Russische Musik - unbeliebt?

  • Mir leuchtet nicht so recht ein, warum es einen groß angekündigten Schwerpunkt geben sollte.
    Zu den zahlreichen berühmten russischen Komponisten/Werken gibt es bereits zahlreiche Threads. Die können jederzeit weitergeführt werden, warum das systematisch oder konzentriert erfolgen sollte, sehe ich eigentlich nicht.
    Und dass Miaskowskij, Weinberg, Schnittke oder Eshpai plötzlich jedermanns große Favoriten werden, kann man kaum mit zusätzlichen Meta-Threads erzwingen. (Ich habe eine der von Wolfgang/Teleton empfohlenen Eshpai-CDs zügig wieder verscherbelt, klang für mich nach "russischem Gershwin" mit Pseudo-Jazz-Elementen, für meinen Geschmack eher überflüssig :untertauch: )

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Interessieren würde mich, weshalb Lady Macbeth in Beitrag 86 unkommentiert als furchtbar bezeichnet wird? Ich habe die Oper vor Jahren in Stuttgart gesehen und kann das Urteil nicht nachvollziehen (muss ich wahrscheinlich auch nicht).


    Muss man wirklich nicht, lieber WoKa, und ich tu´s auch nicht. Aber Väterchen Stalin hat das in Kraft seines immensen Kunstverständnisses etwas anders gesehen.

  • Okay - hatte versehentlich die Wertung dem Verfasser der Nachricht zugeordnet.


    Schöne Ostern!

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Natürlich, wenn schon der Onegin Schwierigkeiten bereitet, wird der Einstieg bei Mussorgskyj oder gar Schostakowitsch nicht gerade leicht, es sei denn, man empfindet den Onegin als zu wenig russisch.


    Nein, zu wenig russisch finde ich den Onegin nicht, aber vielleicht etwas langatmig. Dagegen passiert bei Schostakowitschs Lady Macbeth unglaublich viel, das ist keine Lovestory, sondern eher schon ein Thriller.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Lieber timmiju,


    meine Bemerkung über den Onegin war natürlich nicht auf Dich gemünzt, sonst wäre ja der folgende Bezug auf Schostakowitsch unlogisch.
    Und es ist auch eher so, dass ich selbst den Onegin als nicht typisch russisch empfinde. Höchstens könnte ich von einem etwas parfümierten Russisch reden.
    Das Urrussische finde ich dagegen bei Mussorgskyj.
    Russisch vom Feinsten sind allerdings die Texte sowohl im Onegin als auch im Boris Godunov, stellenweise fast unverfälschter Puschkin.
    Schostakowitsch könnte ich im Blindtest sicher nicht identifizieren.

  • Zu den zahlreichen berühmten russischen Komponisten/Werken gibt es bereits zahlreiche Threads. Die können jederzeit weitergeführt werden, warum das systematisch oder konzentriert erfolgen sollte, sehe ich eigentlich nicht.

    Ich finde schon, weil da noch sehr vieles unbehandelt und unbekannt ist.



    Ich habe eine der von Wolfgang/Teleton empfohlenen Eshpai-CDs zügig wieder verscherbelt, klang für mich nach "russischem Gershwin" mit Pseudo-Jazz-Elementen, für meinen Geschmack eher überflüssig :untertauch: .

    Hallo Johannes,
    ;) dann ist ja gut das nicht jeder den gleichen Geschmack hat. :P


    :angel: Gerade was Andrei Eshpai angeht finde ich sein gesamtes Schaffen unglaublich hörenswert und unverzichtbar.
    :thumbup: Dazu möchte ich zwei treffende Zitate von Lutgra aus dem Eshpai-Thread in Erinnerung bringen:


    Ich halte Andrei Eshpai nach Schostakowitsch, Prokofieff und Myaskovsky für den bedeutendsten sowjetischen Komponisten des 20. Jahrhunderts.

    Die diskographische Situation von Andrei Eshpai ist nach wie vor beschämend. Dass einer der besten und zugänglichsten sowjetischen Komponisten, der m.E. Aram Chatchaturian und Dimitri Kabalevsky locker auf die Plätze verweist, bisher nur in einigen Übernahmen von Melodiya durch das amerikanische Albany Records Label greifbar ist, ist ein Skandal. Die Mehrzahl der offensichtlich zahlreich vorhandenen Aufnahmen kann man derzeit nur von halb- bis illegalen Internetanbietern downloaden.
    Gestern wieder gehört: die 3. Symphonie "To the memory of my father" Vladimir Fedosejev dirigiert das USSR TV and Radio SO und das 3. Violinkonzert "Bartok Concerto" gespielt von Nadezda Tokareva, Sergei Kondrashev dirigiert obiges Orchester. Ich finde nicht, dass man auf diese Musik verzichten kann und hoffe inständig, dass eines unserer Lieblingslabel hier demnächst Abhilfe schafft. 10 CDs wären das Minimum, was hier angesagt wäre.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Russische Musik - unbeliebt?


    Ich denke nicht.


    Für mich ist Tschaikowskys Eugen Onegin eindeutig in Russland angesiedelt, der Stoff stammt aus Puschkins gleichnamigem Versroman, mit Landgut, Winterlandschaft mit der Duellszene, rauschendem Fest in der Stadt. Ich habe die Oper heute gehört und ich schätze sie sehr.

    Die unglückliche Liebe, die in der Oper behandelt wird, ist etwas Allgemeingültiges.


    Übrigens: In Tschaikowskys Werken kommen oft Melodien vor, die er der russischen Volksmusik entnommen hat. Das wird einem bewusst, wenn man seine harmonisierten 50 Volkslieder für Klavier gehört hat. Man denkt, dass kenn ich doch, weil es in einer Sinfonie oder einem anderen Orchesterwerk vom Komponisten verwendet wurde. Russischer geht es nicht.


    Was alles an Werken russischer Komponisten von Glinka, Mussorgsky, Prokofieff, Eshpal, Schostakowitsch bis Schnittke, um nur einige Namen aufzuzählen in diversen Threads im Tamino-Forum behandelt und besprochen wird, zeigt doch, wie die Musik Russlands geschätzt wird.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Russische Musik - unbeliebt?


    Ich denke nicht.

    Ich frage mich auch, woher dieses Urteil kommt.


    Zwei möglich Gründe: Als der Thread entstand, war der aktive Teil des Forums noch anders besetzt und als zweites Argument, dass eventuell sowjetische Künstler gemeint sind, die mehr linienkonform gearbeitet haben, deswegen aber nicht schlecht sein müssten.


    So wie ich das wahrnehme, bildet die russische Musik eine beträchtlichen Teil der rezipierten ab. (Zumindest ab beginnender Romantik) Ich finde die Musik vieler Exilrussen interessant, den russischen Furturismus, aber auch modernere Strömungen, seien es Auerbach, Gubaidulina, Smirnov, Firsova, aber auch etwas ältere Semester wie Pärt, wenn man ihn dazuzählen möchte. Es handelt sich, wie mir scheinen will, um eine ziemlich rege Musikszene , die aber auch prominente Befürworter hat, wie Gidon Kremer.


    Wenn man die Frage stellt, wo das "Russische" in dieser Musik denn ist, kommt es mir nicht schlauer vor, als das Deutsche in der Musik von Stockhausen, Rihm und Ruzicka (oder Poppe :)) zu suchen. Ich weiß nicht, ob diese Fragen überhaupt spezifiziert, und wenn doch, korrekt beantwortet werden können. Sie haben allerdings immer politisches und meistens wenig musikalisches Potential.

  • Lieber astewes, liebe Mitglieder des Forums, liebe Mitleser aus den unendlichen Weiten des Internets


    Anmerkung:


    In Beitrag 87 erklärt Alfred Schmidt, der Betreiber des Forums, wie der Thread entstanden ist und weshalb er den Titel Russische Musik - unbeliebt? trägt.

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  • In Beitrag 87 erklärt Alfred Schmidt, der Betreiber des Forums, wie der Thread entstanden ist und weshalb er den Titel Russische Musik - unbeliebt? trägt.


    Danke für diesen Hinweis. Jetzt stellt sich allerdings die Frage, ob man diesem Thread noch Sinn geben kann, wenn man die Frage leicht modifiziert.

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  • Ich beurteile es als ein Ding der Unmöglichkeit und wenig sinnvoll, an der Fragestellung etwas zu ändern. Etwas Provokation kann gut sein, um Interesse zu wecken und Antworten zu entlocken.

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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Der Thread Titel hat durch die aktuellen Ereignisse eine neue Wendung erhalten.


    ich las, dass die Berliner Philharmoniker beim diesjährigen Konzert auf der Waldbühne ein rein russisches Programm spielten. Diese Programmierung setzt ein unmissverständliches Zeichen: russische Musik ja, auch russische Interpreten, bei gleichzeitiger Haltung keine putinsche Aggression gegen die Ukraine.


    Anatolij Lyadow, Kikimora Op. 33, Sergei Rachmaninov 2. Klavierkonzert, Modest Mussorsky Bilder einer Ausstellung, Zugabe Peter Tschaikowsky Pas de Deux, aus Der Nussknacker, Paul Linke Berliner Luft


    Die Bilder einer Ausstellung enden mit dem Grossen Tor von Kiew.


    Kirill Gerstein war der russisch stämmige Solist, der für den erkrankten Russen Daniil Trifonov einsprang.


    Die Haltung des russischen Chef-Dirigenten der Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko zum vom Machthaber Putin befohlenen Überfall auf die Ukraine ist klar und eindeutig und wurde früh deklariert: Sie ist datiert 25. Februar 2022, ein Tag nach dem Beginn der von Putin ausgehenden militärischen Invasion in die Ukraine. Er schreibt:


    »Der heimtückische und völkerrechtswidrige Angriff Putins auf die Ukraine ist ein Messer in den Rücken der ganzen friedlichen Welt. Es ist auch ein Angriff auf die Kunst, die bekanntlich über alle Grenzen hinaus verbindet. Ich bin zutiefst solidarisch mit all meinen ukrainischen Kolleginnen und Kollegen und kann nur hoffen, dass alle Künstlerinnen und Künstler für Freiheit, Souveränität und gegen die Aggression zusammenstehen werden.«


    Alle Bestrebungen, russische Musik aus den Konzerten zu verbannen, gehen in eine falsche Richtung. Auch wenn man als Veranstalter die Haltung hat, ein Zeichen setzen zu müssen, um nicht in den Verdacht zu geraten, den von Putin und seinen Schergen begonnenen Krieg zu unterstützen.

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  • ...ich las, dass die Berliner Philharmoniker beim diesjährigen Konzert auf der Waldbühne ein rein russisches Programm spielten. Diese Programmierung setzt ein unmissverständliches Zeichen: russische Musik ja, auch russische Interpreten, bei gleichzeitiger Haltung keine putinsche Aggression gegen die Ukraine.

    (...)

    Alle Bestrebungen, russische Musik aus den Konzerten zu verbannen, gehen in eine falsche Richtung. Auch wenn man als Veranstalter die Haltung hat, ein Zeichen setzen zu müssen, um nicht in den Verdacht zu geraten, den von Putin und seinen Schergen begonnenen Krieg zu unterstützen.

    .

    Ich habe, eben wegen dieses angekündigten Programms, die Übertragung im Fernsehen von Anfang bis Ende aufmerksam verfolgt. In der Pause wurde die geschäftliche Leiterin der Berliner Philharmoniker von der Fernseh-Moderatorin auf das Programm angesprochen. Sie reagierte darauf mit der bemerkenswert trocken-sachlichen (hier sinngemäß wiedergegebenen) Feststellung: Russische Musik gehört zum Repertoire der europäischen Klassik und gehört selbstverständlich aufgeführt.

    Ich erwartete übrigens einen wütenden Protest des radikal-nationalistischen Flegels Melnyk am nächsten Tag, konnte aber in den Printmedien nichts davon finden. (Bei Facebook, Twitter etc. bin ich nicht zugange, hab auch kein Smartphone)

  • Ich beurteile es als ein Ding der Unmöglichkeit und wenig sinnvoll, an der Fragestellung etwas zu ändern. Etwas Provokation kann gut sein, um Interesse zu wecken und Antworten zu entlocken.

    Aber an sich ist es nicht unbedingt als Provokation zu sehen. Es war auch so, daß ich als Forenbetreiber - unabhängig von meinem persönlichen Geschmack vor einigen Jahren versuchte russische Komponisten mehr in den Focus zu rücken und so das Spektrum des Forums zu erweitern, da

    stieß ich weitgehend auf taube Ohren, bzw Desinteresse. Hier nur eine kleine Auswahl


    Wer war eigentlich dieser dieser Tanejew ?

    Wer war eigentlich dieser Arenski?

    Wer war eigentlich dieser Borodin ?

    Wer war eigentlich dieser Rimsky-Korsakoff ?

    Wer war eigentlich dieser Balakirew?

    Wer war eigentlich dieser Glinka ?

    Die Gruppe der 5 - ein mächtiges Häuflein

    César Cui — der unbekannte Fünfte

    SKRJABIN, A.- Leben und Werk


    Generell kann also gesagt werden, daß Russische Musik, von den "Lokomotoven" abgesehen weitgehend ignoriert oder gemieden wird. n miener Aufstellung fehlen noch zahlreiche , noch unbekanntere Komponisten.

    Die Russischen Bonzen des 20. Jahrhunderts haben es immer zustandegebracht das Land als "dämonisch", "bedrohlich" und unsympathisch darzustellen . wobei ihnen besonders letzteres trefflich gelungen ist. Die Abneigung gegen das Land ist allgemein sehr groß und ich sehe keine Chance das sich das je ändern wird.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich erwartete übrigens einen wütenden Protest des radikal-nationalistischen Flegels Melnyk am nächsten Tag, konnte aber in den Printmedien nichts davon finden. (Bei Facebook, Twitter etc. bin ich nicht zugange, hab auch kein Smartphone)

    Flegel hören keine klassische Musik. 8)


    Dem Publikum in der ausgekauften Arena der Waldbühne und den Zuschauern der Übertragung wird's gefallen haben. Das ist genügend Gegengewicht.


    LG moderato

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Lieber astewes


    Eine Antwort, die ausserhalb des Thread-Themas liegt. Ich werde sie alsbald löschen.


    Da wo gesungen wird, würde ich mich nicht in jedem Fall hinsetzen. Es kommt auf das Liedgut an.

    Da gehe ich mit dir einig.



    Wenn ich darüber nochmals nachdenke, ja Flegel (und Schurken!) hören klassische Musik. Was hören gewisse Politiker und Vertreter irgendwelcher Gesinnungen, das wäre einen Thread wert. Wobei ich denke, dass Musik nicht zu besseren Menschen macht, vielleicht zu verständigeren. Die Geschichte lehrt uns, dass schnauztragende Diktatoren ihre Vorlieben in der klassischen Musik hatten oder ihre Schergen abends nach getaner Grausamkeit die Hausmusik pflegten.


    LG moderato

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich glaube eigentlich nicht, dass das (vermeintliche) Desinteresse an weniger im Fokus stehenden Komponisten nur auf welche aus Russland zutrifft. Denke ich an meine diversen Versuche, unbekanntere nordeuropäische oder französische Komponisten im Forum vorzustellen, dann ergab sich ein ganz ähnliches Bild. Gelesen werden die Themen zwar durchaus, aber es gibt nur sehr vereinzelte Reaktionen. Das kann indes viele Gründe haben. Womöglich liegen nur wenigen Mitgliedern Werke der entsprechenden Komponisten auf CD vor, so dass man nicht mitdiskutieren kann (YouTube und Streaming ist nicht für jedermann eine Option, nicht einmal zum bloßen Hineinhören). Eine spezifische Unbeliebtheit russischer Musik ist m. E. jedenfalls unzutreffend.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo,


    da ich eher klavieraffin bin, stellen die russischen Klavierkompositionen (Mussorgsky, Balakirev, Arensky, Tschaikowski, Scriabin, Medtner, Rachmaninow, Prokofiev, Strawinsky, Miaskovsky, Kabalevsky, Schostakowitsch) einen wesentlichen Pfeiler für mich dar.


    LG Siamak

  • Eben sehe ich, dass das oben erwähnte Waldbühnen-Konzert in einer Aufzeichnung heute Abend im ersten Programm der ARD um 21.45 Uhr übertragen wird.

    Für mich war es hörenswert. Vor der unvermeidlichen Berliner-Luft-Sache am Ende kann man ja abschalten.

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  • Ich glaube eigentlich nicht, dass das (vermeintliche) Desinteresse an weniger im Fokus stehenden Komponisten nur auf welche aus Russland zutrifft. Denke ich an meine diversen Versuche, unbekanntere nordeuropäische oder französische Komponisten im Forum vorzustellen, dann ergab sich ein ganz ähnliches Bild.

    Das ist IMO völlig richtig. Aber natürlich keine forenspezifische Richtung, sondern schon seit Menschengedenken so.

    Es gab schon in der Barockzeit die Tendenz diveres "Hofkomponisten" zur Studienzwecken nach Italien zu schicken., weil das als klassisches Musikland galt. Aber noch lieber holte man sich gleich einen Italiener an den Hof. Im 18. Jahrhundert waren es die Tschechen die die Musikszene beherrschten - und zwar vorzugsweise von Wien aus, wohin sie emigriert waren.

    Skaninavische Musik wurde hierzulande weder geschätzt noch belächel oder abgelehnt. sie war - sehen wie wieder von ein paar Flagschiffen (Grieg) ab - einfach nicht vorhanden. Natürlich kannte man ein paar Namen - aber die Musik haben nur wenige gehört.

    Und so ist es IMO auch mit den Russen. Da gibt es Flaggschiffe wie Tschaikowsky, Rachmaninoff und einige anderes. Aber die Mehrheit ist unbekannt...

    Daß sich so wenige an "speziellen "Threads beteiligen, liegt einfach daran, daß man die Musik nicht kennt - und auch gar nicht die Absicht hat sie kennenzulernen. Ausserhalb ist es natürlich noch schlimmer....

    Aber ob das wirklich "schlimm" ist, das ist eine andere Frage. Die Menschheit bekommt das was sie verlangt...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Da gibt es Flaggschiffe wie Tschaikowsky, Rachmaninoff und einige anderes. Aber die Mehrheit ist unbekannt...

    Ein solcher Unbekannter dürfte auch Anatoli Ljadow sein. Kirill Petrenko hatte ein Stück von ihm an den Beginn seines jüngsten Berliner Waldbühnen-Konzerts gesetzt: Kikimora op. 6. Das hört sich sehr gut an. Die Klimora ist eine zum Poltetrgeist gewandelte heidnische Gottheit. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Entscheidung für dieses Stück nicht zufällig war. Wenn ich nichts übersehen habe, dann fällt der Name des Komponisten bei Tamino vor allem im Zusammenhang eines Porträts, welches Repin von ihm malte. Moderato hatte es vor sieben Jahren vorgestellt und mit Verweisen auf einige Werke versehen.


    Ich glaube eigentlich nicht, dass das (vermeintliche) Desinteresse an weniger im Fokus stehenden Komponisten nur auf welche aus Russland zutrifft.

    Diese Feststellung deckt sich auch mit meinen eigenen Beobachtungen und lässt sich rein rechnerisch sogar auf Deutschland anwenden.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • http://www.youtube.com/watch?v=EvsVKIm0VXs


    Wer es romantisch liebt - hier noch ein Beispiel von Anatoli Ljadow: "Der verzauberte See".


    Ich finds hörenswert.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Und dass Miaskowskij, Weinberg, Schnittke oder Eshpai plötzlich jedermanns große Favoriten werden, kann man kaum mit zusätzlichen Meta-Threads erzwingen.

    Auf manche Bemerkungen ist es interessant, nach Jahren zu antworten - einer von den enormen Vorteilen des Tamino Klassikforums gegenüber anderen Medien.


    Es ist beispielsweise nicht meine Absicht, durch Metathreds - oder andere Maßnahmen - Nischenrepertoire , welcher Art auch immer, Interesse zu "erzwingen", sondern potentiellen oder bereits existierenden Interessenten einen "Spielplatz" anzubieten.

    Es ist allerdings nicht zu leugnen, daß die sogenannte Klassikgemeinde - und hier meine ich vorzugsweise Mitleser - und auch solche die das nicht mal tun - gerne wehleidig über mangelndes Interesse in spezifischen Bereichen der Klassik jammer, aber nicht bereit ist sich hier zu engagieren. Sie Jammern auch über gestrichene CDs - aber es fanden sich zu wenige bereit sie zu kaufen.

    Ich sehe Tamino als ANGEBOT sich zu engagieren, mitzumachen, neues (für sich) zu entdecken und notfalls auch zu streiten oder persönliche Kränkungen zu übergehen. Wer das nicht bereit ist, über den fährt das, was heute gemeinhin als "Gesellschaft" bezeichnet wird, rücksichtlos drüber wie eine Dampfwalze und gibt ihn der Bedeutungslosigkeit preis.


    (Ich habe eine der von Wolfgang/Teleton empfohlenen Eshpai-CDs zügig wieder verscherbelt, klang für mich nach "russischem Gershwin" mit Pseudo-Jazz-Elementen, für meinen Geschmack eher überflüssig

    Es gibt einen von Teleton gestarteten Thread. Würde man sagen, der wäre versickert, dann wäre das eine euphemische Betrachtung - passt aber gut zu diesem Thema hier....

    "Russisscher Gershwin" - kann durchaus auch als Kompliment gesehen werde - auch wenns hier nicht so gemeint war.....


    ESHPAI Andrei - der russische Folklorist des 20./21.Jhd


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine spezifische Unbeliebtheit russischer Musik ist m. E. jedenfalls unzutreffend.

    Ganz eine Meinung. Ich kann irgendwo erkennen, dass russische Musik weniger beliebt ist, als Werke aus Frankreich oder nordische Komponisten.

    Ich finde man sollte Kunst und Politik total auseinander halten. :!:Die grossen russischen Meister konnten ja nicht wissen welche Verbrecher später mal ihr Land regieren. Nein, denn sie selber hatten ja bereits unter ihrem damaligen Agressoren zu leiden ...


    Vor der unvermeidlichen Berliner-Luft-Sache am Ende kann man ja abschalten.

    Das Waldbühnekonzert aus Berlin 2022 mit seinem russischen Programm habe ich auch auf FP mitgeschnitten und mit Freude gesehen/gehört.

    Die Berliner Luft gehört absolut dazu und macht nochmal richtig Stimmung --- =O vorher abschalten ... 8) niemals !


    Wer es romantisch liebt - hier noch ein Beispiel von Anatoli Ljadow: "Der verzauberte See".

    Ja, meine klassischen russischen Anfänge waren geprägt von einer Decca LP mit Ansermet, der die sinfonischen Kurzwerke von Ljadow und Glinka ganz exqusit aufgegenommen hat; aber nicht minder gut auch mit Swetlanow:


    812Ws3qVA1L._AC_UY300_.jpg

    Decca, 60er, ADD


    61MiCnTdc4L._SX300_.jpg 81cqTATnnrL._SX300_.jpg

    Melodiya, 60er, ADD



    :| Ich stelle gerade betrübt fest, dass das CD-Angebot stark reduziert wurde und gar nicht mehr gelistet ist. Bei jpc findet man mit Ansermet und Swetlanow von Glinka und Liadow nichts mehr ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Das Problem der Verfügbarkeit ist in jeder Hinsicht ein Großes, nicht nur bei den Russen. In der Sowjetzeit wurde durchaus eine Archäologie dieses wahnsinnigen Kulturschmelztigels betrieben und auch dokumentiert. Eshpai zur Enklave der Mari, sammelte mit seinem Vater Volkslieder der Mari, ließ diese Motive auch in sein Werk einfließen. Peiko hat wunderbare Sachen geschrieben, der Dirigent Konstantin Ivanov hat auch komponiert, etwa die feine Gagarin-Sinfonie, auch Svetlano hat Bemerkenswertes komponiert. Über den Zaun gelangt ist davon wenig, wie ohnhin das musikalische Schaffen des Ostblockes im Westen ignoriert wurde. Die ganze Phalanx der DDR-Komponisten fand hier in der BRD nicht statt. Das hat etwas mit Marketing zu tun und auch mit Geschäften, denn Platten zu pressen lohnte sich nur, wenn ein Absatz dafür zu gewärtigen war. Drolligerweise gab es mit der westlichen Moderne kaum ein Problem der Plattenverfügbarkeit, und da frage ich mich schon, wie es etwa die DGG geschafft hat, Werke, die in der Tonart schiss-moll geschrieben wurden und gegen die das rallige Gejaule von Katzen ein akustisches Labsal ist, an den Mann zu bringen, und das Viele aus dem Osten, was vergleichsweise angenehm klingt, zuweilen auch sehr bewegend ist, gar nicht erst stattfinden zu lassen. Da haben beide Seiten das Schaffen der jeweils Anderen als ideologisch abgetan.


    Für die Ostblockproduktionen wurde gerne die Plattenpresse in Betrieb genommen, es gibt viel zu entdecken, man muss nur drankommen. Vor ein paar Jahren gab es für die schönen Melodijas auch US-amerikanische Quelle (Auswanderer), mittlerweile richte ich meine Anfragen russische Händler, von denen ich weiß, dass sie über enorme Bestände verfügen (will gar nicht wissen, wo der schöne Stoff herkommt). Der Krieg erschwert das Geschäft zwar, aber unmöglich ist es nicht (werde demnächst wohl ein Paket aus den Klauen des Zoll zu befreien haben). Da geht's aber diesmal um Bruckner.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Über den Zaun gelangt ist davon wenig, wie ohnhin das musikalische Schaffen des Ostblockes im Westen ignoriert wurde. Die ganze Phalanx der DDR-Komponisten fand hier in der BRD nicht statt. Das hat etwas mit Marketing zu tun und auch mit Geschäften, denn Platten zu pressen lohnte sich nur, wenn ein Absatz dafür zu gewärtigen war. Drolligerweise gab es mit der westlichen Moderne kaum ein Problem der Plattenverfügbarkeit, und da frage ich mich schon, wie es etwa die DGG geschafft hat, Werke, die in der Tonart schiss-moll geschrieben wurden und gegen die das rallige Gejaule von Katzen ein akustisches Labsal ist, an den Mann zu bringen, und das Viele aus dem Osten, was vergleichsweise angenehm klingt, zuweilen auch sehr bewegend ist, gar nicht erst stattfinden zu lassen. Da haben beide Seiten das Schaffen der jeweils Anderen als ideologisch abgetan.

    Ich verstehe nicht, warum es Dich wundert, dass im Westen die westliche Moderne verfügbar war.

    Ob man in Russland viel davon hören konnte, weiß ich nicht, in China jedenfalls nicht, da wurde das nach der "Kulturrevolution" erst in den 80er-Jahren bekannt und von jungen Komponisten nachgeahmt bzw. mit Chinesischem amalgamiert, so wie bei den Nazis die Moderne nicht zugänglich war und erst nach 1945 von jungen Komponisten begeistert entdeckt wurde.

    In der DDR gab es ja in den 80ern auch einige extrem moderne Sachen etwa von dem Cage-Fan Jakob Ullmann oder von Nicolaus Richter de Vroe.

    Konservative Sowjet-Produktion wie von Chrennikow oder Sviridov hat mich bislang eher enttäuscht. Da wird auch kein Hype mehr kommen wie bei Weinberg.

  • Merkwürdigerweise wird gerade eine Oper von dem linientreuen Nazi- und Kommunisten-Komponisten Ottmar Gerster in Wien wieder gespielt. Auch so ein "Fall" mit dem ich nicht warm werde ...

  • Ich verstehe nicht, warum es Dich wundert, dass im Westen die westliche Moderne verfügbar war.

    Ich kann nicht sagen, dass mich das wundert, und die Begründung habe ich auch hinterhergeliefert. Chrennikov und Sviridov zählen auch nicht zu meinen Lieblingen, aber es gab eben auch einige starke Positionen jenseits des komplett atonalen. B ei mir selber stelle ich fest, dass mit zunehmendem Alter die Bereitschaft schwindet, mich mit Werken zu befassen, deren thereoretische Grundlage ich mangels Kenntnis nicht fassen kann und die im Ergebnis -höflich formuliert- schräg klingen. Was nichts daran ändert, dass mich einige Werke von Bruno Maderna, Olivier Messiaen, Penderckis "Lukas Passion" oder BaZis "Ecclesiastische Aktion" ausgesprochen faszinieren. Aber es ist dann doch nicht mein musikalisches täglich Brot. Svetlanov, Eshpai,Ivanov oder Peiko schon eher.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
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  • Swiridows Tonfall empfinde ich persönlich als konservativer als jenen von Chrennikow, auch wenn letzterem genau dies stets nachgesagt wird. Überhaupt ist Swiridow für meine Begriffe ein absoluter Geheimtipp, der außerhalb Russlands indes nie so recht Bekanntheit erlangte, sich im Lande selbst aber nach wie vor erheblicher Popularität erfreut. Seine großartigsten Werke sind für mich das "Pathetische Oratorium" (1959) und das "Poem zum Gedenken an Sergej Jessenin" (1955/56). Unbedingt zu den Melodia-Produktionen unter Kondraschin bzw. Temirkanow greifen, die anderen erreichen die Wirkung nur ansatzweise. Beim Werbepartner ist derzeit nur das Poem greifbar.


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    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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