Gestern Abend ging für mich ein Traum in Erfüllung. Endlich hat es einmal für mich geklappt, in dieses herrliche Opernhaus zu fahren (und noch in der gleichen Nacht zurück) und dann auch noch in Puccinis Turandot, eine Oper, die ich mangels Gelegenheit noch nie gesehen hatte und nur von Aufnahmen kannte...
Auch wenn an diesem Abend nicht musikaloisch alles hunterprozentig gestimmt hat, war es dennoch ein sehr beeindruckendes Erlebnis, dass ich so schnell nicht vergessen werde und das all die Anstrengungen der weiten Reise aus München wert war.
Das Dirigat von Valery Gergiev war sicherlich eines der besten Operndirigate, die ich bisher live gehört habe. Was Gergiev aus dem grossartigen Scala-Orchester herausholte war einfach nur wahnsinn. Er zauberte unglaubliche Farben aus dem Orchester, dirigierte spannungs- und abwechslungsreich mit äusserster Präzision und arbeitete auch die lyrischen und zarten Momente dieser komplexen Oper heraus. Es war einfach nur wunderbar, diese Oper unter seiner Leitung zu hören!!!!
Auch der von Bruno Casoni einstudierte Chor sang einfach sensationell. Da stimmte wirklich alles. Zusätzlich war in nahezu jeder Chorstelle der italienische Text deutlich zu verstehen. Ich war einfach nur begeistert! Das war wirklich etwas besonderes!
Bei den Solisten war ich von Beginn an etwas skeptisch, weshalb gerade Maria Guleghina, die in München als Abigaille nicht wirklich überzeugte, an so berühmten Häusern wie Met oder Scala immer wieder die Turandot singen darf. Insgesamt würde ich ihre Leistung als durchaus angemessen bezeichnen. Die dunkle Stimme ist zwar manchmal etwas "unrein" und in der Höhe auch zuweilen schrill, aber der Einsatz mit dem sich Frau Guleghina darstellerisch und stimmlich in diese schwere Partie warf, war doch überzeugend. Immer wieder gelangen ihr wunderbare Momente, etwa wenn sie am Ende der Menge den Namen des Fremden verkündet. Auch die Veränderung von der Prinzessin aus Eis zur liebenden Frau gelng ihr ausgesprochen gut. Marco Bertis Calaf, erreichte zwar nicht das Niveau grosser Rollenvorgänger, erbrachte aber eine durchaus solide Gesangsleistung. Neben einem wirklich hervorragendem Non piangere Liu, fiel leider das Nessun Dorma durch eine in der Höhe ziemlich eng werdenden Stimme etwas ab. Insgesmt sang er jedoch mit schönstimmigem Tenor, der jedoch manchmal für den Calaf etwas zu leichtgewichtig wirkte.Eine wirklich grossartige Leistung erbrachte Ekaterina Scherbachenko, die mit ihrem wunderbaren lyrischem Sopran eine Idealbesetzung für die unglückliche Liu war. Mit ihrem Tod brachte sie nicht nur die eisige Prinzessin zum Schmelzen, sondern rührte zahlreiche Opernbesucher zutiefst.
Als Timur blieb Marco Spotti leider ziemlich blass. Sehr gut sangen dagegen Angelo Veccia, Luca Casalin und Carlo Bosi das Ping-Pang-Pong-Trio und Ernesto Panariello einen düsteren Mandarin.
Wirklich gut gefallen hat mir die Inszenierung von Giorgio Barberio Corsetti, der gemeinsam mit Christian Taraborelli auch die Ausstattung schuf. Die Inszenierung erzählte die Geschichte als Traum Calafs, was sich aber glücklicherweise darauf beschränkte vor Beginn einen schlafenden Calaf auf die Bühne zu legen, der sich zu den Schlusstakten wieder hinlegen durfte. Ansonsten wurde in schönen Bildern einfach nur die Geschichte erzählt.
Im Hintergrund der Bühne war eine grosse Leinwand installiert, auf die durchaus gelungenene Bilder projiziert wurden. Der Himmel mit Mond, ein Garten in der Ping-Pang-Pong-Szene, das Gesicht der Turandot. Einige Chinesische Gebäude und Paläste wurden immer wieder (völlig lautlos!!!) aus der Versenkung herausgefahren und ermöglichten schnelle und gelungene Szenenwechsel. Die Rätselszene war mit ihrer Grösse und den vielen verschiedenen Farben ein wahres Fest fürs Auge!
Die Kostüme waren ganz traditionell und opulent und ergänzten gut die Farben des Bühnenbilds. Im ersten und zweiten Akt wuselten zahlreiche Akrobaten über die Bühne und vollzogen allerlei Kunststücke. In der Schlussszene begann es zu schneien und Turandot und der komplette Hofstaat trugen weiss. Was das bedeuten sollte, erschloss sich mir nicht so recht, es stand wohl allerdings kein allzu hochgeistiger Gedanke dahinter Insgesamt eine wirkliche schöne, ansprechende Inszenierung, die das Auge verwöhnte und Abwechslung zum tristen Regietheater-Alltag bot. man war eben an der Scala!!!
Wie erwartet wurde an der Scala auch der Alfano-Schluss gespielt (m.E. immernoch die Beste von allen möglichen Alternativen). Ich war jedoch überrascht, dass nach Lius Tod noch eine gute Viertelstunde Musik gespielt wurde. So lange htte ich den Schluss, der ja meist nur gekürzt gespielt wird, nicht erwartet. So sang Turandot noch das Solo Del primo pianto. Es würde mich sehr interessieren, ob ich etwa den ungekürzten Alfano-Schluss gehört habe.....
Das anspruchsvolle Scala-Publikum war durchaus angetan und spendete kurzen, aber heftigen Applaus.
Nachdem ich noch das ein oder andere Autogramm am Bühnen-Ausgang geholt hatte, holte ich das Auto aus der Tiefgarage und trat glücklich meine nächtliche Rückreise an....