War Mozart ein "konservativer" Komponist ?

  • Kurze Einführung in das Thema: Diese Frage stellt sich auf Grund einer Behauptung eines Pianisten in einem Booklet meiner zahlreich vorhandenen CDs. Wenn ich mich richtig erinnerte, ging es hier um die Klaviersonaten von Jan Ladislav Dussek (1760-1812). Wenn man drüber nachdenkt ist da schon was Wahres dran, denn die revolutionären Beethoven Klavierkonzerte entstanden relativ kurz nach Mozarts Tod, zwischen 1795 und 1809. Welch ein Unterschied. Mozarts Streichwautette sind auf Haydn-Niveau, seine Opern vorzüglich - aber (vielleicht abgesehen vom Don Giovanni) nicht direkt "zukunftsorientiert" Für die Violinkonzerte kann ähnliches gesagt werden. Und die späten Haydn- Sinfonien sind auch nicht konservativer als jene von Mozart.... (?)


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich würde sagen, dass es Werke von Mozart gibt, die man im positiven Sinne als konservativ bezeichnen kann, wie diejenigen Werke, die sich nach dem klassichen Sonatensatzschema ausrichten, als auch solche, die ihrer Zeit weit voraus waren wie z. B. das Requiem. Es ist in der Entwicklung nicht nennenswert hinter dem fast 100 Jahre später entstandenen Verdi-Requiem zurück und hat auch viel von dessen dramatischer Wucht.
    Wie zukunftsorientiert seine Zauberflöte war, sieht man allein daran, dass sie heute noch zu den meistaufgeführten Werken in aller Welt gehört.
    Welcher andere Komponist der Klassik hat in gleich zweien seiner Klavierkonzerte in den Finalsatz ein Adagio eingebettet, wie Mozart in seinem "Jugendwerk", dem Klavierkonzert Nr. 9 Esdur KV 271 "Jeunehomme" und in dem tonartgleichen Konzert Nr. 22 Es-dur KV 482?
    Der schon von Alfred erwähnte "Don Giovanni" sucht in jener Zeit seinesgleichen. Auch der Figaro ist in seiner geselschaftskritischen Anlage als durchaus modern zu bezeichnen, zumal er auch sehr mit der Zensur zu kämpfen hatte Auch musikalisch ist das Finale unvergleichlich.
    Mozart war sicher auch federführend in seiner Zeit in der Komposition von vielen Variationssätzen, einer Angelegenheit, von der Beethoven vielleicht nicht wenig profitiert hat.
    Der Vergleich Mozarts mit Haydn kann eigentlich nur zu Tage bringen, dass Haydn weitgehend ebenso wenig konservativ war wie Mozart, nur dass dies z. T. auf anderen musikalischen Feldern der Fall war.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich finde, die Frage, ob konservativ oder nicht, stellte sich zu Mozarts Zeiten nicht so wie im 19.ten Jahrhundert. Stilistisch war da sehr viel im Fluss, und vieles, was wir heute als klassisch ansehen, wurde von Haydn individuell geprägt. Mozart hat Haydns Neuerungen nicht nur sofort umgesetzt, er hat sie auch in einem "romantischen" Sinn umgedeutet (wie etwa seine "Haydn-Quartette"). In der Instrumentalmusik hat er sehr viel dafür getan, das Melodieinstrument vom Klavier zu emanzipieren (Violinsonaten, Klaviertrios, Klavierquartette)- etwas, das Beethoven weitergeführt hat. Seine Klavierkonzerte waren für Beethoven und die Romantiker stilbildend. Insgesamt war Mozart sicher kein revolutionärer aber ein evolutionärer Komponist - so wie Bach, Mendelssohn oder Brahms.


    Übrigens sind fast alle Sonaten Dusseks nach Mozarts Tod entstanden. Der Revolutionär am Klavier schlechthin ("Der Vater des Pianoforte") war aber ohnehin Clementi und nicht Dussek.

  • Mozart war ein sehr anpassungsfähiger und flexibler Komponist, der von Jugend an "auf der Höhe seiner Zeit" war und diese ab den 1780ern entscheidend mitprägte, ebenso großen Einfluss auf jüngere Komponisten (wie Hummel oder Beethoven) ausübte. Er nahm neue Einflüsse und Instrumente (wie die Klarinette) bereitwillig auf und war ganz sicher nicht konservativ wie vielleicht der späte Bach (was freilich auch ein einseitiges Bild von JS Bach wäre) oder Brahms. Mozart hatte keinen zwei Generationen älteren Komponisten, in dessen Schatten er sich fühlte, wie Brahms gegenüber Beethoven. Er war auch kein Zukunftsmusiker, sondern einer für seine jeweilige Gegenwart (wie fast alle Musiker vor und bis zu Mozarts Zeit), wobei er die musikalischen Mittel ausreizte und auch erweiterte. Er hat vielleicht keine Jahrzehnte "übersprungen" (wie vielleicht der späte Beethoven), aber seine Musik war ohne Zweifel die "Avantgarde" seiner Zeit. Ich habe allerdings das Buch von Gülke über Mozarts späte Sinfonien, das "Triumph der neuen Tonkunst" betitelt ist, noch nicht gelesen (obwohl es seit mehreren Jahren im Regal steht...); dort scheint das Fortschrittliche dieser Werke wohl besonders herausgearbeitet zu werden.
    Der Einfluss von Bach und Händel auf einige geistliche Werke ist nicht in dem Sinne ein bewusster Rückbezug wie bei Mendelssohn oder Brahms, zumal an Kirchenmusik ohnehin eher "konservative" Erwartungen gestellt wurden.


    Mit einfachen Schablonen kommt man hier nicht weiter. Mozart hat beinahe parallel eine traditionelle Opera Seria (Clemenza di Tito), die man vielleicht als konservativ bezeichnen könnte, und eine völlig neuartige deutsche Oper, nämlich die Zauberflöte, komponiert.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mit einfachen Schablonen kommt man hier nicht weiter.


    Das sehe ich auch so. Mit dem Begriff "konservativ" kann man Mozart nicht beikommen. Der Ausdruck macht eigentlich erst ab dem 19.ten Jahrhundert Sinn (Spohr z.B.). Generell glaube ich aber, dass kein großer Komponist einfach nur konservativ ist - das stünde im Gegensatz zum ausgesprochenen Indivualimus dieser Künstler.

  • Zitat von Felix Meritis

    Generell glaube ich aber, dass kein großer Komponist einfach nur konservativ ist - das stünde im Gegensatz zum ausgesprochenen Indivualimus dieser Künstler.


    Das würde ich tendenziell auch genauso sehen, aber ich denke, daß der Individualismus alleine nicht die treibende Kraft sein kann. Ich würde die Umstände, unter denen die Musik Mozarts entstand (etwa Auftragsarbeiten) nicht unterschätzen. Bestimmte Werke mußten "bedienen", ich würde viele der Werke daher im Spannungsfeld "Erwartung" und "Schöpfergeist" sehen. Insofern wohnte Mozart, wenn er Hörerwartungen bediente, sicher etwas konservatives inne. Wie im Prinzip jeder Komponist, so er sich nicht radikal absetzt Elemente in seiner Musik hat, die man mit dem Begriff "konservativ" benennen könnte. Ebensogut ist aber doch der Moment des Probierens in seinem Werk zu fassen, er prägte ja die Hörerwartungen der Zeit nicht unwesentlich mit. Wenn man mag, kann man sicher für bestimmte Werke herausfiltern, ob sie denn eher traditionell waren, oder hinreichend neue Elemente aufweisen, um sie als "fortschrittlich" zu bezeichnen. Aber die Frage ist, ob das einem so gewaltigen Œuvre gerecht werden könnte. Wie konservativ oder fortschrittlich man bestimmte Werke einschätzt, liegt ja nicht zuletzt am Fragenden selbst: wie definiert er eigentlich Fortschritt in diesem Zusammenhang? Als formale Gestaltung der Werke? Oder achtet er z. B. auf eine neue Harmonik?
    Ich vermag diese Frage natürlich nicht zu beantworten, möchte aber darauf hinweisen, daß auch Neues selten ganz aus dem Nichts entsteht und insofern auch den modernsten Werken immer konservative (vielleicht kann man auch sagen: konventionelle) Elemente innewohnen. Das macht die Komponisten selbst aber nicht einfach zu konservativen Komponisten.


    Mit besten Grüßen
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Mit dem Begriff "konservativ" kann man Mozart nicht beikommen.


    Ja, und ich frage mich, ob der Begriff allgemein in der Kunst seine Berechtigung hat. Vielleicht gilt dies für "Zukunftsorientiertheit" noch weniger. Ein Werk, das "zukunftsorientiert" ist, hätte der Gegenwart nichts zu sagen. Die Bezeichnung "Zukunftsmusiker" war ja einst alles Andere als eine Auszeichnung (was in der heutigen Zeit wird beim Begriff "Zukunftsschule" vergessen wird. ;) ) "Konservativ" und "zukunftsorientiert" sind Begriffe einer späteren Zeit, die einen Zeittunnel in die Vergangenheit graben. Aber ein Aristarch ist nicht "zukunftsorientierter" als Aristoteles. Sein Weltbild hat damals schlichtweg nicht überzeugen können. Andererseits ist Aristoteles ist ebenso wenig "konservativ". Das ist eher für die sich auf ihn berufende Nachwelt der nächsten tausend Jahre passend und auch auf all diejenigen, die ihren Kopernikanismus daruf reduzieren, im Wort "geozentrisch" nur die ersten beiden Buchstaben zu vertauschen. (Goethe gehört in so manchen Details dazu, aber das macht ihn noch lange nicht zum "schlechten Poeten"; schon eher zum schlechten Naturwissenschaftler).


    Ein konservativer "Meister" würde etwas Bestehendes vor dem Zerfall bewahren. Mir ist nicht klar, welchen "Mann mit dem Goldhelm" hat Mozart "neu" gemalt, weil die Farbe abgeplatzt oder verblichen ist. Sicherlich hat sich zum Beispiel Mysliveceks Kunst in einem engeren Rahmen bewegt als diejenige Mozarts. Wer will (und möglicherweise wollen heute zu viele), könnte bei jedem Meister ein "Korsett" ausfindig machen, auch bei einem nach neuen Ufern aufahrenden Fährmann wie Janacek oder dem späten Beethoven. Entscheidend ist doch, dass eine Schöpfung nicht "ausufert", sondern in ihrem zeitlichen Umfeld menschlich bewegt. Und wer könnte dies einem Mozart oder Dvorak absprechen? Beide Meister sind für meine Begriffe dem Urgrund des Musizierens überhaupt nahe, also "bewahrt" ihre Kunst etwas im besten Sinne (Zdenko Fibichs Kunst "Stilverspätung" ist für mein Empfinden eher ein bedauerliches Gegenbeispiel, da sie den Zuhörer zu oft als "leergelutschte" Hülle nach Hause gehen lässt, ohne innerlich zu bewegen.)


    Andererseits begann Mussorgsky wie Giordano Bruno noch einmal von vorn. Aber bei der "Johannisnacht" etwa bissen die Jagdhunde Aktaion schon vor der Verwandlung, und dennoch war es vor noch gar nicht langer Zeit trendy den angeblich so konservativen Rimski gegen den "eigentlichen Genialen" des Mächtigen Häufleins auszuspielen. Was wäre von ihm geblieben, hätte Rimski ihn fahren lassen? Dass es heute Menschen gibt, die für ihre Propheten ins Feuer gehen, ist eine höchst "konservative" Erscheinung; der Angebetete wird dadurch aber nicht nachträglich "progressiver". Und die Modernität eines Meisters lässt sich sicherlich auch nicht daran bemessen, wie lange eine Gegenwart von ihm nur die Rücklichter sieht.


    Auf die Frage nach "dem Werk, das für Ihr Leben steht" erwiderte Horst Janssen einst sinngemäß: Wenn mir jemand kommt mit, "oh, wie haben Sie den das gemacht" sage ich nur: Schauen Sie sich das Werk von gestern an. Dann wissen Sie es. In diesem (besten) Sinne ist auch Beethovens Große Fuge ein "Werk von gestern".


    Grüße von Heiko

    Heiko Schröder
    Ahrensburg


    "Wer sich im Ton vergreift, sucht nur in den glücklichsten Fällen nach neuen Harmonien."

  • Ich glaube schon, dass es Künstler gibt, die man stilistisch als konservativ einordnen kann. Wir sind damit vielleicht ein bißchen zu schnell bei der Hand, weil die berühmtesten Künstler nicht selten die radikalen, außergewöhnlich innovativen gewesen sind. Spohr ist vermutlich gar nicht besonders konservativ, aber verglichen mit Beethoven oder Schubert oder Berlioz bewegt er sich aus unserer Sicht in einem eher engen Rahmen und Innovationen wie ungewöhnlich gestaltete Violinkonzerte (in Form einer Gesangsszene) o.ä. ändern den Eindruck nicht wesentlich.
    Relativ problemlos als "konservativ" einstufen kann man m.E. einige spätromantische Komponisten wie zB Dohnanyi, die in den 1930ern nicht wesentlich anders komponierten als Brahms.


    Bei Mozart scheint es mir allerdings seltsam, überhaupt auf die Idee zu kommen, da er ohne Zweifel ein sehr innovativer Komponist gewesen ist, der zwar sich zwar auch mühelos an Gewünschtes anpassen konnte, aber konventionelle Formen und Gestalten (wie zB die vielleicht schon veraltete Opera Seria oder Serenaden) bereichert und auf eine "höhere" Stufe gehoben hat. Und auf Gebieten wie dem Klavierkonzert oder der deutschsprachigen Oper die zentrale innovative Kraft seiner Zeit ist.
    Nur weil seit dem 20. Jhd. Mozart leider manchmal als das Musterbild der leicht konsumierbaren, aber dabei unbestrittenen "Hochkultur" (im Ggs. zB zur Operette) gesehen wird, sollten wir nicht glauben, dass das vor 200 oder 220 Jahren ähnlich gesehen worden wäre.

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  • Spohr ist vermutlich gar nicht besonders konservativ, aber verglichen mit Beethoven oder Schubert oder Berlioz bewegt er sich aus unserer Sicht in einem eher engen Rahmen und Innovationen wie ungewöhnlich gestaltete Violinkonzerte (in Form einer Gesangsszene) o.ä. ändern den Eindruck nicht wesentlich.


    Das ist richtig. Spohr hat - so wie etwa auch Mendelssohn - ziemlich viel Innovatives gemacht. Allerdings hat er sich direkt und bewusst gegen Beethoven gestellt, den er als Neuerer sehr skeptisch sah. Mit seiner 3. Symphonie schrieb er nach eigener Aussage einen "Gegenentwurf" zu Beethoven. Das ist eine explizit konservative Haltung - etwas, was es zur Zeit Mozarts in der Form nicht gab. Nach Spohr und Mendelssohn war das natürlich gang und gäbe (Reinecke, Bruch, etc...).

  • Ja, und ich frage mich, ob der Begriff allgemein in der Kunst seine Berechtigung hat. Vielleicht gilt dies für "Zukunftsorientiertheit" noch weniger. Ein Werk, das "zukunftsorientiert" ist, hätte der Gegenwart nichts zu sagen.


    Lieber Heiko,


    ich stimme Deinen Ausführungen zu 100% zu!

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  • Die Titelfrage ist natürlich plakativ angelegt - man sollte sie nicht allzu wörtlich nehmen. Schliesslich wurde "konservativ" unter Apostroph gestellt.....
    Gemeint war hier, ob Mozart HEUTE als Komponist eingestuft werden kann, der - wie beispielsweise Beethoven - "revolutionär" oder wie Haydn "evolutionär" war. Es wurde weiter oben die Zauberflöte als Beispiel für eine "neuartige deutsche Oper" genannt. Hier kann ich Johannes Roehl nicht beipflichten. Derlei gab es zu Mozarts Lebzeiten "von der Stange" - allerdings ist das meist sogut wie vergessen. Daß die Zauberflöte heute noch immer gespielt wird ist dem Namen "Mozart" zu verdanken, um den sich seit 250 Jahren Legenden ranken - und natürlich der wunderbaren Musik. Wunderbare Musik muß aus meiner Sicht keine evolutionären oder revolutionären Elemente enthalten. Was mich nur wundert, ist, daß man HEUTE von anderen Komponisten immer wieder verlangt, daß sie etwas völlig Neuartiges geschrieben haben müssen um als Komponisten der ersten Reihe zu gelten. Ich denke hier an Salieri, Pleyel, Dittersdorff, Cimarosa oder Vanhal etc etc. Sie sind heute so gut wie vergessen, obwohl jeder von ihnen einige Werke geschrieben hat, die den Vergleich mit Mozart aushalten sollten, bzw zu Lebzeiten Mozart gegenüber gleichgestellt waren.......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Titelfrage ist natürlich plakativ angelegt - man sollte sie nicht allzu wörtlich nehmen. Schliesslich wurde "konservativ" unter Apostroph gestellt.....
    Gemeint war hier, ob Mozart HEUTE als Komponist eingestuft werden kann, der - wie beispielsweise Beethoven - "revolutionär" oder wie Haydn "evolutionär" war.

    Ich meine ja, dass Haydn mehr revolutionär und Beethoven sehr evolutionär gewesen ist. Und warum wird "heute" hervorgehoben? Konservativ muss doch vor dem Hintergrund ca. 1770 bis 1800 beurteilt werden. Wie schon gesagt wurde, gab es damals sehr wenige Komponisten, auf die man sinnvoll dieses Attribut anwenden könnte. Denn mit wenigen Ausnahmen musste Musik immer brandneu und auf der Höhe der Zeit sein. Es gab vermutlich niemanden, der 1780 so komponierte wie Vivaldi 60 Jahre vorher.
    Mozart hebt in einem Brief selbst hervor, wie wandlungs- und anpassungsfähig er war und sich als junger Komponist in den 1770ern auf die entsprechenden lokalen und aktuellen Stile einstellen konnte. Schon damals, erst recht aber später, hat er jedoch weit mehr geliefert als bloße Kopien. Fast immer sind Mozarts "Reaktionen" umfangreicher, komplexer und stärker emotional aufgeladen als die Einflüsse. Das hört man selbst gegenüber Meiterwerken wie Haydns op.33.


    Es fällt aber sehr schwer, Mozart irgendwo "Rückwärtsgewandheit" nachzuweisen. Die Opera seria war ja noch bis Rossini eine lebendige, wenn auch zunehmend weniger zentrale Form und Mozart hat sie, gerade im Idomeneo mit dem "modernen" Pathos der Gluckschen Opern angereichert. Die Händel-Oratorien, die er bearbeitet hat, hat er deutlich modernisiert und das gilt auch für die Anleihen, die er in der c-moll-Messe und im Requiem macht. Man kann "The people shall hear" aus Israel in Egypt und (wenn ich recht erinnnere) "Qui tollis" aus der Mozart-Messe ebenso miteinander vergleichen wie den Beginn des Requiems und die Trauerode (The ways of Zion do mourn) Händels, um zu hören, dass Mozart nicht einfach barocken Stil kopiert.



    Zitat

    Es wurde weiter oben die Zauberflöte als Beispiel für eine "neuartige deutsche Oper" genannt. Hier kann ich Johannes Roehl nicht beipflichten. Derlei gab es zu Mozarts Lebzeiten "von der Stange" - allerdings ist das meist sogut wie vergessen. Daß die Zauberflöte heute noch immer gespielt wird ist dem Namen "Mozart" zu verdanken, um den sich seit 250 Jahren Legenden ranken - und natürlich der wunderbaren Musik.

    Wir sollten uns erstmal darauf einigen, dass nicht die Zauberflöte berühmt ist, weil Mozart sie komponiert hat, sondern das Mozart berühmt ist, weil er Dinge wie die Zauberflöte komponiert hat. Um Dittersdorf könnten sich noch so viele Legenden ranken, das würde niemanden stärker für seine Musik interessieren.
    Ich bezweifle sehr stark, dass es Opern wie die Zauberflöte "von der Stange" gegeben hat. Die deutsche Oper hatte es schwer gegen die Italiener (dewegen hat der Kaiser sie ja extra fördern wollen) und die Singspiele waren fast immer weitaus schlichter gehalten. Mozart bringt schon in der "Entführung" eine konzertant-dramatische Seria-Arie (Martern) und wie in diversen Zauberflötenthreads hervorgehoben, ist diese Oper ein ganz einzigartiger Schmelztiegel divergierender Einflüsse. Fidelio und Freischütz sind m.E. ohne die Zauberflöte undenkbar (auch wenn französische Einflüsse für Beethoven und Weber ebenfalls wichtig gewesen sein mögen).

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