Herold Kraus ein Tenor, der sogar kleine Rollen zu Juwelen veredelte

  • Manchmal dauert es sogar im meist aktuellen und sängerfreundlichen Tamino-Klassik-Forum seine Zeit, bis ein Sänger entsprechend gewürdigt wird. So bei dem am 16. 3. 1920 in Alsheim (Pfalz) geborenen Herold Kraus, der am 22.4.2013 im Alter von 93 Jahren verstorben ist. In der Bekanntmachung der Stuttgarter Staatsoper heißt es: " Herold Kraus hat mit seiner Persönlichkeit und seinen herrlichen Charakterdarstellungen das Haus über Jahrzehnte hinweg künstlerisch mitgeprägt. Unvergessen bleibt seine Hingabe, mit der er seinen Figuren auch in kleineren Partien ein unverwechselbares Profil verlieh."
    Kraus erhielt seine Gesangsausbildung am Konservatorium Mainz und an der Landesmusikschule Breslau. Nach dem zweiten Weltkrieg trat er erstmals am Landestheater Darmstadt auf; es folgten Engagements am Stadttheater Saarbrücken, dem Stadttheater Gießen und dem Opernhaus Zürich. Im Jahre 1950 wechselte er an die Städtische Oper Berlin, an der er bis 1956 erfolgreich wirkte, bis er einem Ruf an die Deutsche Oper in Düsseldorf folgte. Danach wurde er an die Staatsoper Stuttgart verpflichtet, der er bis zu seinem Karriereende treu verbunden blieb. Kraus der zum Publikumsliebling in Stuttgart avancierte, wurde dort 1976 zum Kammersänger ernannt. Der Sänger hatte auch eine umfangreiche Gastspieltätigkeit, u. a. am Teatro Liceu Barcelona, am Teatro Colón in Buenos Aires, in Turin, London, Paris, Brüssel, Amsterdam, Hamburg und bei den Festspielen in Edinburgh. Mehrfach feierte er bei den Bayreuther Festspielen beachtenswerte Erfolge, unter anderem im "Lohengrin" und "Parsifal". Zum Höhepunkt seines künstlerischen Wirkens wurde seine Paraderolle als Mime im "Ring des Nibelungen", die er auch in der Inszenierung von Wolfgang Wagner 1960 - 1964 am Grünen Hügel herausragend und nahezu unvergesslich gestaltete. In meiner damaligen Premieren-Besprechung stellte ich Herold Kraus als den singenden Mime besonders heraus. Der Sänger war auch eines der ersten Mitglieder der Gottlob-Frick-Gesellschaft und bis zuletzt ein aktiver Unterstützer und Förderer der Ziele dieser Vereinigung.
    Nun ist der sympathische, humorvolle, menschlich so gewinnende, stimmschöne Charaktertenor Herold Kraus in den Sängerolymp eingezogen.
    Für viele, die ihn erleben durften, wird er als ein Künstler, der selbst in kleinen Partien Großes leistete, in liebevoller Erinnerung bleiben.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Danke, lieber Operus, daß du an den sympathischen Sänger erinnerst. Auch ich las seine Todesanzeige und war gerührt, wie immer, wenn Jemand von der Bühne des Lebens abgetreten ist, den man gerne mochte.


    Gegen Ende seiner Karriere erlebte ich Herold Kraus mit meinen Kindern zusammen als hinreißende Hexe in Hänsel und Gretel. Unvergessen sein Abgang durch den Schornstein des Knusperhäuschens an der Württ. Staatsoper Stuttgart.


    :angel:

    Freundliche Grüße Siegfried


  • Lieber Hans, lieber Siegfried,
    auch ich habe die Todesnachricht von Herold Kraus gelesen und mit dem Gedanken gespielt, diese hier im Forum einzubringen. Immerhin hat er fast 10 Jahre zum Düsseldorfer Rheinopern-Ensemble gehört.
    Dann habe ich es gelassen, da ich nicht mit irgendeiner Reaktion aus dem Kreis der Taminos gerechnet habe.
    [Der Tod des weltberühmten Cellisten János Starker z.B. hat auch keinen interessiert]


    Was nun den Tenor Herold Kraus betrifft (vielen vielleicht als Mime im Swarowsky-Ring von 1968 ein Begriff) - so hatte ich gerade ein paar Wochen vorher eine (von operus mal empfohlene) DVD aus USA bekommen:


    "Hoffmanns Erzählungen" aus München,
    von 1970 (Dirigent: Dohnanyi)
    - da singt er die Diener-Rollen Pitinaccio, Andrès, Franz und Cochenille.


    R. I. P., Herold Kraus

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Mir ist Herold Kraus in erster Linie als Wagner-Sänger ein Begriff. Hier singt er in den Meistersingern unter Kempe:


    W.S.

  • Lieber Harald,


    gerade diese Dienerrollen in "Hoffmanns Erzählungen" waren in der Darstellung von Herold Kraus hinreißende Kabinettstückchen, wo er das Kleine ganz groß machte. Es gibt vom Hoffmann noch einen Film, in dem die Geszty alle Frauenrollen singt - übrigens damals sehr pikant, weil sie oben ohne zu sehen war. Tipton war darin ein grandioser Dapertutto. Ich habe diese Aufzeichnung irgendwo. Aber ich bin ein genialer Schlamper, der nur dann etwas findet, wenn er es unbedingt braucht.
    Denken wir trotz des jetzt beginnenden Bayern-Spiel an die vielen Sängerinnen und Sänger, die nicht so sehr im Rampenlicht stehen, aber für das Gelingen des Opernerlebnisses unentbehrlich sind.
    Lieber Harald lasse dich bitte nicht entmutigen auch wenn einmal keine Reaktion kommt. Deine unzähligen Hinweise sind wichtig und garantieren in weiten Teilen die hohe Aktualität des Forums. Im Voraus herzlichen Dank für die nächsten 10.000 Beiträge.


    Herzlicsht
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Es gibt vom Hoffmann noch einen Film, in dem die Geszty alle Frauenrollen singt


    Exakt diesen Film, den Du schon mal empfohlen hast, den habe ich jetzt bekommen - nur wenige Tage vor dem Tod von Herold Kraus - als DVD.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zum Höhepunkt seines künstlerischen Wirkens wurde seine Paraderolle als Mime im "Ring des Nibelungen", die er auch in der Inszenierung von Wolfgang Wagner 1960 - 1964 am Grünen Hügel herausragend und nahezu unvergesslich gestaltete.


    Kann es sein, lieber operus, dass Herold Kraus 1964 in Bayreuth - als Klobucar die Leitung des "Ring" von Kempe übernommen hatte - nicht mehr mit dabei war als Mime? So sagt es zumindest mein Archiv. Wie dem auch sei: Sein Mime ist wirklich ganz hervorragend. Eben habe ich mir den Bayreuther Mitschnitt von 1960 herausgesucht und bin hin und weg von der pointierten Gestaltungskraft durch Kraus. So viel Musikalität in einer Charakterrolle ist selten. Auch seine Wortverständlichkeit ist beispielhaft. Das alles gibt es heute nicht mehr.



    Ehre seinem Andenken!


    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Zitat Harald Kral:

    Zitat

    Exakt diesen Film, den Du schon mal empfohlen hast, den habe ich jetzt bekommen - nur wenige Tage vor dem Tod von Herold Kraus - als DVD.


    Mein lieber Harald!


    Ich habe den Film bisher nirgendwo bei unseren Partnern finden können. Gibt es da noch eine andere Quelle als den Import aus USA?




    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Lieber Rheingold,


    Ich habe damals über die Premiere im Jahr 1960 berichtet und die ausgezeichnete Leistung von Herold Kraus besonders hervorgehoben. Überhaupt war die damalige Ring- Inszenierung von Wolfgang Wagner für mich eine der schlüssigsten Realisierungen des Weltendramas, die ich je erlebte. Auch die Besetzung - wie ich sie noch im Gedächtnis habe - war mit Birgit Nilsson, Hans Hopf, Thomas Stewart, Gottlob Frick, Otakar Kraus, Heroild Kraus, Ingrid Bjoner u. a. exemplarisch. Hopf konnte mit einem fantastisch gesungenen Siegfried viele der gegen ihn bestehenden Vorurteile bravourös vokal "wegfegen". Da mich stark die monumentalen Wagner-Dirigate von Furtwängler, Klemperer und vor allem Knappertsbusch prägten, war für mich der schlankere, transparentere, differenzierte und dabei doch spannungsvolle Dirigierstil von Rudolf Kempe das Aha-Erlebnis schlechthin.
    Lieber Rheingold, werte diese Aussagen als das was sie sind: Nostalgische Schwärmereien eines alten Mannes. Wobei ich mich vielleicht gerade, um der Gefahr der rückwärtsgewandten Traditionsverehrung zu entgehen in meinen Aktivtäten und Funktionen immer bemühe, vorwärts zu schauen, zu denken, zu handeln - ob es immer gelingt?


    Herzlichst
    Operus :hello:

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ach, lieber Freund Operus, Deine Worte finden bei mir offene Ohren. Danke. Ich wünschte, ich wäre auch dabei gewesen. Mir bleibt also "nur" der Mitschnitt von 1960, der von der kolossalen Wirkung zumindest akustisch sehr vieles herüber bringt. Erst gestern habe ich wieder den "Siegfried" gehört und möchte Dir auch in dem zustimmen, was Du über Hans Hopf schreibst. Der konnte - so schlicht das jetzt klingen mag - singen. Seinen Siegfried in dieser Aufnahme stelle ich in seiner musikalischen und wortgenauen Ausführung noch vor Windgassen. So leicht hat man diese Partie selten gehört. Keiner wie er! :)


    Ist das nun nostalgische Schwärmerei? Nein! Es ist mehr. Es ist ein Beitrag zur Ästhetik des Singens.


    Dich grüße ich sehr herzlich!


    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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