Bernhard Diese Aufnahme steht schon auf dem Einkaufszettel
Ich höre die große Messe Bachs nicht oft - wenn, dann aber stets mit höchstem Genuss.
Allerdings mache ich mir in letzter Zeit um dieses Werk einige Gedanken. Es wird oftmals als das letzte große Werk (abgesehen von der Kunst der Fuge) dargestellt, welches Bach sich in seinen letzten Jahren abgerungen hat. Doch betrachten wir einmal die Fakten, anhand derer ich diese verbreitete Darstellung nicht nachvollziehen kann und sie für romantisierend halte. Aber werfen wir einen Blick auf die Fakten und betrachten dann diese Aussage erneut.
Diese Messe ist über einen Zeitraum von 25 Jahren entstanden. Am Anfang stand bei Bach selbst sicher nicht die Intention der Schöpfung einer großen/der großen Messe.
Das Sanctus ist aus dem Jahre 1724. Es wurde anlässlich des Weihnachtsfestes aufgeführt und war ein in sich geschlossener Satz.
Mit dem Kyrie und und dem Gloria bewarb sich Bach im Jahre 1733 um die Verleihung des Titels eines „Hofcompositeurs“ beim sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. Warum er dies tat, ist sicherlich eine andere Geschichte.
Das Credo sowie das Benedictus und Agnus Dei entstanden im Jahre 1748, wobei Bach hierfür auf Teile zurückgriff, die er bereits für Kantaten schuf. Am auffälligsten ist hier natürlich das Crucifixus, bei dem der einleitende Satz der berühmten Kantate "Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen" (BWV 12) Pate stand.
Wann bei Bach die Intention entstand, schließlich eine große Messe daraus zu machen, entzieht sich meiner Kenntnis. Wahrscheinlich vor der Erschaffung des Credo, des Benedictus und des Agnus Dei.
Wenn man unter "komponieren" natürlich auch das Zusammenfügen versteht, kann man natürlich so sprechen, wie man es weitläufig tut, doch wird dadurch beim Laien (wohl auch wissentlich) ein falscher Eindruck erweckt, so meine Meinung. Ich sehe hier wirklich eine romantisierende Einfärbung der Enstehungsgeschichte dieser Messe, die wohl geeignet ist, Bach ein wenig mehr zum Denkmal zu machen.
Dies wertet die große Messe Bachs sicherlich in keinster Weise ab und ist auch für den Gesamteindruck dieser speziellen Schöpfung Bachs nicht von Relevanz (auch wenn ich mitunter beim Hören gewisse Brüche zu Ungunsten der Homogenität vernehme bzw. mir einbilde, zu vernehmen, was aber ein höchstpersönlicher Eindruck ist).
Dass Bach, mit dem man diese Praxis neben z. B. Händel, sehr besonders verbindet, hier auf bereits Komponiertes zurückgriff, sollte man nicht wertend beurteilen. Zum einen war es wirklich Praxis und zum anderen bin ich mir bei Bach nicht mal sicher, dass er dies aus pragmatischen Gründen oder Zeitdruck tat. Bach setzte sich mit einmal Erschaffenem, was seinem kritischen Blick auch nach Jahren noch absolut standhielt, immer wieder ernst auseinander und schliff das Material oder instrumentierte es um, um es unter anderem Licht erscheinen lassen. Ich sehe das als Auseinandersetzung mit dem Erschaffenem, ein Stück weit auch als Reflexion.