Dieter Klöcker – Meister der Klarinette und Entdecker von verschollenen musikalischen Kostbarkeiten

  • Mein erster Thread - und zugleich natürlich auch Beitrag - im neu eingerichteten Forum „LUFTIKUS“ – dem Sammelplatz für Threads über Instumentalsolisten mit Blasinstrumenten - widme ich Dieter Klöcker, weil er nicht nur ein Meister seines Instruments war, sondern weil wir ihm zahlreiche Wiederentdeckungen unbekannter Werke und ihrer Komponisten verdanken, die dann von ihm und seinem Ensemble als Ersteinspielungen den Weg auf Tonträger fanden.
    Aber selbstverständlich nahm er auch zahlreiche Werke der führenden Komponisten der Vorklassik, Klassik und Romantik auf, darnter auch zahlreiche "Harmoniemusiken".

    Dieter Klöcker wurde am 13. 4. 1936 in Wuppertal geboren Er studierte bei Karl Kroll und Jost Michaels und war anschliessend Soloklarinettist in diversen Orchestern.
    1962 (eine andere Quelle schreibt 1966) gründete er das Consortium Classicum, mit welchem er zahlreiche Aufnahmen machte, sowohl Standardrepertoire, als auch Ersteinspielingen von Werken kaum bekannter Komponisten, welche Klöcker in Archiven nach entsprechender Recherche entdeckt hatte. Am 21. Mai 2011 ist Dieter Klöcker nach längerer schwerer Krankheit verstorben


    Damit seine Arbeit nicht in Vergessenheit gerät, werden wir hier gelegentlich einige seiner Aufnahmen vorstellen - und besonders jene besprechen, welche erst durch ihn wieder der Öffentlichkeit zugängig gemacht wurden.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die meisten der Zuschreibungen von Klöckers Entdeckungen sind von Musikhistorikern allerdings in Zweifel gezogen worden..
    Lohnend für Freunde von zB Mozarts Klarinettenkonzert ist diese schon etwas ältere (Anfang der 1970er, die beiden Konzerte erschienen anscheinend zuerst in einer Plattenreihe zu Bayerns Schlössern und Residenzen) Aufnahme. Das Finale des Konzerts von von Schacht enthält Variationen über "Morgen kommt der Weihnachtsmann" (worüber es von Mozart ja Klaviervariationen gibt)


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    Auch von Weber hat Klöcker einiges weniger bekannte ausgegraben bzw. alternative Fassungen eingespielt:

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Die meisten der Zuschreibungen von Klöckers Entdeckungen sind von Musikhistorikern allerdings in Zweifel gezogen worden..


    Ich könnte mich beissen, dass ich diesen Thread erst nach Ableben von Dieter Klöcker gestartet habe - er hätte hier bestimmt geantwortet.
    Aber das war aus gewissen Gründen gar nicht möglich, weil mein Interesse erst durch einen von Sebastian Manz geschriebenen Artikel im Booklet einer CD so richtig geweckt wurde. Dieser beschreibt dort, wie er im Herbst 2010 Dieter Klöcker kennenlernte und ihm dieser einen Teil seiner Projekte anvertraute, die er nicht mehr werde fertigstellen können. Wie wichtig muß dem Mann seine selbst gewählte Aufgabe gewesen sein!! Plötzlich hörte ich einige meiner CDs, die schon lange in meinem Besitz sind - mit ganz anderen Ohren, und ich stellte mir die Frage, was wohl alles auf ewig verloren wäre, wenn es nicht Leute wie Dieter Klöcker gäbe.
    Ob die Zuschreibungen im Einzelnen richtig oder falsch sind, das betrachte ich fürs erste als eher unbedeutend, denn für den Hörer ist ja wichtig ob ein Stück die Ansprüche erfüllt, die er daran stellt. Manch gutes Stück hat eigentlich nur wegen einer fehlerhaften Zuschreibung überlebt. Thomas Kakuska hat einmal in einem Gespräch über alte Geigen und antike Möbel scherzhaft gesagt (und der hatte es von einem Antiquitätenhändler) "Die Leute von heute begnügen sich nicht mehr damit, daß eine Kommode aus der Zeit von Ludwig dem XV. stammt, sie wollen noch eine schriftliche Garantie, dass sich dort dereinst auch die benutzte Unterwäsche des Königs befunden hat" ;)


    Bleiben wir ernst. Natürlich war Klöcker vor allem daran interessiert das Repertoire für SEIN Instrument durch Entdeckungen zu erweitern. Ich finde daran nichts verwerfliches. Ich habe (leider) schon wieder einiges auf meine Wunschliste setzen müssen. Von Zeit zu Zeit - wenn nicht andere mir zuvorkommen, werde ich CDs von ihm vorstellen - und natürlich auch die von ihm entdeckten Stücke.....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Irgendwie hat mich diese Serie von unbekannten - eher aber großzügig zugeschriebenen Mozart-Stücken - immer schon interessiert, aber ich war mir nicht sicher, ob das Ganze nicht letztlich zu eintönig wird - die CD kosteten dereinst bei ihrem Erscheinen natürlich VOLLPREIS. Im Gegensatz zu meiner Jugend ist heute meine Sammlung relativ umfangreich und ich kann durchaus vertreten Werke aus der zweiten Reihe zu kaufen - denn aus der ersten Reihe fehlt mir nicht mehr viel - und wenn - dann ist das beabsichtigt. 7 CDs mit Oktetten,, Serenaden, Sextetten, Partiten, Quartetten und Quintetten für Bläserensemble.
    Dieter Klöcker hat viel Herzblut in seine Entdeckerarbeit gesteckt und hörenswertes zutage gefördert, wobei man nicht immer sicher sein kann, daß die Bläserversion nach einem bestimmten im Köchel-Verzeichnis gelisteten Werk auch tatsächlich von Mozart ist. Dann gibt es noch jene Werke, die VERMUTLICH oder MÖGLICHERWEISE von Mozart stammen, sie sind im Anhang des derzeitg aktuellen Köckelverzeichnisses gelistet. Und dann gibt es noch Werke OHNE Köchelverzeichnis-Nummer. Ich gehe davon aus, daß die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Mozart sind. Aber ist das in letzter Hinsicht wirklich von Bedeutung ?
    Darüber mehr in den nächsten Beiträgen. Heute lediglich soviel: Ich hatte eigentlich erwartet, daß der Serie ein umfassendes Booklet beiliegt, wo Dieter Klöcker seine Zuschreibungen begründet oder verteidigt. Ein solches dürfte es dereinst beim Erscheinen auch gegeben haben (oder mehrere kleine- auf 7 CDs aufgeteilt - die CDs erschienen zwischen 1994 und 2001). Sie dürften aber beim derzeitigen Preis dem Rotstift zum Opfer gefallen sein...
    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Als glühender Verehrer der klassischen Klarinette habe ich auch große Bewunderung für den virtuosen Meister dieses Instruments. Alfred sei für diesen Thread gedankt.


    Eine für mich besonders schöne Aufnahme ist diese:



    Darin sind Gesang und Klarinette gleichberechtigte musikalische Partner, die diesen Dialog im Schubertschen Geiste führen.

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • @Alfred Schmidt


    Hallo,


    im Rahmen dieser von dir vorgestellten Mozartserie hat Klöcker zwei hochinteressante und höchst hörenswerte Bearbeitungen der Gran Partita und des Klavierquintetts für Streichquartett und Bläser eingespielt. Beide Werke erhalten dadurch einen völlig anderen Charakter, gehen in Richtung Kammersinfonie, bzw. Kammerconcertante (Schonderwoerd läßt grüßen!) und sind trotzdem Note für Note echter Mozart.


    Viele Grüße
    John Doe

  • Der Name Dieter Klöcker ist mir sehr vertraut; ich meine, er hätte auch in der Cappella Coloniensis gespielt, bin aber nicht mehr sicher.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)


  • Das Label MDG hat zwei sehr schöne Sammelboxen unter dem Namen "Serenade für Dieter Klöcker" herausgebacht, die einen umfangreichen Überblick über die musikalische Hinterlassenschaft von Dieter Klöcker und des von ihm gegründeten und geleiteten Consortium Classicum vermitteln. Die Aufnahmen entstanden zwischen 1969 und 2000.


    Für Liebhaber hochvirtuoser, kammermusikalischer Bläsermusik ein wahres Schatzkästlein an Wohlklang und seltenem Repertoire auf insgesamt 11 CDs, dazu zu einem vergleichsweise günstigen Preis. :thumbup:



    Volume 1 enthält vor allem Werkgruppen folgender Komponisten
    - G. Rossini: Sechs Quartette für Flöte, Klarinette, Horn und Fagott
    - J. N. Hummel: Zwei Bläserserenaden, ein Sextett und eine Parthia für 8 Bläser und Kontrabass
    - I. J. Pleyel: Zwei Bläsersextette sowie zwei Bläseroktette
    - C. Czerny: Nonett und Grande Serenade Concertante
    - J. Haydn/V. Gambaro: Drei Klarinettenquartette
    - W. A. Mozart: Sinfonia concertante, Variationen für Klarinette & Orchester nach KV 382 sowie Klarinettenkonzert Es-Dur (nach em Violinkonzert KV 365b)
    - sowie ein Portrait des Consortium Classicum


    Volume 2 enthält vor allem Einzelwerke von G. C. Wagenseil, J. G. Albrechtsberger, R. Erzherzog von Österreich, F. Schubert, J. Myslivicek, B. Asioli, F. W. Grund, G. Meyerbeer, L. Farrenc, J. Röntgen, M. Bruch und H. von Herzogenberg.

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Gestern habe ich die hier abgebildete CD mit Bläserpartien von Carl Stamitz gehört. Dieter Klöcker erhebt im Boolklet den Anspruch diese als verschollen geglaubten Werke wiederentdeckt zu haben - in Archiven vom mehreren Staaten dieser Welt.

    Die Werke sind angenehm zu hören, aber ich konnte keinen bedeutenden Unterschied zu ähnlichen Werken von Triebensee, Wendt und vergleichbaren Komponisten hören, wogegen es indes im Schaffen von Carl Stamitz Bedeutenderes gibt.

    Ich hab mir übrigens die 'Frage gestellt, wie zuverlässig im Allgemeinen die Zuschreibungen der Werke sind, die Dieter Klöcker im Laufe seines Lebens "wiederentdeckt" hat. Und ich habe mir die Frage gestellt, wieso ausgerechnet er diese Entdeckungen machte. Und drittens, wie bedeutend diese Entdeckung für die Muskwelt sind.

    Denn immer wieder spielten vorzugsweise (ausschliesslich ?) er und das von ihm gegründete Consortium Classicum die von ihm entdeckten Werke. Diese Forschungstätigkeit wart ihm eine Herzensangelegenheit. Und so versuchte er die Aufgabe - im Angesichts des nahenden Todes - an einen jüngeren Kollegen zu "delegieren" - unter Überlassung einiger Notn von soeben neu entdeckten, zu rekonstruierenden Werken. So etwas funktioniert nur in Ausnahmefällen - ich habe indes im Rahmen meiner - zugegebenermaßen oberflächlichen - Recherche nichts entdecken können.

    Wenn ich den Stellenwerk eines Ensembles hinterfragen will, das suche ich nach einem WIKIPEDIA Eintrag und - so vorhanden - in wie vielen Sprachen er existiert. Im konkreten Fall war das Deutsch, Englisch, Russisch und Japanisch. Nicht gerade beeindruckend.

    Nächste Frage: Existiert das Consortiom Classicum überhaupt noch ?

    Im WIKIPEDIA Eintrag wird es als noch existent beschrieben. Die letzte Korrektur stammt aber von 2018 !!

    Ein dort vorhandener Link zur Website führt ins Leere, oder besser gesagt auf eine Seite, wo die Domain zum Verkauf angeboten wird.....:(


    Ich hatte das irgendwie vorausgesehen und auch das allmähliche Verschwinden der Aufnahmen aus dem Angebot.

    Daher habe ich seinerzeit einige Aufnahmen in meine Sammlung genommen, um sie noch ein wenig in Erinnerung zu behalten.

    Der Spiritus Rector ist tot - und mit ihm mehr oder weniger auch sein Lebenswerk......


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es ist sehr zu bedauern, dass der verstorbene Klarinettist Dieter Klöcker seine Sucharbeit in den Archiven von Klöstern und anderen Orten, wo musikalische Handschriften lagern, nicht weiterführen kann. Es benötigt dazu eine gewisse Hartnäckigkeit und Fleiss, sich durch Stapel von Partituren durchzuarbeiten und fündig zu werden. Auch braucht es das Vertrauen der Archivverwalter zu erlangen, will man Zutritt zu den Beständen erhalten. Die Handschriften müssen in eine Form gebracht werden, die eine Aufführung erlauben.


    Er hat nicht nur mit dem Consortium Classicum musiziert. Mit anderen Orchestern hat er ebenfalls zusammengearbeitet. Hier eine Einspielung mit dem SWR Sinfonieorchester. Die Klarinettenkonzerte von Antonio Rosette finde ich sehr gelungen..



    Dieter Klöcker hat Werke von in Vergessenheit geratener Komponisten wieder mit seinen Einspielungen zu Gehör gebracht. So diese Klarinettenkonzerte von Carl Andreas Göpfert, das er mit der Jenaer Philharmonie spielt. Eine weitere CD, die dank dem Label cpo diese Musik zugänglich macht.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Überraschender- und erfreulicherweise nach rund 20 Jahren* immer noch im Programm:


    Die Bläserdivertimenti von Cartellieri und die Klarinettenquartette von Krommer

    Ich habe keine Ahnung wie groß das Interesse an solchen Werken in der Klassikgemeinde ist, aber anscheinden ist doch welches vorhanden.

    Die Doppel-CD mit Werken von Krommer, befindet sich bereits in meiner Sammlung, die von Cartellierie soll folgen, so sie in absehbarer 'Zeit noch zu haben ist

    Denn meine Wunschliste ist recht lang - und da sind etliche vom Auslaufen bedrohte Titel dabei....


    mfg aus Wien

    Alfred



    *Das Alter der CDs ist auch gekennzeichnet durch deren Aufmachung, wo cpo einst meinte, es sei eine besonders gute Idee,

    ALLE ihre CDs mit modernen Coverbildern zu versehen. Etwas, das mir bei jedem Kauf einen Schauer über den Rücken jagte.

    Ich hab mich damals nicht beschwert, notabene, da die Wiener Klassikhändler sowieso kaum cpo Titel im Angebot hatten.

    Aber irgendwer scheint es doch getan haben, denn quasi über Nacht änderte cpo seine Coverpolitik und hat seither die schönsten

    passenden Frontseien die man sich wünschen kann.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !