Gioachino ROSSINI
IVANHOE
Oper in drei Akten in französischer Sprache
Libretto: Emile Deschamps und Gabriel-Gustave de Wailly (Nach einer
Novelle von Walter Scott)
Uraufführung: 15. September 1826, Theatre-Italien (Paris)
Ort und Zeit der Handlung: England im Jahre 1194
Personen der Handlung:
Cedric, ein Sachse (Bariton)
Ivanhoe, sein Sohn (Tenor)
Leila, Tochter Ismaels (Sopran)
Ismael, ein Muslim (Bariton)
Brian de Boisgiulbert, ein Normanne (Bass)
Le Marquis Lucas de Beaumanoir (Bass)
Albert de Malvoisin (Tenor)
Herold (Tenor)
HANDLUNG
1. AKT
Der Sachse Cedric und seine Ritter heben die Becher auf ihre siegreichen Waffen im Kampf gegen die Normannen. Draußen tobt ein Unwetter. Da klopft es am Tor, Ismael, ein Muselmane, und seine Tochter Leila bitten um Zuflucht. Während die Ritter die Glaubensfeinde voll Abscheu und Zorn hinausweisen, greift ein Pilger, der bisher stumm am Feuer gesessen ist, zu ihren Gunsten ein und verspricht ihnen seinen Schutz. Auch Cedric rühren die flehentlichen Bitten des Mädchens, und gegen die wütenden Proteste der Seinen bietet er den beiden Gastfreundschaft an. Der Waffenstillstand mit dem franz. König Philippe endet am nächsten Tag, wer weiß, welches Schicksal dann ihnen allen bevorsteht.
Nun erzählt Ismael, er sei mit seiner Tochter auf dem Rückweg vom Turnier in Ashby gewesen, als sie von einer Gruppe von Bogenschützen unter der Führung Boisgiulberts im Wald aufgespürt und verfolgt worden seien. Nur mit Mühe gelang es ihnen, im Schutz der hereinbrechenden Dämmerung zu entkommen und sich hierher zu retten. Der Name ihres normannischen Feindes genügt, um die Sachsen nun Partei für die Verfolgten ergreifen zu lassen, Ismael und Leila würden hinter den starken Mauern sicher sein.
Nachdem Cedric und seine Mannen sich zurückgezogen haben, knöpft sich der geheimnisvolle Pilger Ismael vor, dessen Geschichte er anzweifelt. Er vermutet vielmehr einen Spion der Normannen in ihm, doch der Muslim beteuert, ein einfacher Kaufmann und an den politischen Vorgängen völlig desinteressiert zu sein. Nun gibt sich ihm der Pilger zu erkennen: Er ist der Ritter, der während des Kreuzzuges im Hl. Land schwer verwundet von Leila gesund gepflegt worden ist, dies allerdings in Abwesenheit ihres Vaters. Als dieser den Sachsen unter seinem Dach vorfand, warf er ihn unbarmherzig hinaus. Ismael verteidigt sich nun, das der Ehre seiner Tochter schuldig gewesen zu sein, schließlich sei er ein junger Mann. Der Pilger macht ihm jedenfalls klar, dass er sein heutiges Eintreten für ihn nur der ihm erwiesenen Barmherzigkeit seiner Tochter zu verdanken habe.
Alleine, gesteht sich der Ritter ein, dass er nicht nur aus Pflichtgefühl und Dankbarkeit so gehandelt hat, sondern dass er tiefe Gefühle für das Mädchen hegt. Er schwört, sie gegen alle Feinde zu verteidigen und ihrem Herzen den Frieden zurückzugeben.
Ein normannischer Herold erscheint und fordert im Namen seines Herren, Boisgiulbert, die Herausgabe von Ismael und Leila, die seine Sklaven seien. Im Falle einer Weigerung würden die Normannen die Festung stürmen. Stolz tritt ihm der Pilger entgegen: Er sei ein Ritter, den Boisgiulbert wohl kenne, und er werde ihn mit der Lanze auf den Mauern erwarten. Dann gibt er sich als Ivanhoe zu erkennen, Cedrics Sohn, bei dem er in Ungnade gefallen ist, als er sich im Hl. Land nach dem Tod des letzten sächsischen Königs Olric und der Entführung von dessen Tochter Edith dem normannischen König Richard Löwenherz angeschlossen hat. Diesen Verrat konnte ihm der Vater nie verzeihen. Nun hofft Ivanhoe, durch Tapferkeit vor dem Feind des Vaters Gunst zurückzugewinnen. Auch Leilas Herz schlägt schneller, als sie in Ivanhoe den Ritter erkennt, den sie einst gesund gepflegt und offensichtlich nie vergessen hat. Entschlossen, den Normannen die Stirn zu bieten, eilen die Männer zu den Waffen.
Ismael verflucht das Tournier und seine Schwäche, dem Wunsch Leilas nachgegeben zu haben, die unbedingt nach Ashby gewollt hat. Wären sie doch im Lager des französischen Königs geblieben, in dessen Tross sie aus Palästina nach England gekommen sind. Statt dessen sind sie nun mitten in die Auseinandersetzung zwischen Sachsen und Normannen hineingeraten, deren Ausgang höchst ungewiss ist. Zu Leilas Schrecken wird Ivanhoe verwundet hereingebracht, während im Hintergrund die Normannen ihren Sieg bejubeln. Hilflos muss er mit ansehen, wie das Mädchen kurz darauf von Boisguilbert und seinen Bogenschützen verschleppt wird. Er kann nicht mehr tun, als dem Normannen seinen Racheschwur nachzuschleudern.
2. AKT
Leila sitzt in ihrer Kemenate im Donjon der Festung St. Edmond. Sie träumt von Ivanhoe, den sie gegen alle Vernunft und Glaubensgrundsätze liebt, und fleht ihn im Geiste an zu ihrer Rettung zu erscheinen. Statt dessen tritt ihr Entführer Boisguilbert herein. Leila flüchtet auf den Altan und droht in die Tiefe zu springen. Vergeblich redet Boisguilbert mit Engelszungen auf sie ein, beteuert ihr seine aufrichtige Liebe, schwört einen heiligen Eid, ihr nicht zu nahe zu kommen und scheint ehrlich verzweifelt zu sein, als all dies nichts fruchtet und Leila sich hartnäckig weigert, mit ihm auch nur zu sprechen. Lieber den Tod als sich mit ihm einzulassen! In diese Pattsituation platzt Malvoisin mit schlechten Nachrichten: Erstens sei der Marquis von Beaumanoir erzürnt über Boisgiulberts eigenmächtigen Angriff auf Cedrics Festung, da man eben dabei sei, ein Bündnis mit den Sachsen gegen den gemeinsamen Feind, den franz. König, zu schließen, und zweitens habe man einen Brief Leilas abgefangen, in dem sie Sachsen und Franzosen um Hilfe gegen die Normannen gebeten hätte.
Schon kündigen Trompeten die Ankunft des Marquis an. Boisgiulbert scheint tatsächlich etwas an Leila zu liegen, denn anstatt dem zu erwartenden Donnerwetter zu entgehen, hat er nur ihre Rettung im Sinn. Aber es ist zu spät, die Ritter kommen bereits um sie vor den Gerichtshof zu laden. Boisgiulbert fühlt sich zurecht schuldig an ihrer Lage und verspricht sie zu begleiten und alles zu ihrer Verteidigung zu unternehmen.
In der großen Halle von St. Edmond's Castle tagt der Gerichtshof unter dem Vorsitz des Marquis. Die Ritter ergehen sich in Hasstiraden gegen die "treulose Rasse" der Muslime, die gegen den rechtmäßigen Gott rebelliert und damit ewige Verdammnis verdient hätten. An Leila will man nun ein Exempel "a l'univers" (für die ganze Welt) statuieren, sie soll sterben. Sie wird hereingeführt, gefolgt von Boisgiulbert und Malvoisin. Beaumanoir verliest die Anklageschrift: Leila wird beschuldigt, im Auftrag König Philipps einen Bürgerkrieg zwischen Sachsen und Normannen angestiftet zu haben, als Beweis gelten ihre Kontakte zu Ivanhoe und der abgefangene Brief. Sie wird zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Während Leila verzweifelt ihre Unschuld beteuert und die Ritter auf dieses Urteil höchst erfreut reagieren, lässt ihr Boisgiulbert heimlich eine Nachricht zustecken. Als Folge davon fordert sie zur allgemeinen Verblüffung ein Gottesurteil - ein ritterlicher Zweikampf solle ihre Unschuld beweisen. Natürlich will Boisgiulbert ihr Verteidiger sein, was Leila anscheinend akzeptiert. Den Rittern behagt diese unerwartete Wendung der Dinge überhaupt nicht, missmutig beobachten sie, dass Leila offensichtlich neue Hoffnung schöpft und sie womöglich um das Spektakel des brennenden Scheiterhaufens gebracht werden.
Da taucht plötzlich Ismael auf und fleht vergeblich um das Leben seiner Tochter. Wieder schwört Boisgiulbert, mit "seinem Blut die Flammen zu löschen", aber da überreicht man ihm im Auftrag Beaumanoirs den Fehdehandschuh mit der Aufforderung, im Gottesurteil für die normannische Seite anzutreten. Zwischen Pflichtbewusstsein und Liebe hin und her gerissen, siegt schließlich sein Vasalleneid, und schweren Herzens überlässt er Leila ihrem scheinbar aussichtslosen Schicksal.
Auch sie ist nun überzeugt, dem Tod nicht mehr entrinnen zu können.
3. AKT
Ivanhoe ist es inzwischen gelungen, der Aufsicht seines Vaters zu entwischen, der natürlich ahnt, was sein Sohn im Schilde führt. Allerdings hat ihm Cedric den Zugang zu den Waffen verwehrt, sodass Ivanhoe nun zwar vor der Festung seines Rivalen steht, aber keine Ahnung hat, wie er Leila befreien soll. Da trifft er auf Ismael, der ihn umgehend über das furchtbare Schicksal seiner Tochter aufklärt. Natürlich will Ivanhoe im Gottesurteil für sie in die Schranken treten, leider mangelt es ihm dafür an der nötigen Ausrüstung, die Ismael zu beschaffen verspricht.
Inzwischen beschwört Boisgiulbert seinen Getreuen Malvoisin, Leila zur Flucht zu verhelfen. Aber der sorgt für Ernüchterung: Will er wirklich seinen Rang, seinen guten Ruf wegen einer unsinnigen Leidenschaft aufs Spiel setzen, um eine Treulose zu retten, die einen Sachsen ihm vorzieht?? Nein, das will Boisgiulbert denn doch nicht, und rasch schlägt seine Stimmung um. Er erinnert sich an Leilas beleidigende Zurückweisung und ist nun entschlossen, für die normannische Sache zu kämpfen.
Aber kaum alleine, beschleichen ihn schon wieder Zweifel. Hätte er Leila nicht entführt, aus Liebe entführt, wäre sie nie verurteilt worden - also ist es seine Pflicht, sie auch zu retten. Verliert er absichtlich den Zweikampf, verliert er damit aber auch seine Ehre - und dieser Preis scheint ihm doch zu hoch. Die Ritter, die den Zaudernden beobachten, akklamieren ihn aufmunternd als ihren "unbesiegbaren Anführer", und Boisgiulbert entscheidet sich endgültig gegen Leila und für seine Pflicht als Normanne.
Leila wird zur Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen gebracht. Während die Frauen des Chores Gott um Gnade für eine Unschuldige anflehen, drängen die Männer darauf, das Urteil rasch zu exekutieren.
Da erscheint ein Ritter mit geschlossenem Visier, präsentiert sich als Gottesstreiter für Leila und fordert Boisgiulbert zum Zweikampf. Als dessen Mannen über die Identität des unbekanten Ritters spötteln und meinen, ihr Herr werde sicher gegen keinen "No-name" kämpfen, gibt sich Ivanhoe zu erkennen. Boisgiulbert verweigert zunächst den Kampf mit dem Hinweis auf Ivanhoes verletzungsbedingte Schwäche, doch als dieser ihm Feigheit unterstellt, nimmt er die Herausforderung an. Beide entfernen sich.
Ismael, der von den Normannen vom Ort des Geschehens vertrieben worden ist, bangt dem Ausgang des Zweikampfes entgegen. Da eilt Cedric herbei, der die ungleiche Konfrontation - auch er glaubt Ivanhoe gehandicapt - verhindern will, zunächst aber nur den Leilas Vater vorfindet. Der beschwört ihn, das Mädchen zu retten, und lüftet nun ihre wahre Identität: Sie ist nicht sein Fleisch und Blut, sondern Edith, die verschwundene Tochter des Sachsenkönigs. Olric hat sie auf dem Schlachtfeld seiner Obhut anvertraut. Cedric ist glücklich, die Nichte Alfred des Großen am Leben zu wissen - noch am Leben zu wissen, denn wem die Siegesschreie gelten, die nun an ihre Ohren dringen, wissen sie nicht.
Nach bangen Minuten des Wartens nähert sich Ivanhoe mit der befreiten Leila. Gott habe im Namen der Unschuld seine Lanze gelenkt und ihm den Sieg verliehen. Cedric eröffnet dem Mädchen ihre wahre Herkunft, fordert sie auf, sich wieder dem Gott ihrer Väter zuzuwenden und segnet die Verbindung mit seinem Sohn. Nur zu gern erfüllt Ivanhoe diesen Wunsch seines Vaters und bittet Leila/Edith, seine Frau zu werden.
Der Marquis de Beaumanoir akzeptiert das Gottesurteil, der Verräter hätte seine Untaten gestanden. Ivanhoe aber fordert Sachsen und Normannen auf, den Zwist auf immer zu begraben. Sie alle seien Engländer, und der gemeinsame Feind heiße Frankreich, gegen den sie nun vereint in die Schlacht ziehen werden. Malvoisin sekundiert ihm: "Aux armes, chevaliers!" (Zu den Waffen, Ritter!) Jubelnd stimmen alle in diesen Ruf mit ein, auch Ismael an der Seite Cedrics. Es geht gegen Philippe, und sie werden siegreich zurückkehren!