Antonio Salieri (1750-1825):
T A R A R E
Oper
in fünf Akten mit einem
Prolog
Libretto von
Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais
Originalsprache:
Französisch.
Uraufführung
am 8. Juni 1787 Théâtre
de l’Académie
royale de Musique,
Paris.
Personen
der Handlung:
Geniuis,
der über die Vermehrung der Wesen herrscht oder Natur
(Sopran)
Genius
des Feuers, der über die Sonne herrscht, Geliebter der Natur
(Bariton)
Atar,
König
von
Hormus, wild, unbeherrscht (Bassbariton)
Tarare,
Soldat in seinen Diensten, verehrt für seine großen Tugenden
(Tenor)
Astasie,
Frau von Tarare, zart und fromm (Sopran)
Arthenée,
Hoherpriester
von Brahma (Bassbariton)
Altamort,
Armeegeneral,
Sohn des Hohepriesters (Bassbariton)
Urson, Hauptmann
von
Atars Wachen (Bassbariton)
Calpigi, Chef der Eunuchen,
europäischer
Sklave
(Haute-contre)
Spinette,
europäische Sklavin, Frau von Calpigi
(Sopran)
Calpigi,
neapolitanische
Sängerin (Sopran)
Élamir,
kleines Kind der Auguren
(Knabensopran)
Priester
von Brahma (Baritenor)
Sklave (Baritenor, Tenor
mit Baritonstimme)
Eunuch
(Baritenor)
Schäferin (Sopran)
Bauer (Bassbariton)
Chor,
Statisterie,Wesire, Emire
Priester des Lebens und Priester des
Todes
Sklaven
und Sklavinnen des Serails
Garde
von Atar
Soldaten
Volk
Ort
und Zeit: Hormus in Persien zu unbestimmter Zeit.
Prolog
Die
Natur (mit
den entfesselten Winden)
steht in der Mitte der Bühne und hält einen Stab mit den für sie
typischen Attributen der Hand.
Der
Genius des Feuers und die Natur versuchen, die Elemente zu
beschwichtigen, die aus
den „im Raum verlorenen Atomen“ die
Gestalten des Dramas schaffen wollen. Ein Chor der Schatten will
Menschengestalt erringen. Ist das ein neuer Schöpfungsakt?
Erster
Akt
Wolken,
die die Bühne verbergen, verziehen sich nach oben; großer
Saal im Palast des Königs.
König
Atar führt in
seinem Reich ein
diktatorisches Regiment. Der
edle Krieger Tarare
hat vor längerer Zeit den
Herrscher aus dem
Fluss Arsace gerettet.
Aus Dankbarkeit wurde
er
Krieger zum Anführer einer Miliz
ernannt.
Obwohl Tarare in der Hierarchie gestiegen ist, hat
er an seiner
Lebensführung und
-einstellung nichts
geändert. So zeigt
er immer wieder anderen Menschen Zuneigung
in
Bescheidenheit.
Und er ist, obwohl in Atars Reich die
Polygamie gilt,
glücklich
mit
nur
einer Frau zusammen,
nämlich der
schönen Astasie. Und
auf die hat König ein Auge geworfen.
Atar
zitiert
seinen
italienischen Sklaven und Serailaufseher
zu sich und
informiert
ihn,
dass sein Harem um ein weiteres
Weib vergrößert werde; es wird die Frau Tarares sein und sie wird
hier Irza genannt werden. Das Vertrauensverhältnis zwischen König
und Calpigi ist der Grund, dass er auch erfährt, wer die Entführung
von Astasie ausführen wird, nämlich Altamort, der Sohn des
Hohenpriesters Athenée.
Irza
wird während eines Empfangs anlässlich der Haremsvergrößerung
Atar präsentiert. Ihr wird bewusst, welches Schicksal ihr hier
droht, und sie fällt über diese Gedanken in Ohnmacht. Ein Sklave,
der glaubt, sie sei gestorben, wird von dem wütenden König mit den
Worten „Sterbe selber“ erstochen. Als Astasie kurz darauf wieder
zu sich kommt, befiehlt Atar, sie in ihr Gemach zu bringen.
Calpigi
will wissen, wer Irza zur Seite stehen soll und er hört, die
„Europäerin“. Calpigi weiß, wer gemeint ist: Spinette, die
Neapolitanerin, die als ebenso leichtlebig wie intrigant gilt,
außerdem ist sie seine Gattin. Während sich der König über den
gelungenen Coup der Entführung freut, kann man Tarares
Seelenzustand, als er sein Heim leer vorfindet, mit dem Wort
„traurig“ nur unzureichend beschreiben.
Urson,
Hauptmann in Atars Heer, kündigt
dem König den „unglücklichen Tarare“ an, und Atar meint zu
Altamort, dass ihn dieses „Unglück“ erfreue. Bei seinem Auftritt
vor dem König entwirft Tarare ein begeisterndes Bild von seiner
Gattin. Dass der König hinter der Entführung seiner großen Liebe
steckt, weiß er natürlich nicht, und seiner Bitte, die Armee mit
der Suche nach Astasie zu beauftragen, wird sogar „wohlwollend“
von Atar genehmigt. Auch der Bestrafung der oder des Entführers
stimmt Atar zu. Dass das nur Heuchelei war, wird klar, als Atar
Altamort befiehlt, Tarare zu verfolgen und ihn zu töten. Für den
König steht fest, dass Irza ihm gehören muss und wird!
Zweiter
Akt
Platz
vor dem Palast und dem Tempel des
Brahma.
Atar
streitet mit Arthenée über ihre jeweiligen Aufgaben im Reich. Der
Hohepriester weiß von Angriffen irgendwelcher „Wilden“, die er
übrigens später als „Christen bezeichnet, zu berichten. Atar
weist den „Pontifex“ auf seine Aufgabe hin, dass Orakel zu
befragen. Die Antwort Arthenées zeigt, dass er genau das schon getan
hat, denn das Orakel hat als Antwort verkündet
...dass
wir kämpfen müssen,
dass wir einen anmaßenden Feind
überwältigen müssen.
Der
Hohepriester weist den König darauf hin, dass auch der Tempel fällt,
wenn der König seine Krone verliert. Um das zu vermeiden, möge er
den Anführer des Heeres benennen, worauf Atar Altamort ausruft.
Stolz über den Aufstieg seines Sohnes geht der Hohepriester ab und
zieht sich in den Tempel zurück.
Tarare
klagt über seine entführte Gemahlin und ruft Gott Brahma um
Beistand an. Calpigi kommt, informiert ihn über den Aufenthaltsort
seiner Astasie und sagt ihm, dass Altamort der Entführer war. Er
verspricht Tarare, dass er seiner Gattin zur Flucht verhelfen wird.
Als sich die Tore des Tempels öffnen, verhüllt sich Calpigi und
läuft davon.
Verwandlung
in das Tempelinnere.
Arthenée
ist mit Ko-Priestern unter einem Marsch zum Altar gezogen und bittet
die Gottheit – bei Anwesenheit von Priesterschaft, Soldaten, Volk,
Wesire, Emire, Hofleute, Atar und Elamir – um die Ernennung eines
Armeegenerals durch den Mund eines Kindes als Medium. Diese Bitte
wird von allen Anwesenden wiederholt. Arthenée weiß ja schon, wer
dieser Armee-Befehlshaber sein soll, hat ihm doch der König selber
den Namen verraten. Trotzdem soll das Kind Elamir die Entscheidung
der Gottheit verkünden. Und Elamir spricht:
Vom
Schrecken verwirrtes Volk, wer lässt euch die Christen
fürchten?
Gibt euch der Staat keinen Rückhalt?
Gewahrt,
zu Füßen des Königs, jene, die euch verteidigen werden:
Tarare...
Arthenée
spricht verblüfft von einem
„Irrtum“, aber Elamir antwortet, dass die Gottheit ihm
den Namen „Altamort“ eingegeben habe, aus seinem Mund jedoch
ungewollt der Name „Tarare“
gekommen sei. Darüber
freuen sich Volk und
einzelne Soldaten, denn
Tarare ist
beliebt.
Atars
Versuch,
die Aussage Elamirs
rückgängig zu machen, geht
daneben, denn der aus dem Volk hervortretende Tarare
nimmt die Verpflichtung an. Der
König reagiert wütend, und Altamort
fühlt sich in seiner Ehre gekränkt, zieht sein Schwert, worauf auch
Tarare die Waffe aus der Scheide zieht, ein
Duell scheint unausweichlich, aber Arthenée
schaltet sich mit der Frage
ein, ob der Tempel Brahmas ein
Kampfplatz sei. Auch
der König verlangt die
sofortige Beendigung des Streites. Der zweite Akt schließt mit der
Übergabe des Kommandostabes an Tarare und das Volk jubelt zu den
Klängen des Marsches über Elamirs
Verkündigung.
Dritter
Akt
Die
Gärten des Palastes; Irzas Wohnung ist rechts; links und vorn sieht
man in der Mitte einer hell beleuchteten Fläche ein Diwan unter
einem Baldachin.
Die
helle Beleuchtung wundert Calpigi, hat er das doch nicht angeordnet.
Er zitiert den Serailwächter herbei und will wissen, wer die
Festbeleuchtung angeordnet hat, denn nur er habe hier Befehle zu
erteilen. Bevor der Wächter etwas sagen kann, klopft der hinter
Calpigi stehende König ihm auf die Schulter und sagt „Ich“. Als
Grund nennt er Irzas Einzug in den Harem; darum soll ein großes
Empfangsfest stattfinden. Calpigi gibt jedoch zu bedenken, dass
dieses Fest schon einmal angesetzt, von der Majestät aber auch
wieder abgesetzt worden war. Jetzt werden die Schauspieler und
Musiker „alle woanders“ sein. Der König sagt, dass es ihm um
„Rabbatz“ für Irza und ums Tanzen gehe.
Jetzt
tritt der Wachsoldat Urson auf und berichtet über das Duell zwischen
Altamort und Tarare. Atar zieht aus Ursons Schilderung den Schluss,
dass Altamort verloren und Tarare gewonnen hat. Irza kommt in
Begleitung von Sklaven und setzt sich auf Atars Geheiß neben ihn.
Calpigi soll Atar angeben, was er seiner Königin für eine
Aufführung widmen. Die Antwort kommt prompt: ein europäisches Fest.
Als Erläuterung fügt er hinzu, dass die Herrscher Europas, wenn sie
hochgestellte Persönlichkeiten unterhalten wollen, ein Fest mit
Spielen veranstalten. „Beiseite“ sagt er:
Tarare
ist nicht gewarnt worden, wenn er kommt, ist er verloren.
Zu
den bisherigen Akteuren treten nun europäische und höfische
Schäferinnen und Schäfer; außerdem sind Bauern und ihre Frauen
dabei – in europäischem, aber sehr einfachem Gewand. Die Musik
changiert zwischen Marschrhythmus und höfischem Menuett. „Beiseite“
sagt Irza:
Große
Götter, möge der Tod Astasie dem Tyrannen [...] entreißen.
Nach
dem Tanz krönt Arta „seine“ Irza und setzt ihr dabei ein
Diamanten-Diadem auf. Die Anwesenden loben die neue Herrscherin in
höchsten Tönen. Atar lobt wiederum Calpigi für das Fest, das er in
höchster Eile „auf die Beine gestellt“ hat. Der Tanz der
Gesellschaft wird aufgenommen und Calpigi nimmt sich danach eine
Mandoline und bringt eine Barcarole zum Besten. Das findet die ganze
Gesellschaft animierend, fasst sich an den Händen und singt trägt
den Refrain der Barcarole mit.
Plötzlich
sieht man Tarare im Hintergrund mittels einer Strickleiter nach unten
klettern. Das hat auch der König gesehen und ruft zornig den Namen
des ihm verhassten Kriegers aus, was von der ganzen Gesellschaft
wiederholt wird. Dann stößt er wütend mit einem Fußtritt den
Tisch um. Diese Aktion erschreckt Irza; sie erhebt sich schwankend,
muss deshalb von der hinzukommenden Spinette gestützt werden. Atar
ordnet an, dass Irza in ihr Gemach geleitet werde. Er folgt ihnen und
entledigt sich vor dem Zimmer, wie es Orientalen tun, seines Mantels
und der Schuhe.
Tarare
berichtet Calpigi ausführlich von seinen Erlebnissen (hier gekürzt
wiedergegeben): Er fand sich plötzlich in einem unsicheren Boot und
„auf tiefem Meer“ wieder. Sein Rudern war in der ruhigen Nacht
allerdings weit zu hören. Dann vernahm er von irgendwoher Alarmrufe
und registrierte, dass er nur einen Dolch zu seiner Verteidigung
hatte. Waffen würde er jedoch benötigen, denn es kamen „zweihundert
Ruderer“ auf ihn zu. Er beschloss, seine „Nussschale“ zum
Kentern zu bringen und, zwischen den Booten schwimmend und tauchend,
gelangte er tatsächlich unbeschadet ans Ufer. Aber auch hier wurde
er verfolgt; „wenn sie rannten, hatte ich Flügel“. So kam er bis
zu einer Mauer mit einer Strickleiter – und war gerettet.
Calpigi
ist von diesem Bericht zutiefst berührt, geht dann mit Tarare auf
Astasies Gemach zu. Als er Atars Schuhe vor dem Gemach sieht, hält
er Tarare in weiser Voraussicht zurück, denn gegen den König und
seine Wachen hat er im Palast keine Chance. Tarare aber, im Wissen
dass sich hinter Tür Atar mit Astasie aufhält, wird wütend und er
ruft mehrmals laut den Namen Brahmas aus. Calpigi versucht, Tarare
aus guten Gründen zurückzuhalten, doch der ist nicht zu bremsen.
Und dieser Lärm macht den König neugierig – er kommt aus Irzas
Zimmer und will wissen, was hier los ist. Tarare hat sich
geistesgegenwärtig auf den Boden fallen lassen und Calpigi kommt auf
den Gedanken, den am Boden liegenden Tarare als einen Irren
auszugeben, der weint, schreit und stumm ist.
Atar
geht auf den am Boden liegenden Mann zu und rüttelt ihn am Arm, aber
der rührt sich nicht. Er fordert Calpigi auf, mit ihm zu gehen und
der hilft Atar in Mantel und Schuhe. Währenddessen spricht Atar den
am Boden liegenden Mann an:
Elendes
Wesen, niederträchtig und nackt,
warum bist du nicht statt
eines unbekannten Reptils,
[...]
der hassenswerte
Tarare?
Mit welchem Vergnügen würde meine Hand
aus deiner
Flanke das Blut zum Strömen bringen!
[…]
Schneiden wir
diesem Sklaven den Kopf ab,
verstümmeln ihn vollkommen.
Trag
ihn selbst in meinem Namen zu ihr.
Sag ihr, dass ich ihren
Gatten, als ich ihn hier überraschte,
in einer eifersüchtigen
Aufwallung...
Er
nimmt
plötzlich Calpigis
Säbel an sich, aber der,
ahnend, was folgen soll,
fällt Atar in
den Arm und fragt
ihn, was er sich von so einer Tat erhofft? Atar wird
wütend und erklärt, dass Irza ihn zurückgewiesen habe, und dass er
sich jetzt mit einer neuen Idee rächen will: den „nichtswürdigen“,
am Boden liegenden
Kerl werde er zu seiner Irza
führen, dann beide
verheiraten, und verlangen,
dass die Ehe in der Nacht
vollzogen werde. Am nächsten Tag werde
sie vom ganzen Hofstaat ausgelacht. Er geht ab, und Tarare erhebt
seine Hände mit den Worten zum Himmel
Allmächtiger
Gott! Nie hast du
den Unglücklichen, der an deine Wohltaten
glaubt, getäuscht.
Dann
folgt er dem König von ferne…
Vierter
Akt
Das Bühnenbild
zeigt Irzas
Gemach in typisch orientalischem Flair.
Irza
beklagt vor Spinette ihre Situation und die versucht, die Herrin von
den ehrlichen Absichten des Königs zu überzeugen. Doch Irzas kurze
Antwort ist, dass Spinette leider ihren Tarare nicht gekannt habe.
Calpigi
kommt ins Gemach teilt mit, dass der König die sofortige Ehe mit
einem neuen Gatten angeordnet habe. Auf Irzas erstaunte Frage
antwortet er, für sie einen stummen Mann ausgesucht zu haben.
Spinette wird ironisch, als sie sagt, dass der Hohepriester Athenée
bestimmt erstaunt sei, wenn der Vielweiberei im Lande nun noch die
Vielmännerei dazu käme. Calpigi übernimmt den ironischen Ton, als
er antwortet, dass er natürlich die Majestät informieren werde, der
sich bestimmt über diese Bemerkung freuen würde. Nach Calpigis
Abgang kommt Astasie der Einfall, dass Spinette den Stummen an ihrer
Stelle heiraten soll, dann wäre sie aus dem Schneider; dafür will
sie ihr den ganzen Schmuck überlassen und, um Irritationen zu
vermeiden, den großen Königinnenmantel umhängen – danach stürzt
sie davon.
Ein
Solo für Spinette macht deutlich, dass sie heuchlerisch unterwegs
ist, denn sie sagt, dass der König ihr für die Hilfe bestimmt
dankbar sein werde und dass sie Ehre und Ruhm im Überfluss erhalten
werde. Was sie damit meint, ist, wird deutlich, als Calpigi mit
Tarare (als dem Stummen) zu der mit dem Königinnenmantel
verkleideten Frau tritt und unnatürlich streng sagt, dass er „diese
Frau haben kann“. Spinette findet, beiseite gesprochen, dass der
vor ihr kniende Stumme zwar hässlich, aber zumindest „gut gebaut“
ist. Tarare aber stellt, auch beiseite gesprochen, entgeistert fest,
dass er nicht vor Astasie kniet. Er sucht nach einer Entschuldigung
und sagt, dass er in Hormus fremd sei, aber erfahren habe, dass der
„Herr dieses Reiches“ für seine Geliebte ein großes Fest geben
würde. Deshalb habe er versucht, sich in „erbärmlicher Kleidung“
sich hier einzuschleichen.
Während
die Wachsoldaten unter Ursons Führung näher kommen, tritt von
anderer Seite Calpigi mit etlichen Eunuchen dem Trupp entgegen und
hält sie auf. Als Calpigi erklärt, dass der Mann dort Tarare sei,
ändert sich schlagartig die Stimmung: die Soldaten ziehen sich
respektvoll zurück, aber Urson warnt Calpigi: er solle an sich
selbst denken, denn des Königs Bannstrahl richte sich gegen zwei
Köpfe…
Fünfter
Akt
Die Bühne zeigt
den Innenhof des Atar-Palastes. In der Mitte steht ein
Scheiterhaufen, vor ihm ein Richtblock mit allerlei Gerätschaften
wie Keulen,
Der
König ist in freudiger Erwartung über seine Möglichkeit, den
verhassten Tarare mit „geschmeidigen Eisen der Gesetze“ töten zu
können. Athenée beschwört ihn, ohne Erfolg, das despotische seines
Handelns abzulegen, denn das könnte sich gegen ihn richten.
Die
Gefangenen – Tarare und Astasie – werden, endlich wieder vereint,
aber dem Tode entgegensehend, Athenée zugeführt und in diesem
Moment stürmen viele Soldaten, an der Spitze Calpigi, in den Palast,
um Tarare zum König zu erheben.
Atar
betrachtet derweil den Scheiterhaufen und wünscht dem verhassten
Tarare samt dessen Frau den Tod.
Athenée
kommt mit zwei Priestern auf die Szene; der eine trägt eine weiße
Fahne mit den goldenen Lettern DAS LEBEN, der andere Priester in
Schwarz mit einer ebensolchen Fahne und den silbernen Lettern DER
TOD.
Der
Hohepriester wünscht Auskünfte vom König über seine Absichten.
Atar antwortet, dass in seinem Harem der Mörder „seines Sohnes“
Altamort erwischt wurde. Deshalb will er ihm, dem „Pontifex“, die
Aburteilung überlassen. Doch Athenée lehnt das ab, sieht den König
in originärer Verantwortung.
Atar
ruft Tarare zu sich, um seinen Richterspruch zu empfangen. Der aber
wehrt sich, mit der Behauptung, dass Altamort zwar seine Astasie
entführt und deshalb auch den Tod verdient habe, dass aber Irza auf
keinen Fall seine Gattin ist. Atar befiehlt, dass Wachen Irza
herbringen und kündigt an, sie zu erdolchen, wenn er bei seiner
Meinung bleiben würde. Tarare sagt mit kalter Stimme
Sie
sterben zu sehen ist nicht besonders schlimm für mich;
du
bestrafst dich selbst, nicht mich.
Atar
droht Tarare, der aber bezichtigt ihn der Verbrechen, die er als
Kronenträger glaubte, sich erlauben zu können.
Als
Athasie verschleiert mit Sklaven auf die Szene kommt, tritt Spinette
vor und behauptet, dass sie die Herrin vertreten und dadurch für
Verwirrung gesorgt habe. Atar überantwortet sie dem Pontifex, der
über ihr Schicksal entscheiden soll. Und der Priester ruft den
Fahnenträger mit der Todesfahne, während er den Fahnenträger mit
der Lebens-Fahne anweist, den Stoff zu zerreißen.
Während
einer Trauermusik wirft sich Astasie auf die Knie und betet; Athenée
aber unterzeichnet das Todesurteil. Die Lebenspriester ziehen sich
zurück. Astasie aber erhebt sich und schreitet auf den
Scheiterhaufen zu, wendet sich aber dann nach Tarare und nimmt ihn in
den Arm.
Zornig
verlangt Atar, dass man die beiden auseinanderreißt und verfügt
dann, dass Tarare statt Astasie zum Scheiterhaufen geführt werde.
Plötzlich zieht Astasie aus ihrem Gewand einen Dolch und droht
jedem, der sich Tarare nähert, den Tod. Alle Versuche, die Situation
zu bereinigen, gehen schief, denn die eindringenden Sklaven verlangen
von Atar Hilfe vor der Miliz, die soeben mit ihren gezogenen Säbeln
in den Raum drückt und Tarare zurück haben will.
Jetzt
wird Tarare munter, drängt die Miliz zurück mit den Worten
Halt,
Soldaten, halt.
Was für ein Befehl hat euch hergeführt?
Man
würde vielleicht mein Leben retten,
aber meinen Ruhm
beschädigen.
[…]
Steht
es euch zu, euren Herrn zu richten?
Vergesst ihr, Soldaten, die
die Macht usurpieren,
dass der Respekt vor Königen die erste
Pflicht ist?
Die Waffen nieder, ihr Wütenden, der König
vernichtet euch.
Die
Soldaten der Miliz werfen sich, wie auch Tarare, vor dem König
nieder und der Krieger bittet Atar, Gnade walten zu lassen. Doch der
ist außer sich und fragt, ob sie ihm noch gehorchen. Einer, nur
einer, sagt Ja, die anderen rufen Nein und auch das Volk stimmt mit
Nein. Atar sieht seine Macht als verloren an und ruft Tarare zu:
Missgeburt!
Sie haben sich dir verkauft…
Regiere du an meiner Stelle.
Dann
zieht er seinen Dolch aus dem Gewand und ersticht sich. Eunuchen mit
Urson an der Spitze tragen schließlich
den Leichnam fort. Tarare
wird von den Umstehenden zur Annahme von Krone und Thron
aufgefordert, doch er lehnt es ab, aber er kann dem Volk mit seinem
Arm dienen, wenn es denn will. Zum Herrscher ist er jedenfalls nicht
geboren worden.
Das
ist die Zeit für Urson und Athenée: beide bemühen sich, Tarare
umzustimmen, doch will er immer noch nicht. Schließlich ist es der
Hohepriester leid und er setzt Tarare einfach die Krone auf – und
das zu Fanfarenklängen. Während die Wache Tarare von den Ketten
befreit, sagt er, dass die Ketten ihm als königlichen Gürtel dienen
sollen. Außerdem werden sie ihn daran erinnern, dass er zum Wohl des
Staates in Ketten liegen will. Alle stimmen in den Jubel zum neuen
Herrscher ein – vergessen auch die schöne Astasie nicht.
Aus
den Bewegungen ausgelassener Freude entwickelt sich ein stürmischer
Tanz, die der Chor, Soldaten und Volk repräsentierend, grundiert.
Man umringt dabei und König Tarare und seine Astasie, reißen beide
zum Tanz mit. Irgendwann wird die Musik leiser, bis sie nicht mehr zu
hören ist; dabei senken sich langsam Wolken vom Himmel herab, als
Gegenbewegung wie zu Beginn des ersten Aktes. Aus den die ganze Bühne
einnehmenden Wolkenschleiern treten Natur und Genius zum Epilog auf.
Epilog (je nach Inszenierung auch Scena ultima)
Der
Genius des Feuers konstatiert, dass ein Soldat den Thron bestieg, der
Tyrann aber tot ist. Die Natur meint, dass die Götter die
Voraussetzungen für ihr Schicksal geschaffen hätten, ihr Charakter
habe für alles andere gesorgt. Der Genius hält fest, dass man mit
„unveränderlichem Schriftzug“ wunderbare Grundsätze in die
Herzen der Menschen geschrieben habe.
Es
beginnt zu donnern, während die Wolken, wie im ersten Akt, wieder
nach oben wandern; man sieht das Volk knien, vor allen Tarare und
Astasie.
Der
ganze Chor (sehr weit weg) singt
Teile
und, o Himmel das Geheimnis dieses Lärmens,
dieses Leuchtens
mit.
In
den Wolken besingen unisono und laut die Natur und der Genius eine
Erkenntnis: dass des Menschen Größe, wer immer er sei, Prinz,
Priester oder Soldat, nichts mit seinem Stand, nur mit seinem
Charakter zu tun hat. Der Vorhang fällt.