Ottilie Metzger - ein deutsches Schicksal


  • Die Altistin Ottilie Metzger ist ein Opfer der deutschen Nationalsozialisten geworden. Als Jüdin wurde sie 1943 nach Auschwitz deportiert, wo sie im gleichen Jahr umgekommen ist. Die genauen Umstände ihres Todes konnten bislang nicht geklärt werden, auch der genaue Todestag ist unbekannt. Weltweiter Ruhm und ihre Mitwirkung bei den Bayreuther Festspielen haben sie nicht vor ihrem schweren Schicksal bewahren können. Ottilie Metzger wurde am 15. Juli 1878 in Frankfurt am Main geboren. Ihr Debüt gab sie 1898 in Halle, eine weitere Station waren Hamburg. Dort trat sie auch mit Enrico Caruso bei einem seiner Gastspiele auf. Tourneen führten sie nach Wien, St. Petersburg, London sowie durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Bruno Walter und Otto Klemperer arbeiteten mir ihr. Nachdem sie ihre erfolgreiche Karriere beendet hatte, unterrichtete sie am renommierten Stern‘schen Konservatorium in Berlin, musste diese Tätigkeit nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten aber aufgeben. Sie floh nach Belgien, wo sie nach dem Überfall Deutschlands den Besatzern in die Hände fiel.



    Zuletzt war diese Sammel-CD mit ihren Aufnahmen von der Frida-Leider-Gesellschaft in Berlin herausgegeben worden. Sie wird mit Carmen eingeleitet. Diese Rolle verbindet man mit ihrem Namen vielleicht zuletzt. Das ist gegen die Erwartung, steigert aber die Spannung auf die verbleibenden 21 Titel. Dem rasanten Auftakt folgt denn auch ganz schnell der ganz große Auftritt: Fidès in Meyerbeers „Prophet“. Die drei Szenen werden mit beispielloser Würde zelebriert. Wie andere in der Höhe kannte die Metzger keine Grenze in der Tiefe. Sie war der klassische Kontraalt, den es nicht mehr gibt, weshalb sie auch für heutige Ohren sehr historisch um nicht zu sagen altmodisch klingt. Sie kann noch in der tiefsten Tiefe gestalten und braucht keine technischen Tricks aufzubieten, diese extremen Töne zu produzieren, damit es tief klingt. Bei ihr ist es tief. Die Programmauswahl der CD ist keine Neuauflage der berühmten Preiser-LP. Die meisten Titel sind aus anderen Schalllack-Quellen übernommen, denn die Sängerin hat etliche Szenen mehrfach eingespielt. In zwei Werken – „Martha“ und „Siegfried“ – ist Ottilie Metzger mit ihrem zweiten Ehemann, dem renommierten Bariton THEODOR LATTERMANN (1880* - 1926) zu hören. * andere Quellen 1883


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hallo, Rüdiger!


    Sollte ich mal wieder in meinen Schellacks stöbern, werde ich bestimmt auf Aufnahmen mit Ottilie Metzger achten. Denn da besitze ich welche. Ich meine, mich an einen Aida-Querschnitt mit Ottilie Metzger erinnern zu können, mit ihr als Amneris.




    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Lieber Rüdiger,
    es ist verdienstvoll, auf die Sängerin Ottilie Metzger und ihr bedauernswertes Schicksal hinzuweisen.
    "Wie sich die Bilder gleichen" Philipp Rypinski, geb. 1884 in Bamberg, gest. 1943 New York, war zwar kein Sänger, sondern ein Kapellmeister, der über 10 Jahre am Heilbronner Stadttheater wirkte und als Opern- und Operettendirigent sehr erfolgreich war, bis er 1933 vom Pult weg in einem Konzert von Nazischergen verhaftet wurde. Seine Ehefrau, eine begabte Harfenistin, obwohl selbst keine Jüdin, durfte das Heilbronner Theater ebenfalls nicht mehr betreten.1938 gelang es der Familie Rypinski schließlich nach Amerika auszuwandern, wo sie sich in New York niederließ; 1943 starb Philipp Rypinski unter elenden Umständen im Stadtteil Bronx. Das Heilbronner Sinfonie Orchester spielte in einem Komponistenfestival, das Heilbronner Komponisten gewidmet war, zum Gedenken an Philipp Rypinski seinen "Symphonischen Festprolog". Das wirkungsvolle, bombastische Stück geht harmonisch über Beethoven zwar kaum hinaus und bleibt auch melodisch und rhythmisch im Rahmen der Romantik. Mit großer Besetzung und unter Beteiligung einer Gruppe von Ferntrompeten mündet das ausgesprochen festliche Stück in eine Apotheose der Kaiserhymne "Heil Dir im Siegerkranze". Diese Aufführung war also ein Wiedererinnern und eine Art Wiedergutmachung für einen völlig zu Unrecht verfehmten und geschundenen Künstler. Für so einen musikalischen Einsatz sollte es nur Bravos geben.
    Lieber Rüdiger, Du schreibst an anderer Stelle sinngemäß, dass man beim Erinnern an Gedenktage einen auswählenden, strengen Maßstab anlegen sollte. Ich bin der Meinung, dass jedes Erinnern an Künstlerpersönlichkeiten und ihr Wirken richtig und wichtig ist. Dadurch wird wider das Vergessen angegangen und Künstler gewissermaßen am oder besser in unserem Leben gehalten. Deshalb bin ich Willi und war Harald Kral immer dankbar, dass sie diese Aufgabe der Erinnerung übernommen und äußerst gründlich und liebevoll ausführen. Sollte allerdings eine noch würdigere Form, dies zu tun, gefunden werden, findet dies meine uneingeschränkte Zustimmung und Unterstützung. "Vergesst die alten Meister nicht" - auch eine Hauptzielsetzung der von mir geführten Gottlob-Frick Gesellschaft.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ein furchtbares Schicksal, das nachdenklich macht.



    Hier eine Aufnahme von 1904 (sic).


    Josefine von Artner (Woglinde)
    Marie Knüpfer-Egli (Wellgunde)
    Ottilie Metzger (Floßhilde)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Auch ich danke Rüdiger für sein hoch informatives, detailliertes und liebevoll erarbeitetes Porträt, das bei mir eine Bildungslücke geschlossen hat. Ich werde auch weiter nachforschen und mich mit der Künstlerin beschäftigen, so viel ist sicher. Ihr Schicksal ist in der Tat erschütternd. Erstaunlich, dass sie trotz ihrer künstlerischen Meriten nicht verschont wurde.
    Ich möchte gerne dieses wunderschöne Klangbeispiel aus dem Jahr 1920 beisteuern:


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