kurz über die o.g. Jenaer Sinfonie nachdachte. Man muss sich einfach klarmachen, dass auch im 19. Jhd., selbst wenn ein gewisser musikhistorischer Blick nicht nur viele Komponisten, sondern auch einen Teil des Publikums auszeichnete, viel stärker gegenwartsbezogen war als die meisten "Klassikhörer" seit Beginn des 20. Jhds.


    Es wurden zwar einige Oratorien von Händel, Bach und Haydn aufgeführt, ebenso einige Konzerte und drei oder vier Opern von Mozart und von Beethoven als Übervater der instrumentalmusik sogar relativ große Teile seines Oeuvres. Dennoch war die dominierende Musik die Musik der jeweiligen Gegenwart, bis vielleicht 30 Jahre zurück oder so. Es hätte, außer ein paar historisch interessierten, 1840 kaum jemand Interesse an einer über 40 Jahre alten Sinfonie, die vielleicht vom jungen Beethoven stammen könnte, gezeigt. Das war ein weitgehend obsoleter Stil, man hätte das Stück nicht aufgeführt. (Andere Schwierigkeiten ergaben sich, wie anderswo beschrieben, mit der ca. 15 Jahre vorher geschriebenen, C-Dur-Sinfonie von Schubert, die anscheinend zu originell oder "modern" war.)


    Die Situation eines Sammlers mit einem besonderen Interesse für eine Epoche, der, wie Alfred mitunter schreibt, gar nicht genug Sinfonien haben kann, die irgendwie ähnlich wie Beethovens oder Schuberts sind, ist eine völlig andere. Und eben selbst unter der vergangenheitsfixierten Klassikszene eine eher spezielle. Den meisten Hörern langen nämlich entweder die 9 Sinfonien von Beethoven oder Schubert oder sie meinen eben doch einen relevanten Qualitätsunterschied zwischen Beethoven einerseits und Witt und Ries andererseits wahrzunehmen, dass sie, da sie nicht so auf einen Stil fixiert sind, stattdessen die vorgeblichen Meisterwerke anderer Epochen hören, eben Sinfonien von Schumann, Brahms, Mahler oder Sibelius.


    :hello:


    JR

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  • Es ist absolut richtig, wenn Johannes Roehl schreibt - oder andeutet, daß derjenige Sammler der (beispielsweise) aufs 18. Jahrhundert fixiert ist,die Situation mit anderen Augen betrachtet, wie der "Universalsammler, der nach ALLEN Epochen hin aufgeschlossen ist.


    Man kann sich selbst in dieser Hinsicht natürlich nicht einstufen oder beurteilen, aber natürlich ist mir auch bewusst, daß es bei den "Neuentdeckungen sehr viiel "belangloses" gibt, wobei ich unter "belanglos" sicher etwas anders verstehe als diejenigen die die Musikgeschichte, ähnlich den Naturwissenschaften, als Disziplin sehen, die stets weiterentwickelt und erneuert werden muß. Diese Denkungsart teile ich nicht, würde sie - zu Ende gegeacht - letztlich bedeuten, daß Schönberg und Webern, Stockhausen und Henze, gegenüber Mozart die "besseren" Komponisten wären. !!!!!
    Ich persönlich werte - auch das ist sehr willkürlich - und eigentlich nicht legitim - nach der Schönheit des Klanges, des Eindrucks der Gesamtwirkung - ungeachtet ob hier eine sogenannte "Weiterentwicklung" stattgefunden hat. Von mir aus könnten alle heutigen Komponisten im Stile Beethovens oder Verdis komponieren - bis in alle Ewigkeit.....
    Aber natürlich ist das nicht genug - die Werke müssen sich natürlich mit denen der "Großen" vergleichen lassen, ihnen (in etwa) ebenbürtig sein...
    Und hier sind wir schon beim Knackpunkt des Threads. Wie kommt es, daß Komponistren die man zu Lebzeiten durchaus mit Mozart auf eine Stufe gestellt hat - heute vergessen sind ?


    Wie kommt es ferner, daß man - findet man ein 200 Jahre altes unsigniertes musikalisches Werk - sich nicht einigen kann wer es letztlich komponiert hat ?


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Und hier sind wir schon beim Knackpunkt des Threads. Wie kommt es, daß Komponistren die man zu Lebzeiten durchaus mit Mozart auf eine Stufe gestellt hat - heute vergessen sind ?


    Um beim anderen Thread anzuknüpfen ist es wohl der jeweilige Zeitgeschmack (mehr 200 Jahre sind immerhin vergangen) und die damit verbundenen Hörgewohnheiten. Irgendwo in den Tiefen dieses Tamino-Forums existiert auch schon eine Diskussion darüber (ich glaub es war bei einem Haydn-Thread in seinem Jubliäumsjahr) Wie anders, subtiler und feinsinniger in gewissen Belangen die Menschen auf gewisse musikalische Wirkungen reagiert haben - ein Moll wurde damals scheinbar wirklich als unangenehm, aufwühlend empfunden was erklärt das auch relativ selten in dieser Tonart im 18.Jhdt. komponiert wurde und oftmals Werke wie Mozarts KV 466 oder 491 nicht sonderlich gut ankamen. Heute sind gerade Moll-Werke bei den meisten Klassikhörern sehr gefragt und beliebt, die Wirkung ist ja schließlich auch in unserem heutigen Zeitgeist wesentlich abgestumpft.
    So waren sicher einfache Tänze, Menuette, Divertimentis für den damaligen Zeitgeschmack sehr populär - aber heute ist die Welt eine Andere, geprägt durch unser ganzes Umfeld und der allgemeinen Entwicklung und erzielt längst nicht mehr die Wirkung wie zu damaligen Zeiten, selbst im Regelfall bei eingefleischten Hörern des 18.Jhdt. nicht.
    Das kann man sicher in manchen Punkten so fortführen.
    Ich denke hier muß man u.A. sicher auch anküpfen um zu verstehen warum manche Komponisten damals so populär wären - diese Umstände sind mit ihrer Zeit und ihrem jeweiligen Zeitgeist verbunden, das manche Komponisten sich mehr dem populären Zeitgeschmack verschrieben haben, manche weniger. Bekanntlich wollte Mozart meist eine Kompromisslösung finden (Ausnahmen bestätigen hier auch die Regel) So schrieb er ja 1782 über seine Klavierkonzerte in einem Brief an seinen Vater: "Hier können Kenner Satisfaction erhalten, doch so, dass die Nichtkenner zufrieden sein müssen, ohne zu wissen warum."
    Vielleicht ist es gerade dieser Versuch der nicht jedem Komponisten geglückt ist und ihn gerade auch noch für unseren heutigen Geschmack interessant macht.


    :hello:
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Das Vergessen ist der Normalfall. Man muss tatsächlich genau umgekehrt fragen, warum manches nicht vergessen wurde. ;)


    Außer aufgrund mancher lokaler Traditionen wurde etwa im 18. Jhd. kaum Musik aufgeführt, die älter als 30 Jahre war. Ausnahmen wurden in der Regel mehr oder weniger massiv bearbeitet (wie Mozart das mit Händels Oratorien tat).
    Mozart hat ja für eigene Werke, die nur wenige Jahre alt waren, mitunter neue Sätze für Neuaufführungen komponiert. Thomas/âme erwähnte ein Rondo, das für das A-Dur-Konzert K 414 geschrieben wurde. Ebenso erhielt das erste richtige Konzert, KV 175 einen alternativen Finalsatz. (Mir gefallen die Originale eigentlich besser...)


    Die Idee von "Kunst für die Ewigkeit", die wir mitunter haben, war dieser Zeit weitgehend fremd, jedenfalls bezogen auf Musik. Ausnahmen waren vielleicht eher noch "gelehrte Werke" wie einiges von Bach, was aber niemals für ein großes Publikum gedacht war, sondern zur Ausbildung des Komponistennachwuchses diente (so wie Schüler teils bis ins 20. Jhd. mit Euklids "Elementen" in Geometrie ausgebildet wurden (übersetzt, aber nur geringfügig bearbeitet)).
    Musik war an konkrete Aufführungen oder eigenes Musizieren gebunden.


    Erst mit dem 19. Jhd. steigt das Interesse an einiger ausgewählter älterer Musik außerhalb von Expertenkreisen. Oratorien von Händel und Haydn und später auch Bach, ein paar Opern von Gluck und Mozart bleiben dann durchweg auch für ein breiteres Publikum im Repertoire (wenn auch meist heftig bearbeitet). Ebenso in der Hausmusik sicher einiges an Kammermusik der Wiener Klassik.
    Dennoch dürfte "neuere" Musik, also ab ungefähr Beethoven den wesentlichen Anteil an Konzertprogrammen ausgemacht haben. Gerade in der sinfonischen Musik wurde, was vor Beethoven geschah, nur sehr vereinzelt "für voll genommen", nachdem sich Beethoven einmal als Übervater durchgesetzt hatte, was gut 10 Jahre nach seinem Tod im deutschsprachigen Raum definitiv gegeben war.


    Es kommt daher vermutlich auch darauf an, wie wichtig ein Genre wird, ob ein Komponist weiterhin wahrgenommen wird. Für die deutschsprachige Oper war die Zauberflöte ein Schlüsselwerk und das Genre wurde in den folgenden Jahrzehnten mit Fidelio, Freischütz u.a. bis zu Wagner viel zentraler als es 1791 gewesen war. Mit Cosi fan tutte konnte die Romantik aufgrund des frivolen Sujets dagegen überhaupt nichts anfangen, die Oper wurde erst am Beginn des 20. Jhds. wieder reanimiert. Da half auch nicht, dass sie vom vergötterten Mozart geschrieben worden war.


    Auf anderen Gebieten kenne ich mich nicht aus. Aber es wundert mich z.B. angesichts der Fruchtbarkeit und Popularität von Rossini, Donizetti, Bellini nicht sehr, dass höchstens einzelne italienische Opern vor 1800 im Repertoire verblieben. Zumal sich hier Moden nicht nur auf die Musik, sondern auch auf Sujets beziehen, s.o.


    Die Perspektive aus der über das "Vergessen" entschieden wird, ist vermutlich weder die der unmittelbaren Zeitgenossen (die können etwas "durchfallen" lassen, aber sie können nicht das schnelle Vergessen verhindern) noch die wesentlich späterer Generationen, die vielleicht "fairer" urteilen können und sich daher wundern, warum manches, scheinbar gleichwertige, vergessen wurde.


    Sondern es sind diejenigen, die (sehr bald) nach dem Ableben des Komponisten dafür sorgen, dass seine Werke weiterhin aufgeführt werden und noch mehr vielleicht die Komponisten, die sich auf diese Werke beziehen und sie somit zu "Vorbildern", "Inspirationsquellen" usw. werden lassen.


    Die Jenaer Sinfonie (ich weiß nicht genau, wann sie komponiert wurde, vermutlich kurz vor 1800?) wäre unmittelbar danach sicher als solides, ordentliches Werk beurteilt worden. Für andere Komponisten war sie schon damals sicher keine Inspirationsquelle, die hätten sich ja, wie Witt, gleich an Haydns 97 halten können. Aber 1825 nach Beethovens 9 Sinfonien oder gar 1840 nach Berlioz' Fantastique und nach der Entdeckung von Schuberts 9. war sie einfach hoffnungslos uninteressant, wohl sogar für ein "konservatives" Publikum, dem Berlioz zu wild war. Und bis dahin (ich kenne die leider zu wenig) waren vermutlich auch Ries' solide Sinfonien zumindest für Komponisten nicht mehr besonders spannend.
    Der Unterschied ist wohl, dass Werke wie Beethovens oder Schuberts 9. Sinfonien noch bis weit in die Spätromantik für Brahms, Bruckner und Mahler Marksteine und Inspirationsquellen sein konnten. Sie waren 1825 so modern, dass sie diese Funktion noch fast 60 Jahre später erfüllen konnten, Beethovens späte Quartette sogar fast 100 Jahre später.


    Vermutlich ist das nicht die einzige Möglichkeit, wie sich Werke und Komponisten "verewigen" können, aber eine scheint mir in der skizzierten Weise zu bestehen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)