Niederländische Barockmusik

  • Obwohl es unzählige Darstellungen von den damaligen Malern gibt, welche das Muszieren zeigen, so ist doch die niederländische Musik des Barock kaum auf Tonträgern zu finden, geschweige denn in Konzerten zu hören.
    Doch auch wenn die Niederlande keinen eigenen Nationalstil, wie Italien oder Frankreich hervorgebracht haben, so heißt das noch lange nicht, dass es dort keine Musikpflege gab.



    Ansicht von Amsterdam (Gerrit Berckheijde)


    1648 mit dem Westfälischen Frieden, wurde den nördlichen Niederlanden (Holland) die Selbstständigkeit zuerkannt. Es erfolgte die Trennung von den südlichen Niederlanden (Belgien).
    Die Kultur der nördlichen Niederlande wurde durch zwei Aspekte maßgeblich geprägt, die strenge Calvinistische Religion und den sehr lebhaften Handel und die damit verbundene Weltoffenheit, die noch Heute so spürbar ist.


    Die südlichen Niederlande blieben weiterhin unter spanischer Herrschaft und waren demzufolge katholisch. Und wärend der Norden aufblühte, verfiel der Süden, auch das ist bis Heute zu spüren.



    Tielemann Roosterman (Frans Hals)


    Nicht mehr der Adel war im heutigen Holland maßgebend, sondern das aufstrebende Bürgertum. Die Unabhämgikeit brachte einen neuen Stand hervor, den des reichen Kaufmanns.
    Sie ließen sich in hunderten von Gemälden verherrlichen, kaum eine andere Nation hat dermaßen viele Bürgerportraits hervorgebracht.


    Doch durch die fehlende "höfische Kultur" entstand kaum eine professionelles Musikleben. Viele Komponisten verließen deshalb Holland um an den erblühenden europäische Höfen eine Anstellung zu finden.
    Im Gegenzug importierte man Kompositionen aus dem Ausland.
    Besonders die Musik aus England fand rasche Verbreitung, Dowland, Lawes, Jenkins etc. mit anderen Worten, Musik für Laute, Gambe und Cembalo waren am meisten gefragt.



    Die Gambenspielerin (Netscher) [hängt bei uns in Kassel :D :lips: ]



    Es wurden weder Opern aufgeführt, noch gab es Ballette, oder große geistliche Werke, dafür überschlug sich aber die "Laienmusik" gerade zu - man denke nur an die vielen Gemälde die das Musizieren darstellen und die zahllosen Liedersammlungen.


    Diese Bände mit Instrumentalmusik und Liedern wurden dutzendweise gedruckt und fanden reißenden Absatz.
    Eine der wichtigsten Sammlungen waren die Ausgaben der "Stichtelijcke Rijmen" (erbauliche Gedichte) von Dirk Rafaelszoon Kamphuysen, sowie die von Paulus Matthysz veröffentlichten Instrumentalsammlungen.


    Kamphuysen war Remonstrant (Mitglied einer calvinistischen Sekte, sie lehnten die geltende Lehre der Prädestination ab)
    Aus diesem Grund wurde er auch irgendwann verbannt, was die Holländer jedoch nicht davon abhielt, seine Gedichte zu drucken, zu kaufen und bis ins 18. Jahrhundert hinein zu verlegen.


    Diese Gedichte wurden mit volkstümlichen Melodien aus England Frankreich, Holland und Italien versehen, was zur damaligen Zeit recht üblich war.


    Ein typisch holländisches Gengre ist das "Emblembuch" indem der text mit einer Melodie und einer schönen, aber auch rätselhaften verschlüsselten Illustration versehen ist.
    (Manchmal ist auch eine kleine Erläuterung bei dem Bild dabei)



    Viele dieser Melodien waren schon sehr alt, sie stammen teilweise sogar aus dem 16. Jahrhundert, Kompositionen von Dowland, Philipps, Morley und Jones tauchen auf, wobei die Lautenwerke und Kompositionen von John Dowland ganz besonders beliebt gwesen sein müssen.


    Paulus Matthysz war der produktivste aller holländischen Musikverleger seiner Zeit. Seine Zielgruppe waren junge reiche Holländer, die sich als Amateure der Instrumentalmusik verschrieben hatten. Auch er besorgte sich meist Musik aus englischen Quellen, dazu gehörten auch unerlaubte verfielfältigungen der Sammlungen von John Playford (English Dancing Master oder Court Ayres etc. )



    Die wohl berühmteste Veröffentlichung ist aber wohl der "Fluyten Lust-hof" von Jacob van Eyck.
    Es handelt sich hierbei um Diminutionen für Blockflöte, denen der selbe Melodienschatz des späten 16. Jahrhunderts zugrundeliegt.


    Eine weitere wichtige Sparte der holländischen Musik war die Lautenmusik.
    Sie ist von erlesner Qualität und hier gibt es auch einige Komponisten die noch Heute ein Begriff sind unter den Liebhabern der Lautenmusik.
    Der berühmteste Lautenspiler und Komponist war sicherlich Nicolas Vallet (ca. 1583 - ca. 1642) , seine Arragements und Kompositionen sind auch recht häufig außerhalb Hollands zu finden.



    Die Sammlungen die also wärend des 17. Jahrunderts in Holland veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Niederländer einen recht konservativen Musikgeschmack hatten, doch scheuten sie sich nicht diese alten Weisen ständig neu zu bearbeiten.
    Das bedeutet: diese Melodien bekamen holländiche Kontrafakturen und andere Harmonisierungen, sie wurden mit Illustrationen versehen, außerdem verziert und intavoliert.


    Doch gab es auch einen wirklichen holländischen Barockkomponisten, den Staatsmann, Humanist und Laienmusiker Constantijn Huygens.




    Constantijn Huygens (de Keyser)


    Er war Diplomat und bereiste viele Länder - natürlich auch mehrfach England (dort spielte er für James I. die Laute) sowie Frankreich und Italien.
    In seinen Liedern ist unverkennbar das frz. "Air de Cour" zu spüren.
    Er selbst schrieb er hätte etwa 800 Werke hinterlassen, doch ist nur die Sammlung "Pathodia sacra et profana" von 1647 erhalten.


    Ferne kann man noch David Petersen erwähnen, der ebenfalls sehr schöne Lieder schrieb und ungeheuer komplizierte Violinsonaten schrieb.
    Über sein Leben ist so gut wie nichts bekannt, außer dass er in Amsterdam lebte.


    Dann Nicolas a Kempis, der einige Sonaten in einer herrlichen Ausgabe von 1644 veröffentlichte.



    zwei Aufnahmen die ich besitze kann ich auch wärmsten empfehlen:





    The Golden Dream, niederländische Musik des 17. jahrhunderts
    Drew Minter / The Newberry Consort / Paul O'Dette


    * leider im Moment nicht mehr erhältlich* eventuell erscheint die Aufnahme aber nochmal bei Musique d'Abord ...



    [jpc]7557057 [/jpc]
    Nicolas Vallet: Le Secret des Muses
    Paul O'dette (Laute)

  • Danke Matthias, für diesen Thread.


    Einige der von Dir genannten Namen waren mir noch unbekannt. :D
    Hinzugefügt muß noch werden, daß damals Holland sehr viel Musik drückte. Wenn ich gut informiert bin, ist das den Grund daß Locatelli 1729 nach Amsterdam umsiedelte. In Holland erschien 1733 sein "L'arte del violino" und er wohnte da bis sein Lebensende.
    Natürlich gab es auch Komponisten, und der "berühmteste" ist vermutlich Ritter Graf "Jacob Unico van Wassenaer", der die "Concerti armonici" komponierte. Diese "Concerti armonici" wurden viele Jahre Pergolesi zugeschrieben. Das er diese Concerti anonym publizierte, sagt vieles.
    Aber im großen und ganzen gab es eigentlich keine richtige Musikkultur. Das einzige, daß von den Behörden gefördert wurde, war das Orgelspielen. Denn das war etwas, daß die Gottesdiensten förderte.


    LG, Paul

  • Hallo Lullist,


    eine wunderbare Themeneröffnung! :jubel:


    Zitat

    Ferner kann man noch David Petersen erwähnen, der ebenfalls sehr schöne Lieder schrieb und ungeheuer komplizierte Violinsonaten schrieb.
    Über sein Leben ist so gut wie nichts bekannt, außer dass er in Amsterdam lebte.


    Zu Petersen kann ich ein paar Fakten beisteuern. Um 1651 wurde er in der Stadt Lübeck geboren. 1679 heiratete er in Amsterdam Catharina Aertsen. Der 28-jährige Petersen soll als Kaufmann tätig gewesen sein. Aus seiner Ehe mit Catharina entstammen fünf Kinder, des Jüngsten Patenschaft der Dichter Abraham Alewijn übernahm. Zwischen Alewijn und Petersen soll trotz ihrer Standesunterschiede ein brüderlicher Umgang geherrscht haben. Alewijn widmete Petersen seine Tragödie "Amarillis", die 1693 in Amsterdam erschien. Ein Jahr später wurde bereits das erste Ergebnis der künstlerischen Zusammenarbeit dieser beiden Männer veröffentlicht: "A. Alewijns Zede en Harpgezangen, met Zangkunst verrykt door David Petersen." Dabei handelt es sich um einen Band mit vierundzwanzig Liedern für Stimme und Instrumentalbegleitung, der mit weiteren einzelnen Liedern mit Texten Alewijns bis 1715 mehrfach neu aufgelegt wurde. Petersens letzte Spur datiert sechs Jahre zuvor auf den 12. September 1709, an dem er Zeuge der Eheschließung seiner Tochter Jelena war. Danach verliert sich seine Spur völlig. Wo und wann er starb ist unbekannt.


    Petersens erstes veröffentlichtes Werk sind die 1683 in Amsterdam publizierten "Speelstukken", eine Sammlung von Virtuosenmusik für Violine. Das einzige bekannte Exemplar dieses Werkes wird in England in der Kathedrale von Durham aufbewahrt.
    Es ist unbekannt wo Petersen die Kunstfertigkeit lernte, um solch ein komplexes, abwechslungsreiches und inspiriertes Werk wie die "Speelstukken" zu schreiben. Aufgrund existierender Paralellen zu den "Scherzi Musicali" von J. J. Walther wird vermutet, daß Petersen ein Schüler Walthers gewesen sei oder, daß er sich zu seinen Sonaten von Walthers Scherzi inspirieren ließ.


    Die Ausführungen berufen sich auf die einleitende Studie Rudolf Faschs zur Faksimileausgabe der "Speelstukken" von 1989, und sind dem Beiheft der folgenden Einspielung entnommen:



    David Petersen • Speelstukken
    The Rare Fruits Council • Manfredo Kraemer


    Kraemer und sein RFC haben eine hinreißende und spannende Einspielung hingelegt. Von den 12 Sonaten der "Speelstukken" wurden hier aus Platzgründen neun ausgewählt. Das continuo ist mit Kirchenorgel, Theorbe, Clavicymbel, Gambe und Violoncello bunt und abweschlungsreich instrumentiert. Leider ist diese grandiose Aufnahme nicht mehr lieferbar. Wer zufällig ein Exemplar findet, sollte sofort zugreifen.




    :hello:
    Gentilhombre

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Guten Abend


    einen Einblick in die musikalische weld des Jan Steen (1626 - 1679) gibz diese



    empfehlenswerte CD.


    Die Camerata Trajectina führt abwechsend Instrumental- und Vokalstücke auf. Besonders schön auch das Booklet mit Texten und Bildern aus dieser Zeit :jubel: :jubel:


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • komisch, dass ich diese tolle CD noch nicht hier erwähnt habe.
    Wird's eben nachgeholt :D




    Johan Schenk: Bacchus, Ceres en Venus
    Jasper Schweppe, Hieke Meppelink, Renate Arends, Bernard
    Loonen, Nico van der Meel, Pieter-Jan Belder, Constance
    Allanic, Louis Peter Grijp u. a.



    dies ist eine ganz besondere Rekonstruktion: die erste aufgeführte niederländische Barock-Oper !


    Natürlich gab es vorher schon Opernaufführungen in Holland, Lullys Isis von 1677 war die erste Oper, die in den Niederlanden aufgeführt wurde, allerdings eben in frz. Sprache.


    Dieses Werk hier, ist aber in holländisher Sprache vertont worden und stellt somit etwas ganz besonderes dar.
    Die erste holländische Oper war "De Triomfeerende" von Dirck Buysero und Carel Hacquart, geschaffen für die Feierlichkeiten zum Frieden von Nijmwegen 1678.



    Bacchus, Ceres en Venus, wurde wenig später aufgeführt (1687) und war ein Bombenerfolg, so dass sie gleich 12 Mal hintereinander gegeben wurde - für damalige Verhältnisse erstaunlich oft.


    Stilistisch steht das Werk den Opern Lullys sehr nahe, ohne aber auf die typisch holländisceh Musiksprache zu verzichten.
    Die kurze Oper erinnert mich auch irgendwie an Lockes "Psyche", zwar nicht ganz so festlich, aber ähnlich vom Aufbau - es gibt keine Rezitative, nur Lieder. Als Arien kann man die Stücke nicht wirklich bezeichnen.
    Was die Rezitative anbelangt so war man nicht sicher, ob es wirklich welche gab, oder ob der Text nicht einfach rezitiert wurde - es ist jedenfalls nichts erhalten.


    So finden sich hier also nur die Gesangsnummern und die Tänze.
    In jedem Fall eine tolle Entdeckung!

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Guten Abend


    ist zwar zeitlich Grenzwertig,
    aber was man so um 1600 in Flandern als Hausmusik
    gespielt hat kann man auf dieser neuen CD



    mit dem Titel:


    "Manuscrit Susanne van Soldt (1599)"


    hören.


    Das Ensemble Les Witches spielt darauf
    Tänze, Chansons & Psalmen aus Flandern um 1599.
    Im Jahre 1599 flüchtete die 16-jährige Susanne van Soldt, Tochter eines Kaufmannes,
    samt ihrer Familie aus religiösen Gründen von Antwerpen nach London.
    In ihr Notenbuch trug das Mädchen Musik ein,
    die sie gerne zu Hause auf dem Virginal spielte.
    Das farmose Les Witches hat in der vorliegenden Aufnahme versucht,
    die Originalfassungen der Stücke zu rekonstruieren.
    Das gelingt der Formation durch den Einsatz vielerei
    Blas,- Zupf,- Streich- und Schlaignstrumenten vorzüglich.



    Eine Einspielung mit dem Orginal Manuskript der Susanne van Soldt
    liegt u.a. mit dieser Einspielung



    des "Susanne van Soldt Virginal-Buch" mit
    Guy Penson am Virginal vor.



    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard