Schostakowitsch Dmitri: Cellokonzerte Nr.1 und 2

  • Schostakowitsch schrieb seine beiden Cellokonzerte Nr.1 Es-Dur op.107 (1959) und Cellokonzert Nr.2 g-Moll op.126 (1966) mit 7 Jahren Abstand.
    Trotz des geringen zeitlichen Abstandes haben die Werke einen großen inhaltlichen Kontrast zueinander. Während Nr.1 noch fast klassisch anmutet wirkt Nr.2 wesentlich moderner auf den Hörer.


    Ich möchte beide Werke nun nicht analysieren (das können andere hier schreiben, die sich berufen fühlen), sondern auf die wichtigsten Aufnahmen eingehen.


    In anderen Schostakowitsch – Thread´s wurden hier und da CD-Aufnahmen der Cellokonzerte angesprochen. Diese sind aber in der Menge untergegangen, weil kein Cellokonzerte – Thread da war.


    :) Meine beste Aufnahme des Cellokonzertes Nr.1 ist die Aufnahme mit Michael Chomitzer, Cello / Moskauer PH. Diese Aufnahme von 1967 schätze ich für mein Hörempfinden als die Beste ein, denn diese Aufnahme höre ich seit Jahrzehnten, auch früher schon auf einer Eurodisc – LP. Eine gewisse Prägung für diese Aufnahme ist bei mir klar gegeben. Die CD ist (seltsamerweise) eine RCA-CD mit den beiden Klavierkonzerten unter E.List gekoppelt.


    :) Die zweite zumindest von der Interpretation des Widmungsträgers Rostropowitsch fabelhafte Aufnahme ist technisch etwas veraltet und rauscht wegen des Aufnahmealters 1960:
    Es ist die CBS-CD mit M.Rostropowitsch / Philadelphia Orchestra / Eugene Ormandy. Auch diese CD enthält die beiden Klavierkonzerte mit Bernstein und Previn am Klavier.
    Die mit der Rostropowitsch / Moskauer PH gemachten Cellokonzert-Aufnahmen sind leider technisch noch unbefriedigender als die Ormandy-Aufnahme.


    :) Meine dritte Aufnahme habe ich seit dem Wochenende in der Brillant-Schostakowitsch-Concertos-3CD-Box:
    Die Cellokonzerte Nr.1 und 2 werden von
    Alexander Ivashkin, Cello / Moskau SO / Polynansky gespielt. Das sind neue Namen am Schallplattenhimmel (zumindest für mich) . Die russischen Aufnahmen von 1975 überzeugen insgesamt, wenn auch gewohnte Passagen hier und da anders klingen als in meinen bisherigen Aufnahmen. Aber durch die sehr auf Durchsichtigkeit bedachte Interpretation entdeckt man viele Neuigkeiten. Dies wird auch klanglich voll unterstützt.
    Das Cellokonzert Nr.2 ist überzeugend gespielt, doch wird nicht die Durchschlagskraft der Rostropowitsch-Ozawa-Aufnahme erreicht und das Werk wirkt in dieser Aufnahme nicht so zeitgemäß, ja modern.


    :) Das Cellokonzert Nr.2 mit M.Rostropowitsch, Cello / Boston SO / Ozawa auf DG aus den 80er Jahren ist unangefochten meine Spitzenaufnahme. Die Modernität des Werkes ist hier mit größter Schlagkraft gepaart. Auch diese Aufnahme ist seit dem Erscheinen mein Favorit (LP und CD). Rostropowitsch akzentuiert einige Passagen und das thematische Material geringfügig anders, eben eindringlicher als Ivashkin und wirkt absolut autentisch.


    Weniger gefallen hat mir in der Vergangenheit die Aufnahme der Cellokonzerte mit Schiff/M.Schostakowitsch auf Philips, die ich auch deshalb nicht besitze.


    Leider sind die TOP-Aufnahmen der Cellokonzerte mit Rostropowitsch und Chomitzer derzeit nur sehr eingeschränkt bis gar nicht und auf Umwegen über amazon erhältlich.
    Aber für den Neuling ist die Brillant – Box ein heißer TIPP.



    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Außerordentlich gut gefällt mir Maisky/Tilson Thomas bei beiden Konzerten.
    Rhythmisch, leidenschaftlich, melodiös.
    Vielleicht dem ein oder anderen nicht russisch genug klingend?
    Trotz des warm-romantischen Cello-Klangs kommen sowohl die rauhe Seite als auch die Modernität (besonders des zweiten Konzerts) der Musik zur Geltung!


  • Oh ja, Schostakowitschs Cellokonzerte, welch wundervolle Musik...
    Uneingeschränkt empfehlenswert finde ich auch die Naxos-Aufnahme mit Maria Kliegel und Antoni Wit!


  • Bei den Cellokonzerten geht mir nichts über Natalija Gutmann.
    Das erste dirigiert Kondraschin, das zweite Kitaenko - und zum Drüberstreuen gibt's noch einen faszinierenden Schnittke. Ich habe bis jetzt keine Einspielung gefunden, die ähnlich emotional und dabei doch diszipliniert ist.

    ...

  • Schiff/Maxim Schostakowitsch ist nun wiederveröffentlicht ("Originals") worden. Wolfgang sagt oben nur, dass sie ihm nciht so gefallen hat...kann jemand näheres dazu sagen?
    (mir liegt nämlich Schiffs eher schlanker Celloton wesentlich mehr als zB Rostropowitsch)


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Edwin,


    ich habe Natalia Gutman um 1998 (?) mit dem ersten Cellokonzert in Hamburg unter Leitung von Paavo Berglund erlebt und möchte Dir beipflichten. Obwohl Schostakowitsch nicht zu jenen Komponisten gehört, deren Werke sich bei mir uneingeschränkt positiver Wertschätzung erfreuen, hat mich das erste Cellokonzert mit Gutman damals überzeugt.
    Das es Tonaufnahmen gibt, wußte ich nicht, daher vielen Dank für den Hinweis. Das sie es mit Kondraschin am Pult aufgenommen hat, ist für mich ein Grund mehr, mal wieder einen Schostakowitsch-Versuch zu wagen.


    Gruß


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Schiff/Maxim Schostakowitsch ist nun wiederveröffentlicht ("Originals") worden. Wolfgang sagt oben nur, dass sie ihm nciht so gefallen hat...kann jemand näheres dazu sagen?
    (mir liegt nämlich Schiffs eher schlanker Celloton wesentlich mehr als zB Rostropowitsch)


    viele Grüße


    JR


    Hallo JR,


    gerade höre ich die Schiff-Aufnahme



    und sehe ich deine Frage.


    Wolfgangs Geschmack dürfte dir bekannt sein. Bei Schostakowitsch ist er meinem - und dem von jedem anderen Schostakowitsch-Liebhaber, traue ich mich hinzuzufügen - sehr ähnlich. Bildlich (und verallgemeinernd) gesprochen geht es darum, dass in den Werken Schostakowitschs vor dem geistigen Auge des Hörers ein brodelnder Topf zu sehen sein sollte. Den Deckel dieses Topfes schiebt Schostakowitsch typischerweise irgendwann einmal zur Seite und eröffnet dem Hörer so einen Blick in den Höllenpfuhl - mit der Folge des Aufruhrs, des wilden Höhepunktes. Überwiegend ist der Deckel nur einen Spalt geöffnet, gerade soviel, dass dem Topf unheilschwangere Blitze entzucken können.


    Entsprechend möchten Wolfgang und ich unseren Schostakowitsch hören, verlangen wir bei diesen Blitzen und Höhepunkten Attacke, Schärfe, Bissigkeit, Härte, Emotionalität - nicht umsonst rühmt Edwin an der Gutman-Aufnahme gerade Letztere.


    Schiff und M. Schostakowitsch liefern uns das Gewünschte nicht oder besser kaum. Das Spiel von Schiff ist beeindruckend, technisch - soweit ich das beurteilen kann - hervorragend und, ja, auch gerade im Vergleich zu Rostropowitsch schlank. Nur fehlt eben das oben Beschriebene, die Attacke, Schärfe... Man nennt eine solche Einspielung gerne sachlich.


    Anders als Wolfgang höre ich die Schiff-Einspielung gleichwohl dann und wann gerne. Aber eben nur, wenn ich in der richtigen Stimmung bin.


    Es gibt viele Hörer, denen Schostakowitschs Musik zu drastisch, zu hart ist. Für diese Hörer ist die Schiff-Einspielung optimal. Die anderen greifen zu den Russen.


    Andreas
    Es gibt sogar zwei Aufnahmen mit Gutman. Im Jahre 1988 hat sie die Konzerte im Studio unter Temirkanov aufgenommen (nur noch antiquarisch, ich kenne die Aufnahme nicht):



    Viele Grüße
    Thomas

  • Zitat

    Johannes Roehl Schiff/Maxim Schostakowitsch ist nun wiederveröffentlicht ("Originals") worden. Wolfgang sagt oben nur, dass sie ihm nciht so gefallen hat...kann jemand näheres dazu sagen?
    (mir liegt nämlich Schiffs eher schlanker Celloton wesentlich mehr als zB Rostropowitsch)


    Unbedingte Kaufempfehlung!


    Die besten Schostakowitsch- Cellokonzerte, natürlich nur meiner Meinung nach, auch was den Celloton anbelangt....
    :hello:

  • Hallo Schostakowitsch - Freunde,


    im April wurde eine SONY-Neuauflage des Cellokonzertes Nr.1 (mit Sinfonie Nr.1) mit dem Widmungsträger Mstislav Rostropowitsch / Philadelphia Orchestra / Eugene Ormandy (CBS, 1959, AAD).
    wegen der Klang-Qualität der SONY-Neuauflage empfohlen:



    SONY, 1959/60, ADD


    :!: Wegen der angepriesenen Bewertung Klang/Interpretation 10/10 kaufte ich diese CD. Vom Klang her kann man sagen, das diese diesesmal keine großen Verbesserungen gegenüber der alten CBS-CD-Version bietet; bis auf ein etwas geringeres Rauschen, das etwas reduziert werden konnte. Ein leichtes Gefühl, ob da noch mehr reduziert wurde und das Cello bei CBS nicht noch etwas prägnanter tönte, bleibt bei mir zudem auch noch ...
    Mit anderen Worten: Der Neukauf wäre eigendlich nicht nötig gewesen, da die CBS-CD bereits alles lieferte, was man als Hörer dieser favbelkhaften Studioerstaufnahme wünscht !
    Der Klang ist gut - aber eine Bewertung mit 9 halte ich für den realistischeren Wert.


    :!: Die Sinfonie Nr.1 unter Ormandy; 1960 aufgenommen ist nun interessant.
    Eine sehr detailreiche Aufnahme, die sogar Stellen liefert, die ich bisher nicht so klar in Details hörte. Aber insgesamt bleibt mir Ormandy in seiner Interpretation zu klassisch, oft zu emotionslos. Die geniale Paukenstelle im 4.Satz klingt harmlos artig und wühlt den Hörer kein bischen auf. Die Pauken werden im Vergleich dort nur angetippt !
    :thumbup: Man höre dagegen die absolute Referenz Kondrschin (AULOS/Melodiya) und auch im 4.Satz niederschmetternd - Roshdestwensky (Eurodisc).


    Wer die CBS-Version besitzt braucht sich die Sony-Neuauflage (auch wegen der Sinfonie Nr.1) nicht unbedingt zu kaufen, denn mit dieser Kopplung mit den beiden KK ist man weit interessanter bedient:



    CBS, 1959-60, AAD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Rostropowitsch sagte in einem Meisterkurs zu einem Schüler, in dem das erste Cellokonzert einstudiert wurde, dass im letzten Satz das Cello wie ein Maschinengewehr tönen müsse. Ich erinnere mich an diese Aussage des Widmungsträgers und bin beim Anhören meiner Aufnahmen immer daran erinnert.
    Für mich zählt der mit Cadenza überschriebene Satz zum Ergreifendsten, das ich aus dem Werk Schostakowitschs kenne. Der private, zurückgenommene Ton dieser Solostelle berührt mich zutiefst.



    Ich bin gespannt auf die Interpretation von Natalia Gutman in den Aufnahmen mit Kondrashin und Kitajenko. Das in dieser CD enthaltene Cellowerk Dialog für Violoncello und 7 Instrumente von Alfred Schnittke aus dem Jahr 1965 macht mich neugierig.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Zitat

    Für mich zählt der mit Cadenza überschriebene Satz zum Ergreifendsten, das ich aus dem Werk Schostakowitschs kenne.


    Hallo Moderato,


    das trifft meiner Empfindung nach auch auf die Kandenz des VC Nr.1 (vor dem 4.Satz) zu.


    Die Kondraschin/Kitaenko-Aufnahmen mit Gutmann sollen laut zahlreicher Kritiken wirklich hervorragend sein.
    Das Kondraschin den Orchesterpart wunschgemäß abliefert, würde ich als selbstverständlich erachten.



    :!: In diesem Punkt steht ihm Roshdestwensky nicht nach:
    Die Aufnahme des Cellokonzertes Nr.1 mit Michael Chomitzer, Großes RSO der UDSSR Moskau, Roshdestwensky (RCA-CD, Melodiya.-Aufnahme 1978, ADD)
    ist orchestral mit dem fabelhaft russischen Orchestersond wirklich vorbildlich und läßt die meisten Anderen viel zu braven Aufnahmen wie im Nebelfeld zurück.
    *** Vom Cellopart, der durch Chromitzer auch meisterlich erfolgt, kann man geteilter Meinung sein:
    Unser ehemaliger Cellospezialist Michael Schlechtriem teilte mir mit, dass er auch den Orchesterpart, was das Dirigat angeht auch richtig gut findet, aber der Cellopart hat für ihn einen ziemlich hässlichen Sound ...


    Nunja, diese CD ist derzeit ohnehin vergriffen.
    Diese RCA-CD enthält darüberhinaus auch die besten Aufnahmen der Klavierkonzerte Nr.1 und 2 mit Eugen List / RSO der UDSSR Moskau / Maxim Schostakowitsch von 1975 !


    Eine Labelpolitik ist das ???
    Diese fabelhaften KK-Aufnahmen von Melodiya habe ich auch auf einer alten CBS-LP. Das Cellolonzert 1 mit Chromitzer zuvor auf einer Eurodisc-LP ! Jetzt alles als CD auf RCA !


    Die 5€-CD sieht so aus:



    RCA, 1975 (KK), 1968 (CC1), ADD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang