So ganz daneben kann die Oper Tannhäuser eigentlich nicht gehen, davor schützen die großen Chorszenen.
Die nehmen gefangen, ob man will oder nicht. Gibt es einen sehr guten Sänger für den Tannhäuser? Das dürfte
schwer sein, Stephen Gould hat hier mal einen guten Tannhäuser gesungen. Lance Ryan, dem heutigen
Tannhäuser, kommt dieses Prädikat eher nicht zu. Mit enger, recht nasal klingender Stimme sang er bis zur
Romerzählung eigentlich wie zum Ausblenden. Hinzu kam ein fast schon peinliches Spiel im zweiten Aufzug, als er
sich im Singepodest ob der zu erwartenden Angriffe seiner Ritterkollegen wie ein begossener Pudel auf den Boden
kauerte und schützend die Hände über dem Kopf hielt. Der Tannhäuser, den ich kenne, schert sich nicht um die
Angriffe der Lakaien des Landgrafen, selbst wenn sie physisch sind, er knickt vielmehr vor Elisabeth ein, die ihn
wie eine Löwin verteidigt. Das hat der Sänger nicht darstellen können. Die Romerzählung im dritten Aufzug gelang
ihm besser, da half die innere Dramatik über die stimmlichen Einschränkungen hinweg. Genügend Kraft war noch
vorhanden, auch trug die Stimme gut, wenn er vorn auf der Bühne stand. Im ersten Aufzug klang die Stimme,
da oft von weiter hinten gesungen wurde, noch eher schmal und kraftlos. Das lag wohl am Bühnenbild, welches
nach oben offen war und vermutlich Schall schluckte. Ryan schien es bemerkt zu haben, denn mehrfach kam er
zum Singen an die Rampe.
Manuela Uhl sang nach offenbar krankheitsbedingter Absage von Deborah Voigt, wie bei dieser vorgesehen,
sowohl Venus als auch Elisabeth. Die Elisabeth des zweiten Aufzugs geriet ihr stimmlich auch etwas eng, das lag
wohl an der Höhe der Hallenarie, im tiefer gelegenen Gebet („Allmächt‘ge Jungfrau“) im dritten Aufzug gelangen
ihr dagegen berührende Töne, ebenso war an ihrer Venus nichts auszusetzen. Wie wohl meist im Tannhäuser
heimste der Sänger des Wolframs den meisten Jubel ein. Lauri Vasar sang und spielte ihn mit Inbrunst, sein
schön klingender Bariton war kraftvoll und die Darstellung viriler als die des zum Jammern neigende Ryan. Abgestuft
wurde auch die sängerische Leistung von Frau Uhl bejubelt, Lance Ryan stand das Publikum nach dem gelungenen
dritten Aufzug durchaus noch wohlwollend gegenüber. Der Landgraf wurde stimmschön von Wilhelm Schwinghammer
gesungen, an Kraft übertraf ihn der Bass Florian Spiess als Biterolf. Das passte zu der Offiziersrolle, die ihm der
Regisseur Harry Kupfer zugedacht hatte (Kostüme aus dem 20. Jahrhundert). Walther von der Vogelweide,
von Kupfer offenbar als selbstverliebter Blender gesehen (so stellte ihn in den letzten 20 Jahren überzeugend
Peter Galliard dar), war bei dem eher nach innen gekehrt wirkenden Tenor Jun-Sang Han zwar stimmlich, aber
weniger darstellerisch gut aufgehoben. Der Hirt wurde sehr überzeugend von der noch zum Opernstudio
gehörenden Christina Gansch gesungen. Die stumme Rolle von Tannhäusers Double (während des Bacchanals
im ersten Aufzug stürzt sich Tannhäuser kopfüber von einer ca. 6 m hohen Mauer) ist inzwischen in Familienbesitz
übergegangen, nach Fred Braeutigam, der den Part noch 2012 inne hatte, mimt jetzt sein Sohn Tim Braeutigam
den symbolisch einen Ausweg aus dem Venusberg suchenden Tannhäuser. Es handelte sich um die 64.
Vorstellung seit der Premiere 1990, dirigiert hat Bertrand de Billy, ich fand es dem Haus angemessen.