Haydn, Joseph: Symphonie Nr. 23 G-Dur

  • Hallo!


    Joseph Haydns Symphonie G-dur Hob.I:23 wurde 1764 für Fürst Esterhazy komponiert.
    Die Besetzung: 2 Oboen, 2 Hörner, ein Fagott, Streicher, Continuo.
    Die Sätze:
    1.Allegro (5:39 bei Fischer)
    2.Andante (6:32)
    3.Menuet (2:28 )
    4.Presto assai (1:55)


    Der erste Satz ist ein Sonatenhauptsatz, der monothematisch gehalten ist (erst in der Schlußgruppe kommt etwas neues Material). Das Thema selber ist eher ein „Allerweltsthema“. Die Oboen sind sehr präsent, oft stimmführend. In der Durchführung klingt der „Sturm-und-Drang-Haydn“ etwas an. Fischer wiederholt in seiner Aufnahme alle Satzteile.


    Die formale Struktur des zweiten Satzes ist wohl eine Art Sonatensatzform. Er hat jedenfalls zwei Themenabschnitte und fängt ABAB an. Danach kommt ein Durchführungsteil beider Themen, dann eine leicht veränderte (?) Reprise. Durchführung und Reprise werden bei Fischer wiederholt. Die Tonart des zweiten Satzes (und die der anderen) kann sicher jemand nachtragen. Auch diesen zweiten Satz fand ich recht durchschnittlich.


    Im kleinen, aber feinen Menuett alternieren hohe und tiefe Stimmen in einer Art Engführung (im Reclam steht imitatorisch). Das wirkt recht unterhaltsam, wie auch das Trio im Streichquartett-Sound.


    Das Finale beginnt zunächst erwartungsgemäß mit der Exposition des Themas (wieder monothematisch) und einem sich anschließenden Durchführungsteil, der dann aber überraschend ins Nichts führt. Die Symphonie verebbt nach einigen Pianissimo-Akkorden. Dies ist sicher ein noch schrofferer Finalabbruch als in Nr. 45. Hier läßt es Haydn den Ausführenden aber frei, den zweiten (Durchführungs-) Abschnitt nochmal zu wiederholen. Damit ist allerdings der Überraschungseffekt des Endes größtenteils weggenommen. Fischer wiederholt den zweiten Teil nicht, allerdings soll Ward (Naxos) dies angeblich getan haben.
    Somit gibt es hier zwei unterschiedliche Möglichkeiten, das Finale verlaufen zu lassen, beide von Haydn legitimiert – ein Unikum unter den 104 Symphonien?
    Bemerkenswert ist auch die bei Haydn seltene Tempoangabe „Presto assai“, aber zumindest Fischer nimmt den Satz nicht schneller als die anderen Prestos (Presti?).


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Pius,


    diese Sinfonie habe ich heute morgen erstmals mit wirklich weitgehend ungeteilter Aufmerksamkeit gehört und zwar in dieser Aufnahme:



    Academy of Ancient Music, Leitung: Christopher Hogwood


    Ich habe auch noch Goodman und Fischer - die höre vielleicht mal abends durch und merke dazu auch noch was an (wenn's denn was anzumerken gibt).


    Jedenfalls: Die Sinfonie gefällt! Insgesamt hat sie – wenn auch in Satz und Faktur ziemlich reif – einen leichten, eher frühklassischen Charakter, manches gemahnt IMO ziemlich an den galanten Stil. Das fällt mir insbesondere im ersten Satz auf, den ich weniger stürmend und drängend empfinde als eben vielmehr galant - etwa aufgrund der trillerigen Vorhalte und Tremoli, die auf mich nicht dramatisch-drängend wirken sondern eher verspielt-dekorativ. Hübsch!


    Der zweite Satz ist zwar ebenfalls ganz apart wirkt auf mich durch die vielen Wiederholungen die (Hogwood ebenfalls alle spielen läßt) ziemlich gedehnt. Das Menuet finde ich, wie Du auch schreibst, sehr »unterhaltsam«. Ja und das Finale hat mich zunächst mit den etwas forciert-hingeworfenen, schroffen dadada-damms der Streicher genervt. Das klingt so vordergründig markant – erhält aber durch das Ersterben des Satzes, das einen doch erstmal mit Staunen zurückläßt, einen fast tragikironischen Charakter. Hogwood geht den Finalsatz eigentlich recht zügig an: er braucht nur 2:37 (ebenfalls ohne Wiederholung von Durchführung/Reprise).


    Viele Grüße,
    Medard

  • Jetzt habe ich zwischenzeitlich neben Hogwood auch nochmals die Aufnahmen mit Roy Goodman und Adam Fischer gehört. Bildchen:



    Austro-Hungarian Haydn Orchestra, Leitung: Adam Fischer




    The Hanover Band, Leitung: Roy Goodman




    Academy of Ancient Music, Leitung: Christopher Hogwood



    Alle drei Einspielung sind IMO eigentlich recht gut gelungen. In der Wahl der Tempi weicht Fischer (außer im Kopfsatz) ziemlich deutlich von den beiden anderen Aufnahmen ab;


    Fischer: 5:39 / 6:32 / 2:28 / 1:55 (Finale ohne Widerholung von Durchf./Repr.)
    Goodman: 5:39 / 8:35 / 3:41 / 2:25
    Hogwood: 6:00 / 8:16 / 3:28 / 2:37


    Bemerkenswert ist das Fischer in den Mittelsätzen die fixesten Tempi anlegt, im Kopfsatz liegt er mit Goodman gleichauf, im Finale ist er deutlich langsamer. Das Finale nimmt Goodman am zügigsten und auch am schmissigsten. Goodman und (da habe ich mich gestern irgendwie geirrt) Hogwood lassen im Finale die Wiederholung von Durchführung/Reprise spielen, was IMO gar nicht störend ist (sonst wär’s mir gestern beim Hören im Büro mit Sicherheit aufgefallen).


    Fischers zügige Gangart tut dem Menuet sehr gut, im Andante finde ich ihn recht verhetzt. Der Orchsterklang der Fischeraufnahme ist im Vergleich zu Hogwood eher glatt – dafür wirkt Hogwood in seiner Lesart vergleichsweise ein wenig unegagiert, so als würde er Stück nicht besonders mögen –im Vergleich zu Goodmann geradezu bieder. Aber man muß die Aufnahme ja nicht immer im direkten Vergleich hören.


    Das Finale macht Goodman mit Abstand am besten – es erhält in seiner Interpretation und mit dem schroffen Klangbild der Hanover Band eine erfrischende Struppigkeit. Bei ihm wirken die da-da-da-damms der Streicher auch weniger vordergründig „hingeworfen“ als vielmehr trotzig. Das gefällt mir schon sehr.


    Also, ich habe hier eigentlich keine wirkliche Präferenz. Alle drei Aufnahmen sind IMO schon o.K. Goodman (ist bei mir schon fast wie bei Loge mit Karamalz, oder? – naja, immerhin empfehle ich Goodman nicht bei Schostakowitsch, Hartmann oder Nono) schlägt etwas nach oben aus (insbesondere aufgrund seiner markanten Lesart in den Ecksätzen), Hogwood etwas nach unten (aufgrund seiner tendenziell wenig kantigen, neutralen Interpretation).


    Viele Grüße,
    Medard

  • Hallo Medard!


    Zitat

    Das Finale nimmt Goodman am zügigsten und auch am schmissigsten.


    Das habe ich in der Fischer-Aufnahme vermißt. Wenn nun schon selten genug Presto assai dasteht, kann man als Dirigent doch mal ausprobieren, wie schnell so ein Orchester spielen kann...


    Zitat

    Goodman und (da habe ich mich gestern irgendwie geirrt) Hogwood lassen im Finale die Wiederholung von Durchführung/Reprise spielen, was IMO gar nicht störend ist.


    Störend ist es nicht, aber so ein promptes radikales Ende, welches sich ohne die Wiederholung ergibt, würde ich auf jeden Fall vorziehen, zumal es Haydn so freistellt. Konventionelle Enden und Wiederholungen gibts ja sonst genug.


    Zitat

    Fischers zügige Gangart tut dem Menuet sehr gut, im Andante finde ich ihn recht verhetzt.


    Beim 2. Satz finde ich sein Tempo aber eher so wie erwartet. Schließlich ist es ein Andante und kein Adagio. Und da der Satz ohnehin eine Tendenz zur Langeweile hat...


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Nach der sehr eindrucksvollen und eigenwillig intrumentierten Sinfonie Nr 22 "Der Philosoph" ist diese Sinfonie vergleichsweise konventionell und (für mich) eher "langweilig", zumal sie weder besonders originall oder klangschön ist.

    Der letzte Satz, ein "Jagdmotiv" ist im Gegensatz dazu agressiv. Das Ausklingen der Sinfonie ist in der hier von Haydn gewählten Art eher selten. Alles natürlich auf hohem Niveau, der Konkurrent ist hier Joseph Haydn himself.

    Abgehört wurde mit der sakrosankten Aufnahme unter Roy Goodman.....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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