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Salut,
als Mitglied der Joseph-Martin-Kraus-Gesellschaft e.V. habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, das Violinkonzert in C-Dur von Joseph Martin Kraus (1756-1792) zu editieren, da es dieses bisher nur leihweise auf dem Musikalienmarkt als gedruckte Partitur und Stimmen gibt.
Das besonders interessante an Kraus ist, dass der gebürtige Deutsche am schwedischen Hofe tätig war und dort u.a. auch Opern in schwedischer Sprache geschrieben hat, welche im Drottningholm Slottsteater bei Stockholm aufgeführt wurden. Der damals regierende König veranstaltete des Öfteren Maskeradenbälle. Während einer solchen Veranstaltung wurde der König ermordet. Kraus Sinfonie funèbre ist eine wunderbare Trauermusik, ähnlich der „Maurerischen Trauermusik“ Mozart’s, ebenfalls in c-moll stehend – nur wesentlich länger. Der Clou ist nun, dass Giuseppe Verdi diesen Stoff in einer seiner bekanntesten Opern verarbeitete und daraus „un ballo in mascera“ machte…
Weil mir die Editionsarbeit des Kraus’schen Violinkonzertes viel Freude bereitet, möchte ich die Taminoer daran teilhaben lassen. Eine Fotokopie der Originalhandschrift wurde mir von der Universitätsbibliothek Uppsala/Schweden bereitwillig zur Verfügung gestellt.
Wie in der „Klassik“ üblich, wurde die „Violine principale“ col Violino primo notiert, d.h. dass das Soloinstrument an den Tutti-Stellen für gewöhnlich der ersten Violingruppe folgt. Die heutigen Editoren lassen diesen Part jedoch aus, woran ich mich anschließe. Außergewöhnlich ist im ersten Satz auch die Zusammenfassung der Celli und Bassi als „Fondaments“. Diese Bezeichnung habe ich wegen ihrer Originalität in die Partitur übernommen, jeweils zu Beginn eines Satzes. Die Handschrift weist erstaunlich wenige „Fehler“ auf; nur ganz selten fehlen Vorzeichen oder Auflösungszeichen. Schwierig war die „Unterscheidung“ zwischen Punkten und Strichen. Das Autograph weist eigentlich keine Unterscheidungen auf, im Original sind fast ausschließlich Striche notiert, selbst beim „tenuto“ – wobei hier das Wort „tenuto“ an der jeweiligen Stelle notiert ist. Die Handschrift des ersten Satzes endet mit dem Einsatz der Kadenz und weist lediglich einen Text „da capo usque ad Fine“ auf. Ungewöhnlich daran ist, dass die Wiederholung der gesamten „Exposition“ gemeint ist, da der erste Satz kein „(dal) segno“ aufweist und im weitesten Sinne auch keine Möglichkeit besteht, ein solches „dal segno“ zu setzen. Mithin müssten 63 Takte (!) nach Beendigung der Kadenz wiederholt werden.
[Beginn des ersten Satzes]
Im Vergleich zu Mozart’s Violinkonzerten ist das Kraus’sche Konzert weitaus virtuoser komponiert. Was man Mozart absprach, ist bei Kraus enthalten: Das „ewige Eis“. Kraus geht im ersten und im dritten Satz seines Konzertes bis zum c’’’’ in der Solovioline:
[aus dem ersten Satz – Solo mit c’’’’ – darunter die Hörner – darunter die Phrasierung der Flöten]
Es ist deutlich zu erkennen, dass hier in der Solovioline und in den Hörnern zwar Staccati notiert sind, die gleiche Stelle in den Flöten jedoch mit Strichen versehen ist.
[virtuose Stelle aus dem Durchführungsteil des ersten Satzes T. 207ff. mit „Faulenzer“]
In gedruckter Version sieht der erste Satz (ausschnittsweise) so aus:
Im zweiten Satz benützt Kraus nur die Streicher als Begleitung. Eine anmutende Romanze, die fast schon stilistisch in Richtung Romantik geht und ebenfalls nicht scheut, bis zum f’’’ zu gehen. Der Einsatz der Solovioline im Original:
und im Druck:
Der dritte und letzte Satz ist noch nicht editiert – ein lustiges Rondo im 3/8-Takt mit weitaus mehr als 340 Takten…
Zum Schluss dieser Vorstellung also die Schlusstakte der Originalhandschrift:
Ich hoffe, einiges Interesse an dem sehr schönen Werk geweckt zu haben!
Viele Grüße, Ulli