Franz Schubert, Klaviersonate Nr. 21 B-dur D.960, CD (DVD)-Rezensionen und Vergleiche (2017)


  • Franz Schubert, Klaviersonate Nr. 21 B-dur D.960
    Daniel Barenboim, Klavier

    Instrument: Steinway D
    AD: 12/1992, Wien, Musikverein, live
    Spielzeiten: 14:06-9:49-4:03-7:48 --- 35:46 min.;


    Daniel Barenboim gehört zwar im Kopfsatz zu den Schnelleren, trotzdem hat man aber keinen Moment den Eindruck, dass das zu schnell sei. Sein Spiel klingt sehr entspannt und rund, aber trotzdem transparent mit einer doch in etwa pp-Grundlautstärke.
    Auch er schließt die Variierung des Themas (Takt 20 bis 35), wo es sozusagen über dem gleichbleibenden Grundpuls um die "innere Beschleunigung" geht, mit einer kraftvollen Steigerung ab, zeichnet aber in der Wiederholung des Themas ab Takt 36 die dynamischen Bewegungen nicht so exakt nach wie Badura-Skoda, sondern er spielt die dynamischen Akzente ab Takt 40 bis 44 auf der höheren Dynamikstufe durch und geht dann erst im decrescendo in Takt 45 etwas zurück.
    Das geschieht im zweiten Thema ab Takt 49 auch noch ein um's andere >mal, dass er zwar das Crescendo ausgeprägt spielt, aber nicht das Decrescendo.
    Erst im dritten Thema, dass ab Takt 79 mit Auftakt von den auf- und abstrebenden Staccato-Achteltriolen geprägt ist, ist er da aufmerksamer und spielt die folgenden dynamischen Akzente, wie es gehört.
    Auch in der Schlussgruppe spielt er dynamisch ohne Fehl und Tadel.
    Leider wiederholt er in dieser Aufnahme die Exposition nicht, spielt aber einen wunderbaren Übergangstakt 117b hin zur Durchführung.
    Am Beginn der Durchführung nach dem Akzent in Takt 124b schludert er noch einmal und geht in Takt 125bff, wie ich finde, nicht ausreichend zurück. Im staccatoförmigen Abschnitt, den wir schon aus dem dritten Thema der Exposition kennen, schaut er dann wieder genauer hin.
    Im nächsten Abschnitt, ab Takt 150, der von den Staccato-Achteln und Nonlegato-Achteln im Bass geprägt ist, erreicht er dann auch in seiner dynamischen Sorgfalt das hohe Niveau, dass wir eigentlich von ihm kennen . Die große Steigerung mit der sich verdichtenden musikalischen Struktur und den zunehmenden Dissonanzen im Diskant spielt er grandios und läuft in einem veritablen Fortissimo in Takt 171/172 aus.
    Die durchaus nicht positive Stimmung in den klopfenden Achtelakkorden mit den leichten dynamischen Bewegungen und den wieder auftretenden Basstrillern behält er bei und steigert das Ganze noch durch ein sich über mehrere Takte hinziehendes kaum merkbares Accelerando und spielt dann auch den Übergang zur Reprise temporal und rhythmisch mit den entsprechenden dynamischen Bewegungen partiturgerecht.
    Zu Beginn der Reprise kann ich aber nicht ein so klares Zurückgehen in das Piano pianissimo in Takt 223 mit Auftakt erkennen wie zuletzt bei Paul Badura-Skoda. Damit hat dieser Takt bei Daniel Barenboim nicht den Charakter einer Schlüsselstelle.
    Das zweite Thema (ab Takt 234) spielt er dann aber wieder sehr schlüssig und schließt wiederum mit einer sehr überzeugenden und kraftvollen Steigerung ab.
    Leider zeichnet er dann aber an den gleichen stellen wie in der Exposition, hier in den beiden Akzenten in Takt 259 bis 262 die Absenkung nach der Steigerung nicht ausreichen nach.
    Erst nach der nächsten kurzen ff-Steigerung ist er ab dem cis-moll nach dem Doppelstrich in Takt 267 im dritten Thema dynamisch wieder in der Spur. Dieses spielt er dann auch wieder grandios bis hin zur Schlussgruppe, wunderbar in diesem Abschnitt seine hingetupften kontrastierenden Achtelakkorde im Bass unter den Achteltriolen im Diskant. In der Schlussgruppe selbst hätte ich mir auf den Akzenten ein ausgeprägteres Abschwellen der Dynamik gewünscht.
    Die wundersame Kurzcoda spielt er dann wieder grandios.
    Ein Satz mit viel Licht, aber leider auch mit etwas (dynamischem) Schatten!


    Im Andante ist Daniel Barenboim deutlich langsamer als Paul Badura-Skoda. Aber hier ist der Ausdruck ja auf einem ganz anderen, ungleich höheren Niveau als in dem dynamisch nicht immer überzeugenden Kopfsatz. ist der Ausdruck am Beginn ungeheuer traurig, so scheint in den vier kurzen Takten 14 bis 17 mit der Dur-Auflösung die Sonne aufzugehen, bevor wieder alles in Trauer versinkt. Hier entwickelt er in seiner exzellenten Dynamikbehandlung eine Spannung, dass ich senkrecht auf dem Stuhl sitze. Hier entfaltet er allerhöchste Pianokunst.
    Auch im überirdischen Seitenthema ist Barenboim langsamer als Badura-Skoda und entfaltet, ausgehend von einer niedrigen Grundlautstärker, nicht so viel dynamischen Kontrast wie sein Kollege, was in diesem Falle m. E. die musikalische Tiefe dieses Themas noch erhöht.
    Auch in der Themenwiederholung mit dem Wechsel in die hohe Oktave spielt er das mit sehr viel Ausdruck und beinahe schmerzender Schönheit, ebenso im nächsten Abschnitt, wo das Thema wieder in den Bass wandert. All das spielt er mit höchster dynamsicher Präzision. Es ist mir ein völliges rätsel, wieso er diese Sorgfalt in der Behandlung der Dynamik nicht im Kopfsatz durchgängig an den Tag gelegt hat. Auch den letzten Abschnitt des Seitenthemas spielt er auf diesem extrem hohen Niveau.
    Das zurückgekehrte Thema nach dem Generalpausentakt spielt er wieder in tieftrauriger Stimmung, die noch zunimmt durch die etwas (gegenüber Badura-Skoda) zäher tropfenden Staccato-Sechzehntel in der Begleitung. Wunderbar auch wieder die kurze Aufhellung, hier ab Takt 103 und am Schluss die beinahe schon jenseitige Coda.
    Ein überragend gespielter Satz!


    Das Scherzo klingt eindeutig diesseitiger und ist vor allem ein temporaler und rhythmischer Kontrast. hier ist er etwas schneller als Badura-Skoda. Das klingt fast so, als ginge hier ein wenig er Virtuose mit ihm durch. Dynamisch ist auch in diesem Satz nichts einzuwenden.
    Das Trio ist auch bei ihm ein Ruhepunkt mit eigenartiger Rhythmik, geprägt durch die Forzandopiani und durch einige eingefügte maßvolle Rubati.
    Hier schließt er das Scherzo da capo ed infine la Coda an.


    Im Finale ist Barenboim schneller als Badura-Skoda. Auch hier ist m. E. die Behandlung der dynamischen bewegungen partiturgerecht. Auch die häufigen und kurzen Rhythmuswechsel gefallen mir gut.
    Im Seitensatz spinnt Barenboim ein zartes musikalisches Gebilde und wie ich finde, durchaus rasch im Tempo und durchaus passend. Nach zwei vergleichsweise kurzen Generalpausentakten geht es im ersten Durchführungsabschnitt auch in Barenboims Lesart hochdynamisch weiter, bevor er nach einem schönen Decrescendo die zweite Hälfte dieses ersten Durchführungsabschnittes in ätherisch zarten kurzen Bögen, kontrastiert von federleichten Achteltriolen im Bass sanft dahinfließen lässt.
    Der dann folgende nächste Themenauftritt, nur kurz von reprisenförmigem Charakter, dann auch durchführungsartige Züge annehmend, zieht zeitweilig hochdynamisch und wild dahin, auch im Rhythmus durch verschiedene Achteltriolenformen immer wieder variiert, bis er in wiederholten Sechzehnteltonleitern (ab Takt 292) langsam zur Ruhe kommt. Barenboim spielt das hier kongenial und leitet zum dritten Themenauftritt (ab Takt 312).
    Dieser könnte schon eher als Reprise bezeichnet werden und fährt wieder in ruhigerem dynamischen Fahrwasser dahin, sehr rasch ins Nebenthema übergehend, das Barenboim abermals wunderschön fließen lässt und es in den nächsten Durchführungsabschnitt übergehen lässt.
    Noch einmal schlagen die dynamischen Wellen hoch, dann glätten sie sich wieder. Es sei noch einmal gesagt, dass Barenboim auch in diesem Satz penibel auf die Dynamik achtet und in diesem doch raschen Tempo einen agilen, aber auch unaufhaltsam drängenden Satz zustande bringt, in dem es unterschwellig brodelt.
    Erst beim letzten, kurzen Themenauftritt (ab Takt 491 mit Auftakt) endet dieser Drang, und das Geschehen beruhigt sich erneut, um dann, welche Überraschung, einer von Barenboim kongenial gespielten rauschenden Kurzcoda Platz zu machen.


    Schade, dass im Kopfsatz diese dynamischen Irritationen auftraten, sonst wäre das eine ganz große Interpretation gewesen, aber der Kopfsatz ist ja auch von entscheidender Größe, selbst, wenn man die Exposition nicht wiederholt.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    die Hörschnipsel dieses Konzertmitschnitts haben mir spontan auch gefallen, anders als die seiner Studioaufnahme (DGG-Box), die fand ich eher nicht so toll. Ich bin mal gespannt auf Deinen Vergleich! :hello:


    Ein schönes Wochenende wünschend mit lieben Grüßen
    Holger


  • Barenboim-Daniel-c-Karina-Schwarz-DG-620x310.jpg
    Instrument: leider nicht angegeben, vermutlich ein Steinway
    Franz Schubert, Klaviersonate Nr. 21 D-dur D.960
    Daniel Barenboim, Klavier
    AD. 2013/2014
    Spielzeiten: 20:03-10:04-4:22-8:34 --- 43:03 min.;


    Im Gegensatz zu seiner ersten Einspielung von 1992 spielt Daniel Barenboim in der Aufnahme, die 21/22 Jahre später entstanden ist, die Wiederholung im Kopfsatz sehr wohl.
    Ich meine aus der Rückschau, da ich die erste Aufnahme vor etwa 6 Wochen gehört habe, dass er hier auch etwas langsamer im Tempo wäre. Der Klang ist sehr warm, gleichzeitig präsent und durchaus in einem leicht angehobenen dynamischen Level, wenngleich er immer noch bei pp verortet werden kann.
    Positiv fällt mir außerdem auf, dass er in der Wiederholung einer Phrase, z. B. nach Takt 13/14 in Takt 15/16 dynamisch etwas nachlässt, fast in Form eines leichten Echos- sehr schön!
    Am Ende des dritten Teils, der dann schon eher im Piano als im pianissimo ist, spielt er ab Takt 34 ein kraftvolles Crescendo.
    Den vierten Teil ab Takt 36 spielt er dann in einem fast durchgehenden Forte. Da hätte ich mir an den Taktübergängen 40/41 und 42/43 deutlichere dynamische Akzentuierungen gewünscht, wie ich sie doch schon mehrfach zutreffend gehört habe.
    Im Seitenthema ab Takt 49 gelingt das wesentlich besser, auch im dritten Thema ab Takt 70, wo mir besonders gut die Oktavierungen gefallen, auch im zweiten Abschnitt mit den berückenden staccato gespielten auf und ab strebenden und mit den Begleitakkorden die Oktaven wechselnden Achteltriolen.
    In der Schlussgruppe ab Takt 99 lässt er das Tempo etwas nach und verleiht ihr dadurch mehr Gewicht. Die Art und Weise, wie exponiert er die Überleitung zur Expositionswiederholung ab Takt 117a spielt, zeigt, dass er ihr nun doch die ihr (aus der Sicht des Komponisten) gebührende Bedeutung zuweist. Sehr beeindruckend ist vor allem das abschließende Crescendo ab Takt 122a.
    In der Wiederholung der Exposition begeistert mich einmal mehr das atemberaubende Crescendo in Takt 34ff.
    Im Übergangstakt 117b zur Durchführung spielt er ein berückendes Ritardando. Den ersten Teil der Durchführung ab Takt 118b bis 130 spielt er zwar in einer traurigen Stimmung, aber doch in einer eindeutigen Vorwärtsbewegung.
    Diese findet auch im zweiten Abschnitt ab Takt 131 in den triolischen Achtelstaccatos weiter statt, ebenso nach dem neuerlichen Wechsel zum B-dur(ab Takt 146), wo die kritische Stimmung durch die dunkle Lage hier auch im Spiel Barenboims besonders sichtbar und v. a. hörbar wird.
    Auch die Verdichtung und Disharmonisierung der klopfenden Achtelakkorde ab Takt 160 gelingt Barenboim, wie ich finde, in beeindruckender Weise, auch die dramatische Steigerung ab Takt 162 und im zweiten Anlauf ab Takt 168.
    Doch auch das Wiederauftauchen des Themas wird zunächst noch durch die wiederum bedrohlichen Basstriller an seiner positiven Ausstrahlung gehindert, hier von Barenboim äußert wirkungsvoll umgesetzt, bis in den hohen Bögen ab Takt 204, die zur Reprise überleiten, Entspannung auftaucht, auch das sehr gelungen, wie ich finde.
    Die Reprise beginnt Barenboim auf einem etwas niedrigeren dynamischen Niveau, wie ich es auch schon verschiedentlich gehört habe und spielt auch den Basstriller in Takt 223 im ppp.
    Wiederum hebt er aber auch die Lautstärke ab dem 3. Teil des Themas, hier ab Takt 234, wieder etwas an. Ansonsten bewegt er sich im Großen und Ganzen in dem dynamischen Rahmen der Exposition, auch im cis-moll-Teil, hier ab Takt 267.
    In der Schlussgruppe mit den Überleitungstakten zur kurzen Coda bremst er wieder etwas ab, und spielt diese, so kurz sie auch ist, mit großer Aufmerksamkeit und mit einem langsam sinkenden dynamischen Level, fast nach Art eines (kurzen) Morendo.
    Eine in größten Teilen überzeugender Kopfsatz, nur hier und da (s. o.) mit etwas dynamischem Überschwang!


    Das Andante spielt Daniel Barenboim noch einmal etwas langsamer als in seiner ersten Aufnahme und verleiht ihm noch mehr lastende Schicksalsschwere. Auch hier spielt er die vier Takte nach der Durauflösung (Takt 14ff) sehr anrührend.
    Auch in der Wiederholung spielt er ein beeindruckendes Crescendo (ab Takt 269 mit anschließendem Decrescendo, das aber schon wieder in der Abwärtsspirale der lastenden Schwere ist. Wunderbar geht er jetzt auch ab Takt 38, in das atemberaubende Piano pianissimo hinein, hin zu dem himmlischen Seitenthema. In diesem Übergang kommt die sich nur noch mühselig bewegende Musik fast zum Erliegen, bevor dieses unbeschreibliche Seitenthema die Szene wieder in sanftes Licht taucht- grandios, wie er das spielt und den Impetus in der Oktavierung weiter erhöht.
    Trotz des erneuten Wechsels des Themas in die "sanfte Tiefe" bleibt aber unterschwellig durch die weiterhin permanent klopfenden Sechzehntel ein ungutes Gefühl, was durch den erneuten Wechsel nach Moll in Takt 70 auf der Eins endgültig realisiert und durch die dynamisch-dramatische Unruhe, die im Crescendo Takt 71ff folgt, noch verstärkt wird.
    Daran ändert auch nichts die mitten im Thema erfolgende neuerliche Transponierung ans Licht der hohen Oktave, im Gegenteil. das Geschehen wandelt sich erneut, und in wenigen Takten ist der ganze Schwung dahin, wird alles wieder, ja beinahe gelähmt- Generalpause- Barenboim spielt das hier meisterlich und fährt nach 2 Sekunden mit dem sinistren Hauptthema fort, das jetzt, im reprisenförmigen Teil, der düstere Schicksalstakt von beklemmend gespielten Staccato-Sechzehnteln geschlagen wird, den er unverzüglich in das nächste dramatische Crescendo (Takt 98ff) hineinführt.
    Auch hier spielt er wieder ganz wunderbar die tröstliche viertaktige Aufhellung, bevor das Moll wieder einsetzt.
    Aber einen kleinen Unterschied in den klopfenden Sechzehnteln bringt Barenboim hier besonders hervortretend zum Ausdruck. Sie klingen nicht mehr so trostlos, sondern mehr tröstlich. Immer habe ich dies nicht wahrgenommen, aber hier sehr deutlich. Das ist ganz einfach erklärlich, wenn man auch etwas genauer in die Noten schaut: Am Beginn (ab Takt 90) steht zwischen der zweiten und dritten Sechzehntel immer ein Kreuzchen und hier plötzlich ein Auflösungszeichen, teilweise auch noch zwischen der dritten Sechzehntel und der nachfolgenden Achtel, und langsam beruhigt sich alles wieder, und der kundige Hörer wartet schon sehnsüchtig auf die "wundersame" Coda. Allein wegen dieser Coda, die aus dem Piano pianissimo aufsteigt und letztlich dort wieder herniedersinkt, würde es sich für mich schon lohnen, in ein Konzert zu gehen, wenn der Pianist es denn so spielt wie Barenboim oder wenn er Barenboim heißt. Das ist ganz große Pianokunst und gehört zu den absoluten Höhepunkten dieses unglaublichen Satzes, den ich selten so beklemmend, aber auch so tröstend gehört habe.


    Im Scherzo ist Barenboim hier etwas langsamer als in seiner ersten Aufnahme. Auch in dieser Aufnahme ist sein Ton sehr diesseitig, klar und auch wohl etwas über dem notierten Pianissimo liegend. Allerdings zeichnet er die dynamischen Verläufe doch aufmerksam nach. Rhythmisch ist das alles durchaus der Partitur entsprechend.
    Im Trio spielt er den eigenartigen, stockenden Rhythmus sehr akzentuiert und auch die Forzandopiano-Akkorde sehr aufmerksam.
    Dann spielt er das Scherzo da capo und schließt die extrem kurze Coda in hauchzartem Pianissimo an.


    Das finale Allegro ma non troppo spielt Daniel Barenboim doch deutlich langsamer als 1992. Die fp-Akkorde spielt er deutlicher abschwellend. Rhythmisch spielt er die Wechsel zwischen Staccato und Legato auch sehr sorgfältig.
    Den lyrischen Seitensatz (ab Takt 85) spielt er sehr anrührend, wie ich finde, und auch dynamisch sehr aufmerksam.
    Die dynamischen Kontraste zum Seitenthema, vor allem im ersten Abschnitt des 3. Teils des Rondos, hier im durchführenden Charakter, spielt er sehr deutlich. Auch innerhalb dieses Teils gelingt ihm die Kontrastierung sehr gut, wie ich finde, im zweiten Abschnitt ab Takt 185, der nach dem Staccato wieder überwiegend legato ist, und die Achteltriolen in der Begleitung lässt er schön deutlich fließen und die Oktavierungen nach oben ab Takt 191, 199, 210 mit Auftakt und 218 mit Auftakt, organisch mit einfließen.
    Im 5. Teil, der ersten Wiederholung des Themas, trägt er der gestiegenen Dynamik Rechnung und lässt das Thema in den verschiedenen musikalischen Formen, zuletzt in den Oktavgängen im Tiefbass mit den darüber liegenden Sechzehnteltonleitern, die er in sattem Forte spielt, bis er sie ab Takt 298 in einem langgezogenen Decrescendo auslaufen lässt.
    Dem lässt er den reprisenförmigen 6. Teil folgen, wiederum mit geringfügigen Modifikationen gegenüber dem Originalthema, so dem Bogen in Takt 315, der so im expositionsartigen Teil in Takt 4 nicht vorkommt.
    Das lyrische Seitenthema lässt er genauso anrührend folgen wie schon im ersten Auftreten, auch in der Generalpause auslaufend( Hier in Takt 428/429).
    Nach einem zweiten hochdynamischen Auftreten des durchführungsartigen Teils, hier ab Takt 430, taucht ein letztes Mal kurz da Thema auf, ab Takt 490, das auch Barenboim hier so spielt, immer langsamer und immer leisen, dass die mitreißende kurze Presto-Coda drein fährt wie ein Blitz.


    Wirklich eine ganz großartige Interpretation, die mir ausnehmend gefällt, da sie die dynamischen Irritationen im Kopfsatz nur in weitaus milderer Form hat.
    Wie du siehst, lieber Holger, bin ich hier in diesem Punkt anderer Meinung als du.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wirklich eine ganz großartige Interpretation, die mir ausnehmend gefällt, da sie die dynamischen Irritationen im Kopfsatz nur in weitaus milderer Form hat.
    Wie du siehst, lieber Holger, bin ich hier in diesem Punkt anderer Meinung als du.

    Lieber Willi,


    ich habe ja nur die Hörschnipsel gehört, so dass ich nicht mehr habe von Barenboim als einen aufs Ganze gesehen unzuverlässigen Eindruck! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    ich habe dir die Dateien mal herübergemailt, die ersten V :) ier sind D.958, die zweiten Vier D.960.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Lieber Holger,


    es gibt ein kleines Büchlein mit Stilblüten aus amtlichen und privaten Schreiben mit dem Titel: "Es fängt alles damit an, das am Ende der Punkt fehlt". Schwierig, schwierig, aus welcher Berufesgruppe der Satz wohl stammen mag. :D
    Bei mir fing in dieser Datensendung alles damit an, dass in der Mitte zwischen Vor- und Nachnahmen der Punkt fehlte. :untertauch:

    Nun müsste es geklappt haben.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • es gibt ein kleines Büchlein mit Stilblüten aus amtlichen und privaten Schreiben mit dem Titel: "Es fängt alles damit an, das am Ende der Punkt fehlt". Schwierig, schwierig, aus welcher Berufesgruppe der Satz wohl stammen mag. :D
    Bei mir fing in dieser Datensendung alles damit an, dass in der Mitte zwischen Vor- und Nachnahmen der Punkt fehlte. :untertauch:

    :D :D :D Lieber Willi, Mail ist angekommen! In das Buch habe ich glaube ich auch schon mal reingeschaut, es ist aber sehr lange her. Das bestelle ich mir einfach noch einmal. Ist ja auch zu Unterrichtszwecken sehr gut verwendbar! :D :hello:


    Liebe Grüße
    Holger

  • Barenboims späte Einspielung der B-Dur-Sonate für die DG (2013-14) habe ich eher indifferent und etwas pauschalisierend in Erinnerung. Aber vielleicht habe ich diese Sonate in letzter Zeit zu oft gehört.


    Ein Entdeckung in dieser Sonaten-Box ist jedoch unbedingt die Aufnahme der großen A-Dur Sonate D.959, so spannungesgeladen wie hier habe ich die Durchführung im ersten Satz überhaupt noch nie gehört, den 'Durchbruch' gestaltet Barenboim musikalisch viel spannender als zuletzt Zimerman. Barenboim ist als Pianist gestalterisch niemals zu unterschätzen, das war ja auch in einem anderen thread ein Thema.


    Viele Grüße
    Christian

  • Nun müsste es geklappt haben.

    Ja hat es, lieber Willi und mit meinem schnöden PC-Kopfhörer für 20 Euro kann ich hören. Nur wenn ich brennen will um mit der Anlage zu hören, erwartet mein Programm zum Verheizen MP3 oder Flac! :D :hello:


    Liebe Grüße
    Holger

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  • Wirklich eine ganz großartige Interpretation, die mir ausnehmend gefällt, da sie die dynamischen Irritationen im Kopfsatz nur in weitaus milderer Form hat.
    Wie du siehst, lieber Holger, bin ich hier in diesem Punkt anderer Meinung als du.

    Lieber Willi,


    ich habe die Barenboim-Aufnahme endlich heute gehört und finde, dass sie eine von Barenboims wirklich sehr guten Aufnahmen ist! Ich müsste mich jetzt sehr bemühen, da etwas zum Herummäkeln krampfhaft herauszusuchen. (Ich habe jetzt allerdings keine ausgiebige Detailanalyse mit Interpretationsvergleich gemacht, sondern gebe nur den Gesamteindruck wieder.) :D D 958 ist auch sehr gut, nur die Stelle mit den Oktaven ist ein bisschen äußerlich geraten und manchmal ist sein Ton vielleicht ein bisschen zu rustikal. Aber bei D 960 finde ich solche Einwände nicht, die Trauer des langsamen Satzes z.B. gestaltet er sehr eindringlich und überhaupt wirkt alles schlüssig und sorgfältig durchdacht. Danke nochmals für die Post über den "kleinen Dienstweg"! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Nein, er wiederholt nicht die so wichtige Exposition des Kopfsatzes, und trotzdem: Für mich ist diese Aufnahme nach wie vor diejenige, die mich fast zu Tränen rührt:

    Artur Rubinstein, Klavier (Aufnahme: 22.04.1965, RCA Italiana Studios, Rom).
    Rubinstein fand spät zu Schubert, zumindest im Aufnahmestudio, aber die letzte Sonate hat er insgesamt sogar dreimal aufgezeichnet, 1963 (unveröffentlicht), 1965 und 1969. Die mittlere von 1965 gilt als seine beste, zumindest wenn man Rubinsteins langjährigem Aufnahmeleiter glauben darf. Die 1969er Version kenne ich nicht.
    Die auf der CD gleichfalls enthaltene "Wanderer-Fantasie" wurde zwei Tage später produziert. Auch sie zählt zu meinen Lieblingsaufnahmen dieses Pianisten.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Artur Rubinstein, Klavier (Aufnahme: 22.04.1965, RCA Italiana Studios, Rom).
    Rubinstein fand spät zu Schubert, zumindest im Aufnahmestudio, aber die letzte Sonate hat er insgesamt sogar dreimal aufgezeichnet, 1963 (unveröffentlicht), 1965 und 1969. Die mittlere von 1965 gilt als seine beste, zumindest wenn man Rubinsteins langjährigem Aufnahmeleiter glauben darf. Die 1969er Version kenne ich nicht.
    Die auf der CD gleichfalls enthaltene "Wanderer-Fantasie" wurde zwei Tage später produziert. Auch sie zählt zu meinen Lieblingsaufnahmen dieses Pianisten.

    Lieber Nemorino,


    die CD habe ich auch - und ich finde Rubinstein ebenfalls ganz wunderbar! Ebenfalls habe ich die 1969iger Aufnahme:



    Die Geschichte dazu ist interessant, wie im Klappentext nachzulesen. Rubinstein sagt, Schubert als Charakter wäre ihm viel näher als Chopin, mit dem er sich wohl öfters gestritten hätte. Er liebe seine Musik, auch die Sonaten, nur wolle er sie nicht öffentlich aufführen, denn er wolle nicht das Urteil vom Publikum hören "schön, aber zu lang". Also spiele er die Schubert-Sonaten auch nur privat, also nicht öffentlich. Die B-Dur-Sonate setzte er überhaupt erst 1963/64 auf sein Konzertprogramm. Er wollte die Sonate unbedingt aufnehmen und setzte das dann auch 1965 gegen den Widerstand der Produzenten durch. 1969 wollte er sie nochmals aufnehmen, wegen der Erfahrung im Konzert, die er mit der Sonate gesammelt hätte. Die Aufnahme stand aber irgendwie unter keinem guten Stern - der Prozent berichtet von einem spannungsreichen Telefongespräch mit seinem Sohn. Ich finde die 1965iger Aufnahme auch besser - alerdings lohnt sich die CD mit der 1969iger Aufnahme schon wegen meiner zweiten Lieblingsaufnahme von Beethoven op. 2 Nr. 3. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    danke für Deine Replik.


    Ja, Rubinstein und Schubert, das war so eine Art von "unglücklicher Liebe". Einesteils schätzte Rubinstein den Komponisten, hielt aber, wie viele seiner Kollegen damals, seine Musik für "zu lang". Da fällt mir spontan Strawinsky ein, der auf die Frage, ob die Länge von Schuberts Musik ihn nicht einschläfere, geantwortet hat: "Was tut's, wenn ich mich beim Erwachen im Paradies fühle?"


    Im Beiheft meiner CD heißt es u.a.: Als ich 1986 an den Rubinstein-Aufnahmen arbeitete, hörte ich mir die Schubert-Interpretation von 1969 noch einmal an. Nach wenigen Minuten empfand ich, daß es sich gar nicht nach dem vertrauten Rubinstein anhörte. Lag es an mir und meiner mangelnden Empfänglichkeit an diesem Morgen? Ich versuchte es dann mit dem dreispurigen Meisterband von 1965, und hier hörte ich die Interpretation, die ich so viele Jahre in meiner Erinnerung bewahrt hatte. Die Phrasierung war von einer wundervollen Natürlichkeit, der Klang unverkennbar, und der große Pianist schien das Werk für einen kleinen Kreis enger Freunde in seinem eigenen Wohnzimmer zu spielen."
    Leider wird der Autor dieser Zeilen im Booklet nicht genannt; ich vermute, daß es wohl der Produzent John Pfeiffer war.
    Übrigens hatte Rubinstein für die 1965er Aufnahme extra seinen eigenen Hamburger Steinway-Flügel nach Rom befördern lassen, weil er der Ansicht war, daß nur dieses Instrument für Schuberts Musik optimal geeignet sei.


    Bei der Gelegenheit möchte ich auf eine NDR-Filmproduktion aufmerksam machen, die bei YOUTUBE unter "Rubinstein in Hamburg" abzurufen ist. Leider gelingt es mir nicht, die Dokumentation hierher zu übertragen :( . Eine hochinteressante knappe halbe Stunde, in der sich der Pianist schließlich sogar überreden läßt, sich ans Klavier zu setzen und ein paar Takte zu spielen. Und was spielt er? Schuberts B-Dur-Sonate! Leider nur den Anfang ...... Aber das Filmdokument ist so interessant, daß ich es jedem nur wärmstens empfehlen kann. Bekanntlich hatte Rubinstein den Schwur getan, nie mehr in Deutschland öffentlich aufzutreten. Den hat er gehalten, aber hier im Hamburg war er ganz locker und entspannt - und es war ja auch nur ein kleiner Kreis von Tontechnikern etc. anwesend. Rubinstein sprach da übrigens ein fast akzentfreies Deutsch.


    LG :hello: Nemorino


    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Bei der Gelegenheit möchte ich auf eine NDR-Filmproduktion aufmerksam machen, die bei YOUTUBE unter "Rubinstein in Hamburg" abzurufen ist. Leider gelingt es mir nicht, die Dokumentation hierher zu übertragen :( . Eine hochinteressante knappe halbe Stunde, in der sich der Pianist schließlich sogar überreden läßt, sich ans Klavier zu setzen und ein paar Takte zu spielen. Und was spielt er? Schuberts B-Dur-Sonate! Leider nur den Anfang ...... Aber das Filmdokument ist so interessant, daß ich es jedem nur wärmstens empfehlen kann.

    Das habe ich gesehen, lieber Nemorino! Den sollte man wirklich gesehen haben! Ich versuche es mal mit Youtube:



    Bekanntlich hatte Rubinstein den Schwur getan, nie mehr in Deutschland öffentlich aufzutreten. Den hat er gehalten, aber hier im Hamburg war er ganz locker und entspannt - und es war ja auch nur ein kleiner Kreis von Tontechnikern etc. anwesend. Rubinstein sprach da übrigens ein fast akzentfreies Deutsch.

    Der Schwur stammt von der Zeit des 1. Weltkriegs (!) und nicht etwa des 2., wie man meinen möchte! Für seine deutschen "Fans" hat er aber in Belgien gespielt.


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Lieber Holger,


    vielen Dank für die Übertragung von Youtube, bei mir hat's leider nicht funktioniert. Ja, das ist ein höchst interessanter Filmbeitrag, den man jedem Rubinstein-Fan nur empfehlen kann.
    Ich glaube, Rubinstein hat auch in Nijmwegen/Holland für deutsche Verehrer ein oder zwei Konzerte gegeben. Der Saal war ausverkauft.
    Der Schwur stammt aus dem 1. Weltkrieg, nachdem Rubinstein der Falschmeldung von der angeblichen "Schlachtung" belgischer Kinder durch deutsche Truppen aufgesessen war. Nach den Ereignissen im 2. Weltkrieg, bei denen auch Mitglieder von Rubinsteins polnischer Familie ums Leben kam, hat er den Schwur bekräftigt und erneuert. Menschlich verständlich, aber fragwürdig seinen zahlreichen deutschen Fans gegenüber.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Da liegst du richtig, lieber Nemorino, Rubinstein hat in Nijmegen für seine deutschen Verehrer gespielt, weil er sich nach dem Krieg geschworen hatte, nie mehr in Deutschland zu spielen.
    Ich habe übrigens beide Aufnahmen, die von Holger gepostete und diese:

    und werde sie in einigen Monaten hier besprechen, wenn ich beim Buchstaben "R" angelangt bin und Richter hinter mir habe.
    Für meine Reise, die ich morgen beginne, habe ich mir Berman, Betz und Brendel I eingepackt.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich glaube, Rubinstein hat auch in Nijmwegen/Holland für deutsche Verehrer ein oder zwei Konzerte gegeben. Der Saal war ausverkauft.

    Ich glaube, lieber Nemorino, mein Lehrer hat eines der beiden Konzerte gehört. Ich werde ihn nochmals fragen! :)

    Der Schwur stammt aus dem 1. Weltkrieg, nachdem Rubinstein der Falschmeldung von der angeblichen "Schlachtung" belgischer Kinder durch deutsche Truppen aufgesessen war. Nach den Ereignissen im 2. Weltkrieg, bei denen auch Mitglieder von Rubinsteins polnischer Familie ums Leben kam, hat er den Schwur bekräftigt und erneuert. Menschlich verständlich, aber fragwürdig seinen zahlreichen deutschen Fans gegenüber.

    Die Rubinstein-Autobiographien sind wirklich lesenswert! Er hatte ein unglaubliches Gedächtnis. Besonders der erste Teil bis zum 1. Weltkrieg. Man bekommt das komplette Bild einer untergegangenen Epoche. Das ist hochspannend - spannender als so mancher Roman! Ein einmaliges historisches Zeugnis, finde ich! :hello:



    Schöne Grüße
    Holger

  • Die Rubinstein-Autobiographien sind wirklich lesenswert!


    Guten Morgen, lieber Holger!


    Ja, es ist schön, daß Du darauf aufmerksam machst. Sicher gibt es unter den Taminos einige Interessenten, die sie noch nicht gelesen haben. Ich habe sie seit Jahren im Schrank und zumindest das erste (die frühen Jahre) mindestens zweimal gelesen. Höchst spannende Einblicke nicht nur in das Leben des großen Pianisten, sondern auch in eine versunkene Zeit, in der längst nicht alles, aber manches doch besser war als heute.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Willi,


    ich habe die Barenboim-Aufnahme endlich heute gehört und finde, dass sie eine von Barenboims wirklich sehr guten Aufnahmen ist! Ich müsste mich jetzt sehr bemühen, da etwas zum Herummäkeln krampfhaft herauszusuchen. (Ich habe jetzt allerdings keine ausgiebige Detailanalyse mit Interpretationsvergleich gemacht, sondern gebe nur den Gesamteindruck wieder.) :D D 958 ist auch sehr gut, nur die Stelle mit den Oktaven ist ein bisschen äußerlich geraten und manchmal ist sein Ton vielleicht ein bisschen zu rustikal. Aber bei D 960 finde ich solche Einwände nicht, die Trauer des langsamen Satzes z.B. gestaltet er sehr eindringlich und überhaupt wirkt alles schlüssig und sorgfältig durchdacht. Danke nochmals für die Post über den "kleinen Dienstweg"! :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

    Ich schätze Barenboim ja wirklich sehr, aber in dieser Aufnahme ist er mir zu pauschal und zu wenig eindringlich.


    Dass es auch anders geht, zeigt der junge Pianist Volodymyr Lavrynenko. Auf diese Aufnahme bin ich durch eine Besprechung auf der Seite klassik-heute.de aufmerksam geworden. Ich möchte daraus einige Zeilen zitieren, die ich sehr zutreffend finde: "Lavrynenkos Ton ist wuchtig-hart, bisweilen klirrend gespannt (was vielleicht auch dem verwendeten Steinway geschuldet ist), der berühmte Basstriller brodelt unheimlich, alles klingt zwielichtig-abgründig, die Passagen der Rechten, die sich nach oben schwingen, sind manchmal fast verzweifelt leuchtend schön, die Achtelketten pochen unerbittlich, die harmonischen Abwege künden Unheil, alles ist schmerzdurchwirkt, nichts ist harmlos." (aus: http://www.klassik-heute.com/4…w_medien_einzeln?id=22518)


    Damit ist diese Aufnahme gut beschrieben, nur dass ich den Flügel bei weitem nicht so hart finde wie der Rezensent. Aber bei Lavrynenko klingt die vielgespielte Sonate wie neu und mit seltener Intensität, ohne dass er durch Manierismen auffallen müsste. Bemerkenswerterweise ist es auch eine der ganz wenigen Aufnehmen, der es gelingt, die Stimmung der ersten beiden langsamen Sätzen in den dritten und vierten Satz hineinzutragen, so dass die Sonate eben nicht - wie sonst so oft - auseinanderfällt. Berman hat dies auch verstanden.


    ich bin wirklich sehr angetan! Das ist eine Entdeckung.



    Viele Grüße
    Christian

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  • Lieber Christian,


    das ist ja wirklich eine Entdeckung. Ich habe mir gerade den ersten Satz komplett angehört, das ist ja wirklich Schubert so, wie ich ihn hören möchte. Lavrynenko spielt m. E. unglaublich klar, über Strecken kristallin und schön bis manchmal über die Schmerzgrenze hinaus, und er ist auch und gerade wieder der Beweis dafür, dass man die musikalischen Tiefen dieses kolossalen finalen Schubertschen Kopfsatzes nur dann möglichst vollständig erschließen kann, wenn man ihm die gebührende Zeit dazu gibt. Lavrynenko gibt ihm 23 Minuten, und davon ist m. E. keine Sekunde langweilig. Er scheint darüber hinaus auch ein Meister der dynamischen Schattierungen zu sein, setzt sehr sorgfältig die dynamischen Vorschriften Schuberts um und hat m. E. mit der Umsetzung dieses musikalischen "Achttausenders" technisch nicht die geringsten Schwierigkeiten. Wenn er hält, was er hier musikalisch verspricht, können wir uns auf einen weiteren großen Schubertspieler freuen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    für mich ist das Tempo nicht immer entscheidend, es gibt sehr viele Pianisten, die den ersten Satz der B-Dur Sonate sehr langsam spielen (und darin Richter folgen), aber darüber hinaus kaum etwas zu sagen haben. Das ist hier anders, und bemerkenswert sind bei Lavrynenko eben auch die schnelleren Sätze, man spürt, dass der Pianist ein Konzept hat und es auch umzusetzen weiß.


    Freut mich, dass es Dir auch gefällt! Ist ja wahrscheinlich nicht leicht, bei Deinem Sonaten-Marathon immer wieder mit frischem Ohr zu hören und ich bewundere sehr, wie Du dich immer wieder von dieser wunderbaren Musik verzaubern lässt und mit großer Geduld und Ausdauer dabei bleibst.


    Viele Grüße
    Christian

  • Lieber Willi,
    Du widmest Dich mit großer Akribie und Begeisterung ja auch dieser von mir hoch geschätzten Sonate - einem meiner Lieblings-Klavierwerke. Bei Deinen Rezensionen kommen viele der gehörten Aufnahmen sehr gut weg - sicher zu Recht.


    Was mich interessieren würde: Wenn Du auf die vielzitierte einsame Insel nur eine einzige Aufnahme mitnehmen dürftest - welche wäre das? Begründung brauche ich keine - die kann ich ja in Deiner Rezension nachlesen.

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Diese Frage, lieber Uranus, werde ich (vielleicht) erst dann beantworten, wenn ich mit allen Aufnahmen durch bin, und mit dem neu von Christian vorgestellten Volodymyr Lavrynenko habe ich dann 82 verschiedene Aufnahmen dieser Sonate, von denen ich bisher 14 rezensiert habe. Es wird also durchaus noch weit in dieses Jahr hineingehen, bis ich damit durch bin, zumal ich ja auch über die andere große B-dur-Sonate (Beethoven) weiterschreiben werde. Aber mir schweben schon einge Namen vor, die icn die engere Wahl kommen werden.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich schätze Barenboim ja wirklich sehr, aber in dieser Aufnahme ist er mir zu pauschal und zu wenig eindringlich.

    Du widmest Dich mit großer Akribie und Begeisterung ja auch dieser von mir hoch geschätzten Sonate - einem meiner Lieblings-Klavierwerke. Bei Deinen Rezensionen kommen viele der gehörten Aufnahmen sehr gut weg - sicher zu Recht.


    Was mich interessieren würde: Wenn Du auf die vielzitierte einsame Insel nur eine einzige Aufnahme mitnehmen dürftest - welche wäre das?

    Wir hatten mal mit Willi verabredet, dass wir - wie auch bei den Beethoven-Sonaten-Threads - am Ende so eine Art Zusammenfassung machen und die Interpretationsansätze diskutieren. Von mir aus kann ich nur sagen: Versprechen gegeben - aber nicht gehalten! :D Christians Frage Bemerkung würde ich "vorläufig" so beantworten, dass es eine Gruppe von Interpretationen gibt, die das Werk als die letzte Sonate betont "tiefschürfend" interpretieren (allen voran Richter) und dann die andere Gruppe, die sich an der Gesanglichkeit orieniertt, der Natürlichkeit und auch großen, wirklich berührenden Schönheit der Melodik. Barenboim gehört zur letzten Gruppe und wie ich es in Erinnerung habe auch Rubinstein oder Kempff oder Radu Lupu. Wie man das - allgemein und für sich - bewertet, wäre nun eine eigene Aufgabe. Ich schätze eigentlich beide Zugänge.


    Diese Sonate wird so oft gespielt, dass ich es auch sinnvoll finde, zu benennen: Welche Aufnahmen sind für mich unverzichtbar und warum? :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Zitat

    Dr. Holger Kaletha: Christians Frage Bemerkung würde ich "vorläufig" so beantworten, dass es eine Gruppe von Interpretationen gibt, die das Werk als die letzte Sonate betont "tiefschürfend" interpretieren (allen voran Richter) und dann die andere Gruppe, die sich an der Gesanglichkeit orieniert, der Natürlichkeit und auch großen, wirklich berührenden Schönheit der Melodik. Barenboim gehört zur letzten Gruppe und wie ich es in Erinnerung habe auch Rubinstein oder Kempff oder Radu Lupu. Wie man das - allgemein und für sich - bewertet, wäre nun eine eigene Aufgabe. Ich schätze eigentlich beide Zugänge.


    Das ist auch meine Linie, lieber Holger. Ich finde, dass diese Sonate das auch hergibt. Wenn der eine, um mal ein Beispiel zu nehmen, das Stück spielt mit der Intention Richters und der andere mit der Intention Kempffs, so kommt es doch in erster Linie darauf an, das Stück so gut wie möglich zu spielen, dem Intentionsvorbild so nahe wie möglich zu kommen. Auf beide Weisen kann man, wie ich finde, dem Kern der Musik nahe kommen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Eigentlich erstaunt es mich ein wenig, daß bisher hier noch nicht die Rede war von der großen Clara Haskil, die diese Sonate zu einer Zeit, als Schuberts Klaviermusik von den Starpianisten wenig beachtet wurde, für PHILIPS eingespielt hat. Das war im Jahr 1951, und mit dieser LP habe ich das Werk kennengelernt, von dem Ende der 1950er Jahre nur wenige Versionen im Angebot waren. Hier ist es auf CD zu haben (allerdings zu einem Preis, der für Bill Gates erschwinglich sein mag):
    41qFTL-hhSL.jpg


    Ich habe oben geschrieben, daß ich erstaunt bin, weil die Aufnahme noch gar nicht im Gespräch war. Andererseits bin ich ehrlich genug, zu sagen, daß ich als großer Verehrer dieser außergewöhnlichen Künstlerin mit ihrer Version nie glücklich geworden bin. Ich weiß nicht, wie ich es als Laie sagen soll: mir klingt das alles zu "trocken", da fehlt die Magie, das Visionäre dieser wunderbaren Musik. Liegt es an "der Heiligen am Klavier", oder ist doch hauptsächlich die nicht sonderlich gute Aufnahmetechnik schuld? Ich weiß es nicht. Vielleicht kennt jemand die Aufnahme und kann dazu etwas sagen. Für mich ist es wissentlich die einzige Aufnahme von Clara Haskil, die mich enttäuscht zurückgelassen hat.


    Hingegen hat mich eine andere Aufnahme auf Anhieb erfreut, die m.W. hier ebenfalls noch nicht genannt wurde:

    Clifford Curzon, Klavier (Aufnahme: 9/1970).
    Die Abbildung oben zeigt eine japanische Import-CD; ich habe eine andere CD-Ausgabe, zusammen mit dem As-Dur-Impromptu aus D. 935 und den Moments musicaux.


    Trotzdem: Meine Lieblingsaufnahme ist die von Rubinstein (1965), von der weiter oben schon die Rede war; dahinter rangieren (für mich) Svjatoslav Richter (Eurodisc) und Wilhelm Kempff (DGG).


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Eigentlich erstaunt es mich ein wenig, daß bisher hier noch nicht die Rede war von der großen Clara Haskil, die diese Sonate zu einer Zeit, als Schuberts Klaviermusik von den Starpianisten wenig beachtet wurde, für PHILIPS eingespielt hat. Das war im Jahr 1951, und mit dieser LP habe ich das Werk kennengelernt, von dem Ende der 1950er Jahre nur wenige Versionen im Angebot waren. Hier ist es auf CD zu haben (allerdings zu einem Preis, der für Bill Gates erschwinglich sein mag):

    Lieber Nemorino,


    Willi geht alphabetisch vor und er ist erst bei Buchstabe "B"... :D Die CD habe ich! :thumbsup:


    Ich habe oben geschrieben, daß ich erstaunt bin, weil die Aufnahme noch gar nicht im Gespräch war. Andererseits bin ich ehrlich genug, zu sagen, daß ich als großer Verehrer dieser außergewöhnlichen Künstlerin mit ihrer Version nie glücklich geworden bin. Ich weiß nicht, wie ich es als Laie sagen soll: mir klingt das alles zu "trocken", da fehlt die Magie, das Visionäre dieser wunderbaren Musik. Liegt es an "der Heiligen am Klavier", oder ist doch hauptsächlich die nicht sonderlich gute Aufnahmetechnik schuld? Ich weiß es nicht. Vielleicht kennt jemand die Aufnahme und kann dazu etwas sagen. Für mich ist es wissentlich die einzige Aufnahme von Clara Haskil, die mich enttäuscht zurückgelassen hat.

    Da geht es mir ganz ähnlich, ich bin nie warm geworden mit dieser Aufnahme. Aber es gibt noch eine andere große Dame des Klaviers, deren Aufnahme ich erwähnenswert finde:



    In dieser unbedingt empfehlenswerten Box ist sie - noch günstiger - enthalten:


    Hingegen hat mich eine andere Aufnahme auf Anhieb erfreut, die m.W. hier ebenfalls noch nicht genannt wurde:


    Clifford Curzon, Klavier (Aufnahme: 9/1970).
    Die Abbildung oben zeigt eine japanische Import-CD; ich habe eine andere CD-Ausgabe, zusammen mit dem As-Dur-Impromptu aus D. 935 und den Moments musicaux.

    Die Curzon-Aufnahme kenne ich leider nicht!

    Ich finde, dass diese Sonate das auch hergibt. Wenn der eine, um mal ein Beispiel zu nehmen, das Stück spielt mit der Intention Richters und der andere mit der Intention Kempffs, so kommt es doch in erster Linie darauf an, das Stück so gut wie möglich zu spielen, dem Intentionsvorbild so nahe wie möglich zu kommen. Auf beide Weisen kann man, wie ich finde, dem Kern der Musik nahe kommen.

    Lieber Willi, dass hast Du treffend gesagt. Das ist das Entscheidende: Dem "ideal" des jeweiligen Ansatzes so nah wie möglich zu kommen. Heute habe ich bestellt:



    Liebe Grüße
    Holger

  • Lieber Nemorino,


    die von dir gepostete Aufnahme von Sir Clifford Curzon habe ich leider nicht, habe aber noch diesen Pfeil im Köcher:



    Er wird dann demnächst an die Reihe kommen. Die Decca-Aufnahme ist nur noch in einem sehr teuren Gebraucht-Exemplar zu haben, aber die Salzburger Aufnahme ist auch nicht zu verachten.
    Alicia de Larrocha und Clara Haskil habe ich selbstverständlich auch.


    @ Holger:


    Lieber Holger,


    ich wusste bisher gar nicht, dass Menahem Pressler die B-dur-Sonate auch aufgenommen hat. Ich habe sie ebenfalls auf die Bestelliste gesetzt. Vielen Dank für den Tipp.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    den von Dir genannten Curzon-Mitschnitt aus Salzburg kenne ich wiederum nicht, deshalb kann ich nicht vergleichen. Aber ich habe ein bisschen beim Urwaldfluß gestöbert und nach einigen Versuchen die CD-Ausgabe gefunden, die sich in meinem Besitz befindet:

    Die ist gebraucht zum recht zivilen Preis von € 9,98 + Portokosten zu haben. Curzon wiederholt die Exposition des Kopfsatzes leider nicht, aber es ist eine sehr ansprechende Interpretation, souverän gespielt und technisch einwandfrei aufgenommen. Auch die "Moments musicaux" sowie das As-Dur-Impromptu können sich hören lassen.


    Curzon ging ja bekanntlich nicht gerne ins Aufnahmestudio, er spielte lieber live vor Publikum (darin Furtwängler nicht unähnlich). Er ist aber auch deswegen, zumindest bei uns, nicht so bekannt geworden, wie er es eigentlich verdient hätte. Ein bedeutender britischer Pianist, ähnlich wie Solomon (Cutner), dessen Ruhm ebenfalls verblasst ist (seine Karriere endete allerdings krankheitsbedingt vorzeitig).


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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