Teatro alle Scala - Inaugurazione 2018 : Giuseppe Verdis, Attila

  • [...] Ich wundere mich sowieso das es zu dem Attila aus der Scala noch keinen Thread gibt.

    Ich mache einfach mal einen Thread auf, obwohl ich mir die Aufzeichnung noch nicht angeschaut habe. Aber da Gerhard an anderer Stelle ja unmissverständlich klarstellt, was wo und wie zu geschehen hat und ich wiederum die folgende Bemerkung nur schwer für mich behalten kann, sei es gewagt!

    [...] bei der Übertragung dieser auf Oper mit einer Handlung, die auf der Historie beruht, von der Scala (dazu noch bei der Eröffnungsfeier) eine einigermaßen werkgetreuen Inszenierung versprochen. [...]

    Ich habe mich mit Verdis Attila nur wenig, d.h. im Rahmen eines Besuches der durch das Lübecker Stadtthater kürzlich aus Wien übernommenen (und nebenbei bemerkt herrlich erfrischenden) Konwitschny-Inszenierung, beschäftigt, aber ich bin mir fast sicher, dass der historische Attila mit dem Verdi-Attila deutlich weniger zu tun hat, als der Verdi-Attila mit dem von David Livermore inszenierten Attila ... :untertauch:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Lieber Michael,


    es geht mir nicht darum, wie viel der historische Attila mit dem Werk von Verdi zu tun hat. Auch bei historischen Romanen hat das, was da oft geschrieben wird, nicht immer etwas mit der tatsächlichen Historie zu tun. Aber es geht mir darum, dass ein Kunstwerk in der Handlung so bleibt, wie es geschrieben worden ist und nicht (auch wenn dir der Ausdruck nicht passt) durch Verlegung an einen anderen Ort, in eine andere Zeit oder gar noch die Abwandlung der Handlung nach einer absurden Phantasie des Regisseurs überschmiert und damit verschandelt wird.

    Der Regisseur ist für mich nur dann ein "Künstler", wenn er es versteht, die Handlung so umzusetzen, dass man Orte, Zeit und Handlung - wie schon mehrfach gesagt - eindeutig wiedererkennt, und das ist bei den meisten Opern, die heute neu inszeniert werden, eben nicht mehr der Fall, wobei es nicht auf übertrieben üppige Ausstattung ankommt, wie sie heute leider häufig mit den völlig falschen Bildern betrieben wird, sondern lediglich auf Erkennbarkeit der richtigen Orte und Zeiten und Einhaltung der Handlung in Text und Bild (wie oft passt die Handlung und das Bild überhaupt nicht zu Titel und Text!)

    Die Kunst des Regisseurs besteht in meinen Augen - auch wenn das Einige hier nicht wahrhaben wollen - einzig darin, den Mitwirkenden die Gestaltung der Auftritte entsprechend dem Originalwerk nahe zu bringen. Nur dann ist die Oper für mich gelungen.

    Und von dieser Meinung, die wie ich durch Gespräche, Anrufe und Zuschriften immer wieder bestätigt bekomme und die ich auch hier immer wieder ausdrücken werde, bringt mich all euer Lamento nicht ab.


    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Lieber Michael,

    ich habe letzten Freitag den Attila live auf RAI 1 gesehen. Die beiden Moderatoren waren noch nerviger als Frau Gerlach, die an diesem Abend schon nicht zu toppen war. Was hatte sie eigentlich immer mit ihrer Odabella? Das Dirigat von Ricardo Chailly fand ich zu schleppend, vor allem am Anfang. Die Sänger waren aber fast alle großartig. Allein schon wegen dem wunderbaren Ildar Abdrazakov hab ich die Aufführung bis zum Schluß verfolgt. Sehr beeindruckt hat mich auch Saioa Hernandez als Odabella. Sie hatte keinerlei Schärfen 8n den Höhen und sang die schwere Partie mit einer enormen Leichtigkeit. Vom Gesicht her erinnert sie mich etwas an die junge Monserat Caballe.

    Den Attila hätten einige Taminos wohl lieber mit freiem Oberkörper und mit einem Fell umgangen gesehen. Am Ende gab es für das Regie Team sehr viele Bravos, aber auch etwas Ablehnung.

  • Lieber rodolfo,


    ich hab mir die aufgezeichnete Aufführung angesehen und fands mittelprächtig. Ganz toll war der Herr Abdrazakow als Attila. Aber insgesamt bevorzuge ich Ramey, nicht wegen des freien Oberkörpers, sondern weil er stimmlich wohl dem Abdrazakow noch überlegen ist. Geschmackssache.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Aber insgesamt bevorzuge ich Ramey, nicht wegen des freien Oberkörpers, sondern weil er stimmlich wohl dem Abdrazakow noch überlegen ist.

    Immer noch? Ramey ist 78! Ich bervorzuge eigentlich Boris Christoff als Attila, käme aber nicht auf die Idee, dass der die diesjährige Scala-Eröffnung hätte singen sollen...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich weiß nicht, wieso Du jetzt trotz Ignorierfunktion wieder auftauchst. Da Weihnachten vor der Tür steht und damit ein Fest des Friedens laß ich das erst einmal so.


    Zu Ramey: Ich meinte dieses DVD. Zumal ich die damals noch prachtvolle Studer anfang der 90-er mehrfach in Dresden gesehen habe (u.a. in der Frau ohne Schatten). Christoff habe ich in der Rolle noch nicht gehört, kann mir aber durch seine machtvolle, schwarze Stimme durchaus als Attila vorstellen.


    Verdi,Giuseppe 1813-1901 - Attila


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber LaRoche,


    diese Aufnahme besitze ich auch. Sängerisch finde ich sie noch besser als das, was in der Neuinszenierung der Scala geboten wurde. Auf jeden Fall ist sie in der Inszenierung am Libretto orientiert und verzichtet auf die einfallslosen nazi-ähnlichen Gestalten, die Maschinengewehre und Pistolen und all das absurde Drumherum, das es bei den Hunnen wohl kaum gab. Anscheinend können viele der heutigen Regisseure mit Historie nichts mehr anfangen und sich da hineindenken. Sie kennen nur noch den engen Zeitabschnitt der letzten (vielleicht) 100 Jahre.


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Die Sänger waren aber fast alle großartig. Allein schon wegen dem wunderbaren Ildar Abdrazakov hab ich die Aufführung bis zum Schluß verfolgt. Sehr beeindruckt hat mich auch Saioa Hernandez als Odabella. Sie hatte keinerlei Schärfen 8n den Höhen und sang die schwere Partie mit einer enormen Leichtigkeit. Vom Gesicht her erinnert sie mich etwas an die junge Monserat Caballe.

    Ich habe die Übertragung nicht mehr bis zum Schluss gesehen und hatte teilweise andere Eindrücke. Bei Ildar Abdrazakov bin ich voll einverstanden. Anders allerdings Saioa Hernandez, die in dieser Spielzeit an der Seite von Domingo die Abigaille in Dresden singen wird. Ihre Stimme hat mich überhaupt nicht angemacht. Aber das kann ja bei Live-Erlebnis noch kommen... George Petean gehört sicher zu den besseren Vertretern seines Fachs und hat das erst kürzlich als Nabucco in Berlin unter Beweis gestellt. Fabio Sartori, den ich sehr schätze, hat mich im Attila auch nicht so vom Hocker gerissen. Vor 5 Jahren gab es einen konzertanten Attila in der Besetzung Steinberg-Monastyrska;R.Tagliavini,Jenis,M.Giordano, der sich vor der aktuellen Besetzung in Mailand nicht hätte verstecken müssen.

  • Habe mir die aktuelle Scala-Inszenierung nun auch angesehen. Im direkten Vergleich finde ich das Ezio Duet hier einiges beeindruckender und kraftvoller als seinerzeit bei Abdrazakov.

    Nun, die Ausstattung ist wohl prachtvoll und aufwendiger, aber grundsätzlich mag ich es lieber weniger der vorgegebenen Zeit entrückt. Aber es war nicht unerträglich, dass ich hätte das Bild ausdrehen müssen. "Nicht unerträglich" ist heutzutage wahrscheinlich fast eine Kaufempfehlung, falls das mal auf DVD heraus käme.

  • Habe mir die aktuelle Scala-Inszenierung nun auch angesehen. Im direkten Vergleich finde ich das Ezio Duet hier einiges beeindruckender und kraftvoller als seinerzeit bei Abdrazakov.

    Nun, die Ausstattung ist wohl prachtvoll und aufwendiger, aber grundsätzlich mag ich es lieber weniger der vorgegebenen Zeit entrückt. Aber es war nicht unerträglich, dass ich hätte das Bild ausdrehen müssen. "Nicht unerträglich" ist heutzutage wahrscheinlich fast eine Kaufempfehlung, falls das mal auf DVD heraus käm

    Bezogen auf den letzten Satz: :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

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  • "Nicht unerträglich" aber auch nicht unbedingt "erträglich". Bei dieser Empfehlung wüsste ich wenigstens, dass ich von einer solchen Inszenierung Abstand nehmen würde, wenn ich sie nicht schon - wie hier - aus eigener Anschauung kennengelernt hätte. Auf Empfehlungen lasse ich mich auch bei DVDs nicht mehr ein, wenn ich nicht vorher Ausschnitte davon gesehen habe oder die Empfehlung von einem zuverlässigen, gleichgesinnten Freund kommt. Ich wäre noch an einigen Opern interessiert, die ich teilweise nur von der Musik her in Ausschnitten kenne. Aber als ich dann Ausschnitte daraus gesehen habe, habe ich die Finger davon weggelassen.


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Nach 2017 und 2019 bin ich jetzt bei der 2018er- Inaugurazione "gelandet": Zu behaupten, dass es auch hier Davide "Ich liebe große Tableaus und ganz besonderes die Bühnenmaschinere" Livermore ist, der die alljährliche Scala-Eröffnung versemmelt, wäre billig und auch etwas unfair! Natürlich wirkt das Setting einer offensichtlich durch Kriegseinwirkungen vollkommen zerstörten Stadt und die auftretende Soldateska vor dem Hintergrund der aktuellen Kriegsbilder in ihrer überasthetisierten Darstellung vollkommen deplatziert, aber das konnte Livermore so nicht wissen und man kann es ihm - zumindest mit einer solchen Argumentation - nicht vorwerfen. Erschreckend jedoch, wie sehr sich in Anbetracht der realen Ereignisse der allfälligen "Nazivorwurf" als gedankenlos und geschichtsvergessen entlarvt ... Vorwerfen kann man der Regie gleichwohl die abermals geradezu manische Fokussierung auf alles Äußere: Die Sänger bleiben bei Livermore rampensingende Staffage und er wird sich leider auch ein Jahr später mit der Tosca diesbezüglich treu bleiben.

    In ihrer Moderation betont Frau Gerlach immer wieder, wenngleich mit leichten Schwierigkeiten in der Artikulation, das cinematographische der Inszenierung und nun mag man von Frau Gerlach halten, was man will, aber damit hat sie natürlich recht! Mit dem wabernden Wolkenhintergrund, den eingestreuten Freeze und anderen Dingen orientiert sich der Regiesseur klar am filmischen; dies geht sogar soweit, dass er im zweiten Bild des zweiten Aktes (Attila feiert ein Festmahl in seinem Feldlager) szenisch irgendetwas zwischen Cabaret und Pasolini (wer es harmlos mag) oder Tinto Brass (wer es etwas weniger harmlos mag) zitiert. Tatsächlich gehört diese Szene trotzdem oder gerade deshalb m.E. zu den gelungensten des Abends. Ansonsten jedoch kann ich nur auf Peter Konwitschny verweisen, der mit seiner Attila-Inszenierung (Wien/Lübeck/Nürnberg) deutlich mehr und Erhellenderes zu sagen hat!


    Was die musikalische Seite angeht, bin ich bei rodolfo39 (Beitrag #3) und habe nichts auszusetzen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.