ZANDONAI, Riccardo: FRANCESCA DA RIMINI

  • Riccardo ZANDONAI
    FRANCESCA DA RIMINI


    Tragedia in quattro atti


    Libretto: Tito Ricordi nach der Tragödie von Gabriele d'Annunzio


    Uraufführung: 19. Februar 1914, Teatro Regio, Turin


    Personen:
    Francesca, Tochter des Guido Minore da Polenta (Sopran)
    Samaritana, ihre Schwester (Mezzosopran)
    Ostasio, ihr Bruder (Bassbariton)
    Giovanni Lo Sciancato, genannt Gianciotto, Sohn des Malatesta da
    Verucchio (Bassbariton)
    Paolo il Bello, dessen Bruder (Tenor)
    Malatestino Dall'Occhio, der jüngste Bruder (Tenor)
    Biancofiore, Gesellschaftsdame Francescas (Sopran)
    Garsenda, s.o. (Sopran)
    Altichiara, s.o. (Mezzosopran)
    Adonella, s.o. (Mezzosopran)
    Samaragdi, Sklavin Francescas (Mezzosopran)
    Ser Toldo Berardengo (Tenor)
    Il Giullare (Bassbariton)
    Il Balestriere (Tenor)
    Il Torrigiano (Bassbariton)
    Stimme des Gefangenen (Tenor)


    Ort und Zeit der Handlung:


    Burg der Polenta in Ravenna und Burg der Malatesta in Rimini, Ende des 13. Jhdts.


    Handlung


    1. AKT (Hof und Garten in der Festung der Polenta in Ravenna)


    Garsenda, Biancofiore und Altichiara necken einen Spielmann, der ihnen in ziemlich desolater Kleidung seine Aufwartung macht. Ihrer Aufforderung, ein Lieblingslied von Madonna Francesca zu singen, will er nur dann nachkommen, wenn sie ihm als Gegenleistung die Risse in seinem Wams mit rotem Stoff flicken. Er würde noch viel großartigere Geschenke bekommen, versichern ihm die Mädchen, denn ihre Herrin sei die Braut eines Malatesta. Der Spielmann trägt nun die tragische Geschichte von Tristan und Isolde vor, als ihn die zornige Stimme Ostasios, des Bruders Francescas, unterbricht. Die Frauen fliehen und lassen den dupierten Fiedler zurück, der sofort von Ostasio in die Mangel genommen wird. Dieser argwöhnt nämlich, der Spielmann hätte mit der seiner Zunft eigenen Geschwätzigkeit unliebsame Interna aus dem Haus der Malatesta ausgeplaudert, die womöglich die erwünschte Verbindung zwischen den beiden Häusern gefährden könnten. Erst als der Sänger tausend Eide schwört, kein Abgesandter aus Rimini zu sein, darf er sich aus dem Staub machen.
    Im folgenden Dialog zwischen Ostasio und dem Notar Ser Toldo wird klar, warum der Polenta derart in Panik geraten ist: Francesca soll mit dem missgestalteten Gianciotto verheiratet werden, da man aber ihre Weigerung befürchtet, soll sie in dem Glauben gewiegt werden, der schöne Paolo (Il Bello), der aber nur als Brautwerber für seinen Bruder fungiert, sei ihr künftiger Gemahl.
    Francesaca tröstet inzwischen ihre Schwester Samaritana, die völlig verzweifelt ist über die bevorstehende Trennung. Niemals werden ihre Betten mehr nebeneinander stehen.
    Aufgeregt melden die Frauen, der unbekannte Bräutigam sei bereits eingetroffen und würde im Garten lustwandeln. er sei "il piu bello cavalier del mondo". Während sie weiterhin die körperlichen Vorzüge des vermeintlichen Freiers in den höchsten Tönen preisen, reagiert Francesca nach einem ersten Blick auf ihn wie ein verwirrter Teenager. Sie will zunächst auf ihr Zimmer fliehen, um "den Aufruhr, der in meiner Seele tobt", zum Verstummen zu bringen, bleibt dann aber doch wie angewurzelt stehen. Auch Paolo betrachtet sie stumm. Während die Mädchen im Hintergrund von einem Jäger singen, der seine Beute erlegt, bricht Francesca wie in Trance eine rote Rose und reicht sie Paolo.


    2. AKT (Platz vor dem runden Turm der Festung der Malatesta)


    Der Türmer und seine Helfer sind damit beschäftigt, die Kriegsgeräte einsatzbereit zu machen, denn ein neuerlicher Schlagabtausch zwischen den verfeindeten Parteien der Guelfen und Ghibellinen steht unmittelbar bevor. Zu ersterer zählen auch die Malatesta.
    Francesca, inzwischen mit dem ungeliebten Gianciotto vermählt, steigt auf den Turm und gibt vor, ihren Mann zu suchen. In Wahrheit hofft sie auf ein Wiedersehen mit Paolo, der eben aus Cesena zurückgekehrt ist und nun das Signal zum Angriff geben soll. Sie verlangt von ihm einen Helm, damit sie die Kämpfe vom Turm aus beobachten kann. Dann bringt sie die Sprache verklausuliert auf jene schicksalhafte erste Begegnung in Ravenna: Er hätte sich ihr "in einem Gewand, das man Betrug nennt in der guten Welt" genähert. Paolo gesteht, dass er seit jener Stunde im Garten keinen inneren Frieden mehr gefunden habe.
    Der Kampf beginnt, Paolo überlässt Francesca seinen Helm und präsentiert sich ungeschützt seinen Feinden. Entsetzt beobachtet die Frau, wie er scheinbar ohne jede Furcht Pfeil um Pfeil von seiner Armbrust abschießt, ungerührt von den feindlichen Geschossen, die rund um ihn einschlagen. Sie ahnt, dass er absichtlich sein Leben aufs Spiel setzt, um damit den Betrug an ihr zu sühnen, und vergibt ihm "con grande amore". Mit einem Meisterschuss tötet Paolo den feindlichen Anführer Ugolino Cignatto. Im allgemeinen Jubel streift ihn ein Pfeil und Francesca, in der Angst, er sei getroffen, nimmt seinen Kopf zwischen ihre Hände um ihn zu untersuchen. Diese Berührung verwundet Paolos Seele im Innersten, wie er bekennt.
    Nun erscheint auch Gianciotto, seine Feinde derb verfluchend, ändert aber sofort seinen Ton, als er seine angebetete Gattin inmitten der Ritter erblickt. Sie schickt ihre Sklavin Smaragdi um Wein und bietet dem Gatten einen Erfrischungstrunk an, seiner Umarmung weicht sie jedoch aus. Gianciotto fordert sie auf, den gleichen Kelch auch für Paolo zu füllen, und während sie ihm den Trunk reicht, versinken ihre Blicke ineinander.
    Da wird Malatestino , der jüngste Bruder, scheinbar tot auf den Turm gebracht. Als sich Francesca seiner annimmt, kommt er wieder zu sich und stürzt sich ungeachtet seiner schweren Verletzung am Auge wieder in das Kampfgetümmel. Kurz darauf kündet lauter Jubel vom Sieg der Malatesta.


    3. AKT (Francescas Gemach)


    Francesca liest ihren Frauen aus dem Tristan-Roman vor. Diese amüsieren sich über den schüchternen Lanzelot, der die deutlichen Avancen seiner Königin übersieht und es nicht wagt, sich ihr zu nähern. Francesca, die sich insgeheim mit der Königin identifiziert, heißt sie schweigen. Sie kann ihre innere Unruhe kaum bezähmen, fragt Smaragdi immer wieder nach dem entflogenen Falken, der immer noch nicht zurückgekehrt ist, und beschuldigt die Sklavin schließlich, dass der Wein, den sie ihr auf dem Turm kredenzt habe, "ein tückischer Zaubertrank" gewesen sei, "dessen böser Einfluss durch die Adern all jener kreiste, die davon tranken." Ein Dämon habe seither von ihr Besitz ergriffen. Smaragdi kennt diesen Dämon nur zu gut und bietet sich an ihn zu holen, denn die Katze sei quasi aus dem Haus: Gianciotto und sein jüngster Bruder seien ausgeritten. Francesca gesteht der Sklavin, dass dieser Malatestino sie in ständige Furcht versetze.. Ihr graut aber nicht vor seinem blinden, im Kampf schrecklich entstellten Auge, sondern vor seinem sehenden......
    Francescas Damen wollen ihre schwermütige Herrin mit munteren Liedern aufheitern. Sie überreichen ihr einen Kranz aus Veilchen und feiern den 1. März, den Abschied des Winters und den Sieg des Frühlings.
    Smaragdi kündigt ihrer Herrin indes heimlich den Besuch ihres Lanzelot an. Francesca schickt die Frauen weg und und kann ihre Unruhe nur schwer verbergen. Trotzdem hat sie sich bei Paolos Eintreten so weit in der Gewalt, dass sie ein belangloses Gespräch beginnen kann. Paolo aber kommt sofort zur Sache und erinnert sie an ihre letzte Begegnung auf dem Turm, an den Becher Wein und dass sie ihm mit "grande amore" vergeben habe. Francesca fleht ihn an, ihren mühsam errungenen Seelenfrieden nicht zu zerstören. Da entdeckt er das aufgeschlagene Buch mit dem Tristanroman und rezitiert die Verse, die bei den Damen so große Heiterkeit ausgelöst haben:"Und Galahad sprach: 'Hohe Frau, habt Mitleid mit ihm!' 'Ich will,' sprach sie, 'Mitleid haben, wie ihr wollt. Doch er bittet mich um nichts." Paolo drängt Francesca, weiter zu lesen, und bei den Versen "Sie schloss ihn in die Arme und küsste ihn lange auf den Mund" umarmt er sie stürmisch und beide versinken in einem langen Kuss, aus dem sich Francesca mit einem nicht sehr überzeugend klingenden "No, Paolo!" löst.


    4. AKT
    1. Teil
    (Saal in der Burg der Malatesta)


    Francesca hat eine Auseinandersetzung mit Malatestino. Sie wirft ihm seine Grausamkeit vor, seine Lust am Spionieren und Intrigieren, sein Vergnügen, Menschen zu quälen und zu töten. Malatestino, der die Schwägerin begehrt, nähert sich ihr in eindeutiger Absicht, worauf sie ihm droht, seinen Bruder zu rufen. "Welchen?" antwortet er höhnisch und gibt damit zu erkennen, dass er von ihrem Verhältnis mit Paolo weiß. Gianciotto würde am Abend nach Pesaro reisen, wenn sie es wünsche, würde er ihm eine besondere Wegzehrung mitgeben. Francesca ist entsetzt, sowohl über Malatestinos Bereitwilligkeit, den Bruder zu beseitigen, als auch über die möglichen Folgen für sie.
    In diesem Moment dringen die Schreie eines Gefangenen aus dem Kerker.
    Francesca fleht den Schwager an, die Folter zu beenden, die Schmerzensschreie des Gequälten würden ihr seit Tagen die Nachtruhe rauben. Malatestino verspricht tückisch, ihr "il piu profondo sonno" (den tiefsten Schlaf) zu bescheren, und nach einem neuerlichen vergeblichen Annäherungsversuch ergreift er das Henkersbeil und verschwindet im Kerker. In Panik versperrt Francesca die Türe hinter ihm.
    Gianciotto findet seine Frau völlig aufgelöst vor. Sie berichtet von ihrem Zusammenstoß mit Malatestino, hütet sich aber vor Details und beklagt sich nur vage, der Schwager möge sie nicht. Als sie des Gatten nachdenkliche Miene bemerkt, relativiert sie sogar diese vergleichsweise harmlose Anschuldigung: Malatestino verhalte sich wie ein Kind, wie ein junger Hund müsse er immer beißen. Francesca kann kein Interesse daran haben, dass die Brüder wegen ihr in Streit geraten und dabei vielleicht Dinge ans Tageslicht kämen, die verhängnisvoll für sie wären.
    Sie lenkt daher ab und erkundigt sich angelegentlich nach der Pesaro-Reise ihres Gemahls, vor allem, wie lange ihn diese von Rimini fern halten würde.....
    Ein grauenhafter Schrei aus dem Kerker und anschließende Stille signalisieren, dass das Henkersbeil getroffen hat. Während Gianciotto ungerührt bleibt und diesen Mord als verdientes Ende aller Feinde der Malatestas betrachtet, flieht Francesca entsetzt auf ihr Zimmer.
    Rüde tritt Malatestino gegen die versperrte Türe und wird zu seinem Erstaunen vom Bruder eingelassen. Er überreicht ihm triumphierend ein Bündel mit dem abgeschlagenen Haupt des Gefangenen als "Wegzehrung" , und als er Gianciottos misstrauische Miene bemerkt, übt er sich in tückischer Unterwürfigkeit. Er sei ihm treu ergeben, er, der hässliche Einäugige, ihm, dem hässlichen Krüppel. Nur Paolo sei "il bello".... Doch Gianciotto kennt den Bruder nur zu gut, er durchschaut das Ablenkungsmanöver und fährt ihn grob an, was er Francesca angetan habe. "Hüte dich, Malatestino! Wehe dem, der meine Frau anrührt!" Nun geht der Einäugige in die Offensive: Und wenn er nur derjenige sei, der die Ehre des Bruders verteidige, die vom anderen Bruder ehebrecherisch geschändet worden sei?? Gianciotto weigert sich zunächst, das Ungeheuerliche zu glauben, aber auch unter Androhung körperlicher Gewalt bleibt Malatestino bei seiner Behauptung: Er habe Paolo mehrmals des Nachts Francescas Gemach betreten und erst in den Morgenstunden wieder verlassen sehen. Der Bruder möge sich heute Nacht, wo ihn seine Gemahlin in Pesaro wähnt, selbst davon überzeugen.


    2. Teil (Francescas Gemach)


    Francesca entlässt ihre Damen und kurz danach erscheint Paolo. In leidenschaftlicher Umarmung schwören sie einander ewige Liebe und sinken auf das Bett, wo ihnen "lange Stunden der Freuden" bevorstehen. Dem ist aber nicht so, denn schon während der ersten Küsse begehrt Gianciotto energisch Einlass und droht die Türe einzutreten, sollte ihm nicht sofort geöffnet werden. Paolo will durch eine Falltüre entkommen, verheddert sich aber mit seinem Wams an einem Haken und ist daher noch halb sichtbar, als der gehörnte Ehemann mit gezücktem Schwert hereinstürmt und sich sofort auf den Rivalen stürzt. Blitzschnell wirft sich Francesca dazwischen und empfängt an Paolos Stelle den tödlichen Streich. Er fängt die Sterbende mit seinen Armen auf und wird, da er nun ja völlig wehrlos ist, ebenfalls durchbohrt, worauf die beiden Liebenden eng umschlungen tot zu Boden sinken. Gianciotto kniet neben den beiden Leichen nieder und zerbricht sein Schwert über ihnen.

  • Francesca da Rimini,
    Oper in 4 Akten von Riccardo Zandonai.
    Text von Tito Ricordi nach der gleichnamigen Tragödie von Gabriele D'Annunzio (1901).
    Uraufführung: 19.2.1914 Turin, Teatro Regio
    mit Linda Cannetti • Giulio Crimi • Giuseppe Nessi • Francecso Cigada • Gabriella Besanzoni,
    Dirig. Ettore Panizza.



    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)