Empfehlenswerte neue Jazz CDs

  • Hallo!


    Ich bin eben in den Jazzkeller runter gestiegen, habe einige Kartons zur Seite geräumt und etwas abgestaubt. Wird ja nicht allzu häufig benutzt.


    Ich würde gerne einen neuen Thread aufsetzen, in dem neue individuell als empfehlenswert empfundene Jazz-Scheiben vorgestellt werden. Etwas Entsprechendes habe ich unter den Einträgen der Vergangenheit nicht gefunden.


    Jetzt spielt bei mir Jazz derzeit auch nicht mehr die große Rolle, wie das einst war. Aber das eine oder andere kriege ich schon noch mit - und höre ich dann auch. Vielleicht geht es dem Einen oder Anderen ebenso, sodass zumindest ab und zu etwas aktuelles Licht in diesen Keller dringt.


    Den Anfang mache ich mit der Musik, die ich gerade über Kopfhörer höre:


    Kurt Elling: Passion World (2015)


    Der Bariton Kurt Elling hat ich schon immer gereizt, wobei ich zugeben muss, dass ich seinen Jazz, vor allem wenn er sich gesanglich im Bereich des BeBop bewegte, teilweise recht anstrengend fand und finde.


    Aber auch dieser Mensch wird offenbar ruhiger. Hier hat er ein Album aufgelegt, auf dem er Stücke zusammengestellt hat, die er üblicherweise als Reminiszenz an den jeweiligen Ort seines Konzertes ins Zugabenprogramm einbaut. Daher enthält diese CD Stücke, die ihren Ursprung in Brasilien, Irland, Spanien, Schottland, Kuba und Island haben und alle etwas mit Leidenschaft zu tun haben. So findet sich auch der Walzer op. 52 von Johannes Brahms darauf (wenngleich ich doch eine "klassische" Einspielung vorziehen würde). Die Musik ist stets harmonisch und wird auch dort, wo die Big Band eine größere Rolle hat, nie aufdringlich.


    Insgesamt eine sehr entspannte aber nie langweilige CD eines mit der Zeit etwas altersmilden (47 Jahre) Jazz-Crooners, der nicht davor zurückschreckt, zur Entspannung des Hörers beizutragen.



    Und hier zum Abschlussn noch ein Bonus-Track, der auf der Version, die über Spotify angehört habe, nicht enthalten war, aber für die Stimmung der Gesamt-CD repräsentativ ist:



    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Ohne von diesem Musiker bisher etwas gehört zu haben, möchte ich ihn doch hier erwähnen, nachdem er am Freitag ein Konzert bei der Bachwoche Ansbach gegeben hat, das ein guter Freund von mir aus München besucht hat: Iiro Rantala. Fürs Tamino-Klassikforum interessant macht ihn sicherlich auch das hier: »Auf dem Album My History of Jazz 2012 improvisiert Rantala unter anderem über Kompositionen von Johann Sebastian Bach, da seiner Auffassung nach der Jazz mit ihm begonnen habe. Neben humorvollen Bearbeitungen von Jazzstandards sind auch einige eigene Kompositionen enthalten.«

  • Hallo!


    Ich habe mir die neue Gregory Porter Scheibe angehört und bin sehr angetan. Sie ist noch etwas eingängiger als die voran gegangene "Liquid Spirit". Eine wunderschöne Mischung aus Jazz, Soul, Blues und Gospel. Einer der Höhepunkte: Der Titelsong "Take me to the Alley"!




    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Hörbericht




    https://www.jpc.de/jpcng/jazz/…a-indecision/hnum/8001666



    Die CD ist grade bei ECM erschienen. Das Trio besteht aus den gleichen Leuten wie in den ganzen Jahren zuvor. Wie fast immer bei ECM ist die aufwendig verpackte CD mit schönen Fotos in Color und s/w garniert. Der Klang ist erwartungsgemäss sehr gut, Stefano Amerio hat sie im Stelio Molo des Radio Svizzera Italiana in Lugano aufgenommen. Die elf Stücke dauern von 3:12 bis 7:26.


    Das Titelstück gleich zu Anfang (1) läuft etwas rhythmisch unbestimmt an, das melodiöse Material entfaltet sich unspektulär. Dann aber in der Improvisation wird es lebendiger und das Zusammenspiel gewinnt Konturen. Der Wedding Song (3) ist ein ausgedehntes Themenmaterial von Bela Bartok (wie so oft bei B.B. entfaltet es seine Qualität erst nach dem wiederholten Hören), es ist auch das längste Stück. Die Stücke (4) bis (8) sind nacheinander vom Bassisten Anders Jormin, Erik Satie, Frederic Mompou, B.S. und A.J. Dabei kommen nun insbesondere die sidemen zum Zuge: Anders Jormin spielt fabelhaft Kontrabass und intoniert sehr sauber, hat einen vibratoarmen oder -losen Ton. Er spielt sehr gut mit dem Pianisten zusammen. Er beginnt das Stück (4) in den hohen Lagen, spielt Flageollettöne und entwickelt mit sehr lebendigem Ton seine Linien bis zum Einsetzen von B.St., der seinerseits mit anfangs balladeskem Spiel die Zahl der Melodietöne ausdünnt und nun den Batteristen Jon Fält mit zahlreichen Becken aller Grössen, metallenen und hölzernen Stäben, Rasseln etc. in den Vordergrund kommen lässt. Ein kurzweiliger Alleingang, der zum genauen Hören einlädt. Der Schlagzeuger benutzt auch, in den meisten Stücken, vermehrt die Besen statt der Stöcke. Das muss dann nie laut werden.


    Elegie (5) und Alice (7) sind gute Beispiele für vorzugsweise lyrischen Jazz, bzw. für gut gemachte kleine Kompositionen (E. Satie und B. Stenson). In (6) Cancion y Danza VI kommt eine mehr nostalgische Stimmung herüber, wobei nach der Melodie ein rumbaähnlicher Tanzrhythmus unterlegt wird, der in ein kleines verhaltenes Schlagzeugsolo mündet. Oktoberhavet (8) klingt optimistisch und aufgeräumt ist rhythmisch "walking" (nebenher habe ich gutgelaunt Belege sortiert) Mein Lieblingsstück ist Alice (7), etwas spröde für den Moment, aber ein tolles Zusammenspiel zwischen den Dreien mit wenigem, aber ausdrucksvollen musikalischen Material. Die übrigen Stücke werden von B. St.s Klavierspiel auf harmonische Weise illustriert.


    Ein Jazztrio, welches es auf meisterhafte Weise versteht, viele Elemente des Jazzidioms mit denen der klassischen Moderne zu verbinden, es auch ganz bewusst nicht vermeidet, manchmal im Ansatz "kitschig" und herzbewegend zu klingen. Ist somit recht zeitgemäss. Sehr gut auch für ältere Hörer geeignet ! ;)
    Es wird grundsolide musiziert und "gekonnt".
    Klang gut. Präsentation und Info gut.


  • Eigentlich wollte ich die ziemlich neue CD kurz drüben vorstellen im "was hört Ihr gerade jetzt ?"- Thread, dann aber habe ich sie nochmals mit zunehmendem Genuss und gründlich gehört und auch etwas im Netz herumgesucht. So entsteht ein kleiner Hörbericht.




    Dejohnette Grenadier Medeski Scofield HUDSON


    HUDSON heisst das Projekt und auch das erste Stück von elf (3:16 bis 10:56 lang), nach dem Fluss, der von Nord nach Süd durch den Staat New York fliesst, durch waldreiches Mittelgebirge mit ein paar kleineren Provinzstädten. (Man kommt derzeit leider nur nachts dort vorbei, wenn man mit dem Zug von New York nach Chicago fährt). Die weltbekannten Jazzmusiker (ausser John Medeski) haben ihre Absicht verwirklicht, zum ersten Male in dieser Formation dort, nämlich in den Catskill Mountains eine CD aufzunehmen, in den dort befindlichen NRS Studios, im Januar 2017. In dieser Gegend fand auf einem grossen Maisfeld 1969 das berühmte Woodstock Festival statt, mit seinen 400 000 Besuchern, das bereits in die Musikgeschichte eingegangen ist. Später gab es immer wieder Woodstock Jazzfestivals, zuletzt m.W. 2015.


    Was die CD von anderen unterscheidet, ist u.a. die Auswahl der Titel, welche bereits 1969 bereits damals als Popsongs gespielt worden sind, nämlich Bob Dylans Lay Lady Lay und A Hard Rain`s A- Gonna fall..., sowie je ein Jimi Hendrix und ein Joni Mitchell Song. Es ist für die hier Lesenden sehr interessant, wie der Schlagzeuger Jack DeJohnette, zusammen mit dem früher eher Rock- orientierten Gitarristen John Scofield die beiden Hauptpersonen, äusserst differenzierte und harmonisch geglückte Rhythmusgebilde hintupft, -schüttelt, -streicht und -klopft, ohne sich überhaupt in den Vordergrund zu drängen, während Scofield in unnachahmlicher Weise seine Gitarrenlinien entlang zieht, unterwegs wie ein zielstrebiger Wanderer auf holprigem Pfad, unterbrochen von einem leichten lockeren Dauerlauf.


    Das erste Stück "Hudson" stellt die Rhythmuskonstrukte von DeJohnette heraus, untermalt von teils sphärischen oder auch verzerrten Klängen der elektronisch moderierten Gitarre, aber auch kleine Melodiebögen, die flüssiges Gitarrenspiel hören lassen.
    Das nächste ist ein Modern Jazz tune mit nettem, typischen und markantem Gitarrenthema. In "Dirty Ground" singt der Drummer recht sonor und gut phrasiert einfach mit, so soulig und Country- like, wie ich es in Nashville und sonstwo gehört hatte. MACHT LAUNE, sagen da meine Jungen :jubel: :jubel: :jubel: . Und in diesem Rhythmus und mood geht es gleich noch eine Ecke weiter.
    Zum Schluss ein sehr amerikanisches Stück mit fragmentartiger, wenig stofflicher Faktur, welches durch unhektische, dumpfe Trommelschläge und einstimmige Silbengesänge nach der Art eines Pow Wow der indianischen Ureinwohner zusammen gehalten wird.


    Eine CD für alle Liebhaber des Genre- übergreifenden Jazz der letzten Jahrzehnte, mit starker amerikanischer Prägung. Hohe Qualität der Instrumentalisten und der kompositorischen/ improvisatorischen Details inklusive deren Zusammenspiel.
    Für alle, die sich an (relativ) leisem und überaus farbigem, virtuosem (aber am Ende natürlich wirkenden) Schlagzeugspiel erfreuen können.


    Habe mich mal wieder über den Begleittext bei JPC geärgert, immerhin schreiben sie "Produktinformation" über den Textblock. // Von Scofield habe ich die meisten neueren CDs. Entgegen meiner anfänglichen Befürchtungen, dass mir sein stets mehr oder weniger gezerrter Gitarrensound und sein "ungelenkes", "stolperndes" Spiel auf den Zeiger geht, gefällt er mir eigentlich immer besser.


    MlG
    Damiro