Rilling, Richter, Harnoncourt --- Bach - Kantaten

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Brüggens historische Leistungen für die Wiederentdeckung der Blockflöte im 20.Jahrhundert sollten eigentlich einem eigenen Thread gewürdigt werden. Wäre das nicht eine gute Idee für salisburgensis? :D



    Wie kommst du denn auf darauf?? 8o:pfeif:




    liebe Grüße :hello:
    Thomas







    PS. Kennst du den Unterschied zwischen einer Sopran- und einer Tenorblockflöte?



    Die T. brennt länger. :stumm:
    :untertauch:

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -


  • :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Ansonsten dachte ich, Du, ähem....also mit Deinem Draht zur Alten Musik und so....naja, Du weisst schon! :D


    LG :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Original von die winterreisende
    Ha, falsch gedacht!
    Beantrage hiermit die Aufnahme... :D :hello:


    der Aufnahme wird auch von mir gnädigst stattgegeben. :pfeif:


    Kumm eina då, wie der Österreicher sagt. :D


    HG
    tuonela
    :hello:

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Kenner wissen auch den speziellen Geigenton Marie Leonhardts, der Frau Gustav Leonhardts zu schätzen.
    Sie war die Konzertmeisterin des Leonhardt-Consorts.
    Leider sind nicht allzuviele Solo-Beiträge von ihr bei den hier besprochenen Bachkantaten zu hören.
    Aber ihre Art, die Stainergeige zu spielen, ist wegen der klaren Tongebung, der Agogik und ihrem Vibratostil schon recht charakteristisch.
    Auf Tonträgern habe ich sie zunächst durch die Gesamtaufnahme G.Leonhardts der Bachschen Cembalokonzerte kennengelernt, später dann u.a. auch durch das "Kantatenwerk".


    ja, da gehe ich (auch wieder mal) mit dir konform. Sie ist die "Unauffälligere" von den beiden Stainer-Geigerinnen, aber deshalb nicht schlechter. So wie Leonhardt ja auch der Geradere, quasi der "Grandseigneur" der beiden Dirigenten ist.


    Was Brüggen betrifft, so hätte ich jetzt nicht die Kantaten, in denen er solistisch spielt, parat - habe sie ja einige Jahre nicht regelmäßig gehört ... aber was mir bei ihm besonders zusagt, ist dieses unglaubliche Legatospiel (natürlich mit Zirkular-Atmen und kaum hörbaren Atempausen): manchmal denkt man, es spielen zwei Flöten ...


    Herzlichen Gruß :hello:
    tuonela

  • Jesses na, ist der Thread umfangreich geworden...


    Ich habe gerade folgendes gehört: BWV 58-61 mit Rilling



    und ich kann Euch sagen: ich bin verblüfft. Muß ich mein Rilling-Bild revidieren??? In letzter Zeit bereitet mir "Nicht-HIP-Bach" immer mehr Freude. Erst Richter und jetzt noch diese Rilling-CD...!


    In jeder Kantate konnte ich sehr überzeugende Stellen finden! Das grundsätzliche Rilling-Problem besteht bei mir zwar weiterhin: das Cembaloimitat ist zu aufdringlich, der Chor-Sopran hat Schwierigkeiten und trällert, die Klangbalance zwischen Chor und Orchester ist oft schlecht. Einige weiblichen Solisten überzeugen mich bei Bach nicht - andererseits hat er aber eine Reihe von hervorragenden Solisten (Augér, Donath, Kraus, Schöne...)


    Noch mal: Es ist keineswegs alles wunderbar, aber man hört doch: der Rilling macht ja richtig Musik! Hatte ich vor Jahren noch eine ganz andere Meinung und nun bin ich seit Jahren erstmals wieder bereit, meine allerallerliebsten Kantaten vielleicht doch noch mal mit Rilling anzukaufen...


    Besonders überraschend: Der Kopfsatz von BWV 61 "Nun komm, der Heiden Heiland". Harnoncourt und Gardiner scheinen zu sagen: "Das ist eine Komposition im Stile der "französischen Ouvertüre", das muß man schnell und etwas schroff spielen." Rilling scheint zu sagen: "Schon klar, aber ist mir doch egal, ich lass mir Zeit!" Und was soll ich sagen, es ist etwa so, wie Alfred Böhms Mozart-Dirigat bezeichnet: elegant, federnd, gelassen und doch mit der richtigen Dramaturgie! Wenn ich jetzt Rilling als den "Böhm der Bachkantate" bezeichne würde, soll das keinesfalls als so großes Kompliment verstanden werden, wie wenn Alfred den gleichen Satz sagen würde...
    Fazit: Bei mir ist Rilling als betrachtenswerte Vergleichsmöglichkeit "wieder im Rennen" - dennoch empfehle ich bei den besseren Alternativen zu bleiben.

  • Hallo Markus,
    Dein Zitat:
    Wenn ich jetzt Rilling als den "Böhm der Bachkantate" bezeichne würde, soll das keinesfalls als so großes Kompliment verstanden werden, wie wenn Alfred den gleichen Satz sagen würde...
    Fazit: Bei mir ist Rilling als betrachtenswerte Vergleichsmöglichkeit "wieder im Rennen" - dennoch empfehle ich bei den besseren Alternativen zu bleiben.
    -------------------------------
    Soweit würde ich den Bogen trotz Deiner Euphorie nicht spannen: Rilling als den "Böhm der Bachkantate" zu benennen auch wenn Du es unter Vorbehalt ausgesagt hast !!


    Mir fehlt bei ihm einfach der Zugang zu seiner Kantateninterpretation, große Chöre, Orchester naja, sowie sein pastorales Verhalten stösst mich einfach ab, mir kommt er vor wie ein Bach-Halbgott, da ziehe ich
    Richter, Koopmann, Kuijken, bedingt auch Harnoncuort vor.
    Wer mich kennt, weiß, dass ich Gardiner mag, aber auch nicht so uneingeschränkt wie noch vor "Grauer Vorzeit." Vieles an schnellen Tempi hat er endlich mittlerweise abgelegt, doch ganz kann er es immer noch nicht lassen und verprellt damit so manchen Bachkenner. Seine Counter-Tenöre z.B. stören mich mittlerweise ungemein mehr, als noch vor ein paar Monaten, hier ziehe ich einen Alt absolut vor.


    So fallt es mir aus meiner Sicht schwer, einen Bach-Interpreten dieses Prädikat
    "Böhm der Bachkantate" überhaupt vergeben zu können.

    Hier hat Karl Böhm in seiner Mozart-Interpretation Geschichte geschrieben und zu Recht dieses "Prädikat" verdient! :hello:

    Freuen wir uns, dass es so viele Bach-Interpreten gibt und jeder seinen eigenen Aufführungsstil besitzt, Nutzer und Gewinner ist der Hörer.

    Liebe Grüsse nach Frankfurt


    Volker.

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Hallo,


    Zitat

    Original von reklov29...da ziehe ich Richter, Koopmann, Kuijken, bedingt auch Harnoncourt vor.


    Zustimmung bis auf die Kleinigkeit, dass ich vor das Wort "bedingt" noch ein "un" gesetzt und ansonsten die Namen Leonhardt, Herreweghe, Suzuki, Junghänel, Parrot, Müller-Brühl und Coin noch ergänzt hätte.
    Es gibt bei einigen (nicht allen) der frühen Aufnahmen der Pioniere H/L sicherlich gewisse Abstriche durch die im Vergleich zu heute damals noch nicht so geübten Blechbläser und auch durch die manchmal an ihre Grenzen stossenden Knabenchöre und Solisten.
    Auch über das Timbre Esswoods sollte man hinweghören können, sollte man diese Art des Counteralt-Gesanges nicht so mögen.
    In vielen (nicht allen) Fällen nehme ich diese gewissen vokalen Abstriche jedoch gerne hin, weil es mir sehr auf die Gesamtinterpretation der Dirigenten und speziell auf die Beiträge des Orchesters/der Solo-Instrumentalisten ankommt.
    Bei den H/L-Aufnahmen gibt es ja auch vokale Highlights, wie z.B. manche Beiträge von Equiluz, Huttenlocher, Bonney (leider nur BWV 199) oder Holl.
    Und auch einige Knabensolisten können durchaus mit ihrem positiv naiven Charm für sich einnehmen.
    Unter anderem deswegen also bei mir ein grundsätzliches unbedingt...


    Das was ich bisher von Rillings Aufnahmen hörte, hat mich ebenfalls bisher weniger überzeugen können.
    Wenn schon mit grossem Chor und Orchester und nicht HIP, dann doch lieber gleich richtig "nicht HIP" mit Karl Richter.
    Vor kurzem kaufte ich mir wegen des Sängers die "Kreuzstabskantate" mit dem Solisten Dietrich Fischer-Dieskau.
    Da ich schon die Richter-Aufnahme als LP kannte, dachte ich bei Rilling eine Interpretation vorzufinden, die sich stilistisch irgendwo zwischen Richter und HIP bewegt und mir deswegen wahrscheinlich besser als die Richtersche Fassung gefallen würde. Doch weit gefehlt...die CD ist aus meiner Sicht leider ein Fehlkauf.
    Ohne jetzt irgendwelche Details zu erwähnen, ist es mir einfach zu lasch und belanglos, was ich da gehört habe.
    Es geht mir hier bei Rilling zu sehr ins Ungefährliche und kapellmeisterlich- Uninspirierte.
    K.Richters Orchesterbegleitung und seinen hochromatisch expressiven Schlusschoral habe ich da deutlich spannungsreicher in Erinnerung, ebenso Fischer-Dieskaus Gesang, der sich unter Richters Dirigat engagierter und erfüllter anhört, so meine ich jedenfalls mich erinnern zu können.
    Von einer CD will ich natürlich nicht pauschal auf alle schliessen, meine jedoch, eine gewisse Tendenz erkennen zu können.
    Einige TV-Dokumentationen über den Bachdirigenten Rilling habe ich jedoch schon gesehen und ein interessantes Buch von ihm zur Interpretation der Bachschen Matthäus-Passion gelesen.
    Ebenso habe ich mir vor einiger Zeit manche seiner Kantatenaufnahmen aus einer Musikbibliothek ausleihen können.


    Zitat


    Original von reklov29
    Freuen wir uns, dass es so viele Bach-Interpreten gibt und jeder seinen eigenen Aufführungsstil besitzt, Nutzer und Gewinner ist der Hörer.


    Ja, auch ich begrüsse das und wünschte mir, dass es eine noch grössere Vielfalt an wirklich hervorragenden Aufführungen und vor allem Aufnahmen gäbe.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Hallo Glockenton,
    Zitat:
    Zustimmung bis auf die Kleinigkeit, dass ich vor das Wort "bedingt" noch ein "un" gesetzt und ansonsten die Namen Leonhardt, Herreweghe, Suzuki, Junghänel, Parrot, Müller-Brühl und Coin noch ergänzt hätte.
    ----------------------------------
    Zu Deinen weiteren Bach-Interpreten ist nichts Nachteiliges anzumerken und bejahe sie bis auf Suzuki, bei ihm bin ich ein gebranntes Kind :no:


    Seine DVD aus der riesigen und herzlosen bzw kalten Konzert-Halle in Tokio mit der Matthäus-Passion wirkt auf mich so Seelenlos abgespult, das ich es bereut habe, sie mir gekauft zu haben, da ziehe ich sogar einen Rilling vor.
    Die Gesangssolisten, ob Japaner oder teilweise auch deutsche Solisten überzeugten in ihrer gesanglichen Qualität nur bedingt, deswegen habe ich keine weiteren Aufnahmen des Fernost-Bach-Interpreten in meiner Sammlung auch wenn er neuerdings in höchsten Tönen für seine Kantateneinspielungen gelobt wird.


    Meine obige Bachinterpretenauswahl sollte auch nur einen Anriss der Ausführenden darstellen.


    Selbstverständlich höre ich ebenfalls die Thomaner, Tölzer- und Windsbacher Knabenchöre.
    Die DVD's mit Oratorien oder Messen von Enoch zu Guttenberg und dem Orchester der Klangverwaltung
    Neubeuern sind ebenfalls recht akzeptabel.
    Die Rheinische Kantorei mit Hermann Max gehört ebenfalls in die Riege einer großartigen Bachinterpretation mit den geschulten und hervorragenden Sängern und dem Orchester auf Historischen Instrumenten.


    Die Auswahl an guten Bachinterpreten ist also gewaltig und kann uns nur erfreuen.


    Herzliche Grüße an einen ehemaligen aus OWL


    Volker.

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Zitat

    und ich kann Euch sagen: ich bin verblüfft. Muß ich mein Rilling-Bild revidieren??? In letzter Zeit bereitet mir "Nicht-HIP-Bach" immer mehr Freude. Erst Richter und jetzt noch diese Rilling-CD...!


    Mir geht es ähnlich - allerdings bin ich kein Bach-Experte.
    Ich habe vor 5 Jahren einige Rilling Aufnahmen mit Bach-Kantaten gekauft und ziemlich lustlos gehört.(Sie waren günstig zu haben - und zum Kennenlernen reicht es - so dachte ich)


    Nun hat mich die zweite Bachkantaten-Welle erreicht:
    Ich habe einige Aufnahmen unter Harnoncourt erworben und besitzhe nun von einige wenigen Kantaten eine Vergleichsversion, Von der BWV Nr 1 sogar 3 Versionen (Richter - Harnoncourt-Rilling) - und ich muß sagen, Riling schlägt sich teilweise hervorragend. Es wurde mir erst jetzt klar, warum er in den siebziger Jahren - und teilweise bis viel später so gefragt war. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber bei Harnoncourt habe ich gelegentlich den Eindruck, nicht nur das Orchester spiele "falsch" (was man den Originalinstrumenten anlasten könnte) sondern auch die Chöre hätten diese Tendenz....


    Mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Sagitt meint:


    da hör´her. In Bezug auf Rilling scheinen sich ja gewisse Weiterentwicklungen abzuzeichnen.
    1. War ich nie ein Rilling-Fan
    2. nie ein Rilling - Gegner
    3. hat Rilling deutlichen Entwicklungen mitgemacht.Seine Einspielungen gehen ja über Jahrzehnte. Man höre im Vergleich seine Matthäus-Passion von 1977 und 1994.
    4. Hat er sehr häufig sehr gute Solisten.Auger hatte ich neulich erwähnt. Auf einer ihr gewidmeten webside kann man lesen, in wievielen Aufnahmen sie mitgewirkt hat.
    5. Ist seine Gächinger Kantorei mir deutlich lieber als Knabenchöre
    6. stört mich nicht, dass er einen " geistlichen " Anspruch hat. Dies wird der Bach´schen Musik sicher gerecht ( hat die den etwa nicht ?) und andere hatten das auch ( wie Richter).


    Fazit: EINE Möglichkeit, sich den Bach´schen Kosmos zu erschliessen. Und sicher nicht die schlechteste.

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  • Hallo Volker,


    das, was ich bisher von Suzuki hörte, geht in dieselbe Richtung, wie Du es beschrieben hat. Ich habe mir einmal einige seiner Kantaten ersteigert und nach nicht allzulanger Zeit wieder versteigert.
    Er macht auf den Aufnahmen eigentlich nichts direkt falsch ( ob die Hinzunahme des Cembalos falsch ist oder nicht, kann ich als nicht Bach-Forscher nicht mit Sicherheit sagen, aber es klingt für mich eher unpassend, zu weltlich) , aber es konnte bei mir irgendwie insgesamt nicht so recht zünden.
    Die vielschichtigen und mir bewussten Gründe hierfür zu benennen, ginge jetzt zu sehr ins Detail. Wenn wir aber beginnen, über die einzelnen Kantaten zu diskutieren, dann kann es m.E. gerne auch detailierter zugehen.
    Auch Deine Bemerkungen zu den Suzukis Sänger/innen kann ich ganz gut nachvollziehen; ich habe es recht ähnlich empfunden.
    Eigentlich habe ich in nur in Relation zum vorher genannten Rilling erwähnt, nicht etwa, weil er "mein" Bachinterpret wäre.
    Aufgrund des HIP-Ansatzes ( nicht unbedingt aufgrund der Originalinstrumente) ziehe ich die Aufnahmen dieses Koopman-Schülers im Durchschnitt denen Rillings vor, Ausnahmen sind natürlich nicht ausgeschlossen.
    Das, was ich von den auf modernen Instrumenten historisch informiert spielenden Ensembles Kölner Kammerorchester und den Berliner Barocksolisten kenne, empfand ich bisher jedoch im Grossen und Ganzen als musikantischer. Die Spielweise ist für mich also wesentlich wichtiger als das originale, oder nach Originalen kopierte Instrument.


    Die Aufnahmen der Rheinische Kantorei unter Max kenne ich noch aus meiner Zeit als WDR3-Hörer. An Unerfreuliches kann ich mich dabei eigentlich nicht erinnern, im Gegenteil :), d.h. auch hier Zustimmung.


    Gruss nach Spenge von einem Alt-Westerengeraner :hello:
    Bernd


    PS: Falls Du in der Langen Strasse einmal Eis-Essen gehst, dann kannst Du die Eigentümer schön von mir ( ich bin der, "der mit seiner Familie nach Norwegen gezogen ist...") grüssen :)


    sagitt

    Zitat

    Original von Sagitt
    6. stört mich nicht, dass er einen " geistlichen " Anspruch hat. Dies wird der Bach´schen Musik sicher gerecht ( hat die den etwa nicht ?) und andere hatten das auch ( wie Richter).


    Wenn dem so ist, dann stört das auch mich überhaupt nicht!
    Wer nur rein musikalisch an die Interpretation gerade dieser Werke geht, dem wird m.E. auch eine gewisse, wichtige Dimension fehlen.
    Von Harnoncourt und Leonhardt weiss ich z.B., dass sie die Geistlichkeit dieser Werke für sich persönlich nicht ausblenden, sondern sich hierzu eindeutig positiv positionieren.
    Beim einen klingt es dann auch in der Tendenz gradlinig "nüchtern-evangelisch", beim anderen eher "farbenfroh katholisch".
    Auch die durchaus hörbare "gläubige Inbrunst" von Karl Richter hat mich früher nicht wirklich gestört.
    Andererseits sind mir jetzt keine Interpreten direkt bekannt, die diese Musik aufgenommen haben, und denen gleichzeitig die Tatsache, dass es geistliche, auf Gottesdienste bezogene Musik ist, irgendwie ein Ärgernis gewesen wäre. So genau kenne ich jeden Einzelnen allerdings auch nicht, um dazu nähere Aussagen machen zu können.
    Einen gewissen, hörbaren Einfluss der persönlichen Einstellung der Bachinterpreten zum geistlichen Aspekt dieser Werke halte ich demnach für durchaus existent.


    Gruss
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Hallo Bernd,


    das "Musikantische" ist eine sicherlich sehr wichtige Komponente, die auch ich bei den Rilling-Aufnahmen immer wieder etwas vermisse.


    Aber dafür hat Rilling Holzbläser, die über weite Strecken begisternd klangschön spielen. Und beim Klang handelt es sich ja nun nicht um etwas völlig zu Vernachlässigendes, oder? Wenn ich Günther Passin spielen höre, geht es mir so wie bei einem Sänger, der über eine unglaublich warme und edel timbrierte Stimme verfügt: Ich bin zunächst einmal fasziniert - nur des Klanges halber.


    Viele Grüße


    Bernd

  • Gerade gestern habe ich mal wieder zu den ca. 30 Jahre alten Aufnahmen der Kantaten von Harnoncourt und Leonhardt gegriffen - und war sofort wieder gefangen - das war schon ein Meilenstein für die Bach-Interpretation, es gibt dort immer noch und immer wieder soviel zu entdecken...

  • Hallo Alfred,
    Zitat:
    Von der BWV Nr 1 sogar 3 Versionen (Richter - Harnoncourt-Rilling) - und ich muß sagen, Riling schlägt sich teilweise hervorragend. Es wurde mir erst jetzt klar, warum er in den siebziger Jahren - und teilweise bis viel später so gefragt war. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber bei Harnoncourt habe ich gelegentlich den Eindruck, nicht nur das Orchester spiele "falsch" (was man den Originalinstrumenten anlasten könnte) sondern auch die Chöre hätten diese Tendenz....
    -------------------------------
    Da fehlt Dir aber in der Sammlung des BWV 1 diese Aufnahme:



    in diesem Thread
    als die Einspielung des BWV 1 "Wie schön leuchtet der Morgenstern" überhaupt sehr positiv bewertet worden :jubel:
    Ich mache jetzt keine Eigenwerbung aber sie ist von Gardiner aufs Vortrefflichste gelungen.


    Auch wenn ich jetzt Glockenton ein wenig verprelle:
    Zu Harnoncourts Kantaten-Veröffentlichungen kann ich zustimmend sagen, dass mir das Orchester unrein musiziert und der Chor die gleichen Eigenschaften an den Tag legt, wie präzieser und gediegener hören sich da die anderen Bach-Interpreten an. Das geschliffene konzertieren geht mir bei ihm verloren.


    Grüsse nach Wien und Norwegen
    Volker.

    Bach ist so vielfältig, sein Schatten ist ziemlich lang. Er inspirierte Musiker von Mozart bis Strawinsky. Er ist universal ,ich glaube Bach ist der Komponist der Zukunft.
    Zitat: J.E.G.

  • Zitat


    Original von reklov29
    Auch wenn ich jetzt Glockenton ein wenig verprelle:
    Zu Harnoncourts Kantaten-Veröffentlichungen kann ich zustimmend sagen, dass mir das Orchester unrein musiziert und der Chor die gleichen Eigenschaften an den Tag legt, wie präzieser und gediegener hören sich da die anderen Bach-Interpreten an. Das geschliffene konzertieren geht mir bei ihm verloren.


    Hallo reklov29,


    damit hast Du mich noch nicht verprellt :D
    Die Frage ist jetzt nur, ob Du jetzt alle Kantatenaufnahmen Harnoncourts meinst ( und kennst) , oder ob wir hier nur über BWV 1 reden?


    Im ersten Fall müsste ich energisch widersprechen im zweiten Fall teilweise.
    Bei BWV1 muss ich hinsichtlich der noch nicht vollständigen technischen Beherrschung der Hörner teilweise zustimmen ( die Spieltechnik des Naturhorns musste autodidaktisch neu erlernt werden).
    Aber die Hörner noch nicht das ganze Orchester und kommen auch nicht während der ganzen Kantate zum Einsatz.
    Die Streicher und Oboen/Fagott spielen sehr wohl elegant, mit vielen kammermusikalischen Feinheiten, beseelt und keineswegs unrein.
    Wenn ich z.B. an die wunderbare Arie: "Erfüllet, ihr himmlischen göttlichen Flammen, die nach euch verlangende gläubige Brust!" denke, dann kann ich keine Unreinheiten erkennen, sehr wohl aber ein hervorragenden sprechendes und doch gesangliches Oboenspiel Jürg Schaeftleins :jubel:
    Wenn das kein "geschliffenes Konzertieren" ist?
    Dass Koopmans oder Herreweghes Chor heutzutage eine andere Klangkultur und Virtuosität anbieten, als damals die Wiener Sängerknaben, will ich nicht überhaupt nicht bestreiten.
    Harnoncourts frühe Kantatenaufnahmen haben aber andere, gewisse Reize und Vorzüge zu bieten, die bei anderen Interpreten so nicht zu hören sind ( und umgekehrt)
    Im Einzelnen kann man auf solche Dinge differenziert in den kommenden Besprechungen der einzelnen Kantaten eingehen.
    Aber auch hier würde ich es für gut halten, wenn wir uns nicht zu pauschalen Bewertungen hinreissen liessen, egal ob in positiver oder negativer Hinsicht.
    Gestern habe ich mir im Netz viele Ausschnitte von Gardiners Kantaten angehört. Ich kenne auch einige seiner Aufnahmen von Radioübertragungen ( sogar hier auf NRK2 kam vor einem Jahr eine Weihnachtskantate)
    Wenn ich jetzt schriebe, dass er z.B. grundsätzlich alles verhetzt und überhaupt kein Gefühl für ein atmendes Tempo hat, dann wäre das in der Tat zu undifferenziert und ich täte ihm sehr Unrecht.


    Ich begrüsse sehr, dass wir hier einen Link bekommen haben, bei dem wir uns die Noten der Bachkantaten downloaden können.
    Dadurch wird es uns gelingen, unsere Aussagen zu präzisieren, zu konkretisieren und zu differenzieren.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Volume 21 unter Gardiner ist sowieso atemberaubend. Ich kann mir beide CDs jeden Tag anhören. Bislang meine Lieblingsfolge!


    Da sind aber auch richtige Highlights drauf.


    Jesus nahm zu sich die Zwölfe - BWV 22


    Was hier im Continuo gezaubert wird ist prächtig. Die Struktur der einzelnen Stücke ist faszinierend.


    Widerstehe dch der Sünde - BWV 54


    Ist eine meiner liebsten Kantaten bislang überhaupt.

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zu Harnoncourt möchte ich auch noch was sagen. Dass teilweise das Orchester und die Sänger mit (z.B.) der Intonation kämpfen - wer würde das ernstlich bestreiten wollen? Aber was ist mit der Interpretation, mit der künstlerischen Kraft, der Aufnahmen? Diese "Kühle", von der Glockenton weiter oben sprach, hat mich anfänglich auch eher etwas reserviert auf die Einspielungen reagieren lassen - nach mehrmaligen Hören stellt sich ein anderer Eindruck ein. Wenn ich heute rückblickend diese Aufnahmen höre, finde ich ganz erstaunlich, wieviel an Energie, an Haltung, an Ausdeutung und an spieltechnischem Mut in den Aufnahmen von Harnoncourt und Leonhardt zu finden sind. Und: ohne die Pionierarbeit der beiden wäre doch die Bach-Interpretation insgesamt um einiges ärmer...

  • Zitat

    Original von Alviano
    Wenn ich heute rückblickend diese Aufnahmen höre, finde ich ganz erstaunlich, wieviel an Energie, an Haltung, an Ausdeutung und an spieltechnischem Mut in den Aufnahmen von Harnoncourt und Leonhardt zu finden sind. Und: ohne die Pionierarbeit der beiden wäre doch die Bach-Interpretation insgesamt um einiges ärmer...


    Das kann ich nur bestätigen!!! Ich bin dankbar für die hervorragende Leistungen, die Harnoncourt und Leonhardt mit ihren Ensembles erbracht haben!!! Sicher sind wir 30 Jahre später um einiges weiter auf dem Gebiet der historischen Aufführungspraxis, es gibt mittlerweile unzählige Ensembles, die Spitzenleistungen bringen, aber das Verdienst bliebt doch bei Harnoncourt & Co.!!! :jubel::jubel::jubel:


    Gruß Bernhard

  • Hallo Bachfreunde,


    in zwei Wochen gibt es Koopmans Gesamteinspielung des Kantatenwerkes in einer Komplettausgabe auf 67 CDs. Also Bonus legt das Label eine DVD mit der Matthäuspassion obendrauf. Bei unserem Partner jpc kostet die Box 700 Euro, was einer Ersparnis von ca. 40% gegenüber dem Kauf der Einzelveröffentlichungen entspricht.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

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  • Hallo!


    Was ist denn von dieser Weihnachtskantaten-Box zu halten?



    Bach-Kantaten mit Richter würde ich schonmal gerne kennenlernen.
    Bitte keine Antworten von der Anti-Richter-Fraktion, deren Meinung kenne ich schon.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Ciao, Pius !


    Eigentlich dürfte ich auf Deine Frage ebenfalls nicht antworten, da ich explizit zur Pro-Richter-Fraktion rechne...


    Gleichwohl: Die Stärke dieser Anthologie liegt zweifellos darin, daß man aufgrund der diversen Aufnahmedaten eine luzide Entwicklung Richters insbesondere in bezug auf die Wahl seiner Tempi erkennen kann - es ist nämlich eine hartnäckige Legende, Richter habe generell den langsamen Schlag bevorzugt (cf. "Christen, ätzet diesen Tag").


    Zum anderen, meine ich, kommt in seiner Klangvorstellung das Jubilose dieser Musik - von manchen "authentischen" Orchestern oft sehr verdeckt - zu seinem Recht.


    Und daß er als Pastorensohn die Interpretation zutiefst vom Text her angeht (selbst unter den extremen Bedingungen einer Studioaufnah-me), kann jeder hören, der's auch will (doch das ist für manche Bach-Konsumenten mittlerweile leider schon ein Ausschlußkriterium)...


    Gruß,


    Gerd

  • Zitat

    Original von Alviano
    Zu Harnoncourt möchte ich auch noch was sagen. Dass teilweise das Orchester und die Sänger mit (z.B.) der Intonation kämpfen - wer würde das ernstlich bestreiten wollen?



    Nun ja, bedaulicherweise hat es wohl tatsächlich einige qualitative Ausreißer gegeben, vor allem was einige Knabensoprane anbetrifft, die leider zum Teil den Anforderungen an die "Spitzentöne" nicht ganz gerecht wurden. Ich kann mich insoweit an zwei oder drei Fälle erinnern. Trotzdem verdient mE das Kantatenprojekt Harnoncourt/Leonhardt was instrumentalen und chorischen Ausdruck sowie sängerische (Solo) Qualität betrifft allergrößten Respekt.


    :yes:

  • Vielleicht hier auch mal interessant:



    Ton Koopmann
    The Amsterdam Baroque & Choir


    ...für schlappe 399,99 € :D


    Und ganz wichtig: Ton Koopman hat die ersten 100 CDs exklusiv für jpc signiert, d.h. also eine komplette Box und 33 CDs einer weiteren Box... :beatnik:


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Durch Zufall kam ich beim Stöbern auf Youtube auf dieses Video, in dem der Eingangschor der Kantaten Nr. 1 - 6, BWV 248, aufgeführt wird in der Dresdner Frauenkirche unter der Leitung von Christian Thielemann (2011).


    Im Chor singt ein nicht ganz unbekannter Bariton mit. Es ist ganz einfach, ihn zu erkennen. Ich habe ihn jedenfalls sofort erkannt. Erkennt ihr ihn auch?


    Liebe Grüße, verbunden mit dem Wunsch einer weiterhin segensreichen Adventszeit


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Jedenfalls ist er immer im Bilde!;)


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Es ist ganz einfach, ihn zu erkennen.

    Schon, weil er als einziger keine schwarze Schleife umgebunden hat: Es ist Thomas Hampson, was Fiesco so hintersinnig unerwähnt ließ. Mir ist, als hörte man ihn auch heraus. Wenn ich nicht irre, handelt es sich bei dem Einleitungschor zum "Weihnachtsoratorium" um einen Programmteil eines Konzerts in der Frauenkirche Dresden! Bei dem der Sänger auch solistisch mitwirkte. Es dürfte auch im TV gezeigt worden sei. Eine schöne Idee ist es allemal. Noch schöner wäre es allerdings gewesen, Hampson hätte an einer Gesamtaufführung des Chorwerkes mitgewirkt. Dann wäre es tatsächlich ein hübscher Gag gewesen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Der nicht ganz unbekannte Thomas Hampson scheint "zufällig" in die Runde geraten zu sein, denn er trägt keine schwarze Fliege, sondern ein offenes Hemd. Vielleicht hatte er gerade in Dresden zu tun. Thielemann hat ihn dann netterweise zum Mitsingen aufgefordert.


    Schön, dass Willi ihn entdeckt hat.



    Liebe Grüße


    Portator