Guten Abend allerseits,
nach längerer Abstinenz wollte ich Euch doch einmal von meinem letzten Konzert berichten, eine putzige Angelegenheit, denn es handelte sich um ein live über das Internet übertragenes Konzert des Anbieters medici.tv. (Ich verspreche, dass ich keinerlei Aktien bei dieser Firma habe..bin ein ganz normaler Hörer/Zuschauer, also Laie . Neben Liveübertragungen bekommt man bei diesem Anbieter einen Schatz an alten Videos – von Menuhin über Oistrach, Richter, die man zu Jahres-Pauschalpreisen anschauen kann, zu denen man heute keinen Stehplatz in einem Konzert mehr bekäme, falls es so etwas noch gibt ;-). Stolze Besitzer eines iPhones oder iPads können Konzerte umsonst hören). Auch dieses Livekonzert wurde aufgezeichnet und kann heute noch nachgehört/ angesehen werden. Die Qualität des Klangs und des Videos ist durchaus ansprechend. Stattgefunden hat das Konzert im Auditorium du Louvre, die Solisten (Solists of the Atelier Lyrique de´l Opera National de Paris) sind aufstrebende Musiker, durchweg Preisträger oder Finalisten eines Wettbewerbs. Ich berichte hier nur über einen in diesem Konzert aufgeführten Zyklus von Liedern von Beethoven (Six Scottish, Irish and Welsh Melodies aus woO 152, 156 bezw Op 108-5). Die Veranstalter haben das Konzert je mit einer Auswahl dieser Lieder begonnen und beendet.
Die Geschichte dieses Zyklus ist interessant: Thomson, der englische Volksliedsammler und Verleger wandte sich zum ersten Mal 1803 an Beethoven mit der Bitte, Kammermusik unter Verwendung schottischer Lieder für ihn zu schreiben; letztlich hat Beethoven dann 1810/11 53 Lieder geschrieben. Ebenso wie bei den Volksliedvariationen Op 105 und 107 handelt es sich um ganz kleine Einheiten von teils nur ein, zwei Minuten Dauer; kaum begonnen, muss sich der Interpret schon auf das nächste Stück einstellen. Die 53 Lieder sind wohl ebenso wie die Volksliedvariationen lange Zeit unbekannt geblieben, weil sie die vorgesehenen „Abnehmer“, wohl das breite Publikum der Hausmusik, nie erreicht haben. Sie sind nämlich (ebenso wie die Volksliedvariationen) technisch und musikalisch durchaus anspruchsvoll.
Bei den Liedern fällt zunächst die „ungewöhnliche“ Begleitung auf, bestehend aus Klavier, Geige und Cello. Los geht’s mit dem Lied Womankind Op 156-8 und da ist man schon gefangen von der bezaubernden Melodie. Die drei Interpreten Andrea Hill (Sopran), Cyrille Dubois (Tenor) und Florian Sempey (Bariton) harmonieren einfach bezwingend miteinander, die Stimmen perfekt angepasst. Allein als Solistin ist die Stimme von Andrea Hill von großer melancholischer Schönheit (the sweetest lad was Jamie Op 108-5), die Höhen erreicht sie mit Leichtigkeit. In „The kiss dear Mad“ woO 153-9 zeigt sich bei Florian Sempey eine weit tragende, volle, weiche Stimme von großem Umfang, man begegnet hier einem großartigen Sänger. Der Tenor Cyrille Dubois scheint sich im Duo oder Trio am wohlsten zu fühlen, hier entfaltet sich seine Stimme besonders in den Höhen zu schönem Glanz. Als Solist wirkt er eher etwas be- oder gefangen, meine ich, seine Stimme wirkt gerade in den unteren Bereichen etwas matt, teilweise auch angestrengt. In der Begleitung harmonieren Hélène Collerette (Violine mit leichtem und doch energischem Strich), Jérémie Maillard (Cello) und Alphonse Cemin (Klavier, locker und präzise) auch bei schwierigeren Passagen (wenn etwa ein Lied nur mit Pizzicato begleitet wird), oder bei den herrlichen oktavierten Läufen von Geige und Cello.
Für mich war es jedenfalls ein Glücksfall, diese Lieder kennengelernt zu haben. Herzliche Grüße von Peter