Der Kunstbetrieb geht zum Theater: Bildende Künstler als Ausstatter

  • In der letzten Zeit ist eine Tendenz zu beobachten, renommierte bildende Künstler für die Ausstattung von Opernproduktionen zu verpflichten: Neo Rauch gestaltete zusammen mit Rosa Loy das Bühnenbild des aktuellen Bayreuther „Lohengrin“, Georg Baselitz das des neuen „Parsifal“ an der Bayerischen Staatsoper, und Ólafur Elíasson ist für Bühnenbild und Kostüme der Neuproduktion von „Hippolyte und Aricie“ verantwortlich, Premiere ist am 25.11. an der Staatsoper Unter den Linden. Über die Ergebnisse kann man geteilter Meinung sein. Baselitz‘ „Parsifal“-Bühnenbild hat es in der Umfrage der Opernwelt zum Ärgernis des Jahres gebracht, da es nach Meinung vieler Kritiker das Stück verfehlt und den Sängerinnen und Sängern kaum Raum zur Entfaltung gelassen habe, eine Kritik, die ich teile. Ob es nur am Bühnenbild lag oder auch an der unzulänglichen Regie von Pierre Audi, jedenfalls war die musikalisch wirklich herausragende Aufführung als Musiktheater eine Enttäuschung. Den Bayreuther „Lohengrin“ habe ich noch nicht gesehen, hier im Forum stieß das Bühnenbild ja auf einige Gegenliebe. Für „Hippolyte und Aricie“ habe ich schon Karten. Ich bin sehr gespannt auf das Bühnenbild, denn Ólafur Elíasson gehört für mich zu den interessantesten Künstlern der Gegenwart. Andererseits bin ich aber auch skeptisch, denn ich sehe auch hier die Gefahr, dass die Ausstattung allzu sehr in den Vordergrund tritt und dem Stück womöglich nicht wirklich gerecht wird. Aber warten wir es ab. Wie es die Kunstzeitschrift „Monopol“ in einem Artikel zum Thema resümierte: „Der Kunstbetrieb geht zum Theater. Klingt spannend, geht öfter schief.“


    Wie sind Eure Erfahrungen damit? Hat jemand die hier genannten Produktionen gesehen oder kennt andere Beispiele? Und ist das wirklich eine neue Tendenz, oder gibt es in der Geschichte der Opernaufführungen auch schon frühere Beispiele dafür?

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Hallo Bertarido,


    1967 entwarf Marc Chagall zur Eröffnung der neuen Met Bühnenbilder und Kostüme für Mozarts "Zauberflöte".

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Hallo Bertarido,


    1967 entwarf Marc Chagall zur Eröffnung der neuen Met Bühnenbilder und Kostüme für Mozarts "Zauberflöte".


    Danke, liebe Mme. Cortese, das wusste ich nicht. Ich habe gerade einen Artikel in der Vogue darüber gefunden, wo auch einige Bilder zu sehen sind: https://www.vogue.com/article/…ll-mozart-the-magic-flute


    Offenbar war auch Chagalls Bühnenbild damals nicht unumstritten.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Am Meininger Theater inszenierte Christine Mielitz von 2001 bis 2003 den kompletten Ring. Als Bühnenbildner wurde der Österreicher Alfred Hrdlicka gewonnen, dessen Gestaltung nicht nur Freunde fand.


    Ich weiß nicht, ob ich entsprechende Artkel einstellen darf, aber wer sucht, der kann beim Googeln unter "Meiningen Ring des Nibelungen" mehrere Rezensionen finden. Ich habs nicht gesehen, solche Bühnenbilder tue ich mir nicht an.
    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • In der letzten Zeit ist eine Tendenz zu beobachten, renommierte bildende Künstler für die Ausstattung von Opernproduktionen zu verpflichten:


    Eine schlechte Idee - oder eine gute - Wie man es nimmt.


    Eine schlechte, weil die "renommierten, bildendne Künstler" - fast bin ich geneigt zu sagen "natürlich" "Gegenwartskunst" in die Oper zu bringen und auch sich selbsr ins rechte Licht zu rücken. Selbstverwirklichung an stelle von Funktioneller Ausstattung.
    Schlecht auch, weil hier ja statt eines opernaerfahrenen Kunsthandwerkers ein zumeist überzahlter "Künstler" zum einsatz kommt, was die Kosten in die Hhe treibt und selbst bei freundlichster Berechnung nicht durch höhere Einnahmen durch steigende Besucherzahlen hereingebracht werden kann.
    Ein Verlustgeschäft in jeder Hinsicht.


    Eine gute Idee, wenn man Freunde in die nächste Produktion einbinden kann und ihnen so zu Einnahmen verhilft.
    Müssten zeigenössische Künstler von privaten Kunstkennern leben - das wäre vermutlich ein Heulen und Zähneknirschen.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Müssten zeigenössische Künstler von privaten Kunstkennern leben - das wäre vermutlich ein Heulen und Zähneknirschen.


    Die drei in meinem Beitrag genannten Künstler sind nun bestimmt nicht darauf angewiesen, Opernproduktionen auszustatten. Neo Rauchs Bilder beispielsweise werden für Millionenbeträge von Privatsammlern gekauft.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Und ist das wirklich eine neue Tendenz, oder gibt es in der Geschichte der Opernaufführungen auch schon frühere Beispiele dafür?


    Lieber Bertarido, das Thema ist sehr spannend aus meiner Sicht - aber nicht neu. Es sind Beispiele genannt, die ich ich auch genannt hätte. Schon 1929 gab es an der Berliner Krolloper entsprechehende Versuche, Bildende Kunst und Oper bzw. Theater zusammenzuführen. Dort hatte Lazló Moholy-Nagy (1895–1946) Offenbachs "Hoffmans Erzählungen" wie eine Bauhausorgie ausgestattet. Im Netz finden sich ganz rasante Fotos, die ich aber aus rechtlichen Bedenken hier nicht einstellen möchte. Sie werden Dir gefallen. In Bayreuth war Rauch nicht der erste Maler, der sich in einer Bühnenausstattung erging. Rosalie (1953-2017), die sich auch als Malerin und mit Installationen einen Namen gemacht hatte, stattete den "Ring" aus, der 1994 in der Regie von Alfred Kirchner Premiere hatte. Davon war ich nicht so begeistert, weil Ausstattung und Regie nicht richtig zusammen kamen. Es war mir, als würde jeder seins machen. In der DDR gab es eine renoierten Grafiker namens Werner Klemke. Der statte mal eine Produktion von Lortzings "Zar und Zimmermann" an der der Berliner Staatsoper aus. In diversen Büchern (z.B. Memoiren von Ehrenberg) meine ich gelesen zu haben, dass es auch im nachrevolutionären Moskau und Petersburg sehr kühne Versuche gegeben hat, dem Inhalt von Opern ungter den neuen gesellschaftlichen Verrhältnissen mit kühner Optik näher zu kommen. Erst unter Stalin wurden diese Bestrebungen scharf unterbunden. Für viele Jahrzehnte etablierten sich wieder die Zwiebeltürme.


    Was nun Chagalls sehr flächenhafte und dekorative Ausstattung der "Zauberflöte" an der Met anbelangt, auf die Mme. Cortese verwies, wirst Du sie in Teilen schon selbst gesehen haben. Ich meine mich nämlich zu erinnern, dass Du auf Besuche in New York zu sprechehen kams hier im Forum. Es gibt ein paar Hänger davon noch immer hinter den großen Glasfenstern des Opernhauses am Lincoln Center. Am Abend, wenn die Lichter angehen, sind sie von großer magischer Wirkung. Ich jedenfalls konnte mich daran nie satt sehen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Schon 1929 gab es an der Berliner Krolloper entsprechehende Versuche, Bildende Kunst und Oper bzw. Theater zusammenzuführen. Dort hatte Lazló Moholy-Nagy (1895–1946) Offenbachs "Hoffmans Erzählungen" wie eine Bauhausorgie ausgestattet. Im Netz finden sich ganz rasante Fotos, die ich aber aus rechtlichen Bedenken hier nicht einstellen möchte. Sie werden Dir gefallen. In Bayreuth war Rauch nicht der erste Maler, der sich in einer Bühnenausstattung erging. Rosalie (1953-2017), die sich auch als Malerin und mit Installationen einen Namen gemacht hatte, stattete den "Ring" aus, der 1994 in der Regie von Alfred Kirchner Premiere hatte. Davon war ich nicht so begeistert, weil Ausstattung und Regie nicht richtig zusammen kamen. Es war mir, als würde jeder seins machen. In der DDR gab es eine renoierten Grafiker namens Werner Klemke. Der statte mal eine Produktion von Lortzings "Zar und Zimmermann" an der der Berliner Staatsoper aus. In diversen Büchern (z.B. Memoiren von Ehrenberg) meine ich gelesen zu haben, dass es auch im nachrevolutionären Moskau und Petersburg sehr kühne Versuche gegeben hat, dem Inhalt von Opern ungter den neuen gesellschaftlichen Verrhältnissen mit kühner Optik näher zu kommen.


    Danke für die Hinweise! An Rosalie hätte ich selber denken können, denn ich habe diese Produktion in Bayreuth auch gesehen, mit ähnlicher Bewertung wie Du. Die anderen Beispiele kannte ich nicht.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Letzten Samstag habe ich mir nun Rameaus "Hippolyte et Aricie" in der Staatsoper Unter den Linden angeschaut, und meine Befürchtungen hinsichtlich der Verpflichtung von Ólafur Elíasson für die Ausstattung haben sich leider bewahrheitet. Alles sehr schön anzusehen, aber es wirkte wie ein Sammelsurium von Exponaten aus Elíassons Atelier, das dem Stoff der Oper doch fremd blieb. Eine Regie fand nicht wirklich statt, die Figuren bewegten sich mit wenigen Ausnahmen seltsam teilnahmslos durch die Szenerie. Auch die Ballett-Szenen waren extrem konventionell choreographiert. Der Mehrheit des Publikums scheint es hingegen gefallen zu haben, wenn man die Länge und Stärke des Beifalls als Kriterium heranzieht. Hier kann man sich die Aufführung noch bis zum 7.1.2019 anschauen:


    https://www.arte.tv/de/videos/…von-jean-philippe-rameau/

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.