Beiträge von Misha

    Eine schöne, im konservativen Sinne werktreue Inszenierung (die es übrigens in der Premierenbesetzung 2017 auf DVD gibt). Eyvazov singt auch in der WA den Chénier. An seiner Seite jetzt Yoncheva statt Netrebko (die übrigens im Publikum saß) mit ihrem Rollendebut. Die Protagonisten wirklich herausragend (einschl. des mir bis dato unbekannten Enkhbatyn Amartüvshin als Gérard). Marco Armiliato dirigierte das Orchester der Scala, das ebenso wie die Protagonisten (von denen ich noch Elena Zilio als Madelon hervorheben möchte) zu Recht einhellig bejubelt wurde.

    Die Vorstellung wurde übrigens sowohl vom MDR (Klassik und/oder Kultur) als auch von irgendeinem Kanal des Deutschlandfunks live übertragen und soll dort angeblich als Stream in irgendeiner Mediathek noch einige Zeit zur Verfügung stehen. Interessierte können also reinhören.


    Die nächsten Premieren in Leipzig sind übrigens Otello im Dezember und Don Giovanni im Januar(also zwei „Schwergewichte“ des Repertoires). Boshafter alter Mann, der ich bin, erwarte ich mit besonderer Spannung die Lösung des „Otello Problems“. Die Besetzung weist zur Zeit einen weißen Sänger aus.
    Ganz besonders freue ich mich dann auf die Premiere von Peter Grimes im nächsten Jahr.

    Nun also die erste Premiere nach dem Ende der Ära Schirmer. Und die lässt in musikalischer Hinsicht viel, in szenischer Hinsicht wenig Gutes erahnen, wenn dies denn eine Ansage zur künftigen Ausrichtung der Oper sein sollte.
    Überraschend schon die Wahl des Stückes. Die Undine von Lortzing ist ja nun nicht gerade ein häufiger Gast auf den Bühnen, was sicherlich nicht gegen das Stück spricht. Und obwohl Lortzing nach meiner Kenntnis im Ausland recht wenig bekannt ist, waren doch zahlreiche fremdsprachige Gäste unter den Zuschauern.

    Die Premiere war auch seit längerer Zeit ausverkauft. Vielleicht haben viele die Gelegenheit genutzt, sich das Stück mal auf der Bühne anzusehen. Auch für mich war das insoweit eine persönliche Premiere, als ich zwar Aufnahmen der Undine besitze, das Stück aber noch nie im Theater erlebt habe.

    Nun muss ich einräumen, dass Lortzing nicht unbedingt zu meinen Lieblingskomponisten gehört.

    Trotzdem hat die Undine – jenseits des bekannten Liedes des Veit im dritten Akt – etliche schöne Stellen und gegen Ende sogar deutliche musikdramatische Ansätze. Lortzing arbeitet in dem Stück auch schon sehr weitgehend mit Leitmotiven.

    Musikalisch also durchaus ein anregender und erfreulicher Abend, zumal das Stück vom neuen musikalischen Leiter der Oper, Christoph Gedschold, mit dem bestens aufgelegten Gewandhausorchester hervorragend umgesetzt wurde.
    Die Besetzung i mit größtenteils bewährten, teils neuen Kräften des Hauses gut bis ausgezeichnet. Es wäre unfair, hier an Einzelleistungen herum zu mäkeln. Jedenfalls die Hauptrollen waren ausgezeichnet besetzt. Hervorheben will ich allerdings den ganz ausgezeichneten Kühleborn von Matthias Hausmann, der sowohl darstellerisch als auch sängerisch mal wieder eine ganz herausragende Leistung bot.

    Nun haben ja die Inszenierungsteams unserer Zeit ohnehin so ihre Probleme mit märchenhaften, fantastischen Stoffen. Dem Programmheft war zu entnehmen, dass der Stoff "in die Gegenwart übersetzt" werden sollte, was ich aber dem Resultat nicht entnehmen konnte. Die "Inszenierung" beschränkte sich nämlich darauf, die Darsteller in läppische bis ausgesprochen alberne Kostüme (die Männer im Chor sahen aus, wie man sich den deutschen Klischee Touristen auf Mallorca vorstellt) zu stecken. Solche Albernheiten denunzieren ein für den heutigen Geschmack ohnehin etwas problematisches Stück. Das Bühnenbild bestand aus einer großen Holztreppe Und sonst nichts. Wenn man sich das Foto auf der Facebook Seite der Oper ansieht, hat man im Grunde genommen schon die gesamte Inszenierung gesehen. Lediglich für das Schlussbild wurde dann die Bühnentechnik im Rohzustand hochgefahren, was dann angeblich die Unterwasserwelt symbolisieren sollte.
    Von Personenregie keine Spur. Größtenteils Rampengesang. Meiner Meinung nach war das (junge) Team mit der Inszenierung dieser Oper völlig überfordert. Gerade Spiel- und Zauberopern sind meiner Meinung nach nichts für Anfänger, sondern fordern die Hand eines erfahrenen Regisseurs. Sonst kommt eben ein derart läppisches Resultat dabei heraus. Ich will ausdrücklich klarstellen, dass ich mich an eine „modernen“ Inszenierung à la Regietheater möglicherweise an Einzelheiten gestoßen hätte, da ich ja Traditionalist bin . Aber immerhin hätte es evtl. etwas Interessantes zu sehen gegeben, an dem ich mich hätte reiben können und das Denkanstöße gegeben hätte. Wie gesagt, die Inszenierung und das Bühnenbild waren einfach einfach albern und banal.

    Am Ende großer Applaus für Orchester, Chor (wie immer ganz ausgezeichnet) und Solisten. Etliche Buhs für das Inszenierungsteam.

    Eine nette Aufnahme mit guten Sängern, einem kompetenten Dirigenten und guter Aufnahmetechnik. Aber: Muss man nicht haben. Wieder so eine Aufnahme, die man gerne hört, die aber im Ergebnis dann doch platzwegnehmend dauerhaft irgendwo im Archiv der Sammlung landet. Will ich wirklich mal die ganze Cavalleria hören, habe ich Besseres. So geht es mir leider inzwischen oft, so dass ich überlege, auf eine hybride Sammlung umzusteigen: Das Erstklassige physisch, das der Vervollständigung dienende nur noch elektronisch zum vergleichenden "Reinhören".

    Die Häme, mit der politisch korrekte Journalisten nun Frau Netrebko bedenken, finde ich unerträglich. "Right or wrong my country", eigentlich ja amerikanischen Ursprungs, aber im angelsächsischen Raum allgemein populär, scheint für die Russen nicht zu gelten. Mir nötigt Gergiev immerhin insofern Respekt ab, als er - ebenso wie Schröder übrigens - seinen "Freund" Putin nicht für die 30 Silberlinge öffentlicher Belobigung verkauft hat. Netrebko hat es hingegen geschafft, sich zwischen alle Stühle zu setzen.


    Ansonsten: Die "Amata" CD ist ein Machwerk ohne künstlerischen Wert. Abgesehen von der kuriosen Auswahl der Arien, bietet Netrebko - häufig an oder bereits jenseits ihrer verbliebenen stimmlichen Möglichkeiten singend - einen Einheitsbrei, bei dem jedes Stück gleich klingt und die jeweiligen Protagonistinnen keinerlei musikalische Gestalt annehmen. Nach der bereits völlig misslungenen Strauss CD mit ihrem vokalen Einheitsbrei (da habe ich noch auf einen "Ausrutscher" gehofft) ein neuer Tiefpunkt.

    Nett gemacht. Distanziereritis ist der Gratismut einer Generation, der man in großen Teilen jede Form von tatsächlicher physischer Wehrhaftigkeit absprechen muss.

    Hier nun mein (altersmilder) Bericht; Fehler bitte der Spracherkennung anlasten ;-) :



    Das Haus war für eine Wagner Premiere überraschend leer fand ich, bis mir dann einfiel, dass ja noch eine Kapazitätsbegrenzung für die nächsten Tage gilt. Ansonsten wieder mal eine „normale“ Premiere sogar mit Gastronomie in der Pause, was schon seit Ewigkeiten nicht mehr der Fall war.



    Um es kurz zu machen: Musikalisch ist meines Erachtens zumindest in der Besetzung der von mir besuchten Premiere das Ganze ein Erlebnis.



    Fand ich zu Beginn das Vorspiel auch noch reichlich flott und „unsinnlich“, steigerte sich doch insgesamt das Gewandhausorchester unter der sicheren Leitung des künftigen Chefs Christoph Gedschold zur Bestform. Irgendwelche Patzer habe ich auch in den heiklen Passagen nicht gehört, und auch die von mir recht ungeliebte Ouvertüre zum dritten Akt gerät nicht als das lärmend dröhnende Orchestestück, als das sie oft dargeboten wird. Wie schon eingangs erwähnt sind die Tempi eher zügig (was man auch an der relativ kurzen Aufführungsdauer merkte).



    Frau Scherer als Elsa hat einen wohlklingenden höhensicheren Sopran , ist allerdings vom Timbre her nicht unbedingt die beseelte Jungfer sondern eher eine von Ängsten getriebene Hysterikerin (ohne jemals "schrill" zu klingen!). Sie hatte zu keinem Zeitpunkt Probleme sich (sehr wortdeutlich) gegenüber dem Orchester durchzusetzen.



    Bei Klaus Florian Vogt, dessen knabenhaft androgynes Timbre für Lohengrin meines Erachtens rollendeckend ist, machten sich vielleicht ein oder zweimal leichte „Rauhheiten“ in der Stimme bemerkbar. Ansonsten kann er die Partie mühelos und differenziert gestalten und die Gralserzählung war makellos und kraftvoll gesungen. Er beherrscht aber eben auch die leisen Töne mit schönen piani. Auch bei ihm ist die Wortdeutlichkeit hervorzuheben. Ich bin bei Wagner bekanntlich kein KFV Freund, aber es macht große Freude ihm als Lohengrin zuzuhören. Ein absoluter "Leckerbissen".



    Ein Sonderlob gebührt dem Sänger des Heinrich, Günther Groissböck, der aus der (meiner Meinung nach undankbaren) Partie ein Maximum herausholte und einen wohlklingenden und voluminösen Bass hat.



    Matthias Hausmann sang den Heerrufer mit deutlicher, für meinen Geschmack etwas heller Stimme und gab der (in der Inszenierung aufgewerteten) Rolle das mögliche stimmliche Profil.



    Simon Neal als Telramund hatte natürlich mit der sehr eigenwilligen (dazu später) Inszenierung zu kämpfen, sang aber gleichfalls sehr deutlich, wenn auch teilweise meiner Meinung nach an den Grenzen seiner Möglichkeiten an den sehr expressive Stellen.



    Katrin Göring, bewährte Hauskraft, hatte teilweise mit dem Orchester zu kämpfen und ich fand sie mehr schrill als dämonisch. Für sie dürfte die Partie meines Erachtens grenzwertig sein. Eine großartige Sängerdarstellerin ist sie allemal.



    Die kleinen Kritikpunkte vorstehend sind aber wirklich Beckmesserei. Alle Protagonisten sangen auf sehr hohem Niveau.



    Ein extra Lob gebührt mal wieder dem Chor der Leipziger Oper, der ganz besonders unter der Inszenierung zu leiden hatte, aber mit gewohnter Präzision und wuchtiger Durchschlagskraft sang.



    Zur Inszenierung:



    Ich empfinde es immer als störend, wenn das Vorspiel „inszeniert“ wird. So auch hier. Während der Klänge des Vorspiels ist die Bühne bereits offen, man sieht eine verzweifelte, händeringende Elsa und im Hintergrund die Eheleute Telramund an einem langen Tisch. Meiner Meinung nach lenkt diese Pantomime, die auch keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn bringt, da sie nichts anderes inszeniert, als was man der Erzählung von Elsa ersten Akt entnehmen kann, nur von der Musik ab.



    Wie bereits in den Ausschnitten auf Facebook vom Regisseur zu hören, fast er das Ganze als Personendrama zwischen drei Personengruppen (König/Heerrufer, Ortrud/Telramund und Lohengrin/Elsa auf. Das mag ein interessanter Ansatz sein. Allerdings hat er meines Erachtens kein schlüssiges Gesamtkonzept daraus gemacht.



    Sehr positiv hervorzuheben ist die ausgefeilte Personenregie und die Arbeit mit den einzelnen Darstellern. Da wurde wirklich Theater gespielt und das ganze erschöpfte sich nicht in Standard Bühnengesten. Das Beziehungsgeflecht wurde szenisch klar, wenn auch manchmal etwas des Guten zu viel war.



    Nun hatt das Team allerdings einige “originelle“ Einfälle, die es offenbar so gut fand, dass es sie ohne Rücksicht auf die Schlüssigkeit unbedingt umseetzen musste.


    So wird aus dem Heerrufer eine Art sinisterer Staatssekretär oder Regierungssprecher, der in undurchsichtiger Weise im Hintergrund die Fäden zu ziehen scheint, und mit einer Pistole in der Hand herumfuchtelt zunächst Elsa, später dann Gottfried zu bedroht, um wohl am Ende Ortrud zu erschießen obschon er – auf ihr Geheiß – zunächst auf Gottfried gezielt hat. Meine Frau erinnerte er übrigens an Tschikatilo ;-) . Richtig klar wird aber mE seine Rolle eben nicht.



    Ebenso "originell" sicher auch der Einfall, dass Telramund blind ist. Das mag er im übertragenen Sinn sein. Nur funktioniert physische Blindheit samt Blindenstock eben mit Stück und Handlung einfach nicht und wird zB bei der Zweikampfszene völlig absurd.



    Ortrud, die ständig am Heerrrufer rumfummelt, als Person darzustellen, die auch ihre Sexualität als Machtinstrument einsetzt, halte ich für durchaus plausibel und für einen recht guten Einfall.



    Lohengrin wird gemeinhin als „Choroper“ angesehen. Der Chor spielt ja auch in der Tat eine wichtige Rolle in dem Stück. Ein großes Problem für den Regisseur ist es daher, den Chor während des Stücks auf der Bühne zu bewegen oder sonst etwas Plausibles mit ihm anzustellen. Wieland Wagner hat das in der berühmten „blauen Inszenierung“ nach meiner Erinnerung so gelöst, dass er den Chor quasi wie in einem Oratorium aufgestellt hat. Es gibt da sicher einige Möglichkeiten. Man kann es natürlich auch so machen, wie der Leipziger Regisseur: Der Chor findet szenisch überhaupt nicht statt. Zunächst habe ich gedacht, dass ich einen Platz zu weit außen habe, weil ich den Chor nicht gesehen habe. Dann stellte sich aber heraus, dass der Chor während der gesamten Aufführung in einer Kiste verborgen war, einem riesigen Klotz, der die große Leipziger Bühne quasi in zwei Hälften teilte. Gelegentlich konnte man, wenn die Kiste etwas transparenter wurde, die Sänger mit Campingstühlen, auf denen sie gelegentlich Platz nehmen konnten, hinter einer Art Gefängnisgitter erkennen. Irgendein Konzept vermochte ich dahinter nicht zu erkennen. Meiner Meinung nach ist dem Mann schlicht nichts eingefallen.



    Der (naturalistische) Schwan wird übrigens, nachdem einige Federn vom Himmel gefallen sind, von Lohengrin in einer Art großen transparenten Kugel vor sich hergetragen. Hört sich seltsam an, sieht aber ganz gut aus und ist allemal besser als die Lösungen, die den Schwan weginszenieren.



    Ansonsten ist die Bühne sehr karg. Der Regisseur fühlte sich während der Inszenierung nach eigener Aussage immer an „Der Himmel über Berlin“ erinnert (Lohengrins Wunsch nach menschlichem Glück), man könnte, wenn man die Szene sieht, auch meinen, man sieht ein Drama von Ibsen.

    Ansonsten: Einige Tische, Stühle und auf der anderen Seite der Bühne eine Art Podest.



    Im Ergebnis meine ich, dass es eine sehr gute Personregie, einige originelle, sogar einige gute Einfälle gab, aber kein überzeugendes Gesamtkonzept. Trotzdem halte ich die Inszenierung, wenn man sich nicht gerade einen märchenhaften Lohengrin wünscht (ich erinnere mich noch gern an die Herzog Inszenierung in Bayreuth,) sondern bereit ist, sich an einer szenischen Deutung mit Fokus auf der Psyche der Protagonisten auch mal zu „reiben“, durchaus für sehenswert. Dies hängt aber zum großen Teil auch damit zusammen, dass auf der Bühne ausgezeichnete Sängerdarsteller agieren.


    Gesamturteil: Musikalisch eine weite Reise wert; szenisch interessant.


    Das Leipziger Wagner Repertoire ist nun komplett und der Lohengrin gehört sicherlich musikalisch zu den Highlights und szenisch zu den interessanten Deutungen.

    Nachdem die Versuche KWs Inszenierung in Barcelona im Rahmen der heute üblichen Mehrfachverwertung der Erzeugnisse "berühmter" Regisseure für Leipzig zu adaptieren scheiterten, inzeniert jetzt Patrick Bialdyga, der schon länger am Haus arbeitet, mir aber als Regisseur bislang nicht aufgefallen ist. Einige Äußerungen auf dem FB Kanal der Oper schienen mir recht schlüssig, eine visuelle Kostprobe ist jetzt auf dem YT Kanal der Oper verfügbar.

    https://www.youtube.com/watch?v=yTmc3jtcofY


    Die Titelrolle singt KFV. Ich bin, was man ja in meinen älteren Rezensionen nachlesen kann, kein großer Freund dieses Sängers im Wagnerfach, mache aber bei Lohengrin eine Ausnahme. Mal sehen, in welcher Verfassung er sich heute Abend präsentiert.

    Meine Eindrücke von der Premiere werde ich gelegentlich an dieser Stelle schildern.


    Mit Lohengrin sind dann die 13 Werke des Meisters komplett im Repertoire, größtenteils als relativ neue Inszenierungen szenisch von sehr unterschiedlicher musikalisch aber in der Regel von ausgezeichneter Qualität.

    Höhepunkt wird dann im Juni/Juli 22 "Wagner 22" sein. Bei dem Festival - gleichzeitig auch Höhe- und Endpunkt des Wirkens des um Leipzig sehr verdienten GMD-Intendanten Ulf Schirmer - werden mit umfangreichem Rahmenprogramm alle 13 Werke in der Reihenfolge ihres Enstehens (Ausnahme Ring) aufgeführt.

    ME war dieser unselige Radikalenerlass, mit dem man vielen tüchtigen jungen Leuten ohne Not die Zukunft verbaut hat, eine der Ursachen für den Terrorismus und sein Sympathisantenumfeld in den 70ern.

    Lieber Holger, ich habe mitnichten und mit keinem Wort die Situation in Russland mit der in Deutschland auch nur andeutungsweise verglichen. Das entspricht nicht den Tatsachen und wäre, da gebe ich Dir völlig recht, in keiner Weise gerechtfertigt.


    Ungeachtet dessen bin ich ein Feind jeglicher Form von Zensur und dazu gehört meines Erachtens auch das Erschweren oder die Herstellung der Unmöglichkeit des Zugangs zu „Feindsendern“. Der mündige Bürger hat das Recht sich selbst ein Urteil zu bilden.


    Was die Leidensfähigkeit der Russen angeht bezieht sich meine Äußerung allein darauf, das ich schlicht nicht glaube, dass man mit den von mir genannten Maßnahmen bei der russischen Bevölkerung etwas erreichen wird. Abgesehen davon, dass ich nicht der Meinung bin, dass man Netflix oder die Erzeugnisse von Macdonald (die ein Mensch, der gewisse Anforderungen an Geschmack und Qualität seiner Nahrungsmittel stellt, ohnehin nicht zu sich nimmt) für ein „gutes Leben“ braucht, geht es mir darum, dass im Westen die Indolenz der Russen gegenüber derartigen Sanktionen unterschätzt wird. Der typische Russe ist bei weitem nicht so hedonistisch geprägt wie der typische Westeuropäer und ohnehin mehr an traditionellen Werten wie Patriotismus (ua auch geprägt durch die kollektive Erinnerung an den „großen vaterlàndischen Krieg“, nicht ohne Grund hat Putin in seiner Rede zum 8. März darauf angespielt) orientiert.

    1.

    Bzgl. der oben erwähnten Energiepreise gehe ich davon aus, dass etliche Politiker offiziell Krokodilstränen darüber weinen, sich aber klammheimlich sehr darüber freuen, dass die aktuelle Krise den grünen Traum von extremen Spritpreisen zur Bekämpfiung des Individualverkehrs realisiert.


    2.

    Zur Cancel Culture bzgl russischer Künstler hatte ich mich (auch unter Berücksichtigung der Besondeheiten der causa Gergiev) bereits geäußert. Wofür ich null Verständnis habe ist die Absage/Änderung von Musikprogrammen (bei Tschaikowsky, der als Homosexueller zu einer im System Putin diskrimierten Gruppe gehört, ein tragikkomischer schlechter Witz!) und das Literaturbashing bzgl. zB Dosotojewsky. Das ist absurd. Auch dass ich, um mal RT zu schauen, jetzt VPN benötige, lässt mich im "besten Deutschland aller Zeiten" eher an China denken. Vermutlich halten BRD und EU den Bürger aber für zu blöd, Propaganda von Information zu unterscheiden. Mit dieser Einstellung kann man aber gleich die Demokratie in Frage stellen. Ich entscheide gern selber, aus welchen Quellen ich mir ein Urteil bilde und habe - anders als mancher führender Politiker - ein abgeschlossenes Hochschulstudium und Bewährung in einem Brotberuf.


    3.

    Ich besitze von Gegiev alle Mariinsky Schostakovich Aufnahem; zur qualitativen Einordnung im Katalog sind andere berufener; ich höre sie gerne.


    Für unverzichtbar in einer Wagner Sammlung halte ich die referenzverdächtige "Walküre". "Rheingold" leidet unter der sehr schlechten sprachlichen Umsetzung, ist aber musikalisch auch hervorragend. Ich hatte beide Aufnahmen bereits besprochen. Leider wurde der Zyklus nicht fortgesetzt.


    Eine weitere besonders geschätzte Aufnahme in meiner Sammlung ist noch die Debussy Aufnahme (La Mer, Prelude...,Jeux) mit dem LSO.


    Gänzlich absurd wird die aktuelle Russophobie, wenn man bedenkt, dass fast 20 % der Bürger der Ukraine Russen sind (und die haben die Truppen Putins keineswegs freundlich begrüßt, wie jener wohl erwartet hatte). Selensky als Lichtgestalt zu verklären, mag aus Propagandagründen zur Zeit zweckmäßig sein, entspricht aber keineswegs der Realität wie jeder weiß, der (wie ich) enge familiäre und freundschaftliche Bindungen in die Ukraine hat.


    Ansonsten denke ich, dass sich die Russen von den aktuellen Boykott Maßnahmen nicht sehr beeindrucken lassen. Der (sicherlich unverdächtige) MDR berichtete vor zwei Tagen, dass die Sanktionen dazu geführt haben, dass die Zustimmung zur Putins Politik bei steigender Tendenz neue Höchstwerte reicht hat. Und im übrigen denke ich, dass ein Volk, dass zum Beispiel die Blockade von Leningrad überstanden hat, mit Sicherheit auch den Entzug von Netflix und Macdonalds überleben wird.

    Hasiewicz hat nicht ganz unrecht. Abgesehen davon, dass diese Geschichten in der Presse um "Reichtum und Paläste" ersichtlich auf "Aversion durch Neid" zielen, ist ja neureiche Protzerei keineswegs ein ausschließlich russisches Phänomen.


    Im übrigen denke ich, dass es unmoralisch ist, Künstler unter Androhung von Existenzvernichtung (als Künstler) zu einer Äußerung zu zwingen oder in Loyalitätskonflikte zu pressen. Etwas anderes ist es mE, wenn der Betreffende - wie im Fall Gergiev - selbst wiederholt klar Position bezogen hat. Allerdings war der Standpunkt des Maestro ja lange bekannt; insoweit hat die nacheilende politische Korrektheit im Umgang mit ihm schon ein"Geschmäckle".

    Batistellis Oper - ein Einakter in "Rheingold" Länge als Auftragswerk des Fenice - beruht auf einem Stück von Goldoni ("Viel Lärm in Chiozza") und thematisiert verbale und durchaus auch handgreifliche Konflikte im Fischerdorf Chioggia. Thema: Eifersüchteleien, Beziehungsprobleme, die durch das Eingreifen eines als deus ex machina fungierenden "Adjunkten" durch Verheiratung aller Paare gelöst werden. Also ein "klassischer" Komödienstoff.


    Das Stück hat den rasanten Schauspielcharakter behalten, mit einigen "Prügelszenen". Natürlich kommen die Pointen über die englischen (und übrigens auch italienischen, da das Stück im venezianischen Dialekt geschrieben ist) Übertitel nur verzögert und unvollständig rüber. Die Inszenierung hatte Tempo und "Spielwitz"; ich fand das Ambiente reichlich trist (was aber durchaus adäquat zur sozialen Wirklichkeit der Akteure sein dürfte).
    Musikalisch gibt es einige schöne und sogar anrührende Momente, vieles empfand ich aber auch als regelrecht "lärmend".
    Eine Kritik mit musikalischer Kostprobe findet sich hier:

    https://www.ardaudiothek.de/ep…landfunk-kultur/10311019/

    Endlich also mal wieder eine "richtige" Premiere in der Leipziger Oper. Konzession an Covid waren Lücken im Saal, 3G und Datensammlung. Damit kann man leben.


    Einige kurze Anmerkungen:


    Stars des Abends waren der Chor der Oper mit einem Höchstmaß an Präzision und einer geradezu atemberaubenden Wucht im "Wacht auf" sowie das Gewandhausorchester, das in Bestform spielte. Wie eigentlich stets bevorzugt der GMD auch bei den Meistersingern einen üppigen, süffigen Klang.


    Die Leistung des Ensembles war durchweg gut.


    Rutherford ist sicher nicht der stimmschönste Sachs, den ich erlebt habe, aber er singt tadellos und ohne merkliche Ermüdungserscheinungen.


    Magnus Vigilius als Stolzing sei noch gesondert erwähnt, der - bei attraktiver Bühnenerschinung - etwas mit dem "Haudrauf" übertreibt, der nichts in der Welt mehr fürchtet als das Piano. Er trompetet mit einer Lautstärke durch die Partie (teils recht angestrengt), dass das nun keine rechte Freude ist.


    Die Inszenierung hatte einige nette Einfälle im Detail bei der Personenregie, war aber ansonsten eher belanglos und verhalf mir (wie so oft) zu keinerlei neuen Einsichten bzgl. des Werks; kurios wenn die Akteure in einem Amphitheater durch ein Holzmodell Nürnberg laufen und dabei aufpassen müssen, sich nirgendwo zu verhaken oder zu stolpern; ärgerlich dann dort, wo die "Festwiese" szenisch so "fröhlich" abläuft, wie ich mir eine Parteitagsfeier in Nordkorea vorstelle.

    Musikalisch sicher eine uneingeschränkte Empfehlung; szenisch einigermaßen erträglich.

    „Nessun Dorma“


    So hat die Oper Leipzig ihren Konzertabend mit Arien und Szenen aus italienischen Opern genannt, den wir gestern besucht haben. Das Programm bestand in erster Linie aus „Hits“ aus populären Opern von Verdi, Puccini und Donizetti. Das Ganze dauerte ohne Pause anderthalb Stunden.


    Das Haus war entsprechend dem Hygienekonzept mit fünf Plätzen Abstand zwischen den Besuchern natürlich nur zu einem kleinen Teil gefüllt. Aber man merkte allen Besuchern an, dass sie diesen Abend nach Monate langer Opernabstinenz sehr genossen haben. Ich habe erst bei meinem Besuch festgestellt, wie sehr mir das live Erlebnis im Opernhaus gefehlt hat.

    Das Orchester wurde auf der Bühne platziert und die durchweg ausgezeichneten Solisten mit gehörigem Abstand zueinander.

    Manche werden möglicherweise auf ein solches Programm mit einer gewissen Skepsis blicken. Mir hat es jedenfalls sehr gut gefallen; ich war fast zu Tränen gerührt, mal wieder live ein Orchester und Sänger zu hören.


    Belohnt wurde die sehr gute Leistung aller Mitwirkenden durch frenetischen Applaus des Publikums.


    Ich fürchte allerdings, dass bei weiterer Entwicklung der Infektionszahlen nach oben auch derartige Veranstaltungen nur ein Zwischenspiel waren.

    Die Premieren von Lohengrin und Troubadour sollen im November stattfinden. Gespielt werden sollen verkürzte Fassungen, bei denen es keine Pause gibt. Wenn die Zahlen aber weiter explodieren, sehe ich schwarz.

    Da wir in einer sehr schweren Rezession sind, sinken die Steuereinnahmen (man muss sich nur mal die Steuerzahlungen von zB Lufthansa in den vergangenen Jahren ansehen, die jetzt auf "0" sinken); also wird es wieder um "Nützlichkeit" und "Pflichtaufgaben" bei der Verteilung des noch Vorhandenen gehen. An den Unis werden weitere Geisteswissenschaften gestrichen werden (aus politischen Gründen aber vermutlich leider nicht Pseudowissenschaften wie "gender studies", da wird man eher der Königin der Wissenschaften, der Philosophie, was abknappsen), in der Kultur werden die noch etwas vom Kuchen bekommen, die die lautesten Fürsprecher haben. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass zumindest in meinem "Umkreis" Gewandhaus, Oper Leipzig und Semperoper, MdbK und "alte Meister" auch touristische Anziehungspunkte mit erheblichen Folgewirkungen für die lokale Wirtschaft sind. Ich rechne also mit Einschränkungen, glaube aber nicht, dass man in L oder DD zB Sparten schließen wird. Interessant wird sein, wie sich das (finanzielle) Bürgerengagement etwa in den Fördervereinen (ich bin zB Mitgled in vier Kultursponsoring Organisationen) verändert. Bisher kenne ich nur Zahlen außerhalb der Kultur im engeren Sinne vom Zooförderverein Leipzig: Da sind die Mitgliederzahlen und Spenden in der "Corona Krise" extrem angestiegen.

    Abgesehen davon, dass ich die Maßnahmen gegen "Corona" immer noch für völlig überzogen halte (womit ich mich in guter Gesellschaft einiger Ärzte aus meinem Freundeskreis befinde, die wie ich zB die "Hongkong Grippe" Ende der 60er in weitaus schlimmerer Erinnerung haben), glaube ich nicht an drastische Langzeitfolgen. Museen,Oper und Gewandhaus in Leipzig hängen - wie zum Glück die meisten Einrichtungen der "Hochkultur" in Deutschland - nicht von privaten Sponsoren ab, so dass sie die Zwangspause überstehen werden.

    Wenn allerdings die ruinösen Einschränkungen wirtschaftlicher Betätigung andauern, wird sich der Schwund von Steuern als Knappheit in den öffentlichen Kassen natürlich bei den staatlichen Leistungen, die nicht "Pflichtaufgaben" sind, auswirken und zumindest zeitweise zu Mttelkürzungen führen.

    Damit dürfte auch der zweite Anlauf für eine Inszenierung in Leipzig (Lohengrin, nachdem der Tannhäuser bereits ins Wasser gefallen war) gefährdet sein (wobei dahinstehen mag, was aus den Premierenplänen des Hauses in Ansehung der Corona "Krise" überhaupt werden kann).

    Eine kurze Rezension aus meiner Sicht:


    Mit plüschigem Einband und natürlich rosa kommt dieser neue Opernführer auf sehr hochwertigem Papier und mit zahlreichen schönen Bildern daher. Trotz des dämlichen Titels, der der Qualität und potentiellen Zielgruppe des Buchs keinesfalls gerecht wird,, ragt der "Opernführer" unter gleichartigen Werken sehr positiv heraus. Neben dem Standard (Handlung-Geschichte-Komponist usw.) finden sich kundige und recht aktuelle Anmerkungen zur Diskografie. Besonders gut gefallen haben mir die ausführlichen Interpretationen der Werke: Da eröffnen sich auf Grund der wirklich kundigen Autoren zT erfrischend neue Sichtweisen auch auf "Repertoireschinken". Auch für erfahrenere Opernfreunde eine klare Empfehlung.

    Leipzig wird 20/21 neben Premieren der Repertoire Hits "Lohengrin" und "Il Trovatore" außerdem Saint-Saëns "Les Barbares" und mal wieder eine Uraufführung, "Paradiese", eine Auftragskomposition von Gerd Kühr (von dem ich nichts kenne), produzieren.

    Nachdem sie für den Tannhäuser kurzfristig absagte, soll Katharina Wagner nunmehr den Lohengrin inszenieren. Für Wagner 22, wo ja (das Programm ist bereits abrufbar) alle vollendeten Opern des Meisters nacheinader aufgeführt werden sollen, fehlt dann wohl nur noch die "Meistersinger", falls man den schon etwas in die Jahre gekommenen "Parsifal" behält.

    Der aktuelle Premierenplan ist durch die Corona Epidemie bereits völlig durcheinander geraten; aktuell hofft man wohl ab Ende April wieder spielen zu können. Der "Ring" Zyklus im Mai wird jedenfalls noch beworben.

    Musikalisch mE kein großer Wurf, aber auch nicht so schlecht, wie in den Kritiken zu lesen. Mein Verdacht ist, dass da aus politischen Gründen nochmal "nachgetreten" wurde. BILD - nun nicht gerade an Themen der Hochkultur interessiert - hat regelrecht gegen Gergiev gehetzt. In den Feuilletons geht es natürlich etwas feiner zu. Die Inszenierung ist mE mal wieder eine von der Sorte, die Wagners Werk als soundtrack für mehr oder weniger spaßige Ideen eines Regisseurs missbraucht. Ich finde sie banal und albern, gerade wenn man parallel zu dem was man sieht auf den Text achtet.