Hallo!
Die Symphonie d-moll Hob. I:80 habe ich mir ausgesucht, da ich Fan dieses zu Unrecht unbekannten Werkes bin. Wieviel dazu meine Vorliebe für d-moll beiträgt, ist schwer zu sagen, denn es ist ganz objektiv ein recht eigenwilliges Werk mit einigen vom späten Haydn eher ungewohnten Ecken und Kanten, an denen man sich als Hörer reiben kann.
Haydn komponierte die Symphonie 1784 als Teil des Dreierpacks 79,80,81.
Die Besetzung: Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotti, 2 Hörner und Streicher.
Die vier Sätze lauten:
I. Allegro spiritoso
II. Adagio
III. Menuetto
IV. Finale. Presto
Zeiten Fischer: 5'10-8'55-3'24-5'03
Zeiten Scherchen: 3'55-5'36-3'30-3'21
Zu den Zeiten: Scherchen ist zwar einerseits etwas schneller unterwegs als Fischer, aber er vermeidet auch jegliche Wiederholungen. Daher der große Unterschied.
Zum Allegro spiritoso: Die Symphonie beginnt mit einem düsteren Unisono (nur mit dem Fagott als eine Art Generalbaß), das sich nach und nach zum Hauptthema hinentwickelt – wobei ein richtiges „Thema“ für mich nicht greifbar ist. Sehr auffällig ist das schnelle Hin und Her zwischen Streichern und Bläsern in dem folgenden Dur-Abschnitt (der wohl der Seitensatz ist (?)), das so aberwitzig rasant wird, das letztlich ein Unisono daraus wird.
Eine cantable Passage der hohen Bläser beendet die Exposition (die zu wiederholen ist). Genau dieses Schlußgruppenthema wird dann in der Durchführung aufgegriffen, und es dominiert diese auch trotz des kräftigen Einbruchs des Moll-Unisono-Themas.
Die Reprise ist deutlich verändert und auch verkürzt, so daß ich mich gar nicht mehr zurecht finde...fehlt hier das 1. Thema?
Der Satz endet jedenfalls mit dem Bläser-Schlußgruppenthema und zwei kräftigen Dur-Akkorden.
Das B-dur-Adagio beginnt mit einem ruhigen Streicher-Thema, das danach im Tutti bekräftigt wird. Nach einer immer trüber und zaghafter werdenden Überleitungspassage, platz unvermutet ein zweites Thema im Forte hinein, das die Unruhe und Tragik des Kopfsatzes wieder heraufbeschwört. Im nun anschließenden Teil werfen sich tiefe und hohe Stimmen Frage und Antwort zu; schließlich folgt eine am 1. Thema angelehnte Überleitung zu einem dritten Thema, das wieder im Forte erklingt, aber eher heiter-beschwingt ist und recht bald verklingt. Das dritte Thema ist mit dem ersten motivisch verwandt und quasi ein extrovertierterer Gegenpart.
Danach wird die Exposition wiederholt (zumindest bei Fischer).
In der Durchführung erscheint zunächst das 1. Thema in Moll, das 3. Thema wird alsbald hinzugewoben. Danach wird das 2. Thema unverändert (?) gespielt. Die Überleitung, die in der Exposition zwischen 2. und 3. Thema stand, leitet nun abgewandelt zur Reprise über. In dieser kommen nur noch das erste und dritte Thema vor, ohne das (ver)störende zweite. Die kurze Coda beschert noch einige Bläserklangspiele aus Motiven des 3. Themas.
Durchführung und Reprise werden von Fischer nicht wiederholt.
Der Satz endet deutlich heiterer und entschiedener, als er begonnen hatte. Das zögerliche 1. Thema verliert zugunsten des kräftigeren dritten an Gewicht. Und in der Reprise ist das störend hereinbrechende Moll-Thema überwunden. Ich finde diesen zweiten Satz sehr schön und interessant.
Der dritte Satz ist nach dem üblichen Menuett-Schema aufgebaut:
A: abgehacktes, abweisendes d-moll-Thema mit melodischer Schlußwendung
A (Menuett)
A': abgewandeltes Thema staccato, piano mit angehängtem verkürztem A-Teil
A'
B: (Trio) paradiesisch-schöne Melodie, von den Bläsern getragen, eine meiner Lieblingsstellen in Haydn-Symphonien!
B:
B': wie B, zudem mit cantabler Einleitungspassage
B'
A (Menuett da capo)
A'
Die Melodie des Trios (in D-dur) verwendet angeblich das gregorianische „Incipit lamentatio“, ebenso wie der 2. Satz der 26. Symphonie.
Nach einigen unsicheren leisen synkopischen Staccato-Akkorden setzt das bewegte D-dur-Finale ein. Der stürmische Kehraus wird durch einige retardierende Passagen immer wieder unterbrochen. Insbesondere die leisen, fragenden Klänge zu Beginn der Exposition lassen die ausgelassene Freude etwas auf wankendem Untergrund stehen. Die Durchführung konzentriert sich hauptsächlich auf diese Passage und steigert sie hymnisch empor. Nach einer Scheinreprise kommt nochmal ein Durchführungsteil, der mit zwei mächtigen Moll-Akkorden endet. Die Reprise führt dann konsequent zum entschiedenen Dur-Abschluß hin.
Auch wenn Scherchen temperamentvoller spielen läßt und seine Interpretation mitreißt (klingt auch erstaunlich „modern“ für die 50er), bügelt er doch über diverse schöne Klangdetails hinweg und ist undifferenzierter als ein auf Haydn spezialisiertes Orchester wie das von Fischer geleitete.
Ohne die Wiederholungen ist die Symphonie ja keine 17 Minuten lang. Sie verliert IMO allein durch dieses quantitative Maß an „Gewicht“. Ich denke nicht, daß die Symphonie durch Scherchen zu meiner favorisierten Symphonie zwischen Nr. 49 und Nr. 82 geworden wäre.
Fazit: Ich gebe Fischer klar den Vorzug.
Viele Grüße,
Pius.