AIDA
Guiseppe VERDI
Libretto von Antonio GHISLANZONI
König von Ägypten: Paolo PECCHIOLI
Amneris: Kate ALDRICH
Aida: Adina AARON
Radames: Scott PIPER
Ramfis: Enrico Guiseppe IDRI
Amonasro: Guiseppe GARRA
Ein Bote: Stefano PISANI
Priesterin: Micaele PATRIARCA
Orchester und Chor der "Fondazione Arturo Toscanini"
Dirigent Massimiliano STEFANELLI
Regie: Franco ZEFFIRELLI
Dauer: 188 Min. (2 DVDs)
Gesamturteil: Überwältigend!
Liebe Taminoianer, es kommt nicht oft vor, dass man von einem Kunstwerk (sei es ein Buch, ein Film oder eine Oper) derart gefangen genommen und begeistert ist, wie bei dieser Produktion der AIDA. Dieser Live-Mitschnitt zeigt Verdis Oper als Kammerspiel (die Bühne ist recht beengt und der Triumphmarsch verläuft z.B. fast völlig verdeckt im Hintergrund) mit einer Riege unverbrauchter Sänger, die in einem internationalen Vorsingen ausgewählt und für diese Produktion von Carlo Bergonzi(!) gecoacht wurden. Zum hundertsten Todestag Verdis wurde unter der Regie von Franco Zeffirelli eine auf den ersten Blick klassische Aida-Interpretation vorgelegt, die mit ägyptischen Dekor und Kostümen prangt, dass es eine Freude ist. Allerdings hat Zeffirelli ein paar Details eingestreut, die den Blickwinkel etwas verschieben/erweitern und den Sängern/Darstellern reichlich Futter bieten: Amneris und Radames werden anfangs kurz als Paar gezeigt (Amneris arrangiert im Prinzip seine Ernennung zum Heerführer bei ihrem Vater und Ramfis) und sie - eine noch junge Prinzessin - ist ehrlich in ihn verliebt. Es kommt sogar zu einem Kuß zwischen ihnen. Da muß die Tatsache, dass sich ihr Held der Sklavin Aida zuwendet, ein übler Vertrauensbruch für Amneris sein. Passend dazu erhält er eine zerfetzte Fahne, die ein Bote herbeigebracht hat, um mit diesem "Siegeszeichen" in die Schlacht zu ziehen...
Amneris nur zu verständliche Eifersucht lässt diese Figur mehr Tiefe als in vielen Inszenierungen zukommen. Das Beziehungsdreieck Amneris-Radames-Aida bietet bei dieser jungen Darstellerriege eine absolut nachvollziehbare emotionale Berg- und Talfahrt. Amneris Versuch, den gefangenen Radames vor dem Priestertribunal zu retten gleicht fast einer verfremdeten Liebesszene, in der er ihr einen Abschiedkuss gibt, nachdem sie ihm (endlich) enttäuscht mitteilt, dass er nunmehr nur noch Hass und Rache von ihr zu erwarten habe. Diese Haltung macht es ja dem in Aida verliebten Radames endlich möglich, sich emotional von Amneris zu lösen. Das ist großartig inszeniert!
Im Gegenzug zur Darstellung der Amneris, hat Aida hier die Möglichkeit, zu zeigen, dass sie sehr wohl etwas von den (intriganten) Manipulationen ihres Vaters gelernt hat. Nachdem Amonasro sie durch die Androhung sie zu verfluchen und zu verstossen dazu bewegen konnte Radames auszuhorchen, fährt sie nun alle (weiblichen und) taktischen Geschütze auf, um dem Feldherrn auszuhorchen. Der Arme hat gar keine Wahl, als sein Land zu verraten...
Diese hochemotionale Inszenierung entfaltet nun Dank der jungen Sänger in einem prunkvollen, aber mitunter auch etwas klaustrophobisch überladenen Rahmen, ihre volle unmittelbare Wirkung. Wer bisher der Kunstform Oper nichts abgewinnen konnte, der kann hier mit Sicherheit bekehrt werden!
Die paar kleinen Abstriche, die es zu machen gibt, fallen da wirklich nicht ins Gewicht. Zum einen könnte man bemängeln, dass ein paar der Sänger noch ein wenig mehr stimmliche "Durchschlagskraft" benötigen (z.B. Guiseppe Garra als Amonasro) und der Tempeltanz vor der Schwertübergabe an Radames doch zu sehr an eine selbstverliebte/selbstgefällige Balletteinlage gemahnt, die sich nicht recht in das Gesamtbild einfügen will. Aber - wie gesagt - all das ist zu vernachlässigen, da man es mit einer sängerischen, musikalischen und inszenatorischen Höchstleistung zu tun hat, die den Zuschauer einfach überrumpelt und mitreisst.
Fazit: Eine Sternstunde auf DVD!