Richard Wagner und Symphonien? Das mag für nicht wenige zunächst befremdlich klingen. Tatsächlich prophezeite Wagner der Symphonik keine Zukunft – was sich bekanntlich als Fehleinschätzung erweisen sollte. Freilich muss man dies aber aus seiner Zeit heraus betrachten. Indizien dafür, dass die Symphonik nach Beethoven und vor Brahms in einer gewissen Krise steckte, gibt es tatsächlich.
Ernst August Becker: Richard Wagner (1843)
Es gibt nur eine einzige vollendete Symphonie aus der Hand Wagners, die Symphonie C-Dur WWV 29 aus dem Jahre 1832, die sich ganz klassisch aus folgenden vier Sätzen zusammensetzt:
I. Sostenuto e maestoso – Allegro con brio
II. Andante ma non troppo, un poco maestoso
III. Allegro assai
IV. Allegro molto e vivace
Die durchschnittliche Aufführungsdauer beträgt zwischen 35 und 40 Minuten.
Die Instrumentierung sieht folgendermaßen aus: zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte, Kontrafagott, vier Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen, Pauken und Streicher.
Komponiert wurde das Werk innerhalb von sechs Wochen im Sommer des Jahres 1832. Es zeigt sich sowohl der Einfluss Beethovens (speziell der Symphonien Nr. 3, 5 und 7) als auch jener der späten Symphonien Mozarts. Die Orchestrierung erfolgte im Weber'schen Stile.
Zu einer ersten Probe durch das Studentenorchester des Prager Konservatoriums unter Friedrich Dionys Weber kam es im November 1832 in Wagners Anwesenheit. Die öffentliche Uraufführung erfolgte kurz darauf, am 15. Dezember 1832, durch den Euterpe-Orchesterverein in Leipzig unter der Leitung von Wagners früherem Lehrer Christian Gottlieb Müller. Clara Wieck zeigte sich in einem Brief an ihren späteren Gatten Robert Schumann angetan. Weitere Aufführungen erfolgten am 10. Jänner 1833 im Leipziger Gewandhaus sowie am 27. August 1833 in Würzburg.
1836 schenkte Wagner die Partitur Felix Mendelssohn Bartholdy, der das Werk aber nicht aufführte. Dies trug zu Wagners späterer Abneigung gegen Mendelssohn bei, dem er 1874 sogar unterstellte, die Partitur mutwillig zerstört zu haben. Tatsächlich scheint die Originalpartitur zu diesem Zeitpunkt als verloren gegolten zu haben. Erst 1877 wurden Teile der Prager Partitur in Dresden aufgefunden, worauf zwischen 1878 und 1882 eine Rekonstruktion und Überarbeitung erfolgte. Wagner fügte im zweiten Satz einige Dynamikangaben hinzu und veränderte an manchen Stellen die Harmonik, um die dramatische Aussagekraft des Werkes zu erhöhen. An Weihnachten 1882, keine zwei Monate vor Wagners Tod, kam es in Venedig zu einer späten Wiederaufführung. Es handelte sich um eines seiner ganz wenigen frühen Werke, die Wagner noch im hohen Alter schätzte.
Es gibt ein weiteres Fragment einer Symphonie E-Dur WWV 35 von 1834, von der lediglich der erste und Teile des zweiten Satzes existieren. Die gerade dreißig vorhandenen Takte dieses zweiten Satzes zitieren ein Thema aus seiner Klaviersonate A-Dur WWV 26 von 1832. Nach Wiederauftauchen der Skizze 1886 erwarb sie Cosima Wagner und übergab sie Felix von Mottl, der die Orchestrierung besorgte. Der Verbleib das originalen Manuskripts ist seit einer Auktion 1913 unbekannt. In ihrer starken Gewichtung der Dramatik gegenüber der Gesamtstruktur weist das Werk schon voraus auf die späteren Musikdramen. Seine Premiere erfuhr das Fragment erst 1988 unter Wolfgang Sawallisch. Die beiden Sätze sind wie folgt bezeichnet:
I. Allegro con spirito
II. Adagio cantabile
Die durchschnittliche Aufführungsdauer liegt bei etwa 18 bis 19 Minuten.
Zumindest die C-Dur-Symphonie wurde häufiger eingespielt. Von der E-Dur-Symphonie gibt es bis heute nur wenige Aufnahmen (teilweise wurde auch nur der erste Satz eingespielt).
Symphonie C-Dur
Rundfunk-Sinfonie-Orchester Berlin
Heinz Rögner
1978
Symphonie C-Dur
Norwegian Radio Orchestra
Ari Rasilainen
1998
Symphonie C-Dur
Jenaer Philharmonie
Paulus Christmann
2001
Symphonie C-Dur
Netherlands Radio Philharmonic Orchestra
Edo de Waart
2013
Symphonie E-Dur (nur 1. Satz)
Philadelphia Orchestra
Wolfgang Sawallisch
1995
Symphonien C-Dur und E-Dur
Tokyo Metropolitan Symphony Orchestra
Hiroshi Wakasugi
1992
Symphonien C-Dur und E-Dur
Royal Scottish National Orchestra
Neeme Järvi
2011
Symphonien C-Dur und E-Dur
MDR-Sinfonieorchester
Jun Märkl
2012