Wenn ein italienischer Kontrabassist eine Engländerin heiratet, so werden daraus offenbar hübsche Musiker:
Stephen Storace
[1762-1796]
Am 4. April 1762 erblickte Stephen Storace in London das Licht der Welt. Sein frühes Talent, wohl auch durch den musikalischen Vater entdeckt und gefördert, war für die Eltern Anlass genug, Stephen Storace 1776 nach Neapel zu schicken, um dort am Conservatorio San Onofrio zu studieren. Etwa 1784 hielt sich Stephen Storace in Wien auf, wo er natürlich Wolfgang Amadeus Mozart kennen lernte und einige Zeit dessen Schüler sein durfte. Aus dieser Zeit stammt sein Sextett G-Dur für Pianoforte, Flöte, 2 Violinen, Viola und Violoncello. Interessanter Weise beauftrage Kaiser Joseph II. den gerade 22jährigen Italo-Briten, zwei Opern für Wien zu komponieren: Zunächst die Opera buffa Gli sposi malcontenti auf ein Libretto von S. Brunati, welche am 01. Juni 1785 in wien uraufgeführt wurde. Es folgte eine Zusammenarbeit mit Lorenzo da Ponte: Daraus entstand die Oper Gli equivoci, welche am 27. Dezember 1786 [ebenfalls in Wien] uraufgeführt wurde.
Es folgten weitere Opern, die nach seiner Rückkehr nach London 1787 zunächst im Haymarket theatre aufgeführt wurden. Darunter befinden sich teilweise auch keine rein von Storace stammenden Opern, sondern solche, deren Musik zu einem Drittel aus Martín y Solers Una cosa rara oder Carl Ditters von Dittersdorfs Doktor und Apotheker besteht und deren übrige zwei Dittel Storace beisteuerte. Allerdings tat sich der Komponist in London recht schwer, denn von der italienischen Operngesellschaft wurde grundsätzlich jeder nicht unmittelbar aus Italien stammende Tonsetzter abgelehnt. Dennoch fand sich ein Gönner, der Storace und seine Musik zu schätzen wusste: Drury Lane. Er nahm Storace in seinen Dienst als Hauskomponist und verfügte netter Weise über ein eigenes Theater. Storace hatte Gelegenheit, eigene Kompositionen sowie die von Wien mitgebrachten Arbeiten des Freundes und Lehrers Mozart [Rondo für Klavier solo in F-Dur KV 494 sowie das Klaviertrio G-Dur KV 564] im Eigenverlag zu veröffentlichen.
Als herausragende Sängerin wurde er bei seinen Opernprojekten von seiner Schwester Anne Seline Storace, genannt Nancy, unterstützt.
Nancy Storace
[1765-1817]
Die Schwester wurde am 27. Oktober 1765 ebenfalls in London geboren. Durch ihre über den Kanal schwappenden großartigen Sangesleistungen wurde sie im Alter von 19 Jahren bereits nach Wien verpflichtet, wohin sie zusammen mit ihrem komponierenden Bruder reiste. Dort sang sie u.a. auch die erste Susanna in Mozarts Le Nozze di Figaro. Der begeisterte Mozart plante aber bereits vor dem großen Figaro eine Oper, in der die damals als Madame Fischer verheiratete Nancy Storace neben Salieris angebeteter Cavallieri singen sollte: Lo sposo deluso, vermutlich auf ein Libretto von Lorenzo da Ponte.
Während der Uraufführung der Oper Gli sposi malcontenti am 1. Juni 1785 hatte die Sopranistin ihre Stimme völlig verloren. Am 26. September 1785 vermeldet aber das Wienerblättchen:
Über die glückliche Genesung der beliebten Virtuosin Madame Storace hat der k.k. Hoftheaterpoet Abb. da Ponte ein italiänisches Freundenlied angefertigt: 'Per la ricuperata salute di Ophelia'. Dieses ist von den berühmten drei Kapellmeistern Salieri, Mozart und Cornetti in die Musik zu singen beim Clavier gesetzt worden und wird in der Kunsthandlung von Artaria & Comp. auf dem Michelerplart um 17x verkauft.
Das Köchelverzeichnis nennt diese Komposition mit einem Drittel Anteil von Mozart unter KV 477a leider als verschollen.
Wenig später komponiert Mozart die berühmte und herzzerreißende Scena con Rondo mit Klavier solo. für Mad.elle Storace und mich.: Ch'io mi scordi di te? [...] Non temer, amato bene... KV 505.
Stephen Storace starb am 19. März 1796 in London, seine Schwester am 24. August 1817 daselbst.
Leider sind von Storaces Opern nur die beiden in Wien aufgeführten Opern in Handschrift erhalten, von den Londoner Opern existieren weder Handschriften, Kopien noch Drucke. Es wird höchste Eisenbahn, dass beide Opern bald eingespielt werden.
Das nach meinem Kenntnisstand einzige je eingespielte Werk Storaces ist das oben erwähnte Sextett G-Dur, welches auf dieser CD enthalten ist:
[jpc]6996709 [/jpc]
Das Werk erinnert deutlich an Mozarts erste offizielle Violinsonate G-Dur KV 301. Das Werk ist viersätzig:
I Adagio con espressione
II Allegro con spirito
III Minuetto
IV Fantasia - Andante con moto
Ich habe die Zartheit und teilweise Volkstümlichkeit in Verbindung mit Klaviervirtuosität sehr liebgewonnen.
Auf der CD sind daneben noch jeweils ein Werk von weiteren Schülern Mozarts, namentlich: Thomas Attwood [1765-1835], Franz Xaver Süßmayr [1766-1803] und Franz Jakob Freystädtler [1761-1841] enthalten, die ebenfalls sehr hörenswert sind. Mehr dazu in separaten Threads.
Leider wird der Thread in Ermangelung von Einspielungen wohl noch ein paar Jahre ruhen [und reifen] müssen. "Mozart-Zeitgenossen"-Freunde sollten aber ob des sehr günstigen Preises mit dem Erwerb dieser CD nicht lange zögern...
Viele Grüße
Ulli