Amir KATZ – Ein junger Spätberufener

  • Ich möchte die Reihe zu den aktiven Pianisten unserer tage heute mit einer weiteren Persönlichkeit fortsetzen, deren Werdegang für einen Pianisten vielleicht ein wenig ungewöhnlich ist: Amir KATZ.
    Die Bezeichnung "musikalisches Wunderkind", die so gern für die außerordentlichen Leistungen in jungen Jahren Gebrauch findet, läßt sich auf Katz nicht anwenden. Er ist ein spätberufener. 1973 in Israel geboren, begann Katz erst mit elf Jahren, Klavier zu spielen. Dann allerdings fand seine Begabung zum Glück die Beachtung seiner ersten Lehrerin, die ihn förderte. Mit 15 Jahren konzertierte er mit dem Haifa Symphony Orchestra und mit dem Israel Chamber Orchestra. Im Jahr 1993 folgte der Gewinn seines ersten internationalen Wettbewerbs, dem Maria Canals Wettbewerb in Barcelona. In der Nachfolge war Katz auch beim Robert Casadesus Wettbewerb in Cleveland und beim Viotti Valsesia Wettbewerb in Italien erfolgreich. Unterstützt von Stipendien setzte er seine Studien in London und München fort. Wichtige Impulse erhielt er dann an der International Piano Foundation am Comer See durch Leon Fleisher, Karl Ulrich Schnabel und Murray Perahia. Im Jahr 2003 konnte Katz in Dortmund den Schubert Wettbewerb für sich entscheiden. Mittlerweile als Konzertpianist, aber auch Liedbegleiter (z. B. zusammen mit dem Tenor Pavol Breslik) etabliert, konzertiert Katz weltweit mit den unterschiedlichsten Orchestern. Sehr umfassend ist seine Diskographie (noch) nicht, aber es liegen einige Einspielungen vor. Ich selbst habe keine, habe aber die "Lieder ohne Worte" in Auszügen live gehört und ich fand seinen Zugang zwar in einigen Punkten ein wenig eigenwillig, aber sehr überzeugend. Die CD – die gut aufgenommen wurde – steht also auf der Wunschliste, wenn ich sie kaufe, werde ich hier im thread darüber berichten. Ich habe von Katz momentan folgende Einspielungen gefunden.



    APUT

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Lieber J. Lang:
    Ich freue mich daß ich in Bezug auf die Threadserie "Aktive Pianisten unserer Tage" einen weiteren Mitstreiter gefunden habe. Amir Katz ist in der Tat ein interessanter Stein im Puzzle derzeit aktiver Pianisten. Daher habe ich ihn auf meine Bestellliste gesetzt. Bei der nächsten Bestellung in etwa 5-6 Tagen werden seine Chopin Balladen und Impromptus dabei sein. Die Soundsamples von jpc klingen auf jeden Fall vielversprechend......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie schön, daß Katz auf sofortige Resonanz gestoßen ist. Der thread ist auch ein wenig Selbstanimation, mir nun endlich den Ruck zu geben, die schon lange auf der Liste befindlichen CD’s "Lieder ohne Worte" und "Nocturnes" zu kaufen :)
    Aber ich habe mich streng reglementiert, um die Stapel "Ungehörtes" nicht zu zu groß werden zu lassen. Aber in diesem Monat ist er fällig (eigentlich wollte ich zu seinem Konzert Ende September in Leipzig, bin aber auf Dienstreise ... in Österreich), also werden stattdessen die CD’s gekauft. Auf einen Austausch darüber freue ich mich sehr.


    Mit bestem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Einen kleinen Vorgeschmack kann man sich auf youtube holen:

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

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  • Zitat Felix Meritis

    Zitat

    Bitte berichte dann über Deine Eindrücke bezüglich der Lieder ohne Worte! Das interessiert mich natürlich sehr....


    Das mache ich auf jeden Fall. Mein live Eindruck war wie gesagt ein sehr guter (extrem ausbalanciertes Spiel, feine Rhythmik, natürlich dahinfließende Melodik), aber ich werde gern nach Kauf der CD berichten.

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Zitat Felix Meritis

    Zitat

    Bitte berichte dann über Deine Eindrücke bezüglich der Lieder ohne Worte! Das interessiert mich natürlich sehr....


    Lieber Felix Meritis,


    nun habe ich die Lieder ohne Worte von Mendelssohn in der Einspielung von Amir Katz erhalten und heute nachmittag mit großem Genuß gehört. Ich dachte aber, mein Beitrag passe besser in den Lieder ohne Worte thread. Es ist der Versuch einer eher allgemeinen Charakterisierung, vielleicht würde ich aber in Zukunft versuchen, auf das ein oder andere Lied näher einzugehen. Ich hatte irgendwie in der letzten Zeit etwas ausgeblendet, wie wunderbar diese kleinen Schmuckstücke der Klavierliteratur doch sind.


    Beste Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Ich habe diese CD schon im Thread
    Neue Bekanntschaften - Interpreten die sich erst seit kurzem in meiner Sammlung befinden
    erwähnt und sein lebendiges temperamentvolles Spiel betont. Letzteres ist eher eine Untertreibung,
    denn hier wird stellenweise ein neues Chopinbild keiiert, welches das Cliche vom eleganten, parfümierten "Salonkomponisten! vom Tisch fegt: Chopins Balladen - wenngleich nicht direkt umgesetzt - gehen ja auf literarische Vorlagen zurück, man vermutet, auf Balladen von Adam Mickiewicz (1798-1855).Belegt ist das indes nur für die ersten beiden Balladen, durch einen Brief Copins an Robert Schumann.
    Zurück zu Amir Katz: Er ist auch ein Spezialist in Sachen Schubert - und so steht zu hoffen, daß diesbezügliche Aufnahmen nicht allzulange auf sich warten lassen......
    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred Schmidt
    Tamino Klassikforum

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zurück zu Amir Katz: Er ist auch ein Spezialist in Sachen Schubert - und so steht zu hoffen, daß diesbezügliche Aufnahmen nicht allzulange auf sich warten lassen......


    Da kannst Du Dich freuen, lieber Alfred. Sein Schubert ist wirklich sehr hörenswert - siehe den Thread über D 958! :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Oh web oh weh, wie konnte ich denn Schubert, Sonaten 845 & 958 vergessen ?(
    Ich habe die Aufnahme sogar. Also anbei das Schubert-Cover



    Ich könnte mir vorstellen, daß Dir, lieber Alfred, auch dieser Schubert gefallen könnte.


    Mit besten Grüßen
    JLang

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  • Vielleicht erhalten die Beethoven Sonaten ja nun bald eine weiter Einspielung, die interessant werden dürfte.
    Amir Katz hat in diesem Jahr einige Sonaten (u. a. Hammerklavier-Sonate) in München und Leipzig gespielt (ich war leider nicht da, sondern auf Dienstreise, habe es also verpasst :(). War evtl. einer der Taminos in einem der Konzerte?
    Vielleicht wird ja in Zukunft ein weiteres Aufnahmeprojekt daraus.


    Mit besten Grüßen
    JLang

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  • Die von Alfred Schmidt erwähnte CD von Amir Katz habe ich nun auch einige male hören können und wollte meine Höreindrücke schildern. Diese hatte ich im "Was hört Ihr grade jetzt?" thread nur angerissen.


    Label: Oehms
    Aufnahmedatum: September & Oktober 2011 (Teldex Studios)
    Ballades no. 1–4
    Impromptus no. 1–3
    Fantaisie-Impromptu no. 4


    Es handelt sich um Katz’ zweite Chopin-Einspielung (er spielte auch die 21 Nocturnes ein). Der Markt von CD Aufnahmen ist nun sicher nicht arm an Chopin-Einspielungen. Gegen große Namen (allen voran Rubinstein, Parahia, Zimerman, bei mir persönlich käme noch Freire hinzu: natürlich eine rein subjektive Auswahl) gilt es also zu bestehen. Nur wie? Eine vollkommen neue Lesart wäre eine Möglichkeit, vielleicht ist es aber grade viel mutiger, dies nicht zu versuchen. Katz versucht also keine vollkommen neue Lesart der Stücke, er versteht die Balladen nach eigener Angabe zyklisch und versucht, die Verbindungen herauszustellen, was ihm imO sehr gut gelingt. Daß er ein "Erzähler am Klavier" sein kann, wie in den Kritiken verschiedentlich betont wird, kann ich nur unterstreichen. Er entfaltet ein sehr flüssiges Spiel ohne übertriebenes rubato und ein spannungsreiches dynamisches Spektrum (er greift mitunter sehr kräftig zu). Grade in den dynamischen Spannungsbögen, die z. T. wirklich mitreißend gesteigert werden (z. B. vom pp zum forte possibile in Ballade Nr. 1), liegt die Frische der Aufnahme. Aber auch die lyrischen, kantablen Passagen kommen nicht zu kurz, sein berückendes pp und p wurde von der Tontechnik sehr gut eingefangen. Insgesamt sind linke und rechte Hand sehr ausbalanciert gestaltet (und tontechnisch eingefangen). In den Impromptus wird eine Fülle an Klangfarben und -nuancen dargeboten und klingen eine Spur verspielter. Das finde ich, betrachtet man die Form des Stücks, sehr passend. Zauberhafte, leichte Klänge im ersten Impromptus (Allegro assai quasi presto), wie ein leichter, flotter Tanz in einem Traumland. Im zweiten kostet er das Andantino voll aus (nach meinen Vergleichen spielt er es mit 5.54 durchaus vergleichsweise langsam), ohne daß es dadurch ins übertrieben Sentimentale abgleitet.
    War ich beim letzten Mal der Meinung, die Einspielung sei vielleicht ein wenig konventionell, klingt das zu abwertend. So war es nicht gemeint, es sollte lediglich verdeutlichen, daß bestehende Ansätze durch das zyklische Verständnis von Katz aufgegriffen aber durchaus auch erweitert wurden: Es ist imO eine äußerst hörenswerte Einspielung mit einem vorzüglichen Klang und zudem bestens geeignet, diesen interessanten Pianisten einmal kennenzulernen.


    Mit besten Grüßen
    JLang

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  • Einen Eindruck von der Katz CD kann man im Übrigen hier gewinnen



    Beste Grüße
    JLang

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  • Wer sich einen Eindruck von diesem imO interessanten Pianisten machen möchte, der kann ihn am Donnerstag, 4. Dezember 2014 im Mendelssohn-Saal in Leipzig erleben. Das angekündigte Programm lautet wie folgt:


    Zeit: 20:00
    Ort: Mendelssohn- Saal


    Programm
    Johann Sebastian Bach
    3. Englische Suite g-Moll BWV 808


    Johann Sebastian Bach
    Präludium und Fuge 8 es-Moll BWV 853 aus "Das wohltemperierte Klavier" Band I


    Fryderyk Chopin
    Zwölf Etüden op. 10


    Fryderyk Chopin
    Zwölf Etüden op. 25


    Mit besten Grüßen
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Leider liegt diese CD seit einiger Zeit ungehört bei mir :untertauch:
    Aber das werde ich trotz des schönen Wetters in Kürze nachholen und berichten.



    Ich denke, dass man auf jeden Fall gespannt sein darf, zumal Katz ja auch bereits als Liedbegleiter tätig war (das schadet einem Schubert Spiel m. E. nie).


    Ich werde auf jeden Fall berichten.
    Beste Grüße
    JLang

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  • Franz Schubert (1797-1828)
    Impromptus D.899 & 935
    Amir Katz
    Orfeo, DDD, 2015


    Nun komme ich endlich dazu, meine Ankündigung zu erfüllen und ein wenig ausführlicher zu Katz’ Einspielung von Schuberts Impromptus zu schreiben. Um den Referenzrahmen meines Hörerlebnisses abzustecken sei vorangestellt, dass ich die Impromptus in meiner Jugend in der Einspielung von Radu Lupu kennengelernt habe, die zu meinen absolut unverzichtbaren zählt. Nun könnte man fragen, ob es fair ist, eine neue Einspielung an einem so übermächtigen Hörerlebnis zu messen. Ich denke, es ist keine Frage der Fairness, sondern absolut notwendig. Nicht, um dann am Ende doch festzustellen, dass die übermächtige Einspielung übermächtig bleibt, sondern um zu verdeutlichen, warum man bestimmte Passage in einer bestimmten Weise bewertet. Einen zweiten Referenzrahmen bieten die Äußerungen des Interpreten selbst, die er in einem knappen Interview darlegt. „Ein Drama in acht Stationen“, so begreift Katz diesen Zyklus. Trotz des Fehlens von motivischen Bezügen beschreibe jeder Satz ein Kapitel auf einem Weg. Damit sei eine Verbindung geschaffen, die das Werk zu einer Einheit mache. Der zyklische Charakter ist m. E. nicht zu bestreiten (es ist ja bekannt, dass die Impromptus D 935 mit den Nummern 5 bis 8 Schubert notierte). Wichtig sei zudem, sich den singenden Charakter vor Augen zu führen („das natürlich fließende und singende Element ist das Alpha und Omega der Musik von Schubert“). Katz will sich in der Interpretation im Spannungsfeld von Einfachheit und subtilem, aber starkem Ausdruck. Wie hat er dies nun konkret umgesetzt?


    Zunächst zu Impromptus D 899:
    Nach dem unisono Eingangsakkord in G, bei dem die Fermate vielleicht noch länger hätte ausklingen können, beginnt Katz die schlichte Weise der Nr. 1 in c-moll mit feinem Anschlag und sehr kantabel, aber für meinen Geschmack mit ein wenig zu viel Pedal. Erschütternd gestaltet er dann den dynamisch sehr variablen Anschluss (crescendi und die ff. Akkorde). Vielleicht liegt in seinem ff. ein wenig zu viel Revolte gegen die Bitterkeit der ersten Takte (bei Lupu hört es sich stärker nach einer Akzeptanz die Traurigkeit an, die mir bei Schubert einleuchtender klingt). Grandios überführt Katz dann aber in die dahinfließende zweite Melodie, in dem er in der Triolenbegleitung mit wenig Pedal agiert und so eine berührende Schlichtheit entwickelt. Diese wird dann erneut in die erste Melodie über- und zum dramatischen Höhepunkt geführt, in dem Katz die ganze Dramatik vorbildlich ausspielt (Takte 112. 113). In der Coda entfaltet die schlichte Melodie dann durch ihre Zergliederung noch einmal eine besondere Tragik und ohne jedes Aufbegehren ist hier auch die typische Fügung in das Unvermeidliche zu hören, auch wenn man sich des Eindruck eines gewissen Trostes, den Kat zu erkennen glaubt, nicht entziehen kann.
    Viellicht schöpft er diesen Trost aus dem Beginn der folgenden Nr. 2 in Es-Dur. Hier orientiert sich Katz (wie zahlreiche andere Pianisten auch) am Bild des stets in Bewegung befindlichen, dahinfließenden Wassers. Der durchziehende, rhythmische Impuls wird einzig im leidenschaftlichen Mittelteil unterbrochen und wieder in die Grundbewegung und den hoch emotionalen Schluss überführt. Das gelingt Katz ebenso wie die pulsierenden crescendi zweifellos hervorragend. Sind Nr. 1 und 2 schon kantabel, spielt Katz die Nr. 3 in Ges-Dur dann wie ein gesungenes Lied. Hier gefällt mir neben der saubere arpeggierenden Begleitung das Tempo, das irgendwie „richtig“ klingt, auch der traurige Grundton, bei dem nun im Gegensatz zum ersten Impromptus jedes Aufbegehren vermieden wird. Natürlich notierte Schubert Andante, aber er notierte auch 4/2 alla breve, was darauf deutet, dass es nicht zu langsam gespielt werden sollte. Die Nr. 4 in As-Dur bildet in ihrer Länge und Dramatik eine Art Gegenstück zum Eingangs-Impromptus. Hier verfällt Katz nicht der Versuchung die kaskadenartig herabfallenden Arpeggien durch übermäßigen Einsatz des Pedals im Ausdruck zu steigern, er spielt sie ganz schlicht aus. Höhepunkt ist das hochemotionale Trio, in dem immer das Aufbegehren durchklingt, das Katz schon im Impromptus Nr. 1 dieses Zyklus angedeutet hatte. Aber es verhallt, bevor er es sich richtig entfalten kann.


    Impromptus D 935:
    Nr. 1 in f-moll beginnt Katz mit dem vollgriffigen, aber nicht allzu pathetischen Eröffnungsakkord, an den sich die abwärtsbewegende Passage anschließt. Das melancholische zweite Thema wiest nur in einzelnen Noten überhaupt einen emotionalen Lichtblick auf über dem ausgeglichen pedalisierten Klangteppich entfaltet sich der wehmütig klingende Dialog der beiden Hände, der mit großer Anschlagskultur gespielt ist und bei dem die „Antworten“ im Bass keinen Anlass zu irgendeiner Hoffnung geben. Einen Höhepunkt seines Schubertspiels erreicht Katz imO in Nr. 2 in As-Dur. Dieses intime Stück ist spieltechnisch sicher nicht die größte Herausforderung, aber hier erreicht Katz eine vorbildliche Schlichtheit im Ausdruck. Die kräftigen bis ins ff. reichenden Doppeloktavschläge lädt er dabei nicht pathetisch auf, sondern gestaltet sie ebenfalls schlicht, als aufblitzende Zeichen der Hoffnung. Im Gegensatz dazu steht die folgende, fließende Triolenkette, die wie im Nichts verklingt. Auch Nr. 3 in B-Dur führt deutlich vor Ohren, dass Katz die tänzerischen, singenden Elemente der Impromptus liegen (das hat er m. E. bereits bei Mendelssohns Liedern ohne Worte unter Beweis gestellt). Man ginge jedoch fehl, seinen Schubert daher als insgesamt optimistisch zu bezeichnen, binnen eines Taktes wandelt er Thema und Stimmung und führt diese in eine unendliche Traurigkeit und wieder zurück in das tänzerische Grundthema, bei dem nun vor dem Hintergrund der vorherigen Passagen bei mir keine rechte Heiterkeit mehr aufkommen mag. Zu tief ist ist der Eindruck des Vergeblichen. Und so verklingt dieses Impromptus... Nr. 4 stellt demgegenüber noch einmal ein verhaltenes Aufbegehren dar. Katz geht es geradezu rasant an (5.55 gegenüber 7.05 bei Lupu). Das tänzerisch bewegte f-Moll-Impromptus verwandelt er passagenweise in einen wilden Reigen, der aber nur ganz punktuell einmal etwas heiter wird, sich nach einem letzten (vergeblichen) Widerstand anhört und konsequenterweise am Schluss bis zum tiefen F regelrecht abstürzt.
    Was lässt sich über diesen Schubert zusammenfassend sagen? Gegenüber Lupu hat Katz einen schnelleren Ansatz bevorzugt, der imO vor allem bei D899 Nr. 3 richtig trägt. Aber auch ansonsten gelingt es ihm, über die Stücke hinweg ein fließendes Kontinuum zu gestalten, in dem in dichter Folge verschiedenste Stimmungen artikuliert werden. Katz spielt mit einer großen Wahrhaftigkeit und fügt an der ein oder anderen Stelle ein kontrolliertes Aufbegehren hinzu. Er bezeichnet es als immer wieder aufkeimende Hoffnung. Ich habe mich zunächst daran gestört, weil ich meinte, das gehöre eher zu Beethoven (und so mag es in der Tat auch sein), aber da es nie eine Auswirkung auf die folgenden Stimmungen hat, treten die tieftraurigen Passen durch diesen Kniff noch deutlicher hervor. Das ist auch eine Frage der Lesart: was ist trauriger: im Versuch des leisen Aufbegehrens zu scheitern, oder das Scheitern von Vornherein zu akzeptieren und nicht aufzubegehren? Katz vertraut nach eigenen Worten seiner Intuition und er tut gut daran. Vielleicht hätte er dennoch an der ein oder anderen Stelle noch stärker auf Schuberts Musik vertrauen und in noch größerer Schlichtheit gestalten können (hier kommt bei mir ganz offensichtlich die Prägung durch Lupu zu Tage), aber das soll dem rundum positiven Eindruck, den ich von der Einspielung habe, keinen Abbruch tun. Ersetzen kann er Lupu nicht, bereichert hat mich diese Einspielung aber dennoch. Und in ihrer tiefen Traurigkeit hat sie mir wunderbare Stunden Musik beschert. Und darauf kommt es ja schließlich an.
    Mit bestem Gruß zum Sonntag
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Alfred_Schmidt

    Hat den Titel des Themas von „Aktive Pianisten unserer Tage: Amir KATZ – Ein junger spätberufener“ zu „Amir KATZ – Ein junger Spätberufener“ geändert.
  • Im Rahmen der Aufarbeitung meiner bislang noch ungehörten CDs ist mir diese in die Hände geraten und ich habe sie heute gehört. Ich wurde natürlich besonders darauf aufmerksam, da ich mich in den letzten Woche mit Pianisten der Gegenwart beschäftigt habe. Da bedarf es etlicher Nachkäufe- aber - wie ich nach und nach bemerke ist auch vieles in meiner Sammlung bei den ungehörten bereits vorhanden.

    Es war eine Überraschung einerseits, wie ausführlich einst JLang mit dieser Aufnahme auseinandergesetzt hat und hilfreich andrerseits ein im Booklet dieser CD veröffentlichtes Interview zu lesen, wo sich Amir Katz dazu äussert, wie er die impromptus D 899 und D935 sieht und wie er sie gestaltet und vor allem warum-

    Wir erfahren, daß diese Werke eigentlich nicht notwendigerweise Impromptus seien, daß sie vielmehr - vermutlich aus Vermarktungsgründen- vom Verleger so benannt wurden. und daß die Impromptus vermutlich ein Werk darstellen, die Nummerierung sei von Schubert einst von 1-8 gezäht worden. Katz sieht hier Geschichten die erzählt würden- ähnlich wie bei der Schönen Müllerin und der Winterreise. Mit diesem Vorwissen ist die Bewertung der Aufnahme eine andere. Die Frage, wie "wienerisch" oder "biedermeierlich" die Interpretations ist, tritt dadurch völlig in den Hintergrund. Es wird hier eine Geschichte - oder vielmehr mehrere Stimmungsbilder erzählt, die IMO stellenweise düster, aber auch verzweifelt aufbrausend auf mich als Hörer wirken. Die Aufnahmetechnik von ORFEO ist einfach superb und fängt das Klavier und das Spiel realitätsnah mit vielen Klangfarben und Nuancen ein.

    Eine äußerst interessante Aufnahme, die doch ein wenig anders klingt, als gewohnt.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !